Presseschau, 3. Kalenderwoche 2021

Verfassungsschutz-Entscheidung naht, Kalbitz bleibt draußen, Moosdorf nominiert, Kandidatur in Bad Gottleuba-Berggießhübel, Kritik an Landesparteitag in Dresden, kaum Neumitglieder in Sachsen, Berliner Geheimpapier durchgestochen, Verluste in Mecklenburg-Vorpommern, Stimmenkauf, Poggenburg scheitert, „versehentlicher“ Austritt, Neonazi als Mitarbeiter, WerteUnion ohne Union, Paulenz beim Flügel. Das war diese Woche wichtig:


In der Presseschau informiert idas jeden Sonntag über lesenswerte Medienberichte und Recherchen rund um die AfD, die im Laufe der Woche erschienen sind.


Top Stories

Voraussichtlich am Dienstag werden die Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder eine gemeinsame Entscheidung über den künftigen Umgang mit der AfD treffen. Ein Beschluss soll bei der turnusmäßigen Amtsleitertagung fallen, die pandemiebedingt als Videokonferenz stattfindet. Beobachter*innen gehen davon aus, dass die Partei bundesweit zum rechtsextremistischen Verdachtsfall erklärt wird und damit künftig der nachrichtendienstlichen Beobachtung unterliegt. Für diesen Schritt setzt sich das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) ein, gestützt auf ein Gutachten im Umfang von rund 1.000 Seiten. Es wird aktuell noch durch das Bundesinnenministerium juristisch geprüft. Unklar ist derzeit, ob die nahende Entscheidung auch öffentlich bekanntgegeben wird.

Die AfD will das in letzter Minute verhindern. Am Donnerstag reichte die Partei beim Verwaltungsgericht Köln – am Amtssitz des BfV – zwei Klagen und zwei Eilanträge ein. Damit soll es der Behörde zumindest vorläufig untersagt werden, die Partei als Verdachtsfall einzustufen und darüber öffentlich zu berichten. Zudem sollen Angaben über den verfassungsfeindlichen Flügel und die mutmaßliche Zahl seiner Anhänger*innen unterbunden werden. Bereits am Montag wird eine Zwischenentscheidung des Gerichts erwartet, ein sogenannter Hängebeschluss. Im Erfolgsfall könnte die AfD, die mit der Chancengleichheit der Parteien argumentiert, eine Behördenentscheidung zumindest hinauszögern. Das BfV hatte Unterlassungserklärungen, die am Mittwoch durch die Kanzlei Höcker im Auftrag der AfD zugestellt wurden, nicht unterzeichnet. (↪ Welt, 20.01., ↪ Tagesschau, 22.01., ↪ SZ, 22.01., ↪ RND, 22.01., ↪ Spiegel, 22.01., ↪ Spiegel, 22.01., ↪ Tagesspiegel, 23.01., ↪ LTO, 23.01.)


Der Neonazi Andreas Kalbitz kann vorerst nicht in die AfD zurückkehren. Das hat der 7. Zivilsenat des Kammergerichts Berlin am Freitag nach rund einstündiger mündlicher Verhandlung entschieden und damit die Berufung des 48-Jährigen gegen eine Entscheidung des Landgerichts Berlin vom August 2020 abgelehnt. Damals war ein Eilantrag auf vorläufigen Rechtsschutz abgewiesen worden, mit dem Kalbitz erreichen wollte, bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren sein Parteibuch zurückzuerhalten. Im Erfolgsfall wäre er automatisch wieder Landesvorsitzender in Brandenburg und Mitglied des Bundesvorstands. Doch der Senat unter Richter Wolfgang Haferanke schloss sich der Sicht der Vorinstanz an: Staatliche Gerichte können innerparteiliche Vorgänge nur eingeschränkt prüfen. „Evidente Mängel“ oder gar eine missbräuchliche Entscheidung des Bundesschiedsgerichts der AfD, das die Annullierung der Mitgliedschaft bestätigt hatte, seien jedenfalls nicht zu erkennen. Kalbitz erschien nicht selbst vor Gericht, er schickte seinen Anwalt Andreas Schoemaker. Dieser lehnte nach einem Telefonat mit seinem Mandanten ein Vergleichsangebot des Richters ab, auf eine Entscheidung zu verzichten und stattdessen alle seit 2013 gezahlten Mitgliedsbeiträge zurückzuerhalten.

Aus Sicht der AfD-Bundesspitze hatte Kalbitz bei seinem Beitritt verschwiegen, dass er vormals Mitglied der „Republikaner“ war und sich bei der 2009 verbotenen Neonazi-Organisation „Heimattreue Deutsche Jugend“ engagierte. Mit dem Ergebnis zeigte sich Schoemaker „nicht zufrieden“, Kalbitz wolle das Verfahren „bis zum Ende durchziehen“, also bis zum Bundesgerichtshof oder gar bis zum Bundesverfassungsgericht bringen – doch das wird Jahre dauern. Kalbitz selbst erklärte im Nachgang, das neue Urteil sei „nur ein verlorenes Gefecht in einer laufenden Operation“. Derzeit steht das Hauptsacheverfahren am Landgericht Berlin aus, das zu eröffnen Kalbitz nach eigenen Angaben bereits im Oktober vergangenen Jahres beantragt hatte. Doch ein Termin ist nicht in Aussicht – möglicherweise weil eine fällige Gerichtsgebühr nicht bezahlt wurde. (↪ Tagesschau, 22.01., ↪ RBB, 22.01., ↪ RND, 22.01., ↪ Zeit, 22.01., ↪ Spiegel, 22.01., ↪ MAZ, 22.01., ↪ SZ, 22.01.)

AfD in Sachsen

Für die Bundestags-Direktkandidatur im Wahlkreis 165 hat die Zwickauer AfD bei einem Kreisparteitag am Samstag der Vorwoche überraschend den Musiker Matthias Moosdorf nominiert. Bereits in einer ersten Abstimmungsrunde unter den 85 Anwesenden setzte sich der 55-Jährige mit 47 Stimmen gegen die drei Mitbewerber Frank Trenkler, Kay-Uwe Klepzig und Jonas Dünzel durch. Nur Dünzel wohnt im Wahlkreisgebiet. Moosdorf ist Mitarbeiter des bayrischen AfD-Bundestagsabgeordneten Martin Hebner und Mitglied des sächsischen Landesvorstands. Wie die Freie Presse berichtet, soll Moosdorf, der bis 2019 Mitglied des bekannten Leipziger Streichquartetts war, angekündigt haben, im Falle eines Wahlsiegs seinen Wohnsitz von Leipzig in den Landkreis Zwickau zu verlegen. Nach idas-Informationen befindet sich Moosdorfs Hauptwohnsitz jedoch im Landkreis Nordsachsen. (↪ FP, 18.01.)


Zur kommenden Bürgermeister*innenwahl in Bad Gottleuba-Berggießhübel (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) wird für die AfD der Bundespolizist Michael Ullmann antreten, der auch im Kreistag und im Gemeinderat seines Wohnortes Müglitztal sitzt. Wie jetzt erst bekannt wurde, ist er bereits Ende Dezember nominiert worden. Interesse an einer Kandidatur hat auch Andre Webersen bekundet. Er war für die AfD in den Stadtrat eingezogen, trat aber im September aus der Partei aus. Als Parteiloser muss er 60 Unterstützungsunterschriften sammeln. Das gilt auch für eine dritte mögliche Kandidatin, Madlen Rätze, die vorübergehend der CDU angehörte. Als Amtsverweserin des Ortes führt sie kommissarisch die Geschäfte des Anfang 2019 gewählten Bürgermeisters Christian Walter fort. Dessen Rückzug ist der Grund für die anstehende Wahl, die am 18. April stattfinden wird. Ein eventuell erforderlicher zweiter Wahlgang könnte am 9. Mai folgen. Im aktuellen Jahr stehen Bürgermeister*innen-Wahlen in insgesamt 26 sächsischen Gemeinden an. Bei sämtlichen Kommunalantritten im vergangenen Jahr war die AfD erfolglos geblieben. (↪ Sächsische, 18.01., ↪ Sächsische, 20.01., ↪ Sächsische, 22.01.)


Das Chemnitzer Stadtratsmitglied Paul Günter Steuer, der 2019 für die AfD in das Kommunalgremium eingezogen war, fühlt sich der neonazistischen „Pro Chemnitz“-Fraktion nach eigenen Angaben „sehr nahe“. Steuer war im Frühjahr vergangenen Jahres erst aus der AfD-Fraktion und dann auch aus der Partei ausgetreten. Einen Übertritt zu „Pro Chemnitz“ erwäge er derzeit zwar nicht, sagte Steuer der Chemnitzer Morgenpost. Er stehe der Gruppe um den Szeneanwalt Martin Kohlmann aber näher als der AfD. Erst vor kurzem war Diana Rabe, die ebenfalls für die AfD in den Stadtrat eingezogen war, zur „Pro Chemnitz“-Fraktion gewechselt, die damit fünf Mitglieder hat. Sollte künftig Steuer gemeinsam mit der Lokalpartei stimmen, hätte sie das gleiche Stimmgewicht wie die SPD. (↪ TAG24, 19.01.)


Unter den rund 30 Protestierenden, die sich kürzlich ohne Anmeldung vor dem Privatgrundstück des sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer versammelt haben, befand sich auch ein Mandatsträger der AfD. Nach Recherchen des MDR-Magazins „Exakt“ handelt es sich um Steffen Kern, der für die Partei im Stadtrat von Zittau (Landkreis Görlitz) sitzt. Auf Nachfrage des Magazins bestritt Kern zunächst eine Beteiligung, räumte seine Anwesenheit dann aber ein. Verabredet hatte sich die Gruppe, die der „Querdenken“-Bewegung und teils den Reichsbürgern nahesteht, in einem Telegram-Chat. (↪ MDR, 20.01.)


Der AfD-Kreisverband Görlitz hat im vergangenen Jahr keine Mitglieder hinzugewonnen. Derzeit verfügt die Partei im Kreisgebiet nach eigenen Angaben über 258 Mitglieder, ein Jahr zuvor waren es 260 gewesen. Rund 30 Prozent davon leben in der Stadt Görlitz. Der Kreisverband ist in Sachsen der zweitgrößte nach Dresden. (↪ Sächsische, 20.01.)


Der geplante Landesparteitag der sächsischen AfD, der am ersten Februarwochenende auf der Messe Dresden stattfinden soll, sorgt weiter für Kontroversen. Bei dem Treffen will die Partei im Beisein hunderter Mitglieder ihre Liste für die kommende Bundestagswahl aufstellen. Kommunalpolitiker*innen anderer Parteien kritisierten den Zeitpunkt der Veranstaltung während der Hochphase der Pandemie und verlangen eine Verschiebung. Die AfD hält jedoch an dem Termin fest. Parteisprecher Andreas Harlaß versicherte gegenüber den Dresdner Neuesten Nachrichten, dass man Ordner einsetzen werde, um Mindestabstände und Maskenpflicht zu gewährleisten. Zudem werde ein Hygienekonzept erarbeitet, erwogen werde unter anderem, am Eingang die Körpertemperatur aller Besucher*innen zu messen. Unklar ist indes, welche Stelle für etwaige Kontrollen zuständig ist. Dem Wortlaut der derzeit gültigen Corona-Schutzverordnung nach muss vorab weder ein Hygienekonzept genehmigt werden, noch sind Überprüfungen der Umsetzung zwingend. Das Ordnungsamt der Landeshauptstadt hat nach Angaben der Sächsischen Zeitung angekündigt, Kontrollen „im Umfeld des Landesparteitags“ durchzuführen. Eine schärfere Auffassung vertritt das Sozialministerium. Demnach sei es den örtlichen Gesundheitsämtern möglich, zusätzliche Schutzmaßnahmen anzuordnen, etwa Corona-Schnelltests. (↪ DNN, 20.01., ↪ Sächsische, 22.01., ↪ DNN, 23.01.)


Die sächsische AfD-Landtagsfraktion will vorläufig darauf verzichten, die Einrichtung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Corona-Krisenmanagement der Landesregierung nach brandenburgischem Vorbild zu beantragen. Das erklärte der Fraktionsvorsitzende Jörg Urban gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Seine Fraktion wolle zunächst den weiteren Verlauf der Krise und den Ausgang verschiedener anhängiger Klagen abwarten. (↪ FP, 22.01.)


Die sächsische AfD verfügt derzeit nach eigenen Angaben über 2.644 Mitglieder. Es ist das erste Mal, dass der Landesverband öffentlich Angaben über seinen Mitgliederbestand im Jahr 2021 macht. Anfang 2020 waren es 2.613 Mitglieder gewesen, damit wuchs der Landesverband zuletzt kaum noch. Offizieller Grund: Der Ausschluss von rund 250 Mitgliedern, die „über mehrere Jahre“ keine Beiträge zahlten. Über die stagnierende Entwicklung hatte idas zuerst berichtet. (↪ Sächsische, 23.01.)

AfD rundherum

Zum Jahrestag der Bombardierung Magdeburgs hat sich der sachsen-anhaltische Landesverband der Jungen Alternative einer in der rechten Szene geläufigen Parole bedient. Auf einem Kranz, der am Samstag der Vorwoche an einer Gedenkstätte niedergelegt wurde, ist von „alliiertem Bombenterror“ die Rede – „ein Ausdruck, den auch Neonazis gern nutzen“, wie die Zeit notiert. (↪ Zeit, 17.01.)


Die AfD hat abermals ein sofortiges Ende der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie gefordert. Das ist der Inhalt eines Vier-Punkte-Papiers, das die Fraktionen aus Bundestag und den Landesparlamenten am Dienstag vorlegten, noch bevor die Ergebnisse der Ministerpräsident*innen-Konferenz bekannt wurden. Insbesondere fordert die Partei eine „unverzügliche Öffnung“ zahlreicher Einzelhandelsgeschäfte sowie von Kultur- und Bildungseinrichtungen. Überraschend: Anders als bisher werden keine generellen Vorbehalte gegen das Impfprogramm mehr formuliert. Stattdessen fordert die AfD, dass die Bundesregierung „zeitnah eine ausreichende Menge an Impfdosen und Medikamenten zur Verfügung“ stellt. Derweil wenden sich die Wähler*innen der AfD unverändert deutlich gegen den Lockdown: Von ihnen geben in einer aktuellen repräsentativen Umfrage des Forsa-Instituts 57 Prozent an, dass die Maßnahmen zu weit gehen würden. Dieser Auffassung ist nur ein Viertel der Gesamtbevölkerung. Die Befragten sind generell gespalten in der Frage, ob eine Homeoffice-Pflicht angeordnet werden sollte: 48 Prozent sind dafür, 47 Prozent dagegen. Unter den Wähler*innen der AfD sprechen sich jedoch 85 Prozent dagegen aus. (↪ RND, 19.01., ↪ Welt, 19.01., ↪ RND, 21.01.)


Der AfD-Landesverband Mecklenburg-Vorpommern wird seinen für 6. und 7. Februar geplanten Landesparteitag voraussichtlich nicht durchführen können. Treffen wollte sich die Partei mit mehreren hundert Teilnehmenden im Jahnsportforum Neubrandenburg, geplant ist unter anderem die Aufstellung der Landeslisten zur Landtagswahl und zur Bundestagswahl. Doch eine Tochterfirma der Stadt, die für die Verwaltung zuständig ist, verweigert die Anmietung. Zwar sind in dem Bundesland Parteiveranstaltungen ausnahmsweise erlaubt, wenn sie unaufschiebbar sind. Doch nach Ansicht der Stadt hat die AfD die Dringlichkeit nicht dargelegt und besteht zudem auf mehr als die maximal 100 Gäste, die das Jahnsportforum derzeit aus Infektionsschutzgründen betreten dürfen. Bereits Anfang November fiel ein AfD-Landesparteitag aus, der am gleichen Ort stattfinden sollte. Diesmal klagt die Partei, am Dienstag wandte sie sich an das Verwaltungsgericht Greifswald und betreibt dort ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren gegen Silvio Witt, den parteilosen Oberbürgermeister Neubrandenburgs. (↪ Nordkurier, 20.01., ↪ Zeit, 21.01.)


Der Berliner AfD ist offenbar ein internes Dokument des dortigen Landesamtes für Verfassungsschutz zugespielt worden, dem zufolge keine ausreichenden Informationen vorlägen, um den Landesverband der Partei als Verdachtsfall einzustufen. Zuerst berichtete die AfD-nahe Wochenzeitung Junge Freiheit über den Inhalt des als „Verschlusssache“ eingestuften 43-seitigen Dossiers. Es handelt sich um den Entwurf eines Zwischenberichts der Behörde zur laufenden Prüffallbearbeitung, nicht aber um eine abschließende Entscheidung. Der Berliner AfD-Fraktionsvorsitzende Georg Pazderski unterstellte, dass Innensenator Andreas Geisel (SPD) den Verfassungsschutz angewiesen habe, den Bericht „umzuschreiben“. Die Senatsinnenverwaltung bestreitet das und erstattete Strafanzeige gegen Unbekannt wegen des Verdachts des Verrats von Dienstgeheimnissen. Medienberichten zufolge könnte ein als „Maaßen-Typ“ bezeichneter Beamter den Bericht an die AfD durchgestochen haben. Der zuständige Leiter des Referats „Rechtsextremismus“ wurde inzwischen vom Dienst freigestellt. Einen direkten Bezug zu dem Vorhaben des Bundesamtes für Verfassungsschutz, die gesamte AfD als Verdachtsfall einzustufen, hat der Vorgang nicht. (↪ Welt, 20.01., ↪ Tagesspiegel, 20.01., ↪ Berliner Zeitung, 20.01., ↪ Berliner Zeitung, 21.01., ↪ TAZ, 22.01., ↪ Tagesspiegel, 22.01., ↪ Berliner Zeitung, 22.01., ↪ Berliner Morgenpost, 22.01., ↪ TAZ, 22.01., ↪ Tagesspiegel, 23.01.)


Rund acht Monate vor der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern muss die Nordost-AfD einer neuen Umfrage zufolge mit erheblichen Verlusten rechnen. Nach einer repräsentativen Erhebung des Forsa-Instituts würden derzeit 14 Prozent der Wähler*innen die Partei wählen. Zur letzten Wahl 2016 war die AfD in dem Bundesland auf 20,8 Prozent der Zweistimmen gekommen. Mit der Arbeit von Nikolaus Kramer, dem AfD-Fraktionsvorsitzenden in Schwerin, sind sogar nur sechs Prozent der Befragten zufrieden. Er will trotzdem Spitzenkandidat werden. (↪ NDR, 21.01.)


Ein AfD-Funktionär aus Mecklenburg-Vorpommern steht im Verdacht, versucht zu haben, Stimmen für die bevorstehende Aufstellung der Landtagswahl-Liste der Partei zu verkaufen. Das ergibt sich aus Unterlagen, die dem Landesvorstand vorliegen und über die zuerst die Ostsee-Zeitung berichtete. Demnach soll Philip Steinbeck, stellvertretender Vorsitzender des AfD-Kreisverbands Südwestmecklenburg, im Juli 2020 mindestens zwei anderen Mitgliedern für kommende Nominierungen dutzende Stimmen aus seinem Verband in Aussicht gestellt haben. Dafür sollten die beiden Mitglieder zusammen 10.000 Euro in bar an Steinbeck übergeben. Drei Personen bezeugen dies schriftlich. Der Landesvorstand erklärte, dass die Vorwürfe „intensiv geprüft“ werden. Steinbeck, der alles abstreitet, steht am äußersten rechten Rand der Partei und war Unterstützer des ehemaligen AfD-Landessprechers Dennis Augustin. Dieser musste die Partei verlassen, weil er eine frühere Zugehörigkeit zur NPD verschwiegen hatte. (↪ Ostsee-Zeitung, 21.01.)


Drei Abgeordnete der Berliner Bezirksverordnetenversammlung Treptow-Köpenick sind aus der AfD-Fraktion ausgetreten. Es handelt sich um Uwe Dolling, bisher Vorsitzender des Haushaltsausschusses, sowie Bernd Stahlberg und André Bügel. Dolling hat zugleich die Partei verlassen. Zuvor waren die drei Politiker bei der Nominierung von Kandidierenden für die kommende BVV-Wahl nicht erneut aufgestellt oder auf aussichtlose Plätze gesetzt worden. Bei den Nominierungen für die Abgeordnetenhauswahl waren sie ebenfalls erfolglos. Trotz der Austritte stellt die AfD in Treptow-Köpenick unverändert die drittstärkste Fraktion. (↪ Tagesspiegel, 21.01.)


Das hessische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) muss Angaben über die AfD im Jahresbericht der Behörde vorerst nicht schwärzen. Das hat das Verwaltungsgericht Wiesbaden bereits in der vergangenen Woche in einem Eilverfahren entschieden, das durch den Landesverband der Partei angestrengt worden war. In dem Bericht wurden erstmals Angaben über den verfassungsfeindlichen Flügel als rechtsextremistische Teilstruktur der AfD gemacht, dem dort nach amtlicher Schätzung rund 600 Personen zugerechnet werden. Aus Sicht der Partei handelt es sich um eine unwahre Behauptung, die öffentliche Darstellung sei zudem – im Vorfeld anstehender Kommunalwahlen – ein unzulässiger Eingriff in den demokratischen Willensbildungsprozess. Das LfV Hessen verwies hingegen auf Eigenangaben der Partei, aus denen sich Anhaltspunkte für die Stärke des Flügels ergeben. Dem folgte das Gericht und lehnte den beantragten Erlass einer einstweiligen Verfügung ab. Anhängig bleibt ein Hauptsacheverfahren, für Mitte März ist eine mündliche Verhandlung vorgesehen. (↪ FAZ, 21.01., ↪ Hessenschau, 22.01.)


Die sachsen-anhaltische AfD hat an diesem Samstag die Aufstellung ihrer Landesliste zur kommenden Landtagswahl fortgesetzt. Für einen dazu nötigen Landesparteitag treffen sich derzeit mehrere hundert Mitglieder auf der Magdeburger Messe. Kurz vor Weihnachten waren lediglich die ersten fünf von insgesamt 40 vorgesehenen Listenplätzen vergeben worden, als Spitzenkandidat wurde damals der aktuelle Fraktionsvorsitzende Oliver Kirchner gewählt. Im Vorfeld des erneuten Treffens sorgte die Nachricht für Aufsehen, dass André Poggenburg eine Kandidatur auf der AfD-Landesliste anstrebt. Der frühere Landes- und Fraktionschef, der auch Mitgründer des völkisch-nationalistischen Flügels war, hatte die Partei Anfang 2019 verlassen, seither ist er fraktionsloser Abgeordneter im Landtag. Am Samstagabend bewarb er sich dann um Platz 15, unterlag aber klar. Die Nominierungen werden am heutigen Sonntag fortgesetzt. (↪ MZ, 21.01., ↪ Volksstimme, 22.01., ↪ MZ, 22.01., ↪ Spiegel, 22.01., ↪ MZ, 23.01.)


Der sachsen-anhaltische Landtagsabgeordnete Thomas Höse ist aus der AfD ausgetreten – und zwar „versehentlich“, wie die Mitteldeutsche Zeitung berichtet. Demnach hatte sich der Wittenberger mit einer E-Mail an die Bundesgeschäftsstelle der Partei gewandt und über den Ausschluss des Neonazis Andreas Kalbitz beschwert. Der Wortlaut der Mail soll dort als Austrittserklärung verstanden worden sein, Höse wurde daraufhin aus dem Mitgliederverzeichnis gestrichen. Er selbst bestreitet das, spricht von einem „Gerücht“. Die zuständige Landesgeschäftsstelle bestätigte den Vorgang jedoch. Bislang ist unklar, ob Höse der AfD erneut beitreten will. (↪ MZ, 22.01.)


Die baden-württembergische Landtagsabgeordnete Doris Senger ist aus der AfD ausgetreten. „Die Ignoranz der Landesvorsitzenden gegenüber den gemäßigten Mitgliedern veranlasst mich letztendlich zum Austritt“, teilte sie in einer am Freitag verbreiteten Erklärung mit, die sich vor allem gegen Alice Weidel richtet. Senger war Mitte 2019 als Nachrückerin in das Landesparlament eingezogen. Erst im September 2020 wurde sie in die AfD-Fraktion aufgenommen, doch bereits Ende Oktober trat sie dort wieder aus, begründete das mit der Vormachtstellung von Flügel-Anhänger*innen. Kurz zuvor war Senger bei einer geplanten Direktkandidatur zur nächsten Landtagswahl nicht zum Zuge gekommen. Bei der letzten Landtagswahl hatte die AfD 23 Mandate errungen, aktuell verfügt die Fraktion noch über 15 Mitglieder. (↪ Stimme, 22.01.)


Im Corona-Untersuchungsausschuss des brandenburgischen Landtags, der auf Verlangen der AfD eingesetzt worden ist, arbeitet ein bekannter Neonazi als Referent der Fraktion. Das berichtet der Tagesspiegel. Der Zeitung zufolge handelt es sich um einen ehemaligen Funktionär der 2009 verbotenen „Heimattreuen Deutschen Jugend“ (HDJ). Nach idas-Informationen ist Felix Willer gemeint, bekannt auch unter seinem Geburtsnamen Nothdurft. (↪ Tagesspiegel, 23.01.)


Die brandenburgische AfD hat im vergangenen Jahr Mitglieder verloren. Nach Parteiangaben verfügt der Landesverband derzeit über 1.604 Mitglieder, das sind 46 weniger als Anfang 2020. Der Rückgang wird auf eine „gründliche Durchsicht der Mitgliederverzeichnisse“ zurückgeführt. Vor allem solche Mitglieder, die keine Beiträge entrichteten, seien gestrichen worden. (↪ MOZ, 23.01.)


Auch in Berlin hat die AfD im vergangenen Jahr zahlreiche Mitglieder verloren. Derzeit gehören in der Landeshauptstadt 1.342 Personen der Partei an. Das sind mehr als 15 Prozent weniger als Anfang 2020. Parteisprecher Ronald Gläser erklärte dazu, man habe „zum ersten Mal in der Parteigeschichte die Beitragsehrlichkeit genauer überprüft“ und säumige Zahler*innen „ausgebucht“. (↪ B.Z., 23.01.)


Der schleswig-holsteinische AfD-Funktionär Gereon Bollmann will neuer Landesvorsitzender der Partei werden. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur bestätigte der pensionierte Richter, beim nächsten Landesparteitag, für den es pandemiebedingt noch keinen Termin gibt, zu kandidieren. Er wird dann voraussichtlich gegen den Landtagsabgeordneten Jörg Nobis antreten, der als Unterstützer des Parteichefs Jörg Meuthen gilt. Bollmann hingegen stand auf der Seite der radikalen Ex-Landesvorsitzenden Doris von Sayn-Wittgenstein, die 2019 aus der AfD ausgeschlossen wurde. Seither ist der Spitzenposten vakant. Als Mitglied des Landesschiedsgerichts hatte Bollmann damals versucht, ihren Rauswurf zu verhindern. Ebenfalls sperrte er sich gegen den Ausschluss des Antisemiten Wolgang Gedeon, der für die AfD in den Landtag von Baden-Württemberg eingezogen war. In beiden Fällen traf das Bundesschiedsgericht andere Entscheidungen. Bollmann kündigt ferner an, sich um eine Kandidatur für Landtag oder Bundestag zu bewerben. (↪ KN, 23.01., ↪ NDR, 23.01.)

Blauzone

Nach der Wahl Armin Laschets zum neuen CDU-Vorsitzenden erwägen Teile der nationalkonservativen WerteUnion (WU), sich von den Unionsparteien zu lösen und eine eigene Partei zu gründen. Das ergeben aktuelle Recherchen von TAZ und t-online.de. Demnach beabsichtigt Felix Schönherr, Pressesprecher des WU-Bundesverbands, den bisherigen Vorsitzenden Alexander Mitsch abzulösen und den Verband zu einem Auffangbecken für Teile der AfD auszubauen, sollte sich die Partei spalten. Unter dem Namen „Freiheit2023“ sind bereits eigene Antritte zu den Landtagswahlen in Bayern und Hessen im übernächsten Jahr in Planung – in offener Konkurrenz zu CDU und CSU. Offenbar wird Schönherr durch namhafte Funktionär*innen der WU und prominente Mitglieder unterstützt, darunter der AfD-nahe Finanzunternehmer Max Otte. Schönherr will die WU nach eigenen Worten zu einem „Greenpeace fürs Vaterland“ umbauen. Die gleiche Bezeichnung wurde in der Vergangenheit auch durch die neofaschistische Kampagne „Ein Prozent“ und die extrem rechte Identitäre Bewegung verwendet. Das ist kein Zufall: 2016 hatte sich Schönherr zeitweise an „Ein Prozent“ beteiligt, zudem war er Mitglied einer internen Facebook-Gruppe der Identitären. Erst seit knapp einem Jahr ist er WU-Pressesprecher und in dieser Funktion der Nachfolger des Kölner Medienrechtlers Ralf Höcker. Dessen Kanzlei vertritt die AfD derzeit gegen das Bundesamt für Verfassungsschutz. (↪ t-online.de, 20.01., ↪ TAZ, 20.01.)

Hintergrund

Der ehemalige Berliner AfD-Funktionär Tilo Paulenz, der Hauptverdächtiger einer neonazistischen Anschlagsserie („Neukölln-Komplex“) ist, stand in Verbindung mit dem Flügel und fungierte als Organisator, zeitweise womöglich gar als „Obmann“ der verfassungsfeindlichen Strömung im Bezirk Neukölln. Darauf weisen Recherchen des Tagesspiegel hin. Die Zeitung stützt sich auf interne Mail-Korrespondenzen des AfD-Abgeordneten Thorsten Weiß aus dem Jahr 2019. Offenbar war auch der damalige Berliner AfD-Chef Georg Pazderski, aktuell Fraktionsvorsitzender im Abgeordnetenhaus, über Paulenz‘ Flügel-Rolle informiert. „Es wäre ein fatales Signal, wenn diese Information an die Öffentlichkeit kommen sollte“, soll Pazderski in einer E-Mail geschrieben haben, nachdem bekannt geworden war, dass Paulenz verdächtigt wird, an zahlreichen rechtsmotivierten Brandstiftungen beteiligt gewesen zu sein. Damals gab Pazderski an, er wolle „BH in THÜ informieren“ – mutmaßlich ist Björn Höcke gemeint. Kurz vor Weihnachten wurden Paulenz und der mutmaßliche Mittäter Sebastian Thom verhaftet. Paulenz blieb auf freiem Fuß, der ehemalige NPD-Aktivist Thom wurde erst an diesem Freitag aus der Untersuchungshaft entlassen. (↪ Tagesspiegel, 22.01.)