Sachsen-AfD wächst nicht mehr

 Exklusiv │ Über Jahre hat sich die AfD daran gewöhnt, Erfolge einzufahren – nicht nur bei Wahlen, sondern auch durch die Gewinnung neuer Mitglieder. Doch die fetten Jahre sind vorbei: In Sachsen konnte der größte ostdeutsche Parteiverband nicht mehr zulegen, sondern stagnierte 2020 zum allerersten Mal. Das hat nur zum Teil mit Corona zu tun.


Beitrag vom 02.01.2021, 16:35 Uhr


Bundesweiter Trend

Die sächsische AfD konnte 2020 kaum neue zahlende Anhänger*innen hinzugewinnen. Gegen Ende des Jahres hatte der Landesverband knapp 2.600 Mitglieder, wie idas aus Parteikreisen bestätigt wurde. Damit ist die AfD im Freistaat womöglich zum ersten Mal sogar leicht geschrumpft. Vor einem Jahr war auf Medienanfragen hin noch von 2.613 Mitgliedern die Rede gewesen, zudem von etlichen „Anwärtern“, die einen Mitgliedsantrag eingereicht haben. Bei der AfD sind protokollierte Aufnahmegespräche obligatorisch, erst dann entscheidet der Vorstand des örtlich zuständigen Kreisverbandes über den Beitritt.

Dieses Prozedere ist seit dem Frühjahr durch Corona ins Stocken geraten. So beklagte die Bundespartei im Sommer, dass bis zu 3.400 Interessent*innen in einer „Aufnahmewarteschleife“ festhingen. Zudem bereinigten die Landesverbände in den vergangenen Monaten ihre Karteien und strichen zahlreiche Personen, die keine Beiträge entrichteten. Effekt: Zwischenzeitlich sackte die AfD deutschlandweit auf unter 34.000 Mitglieder ab, nachdem sie 2019 knapp 35.000 Parteibücher ausgegeben hatte und damit so groß wie nie zuvor geworden war.

Hinter den Kulissen hat das Thema erhebliche Bedeutung. Anfang 2020 und damit noch vor Beginn der Pandemie forderte der AfD-Konvent – ein internes Spitzengremium der Landes- und Bundesspitzen – die Parteiführung auf, eine aufwändige Kampagne zu starten, um neue Mitglieder anzuwerben, wieder zu wachsen. Inzwischen wurden die Gebietsverbände mit schriftlichen Leitfäden ausgestattet, um die Akquise zu vereinheitlichen. Der Erfolg ist fraglich, neuere Zahlen präsentierte man seit einer Weile nicht. So wurde beim Bundesparteitag Ende November im nordrhein-westfälischen Kalkar zwar ein euphorischer Finanzbericht vorgetragen, doch genaue Angaben zum Mitgliederbestand ließ man aus.

Geschönte Zahlen

Kreativ war die sächsische AfD bei ihrem letzten Landesparteitag vorgegangen, der Ende Februar in Weinböhla (Landkreis Meißen) stattfand. Dort hieß es, dass man sich im Freistaat bereits auf mehr als 3.000 Mitstreiter*innen stützen könne. Doch dieser vermeintliche Spitzenwert war kräftig frisiert. Neben rund 160 Fördermitgliedern, die kein Stimm- und Antragsrecht haben, wurden auch Familienangehörige und selbst Kleinkinder mitgezählt. Durch diese Fälschung wurde kaschiert, dass der rasante Zustrom verebbt ist, an den man auf lange Sicht gewöhnt war. So hatte die sächsische AfD in dem Jahr nach der letzten Bundestagswahl rund 600 Neumitglieder gewonnen, ein sattes Plus von einem Drittel. Doch von 2018 auf 2019 stand unterm Strich nur noch ein Zuwachs von rund elf Prozent.

Nachdem frühere Wahlerfolge zuverlässig dazu geführt hatten, dass deutlich mehr Mitgliedsanträge eingehen, blieb ein ähnlich starker Effekt nach der Landtagswahl 2019 aus. Das Ende des Wachstums, das sich jetzt in Sachsen andeutet, bestätigt Annahmen, wonach die AfD ihr Potential ausgeschöpft hat. Es handelt sich um ein Novum in der Parteigeschichte, das sich künftig zum Problem für den Landesverband auswachsen könnte: So vermochte es die AfD im Freistaat, aus Krisen recht unbeschadet hervorzugehen. Austrittswellen durch die Abgänge Bernd Luckes 2015 und Frauke Petrys 2017 fielen praktisch nichts ins Gewicht, da sie durch Neumitglieder mehr als aufgewogen werden konnten.

Vor allem auf deren Beiträge ist man dringend angewiesen. Dem zuletzt vorgelegten offiziellen Rechenschaftsbericht für das Jahr 2018 zufolge stammen über 40 Prozent der Einnahmen der Sachsen-AfD aus regelmäßigen Mitgliedszahlungen. Es handelt sich um die wichtigste Finanzquelle, noch vor den sogenannten Mandatsträgerabgaben, Spenden und staatlichen Zuschüssen. Innerhalb Sachsens sind die Mitglieder derweil auffällig ungleich verteilt. Mit großem Abstand ist der Kreisverband Dresden die stärkste AfD-Gliederung, dort sind rund 350 Parteifreund*innen eingeschrieben. Am anderen Ende stehen Nordsachsen und der Landkreis Leipzig mit jeweils nur etwas mehr als 100.