Ticker: AfD-Bundesparteitag

Live+++ Parteitag beendet +++ │ An diesem Wochenende traf sich die AfD in Kalkar (NRW) zu ihrem 11. Bundesparteitag. Im Zentrum des „Sozialparteitags“ stand ein Leitantrag zur Rentenpolitik. Es gab einige Neuwahlen – und hitzige Reaktionen auf eine Rede des Vorsitzenden Jörg Meuthen. Die wichtigsten Ergebnisse und das komplette idas-Protokoll zum Nachlesen:


Beitrag vom 29.11.2020, 18:00 Uhr │ Im Bild: Blick in den Tagungssaal.


Die wichtigsten Ergebnisse des Parteitags

Die beiden Parteivorsitzenden hielten getrennte Grundsatzreden. Tino Chrupalla warb für eine sozialere Orientierung der AfD. Jörg Meuthen ging hart mit den Flügel-Kräften und auch der Bundestagsfraktion ins Gericht. Er fürchtet ein Scheitern der Partei, wenn sie nicht „seriös“ auftritt. Die Reaktionen waren energisch und tief gespalten, doch eine knappe Mehrheit der Delegierten steht auf Meuthens Seite – der Flügel hat das Nachsehen, wie die Abstimmungen zeigen.

Der vorbereitete Leitantrag zur Sozialpolitik, der das „Rentenkonzept“ der Partei enthält, wurde schneller als gedacht und mit großer Zustimmung von 89 Prozent beschlossen. Es gab nur wenige Änderungen, eine Mehrheit fanden Zusatz-Anträge zur Verbesserung der Lage von Rentner*innen im Osten, zur Ablehnung der Pandemie-Eindämmung sowie zur Kritik an der WHO. Überraschend abgesetzt wurde der viel diskutierte Antrag, eine Art Grundeinkommen („Staatsbürgergeld“) zu erproben.

Der sächsische Landtagsabgeordnete Carsten Hütter ist neuer Bundesschatzmeister, er setzte sich mit 51 Prozent knapp gegen Emil Sänze durch, einen Flügel-nahen Gegenkandidaten. Stellvertreter wurde Christian Waldheim, er gewann mit einer Stimme Vorsprung gegen den Bundestagsabgeordneten Harald Weyel. Neue Beisitzerin im Parteivorstand ist die Bundestagsabgeordnete Joana Cotar. Mit 52 Prozent der Stimmen stach sie den aus Sachsen stammenden Europaabgeordneten Maximilian Krah aus. Auch er wäre ein Wunschkandidat der Rechtsaußen-Kräfte gewesen.

Meuthens „Brandrede“, wie er sie inzwischen selber nennt, wurde am Sonntag besonders hitzig und lautstark diskutiert, inklusive Forderungen an den Parteivorsitzenden, die AfD zu verlassen. Doch nach zwei Stunden entschied sich eine knappe Mehrheit gegen den Antrag, dessen „Unterstellungen“ zu missbilligen.

Zu Rechnungsprüfern der Bundespartei wurden Sascha Schlösser und Eberhard Brett gewählt. Ins Bundesschiedsgericht entsandten die Delegierten fünf Parteirichter: Walter Wissenbach, Marc Vallendar, Werner Berendes, Stephan Wunsch und erstmals den sächsischen Landtagsabgeordneten Christopher Hahn. Die geplante Wahl von Ersatzrichter*innen wurde abgebrochen und damit verhindert, dass der Rechtsaußen-Politiker Dubravko Mandic gewählt wird.

Nach einer zähen Debatte um Satzungsänderungen wurden einige noch offene Anträge übersprungen. Der Parteitag hat damit nicht sein komplettes Pensum abgearbeitet. Am Ende standen, wie schon zu Beginn, zwei getrennte Reden der beiden Parteivorsitzenden. Die AfD ging geteilt in das mit Spannung erwartete Treffen – und kommt im gleichen Zustand wieder heraus.

Sonntag, 29. November

17:51 │ Der 11. Bundesparteitag endet mit dem Absingen der Nationalhymne. Vom Band kommt die Melodie. Es ist eine Marschversion, eingespielt durch die 11. Panzer-Grenadier-Division.


17:49 │ Unter anderem eine Resolution zu Bergkarabach wird nicht mehr beraten. Stattdessen kommt es zu zwei getrennten Schlussworten der beiden Bundesvorsitzenden; sie hatten bereits getrennte Auftaktreden gehalten. Chrupalla ist zufrieden: „Wir haben diesen Bundesparteitag mit Abstand und Anstand gemeistert“, sagt er, „und die Soziale Marktwirtschaft wieder in den Mittelpunkt unserer Programmatik gerückt“. Es habe allerdings auch „kontroverse Debatten bis in den Grenzbereich hinein“ gegeben. Er kritisiert Meuthen, ohne ihn namentlich zu nennen: „Öffentliche Angriffe“ auf den Ehrenvorsitzenden Gauland und die Bundestagsfraktion gehörten nicht in die Öffentlichkeit, „dreckige Wäsche sollte zuhause gewaschen werden“. Dennoch ziehe man „geschlossen und gemeinsam“ ins Bundestagswahljahr. Meuthen hört zu und widerspricht nicht. Streit sei „nicht ganz völlig ungewöhnlich“, sagt er dann und geht zu Eigenlob über: „Wir haben gezeigt, dass es geht“, einen Parteitag unter den schwierigen Bedingungen der Pandemie abzuhalten.


17:41 │ Norbert Kleinwächter will zum Ende kommen, dafür offene Anträge überspringen und die Nationalhymne singen. Damit wäre der Parteitag gleich vorbei. Es gibt aber einige Gegenreden aus dem Plenum, vor allem von denen, die darauf warten, dass eigene Anträge noch aufgerufen werden. Dazu wird abgestimmt: Vorschlag angenommen!


17:32 │ Ein langes Hin und Her, so ist es meist bei Parteitagen. Dann wird abgestimmt: Der Antrag zur Neuregelung von Notvorständen scheitert an der erforderlichen Zweidrittel-Mehrheit, es reicht nur zu 65,96 Prozent. Abgegeben wurden zuletzt übrigens 337 Stimmen. In der Spitze waren aber 532 Delegierte anwesend, bei weiterem Schwund droht die Beschlussunfähigkeit des Treffens.


17:22 │ Es geht um umfangreiche und recht komplexe Satzungsänderungen zu der Frage, ab wann der Vorstand eines Parteiverbands beschluss- und handlungsunfähig ist – und auf welche Weise dann ein sogenannter Notvorstand eingesetzt werden darf. Das ist wiederholt geschehen, in den Landesverbänden Saar und Berlin, aber auch auf regionaler Ebene, etwa im Vogtlandkreis. Es handelt sich um ein praktisches Problem, auf dessen Lösung auch der AfD-Bundeskonvent gedrängt hatte. Die Diskussion zieht sich hin.


16:57 │ Es werden gemeinsam zwei Anträge aufgerufen, die präzisieren wollen, ab wann ein „erheblicher“ Verstoß gegen die Ordnung der Partei vorliegt. Das ist wichtig bei Ausschlussverfahren. Einer der Anträge kommt vom Bundesvorstand der „Jungen Alternative“. Doch der Nachwuchsverband kann den Antrag nicht begründen – ist niemand aus dem JA-Vorstand mehr vor Ort? Der zweite Antrag, der von Teilen des Bundesvorstands getragen wird, geht in die gleiche Richtung und kann diskutiert werden. Hier wieder aufgegriffen wird ein möglicher Rauswurf aus der Partei nach dem Austritt aus einer Fraktion. „Ganz wichtig“, heißt es dazu aus dem Plenum. Doch es wird zugleich eingeräumt, dass strittig ist, ob so etwas in einer Satzung stehen darf. Abstimmungsergebnis: Die Anträge werden heute nicht beschlossen, sondern gehen für weitere Überarbeitungen zurück an den Satzungsausschuss der Partei.


16:34 │ Einige weitere Anträge werden abgeräumt, manche freiwillig. Der Landesvorstand Niedersachsen beispielsweise wollte die Parteisatzung ändern, das Ziel: Mandatsträger*innen, die AfD-Fraktionen verlassen, „beenden damit gleichzeitig ihre Mitgliedschaft in der AfD“. Das ist offensichtlich eine Reaktion auf das Scheitern der niedersächsischen Landtagsfraktion. Doch der Antrag wurde kurzfristig wieder zurückgezogen – in der vorliegenden Form dürfte er rechtswidrig sein, denn er führt einen Zwang für frei gewählte Abgeordnete ein, sich einer bestimmten Fraktion anzuschließen.


16:30 │ Weiter geht es mit Anträgen zur Parteisatzung. Der Kreisvorstand Freiburg – also die Gruppe um Mandic – wollte Regelungen zur Mitgliederaufnahme ändern und die Unvereinbarkeitsliste der AfD in der bisher bestehenden Form kippen. Ähnliche Vorstöße hat es bereits bei früheren Parteitagen gegeben. Doch die Antragsteller*innen sind offensichtlich gar nicht mehr vor Ort. Die Delegierten machen daher kurzen Prozess und streichen diese Anträge.


16:26 │ Nach langem Hin und Her erfolgt die Abstimmung. Zwar wollen 59 Prozent die umstrittene Änderung der Schiedsgerichtsordnung, erforderlich wäre aber eine Zweitdrittel-Mehrheit. Der Antrag ist damit gescheitert.


16:18 │ Es gibt Änderungsanträge, um die voll entbrannte, aber auch zähe Satzungsdebatte voranzubringen. Vorgeschlagen wird unter anderem eine Sechs-Monats-Frist, in der Schiedsverfahren durch prozessuale Maßnahmen fortgeführt werden müssen. Jürgen Pohl überzeugt das nicht, er will die Satzung belassen, wie sie ist. Denkbarer Hintergrund: Die Parteigerichte sind Machtdomänen unterschiedlicher Strömungen, je nach Einfluss können zum Beispiel Ausschlussverfahren befördert oder blockiert werden.


15:55 │ Mit der erforderlichen Zweidrittel-Mehrheit beschließt der Parteitag eine kleine Präzisierung der Schiedsgerichtsordnung. Eine zweite Änderung geht nicht so einfach durch. Kern dieses Antrags: Alle Schiedsgerichte werden aufgefordert, „anhängige Verfahren in angemessener Weise zu fördern“ – eine Art Beschleunigungsgebot, wie man es von staatlichen Gerichten kennt. Die Flügel-Leute sind aufgeschreckt, Jürgen Pohl protesiert energisch: Hier werde die Bundesebene „ermächtigt“, in Verfahren der Landesschiedsgerichte einzugreifen, er spricht von „stalinistischen Regelungen“. Auch der sächsische Bundestagsabgeordnete Jens Maier meldet sich zu Wort, nennt den Antrag „nicht sachgerecht“, er sei zu schwammig. Der sächsische Landtagsabgeordnete Norbert Otto Meyer, wie sein Vorredner seit langem im Landesschiedsgericht aktiv, nennt den Antrag „überflüssig“, inhaltlich sei er ein „unzulässiger Eingriff in die Autonomie der Landesschiedsgerichte“.


15:46 │ Aus dem Plenum kommt der Antrag, eigentlich anstehende Satzungsdiskussionen auszulassen, zu den wenigen noch offenen Sachanträgen zu springen – und dann den Parteitag vorzeitig zu beenden. Grund: Die Reihen haben sich schon etwas gelichtet. Das Präsidium widerspricht, es seien noch genügend Delegierte vor Ort. Klarheit bringt die Abstimmung: Von 532 Delegierte, die insgesamt anwesend waren, sind es jetzt noch 341. Und knapp 60 Prozent von ihnen wollen den Parteitag fortsetzen.


15:33 │ Es folgt der Finanzbericht des Bundesschatzmeisters Carsten Hütter. Reinvermögen der Partei im Jahr 2019: knapp 17,8 Millionen Euro. Davon kamen zuletzt rund 2,8 Millionen aus Mitgliedsbeiträgen und weitere 2,5 Millionen aus Spenden. Knapp zwei Millionen Euro wurden für hauptamtliches Personal der Bundespartei ausgegeben – und mehr als vier Millionen zurückgestellt, offenbar für anstehende Klagen und Strafzahlungen für frühere Parteispendenskandale.


15:25 │ Hütter bleibt am Mikrofon, es geht jetzt um die Lage im Landesverband Saarland. Der komplette dortige Landesvorstand war Ende März seines Amtes enthoben worden, unter anderem Hütter fungierte seither als Mitglied eines „Notvorstands“. Dessen Arbeit ist mit der kürzlich erfolgten Neuwahl eines ordentlichen Vorstands erledigt. Den Eingriff der Bundespartei muss der Parteitag nachträglich bestätigen – und das passiert mit so breiter Mehrheit, dass eine exakte elektronische Wahl nicht nötig ist. Den Wunsch nach einer Aussprache gab es überraschenderweise nicht.


15:21 │ Schatzmeister Carsten Hütter berichtet, wie Parteiverbände in der Pandemie-Situation finanziell unterstützt werden: Es gibt Geldspritzen von der Bundes-AfD, um vor allem Aufstellungsversammlungen für kommende Wahlen unter erschwerten Bedingungen zu ermöglichen.


15:18 │ Im Schnelldurchlauf werden zentrale Beschlüsse des Bundesvorstands vorgestellt, recht holzschnittartig und ohne Nennung irgendwelcher Details, die nicht bereits aus Medien bekannt sind. Der eigentliche Bericht, der unter Verschluss bleiben soll, umfasst 65 Seiten. Aus dem Publikum kommt die Bitte, den Bericht den Delegierten vorzulegen. Chrupalla sagt, „einige Stichpunkte“ könne man künftig vorlegen – aber nicht alles.


15:07 │ Wie sich die AfD unter anderem mit dem Verfassungsschutz auseinandersetzt? Die Partei hat eine Werbeagentur beauftragt und 250.000 Euro in die Imagekampagne „Wir sind das Grundgesetz“ investiert, berichtet Meuthen.


15:03 │ Die Wahlen sind vorzeitig beendet worden, fortgesetzt wird mit dem Tätigkeitsbericht der beiden Bundesvorsitzenden Meuthen und Chrupalla. Es geht zunächst um den juristischen Umgang mit dem Verfassungsschutz, um Parteiausschlussverfahren und die AfD-eigene Unvereinbarkeitsliste.


15:00 │ Zwischeninformation: Als Richter und dann auch als Ersatzrichter wollte sich Julien Wiesemann aus dem Kreisverband Meißen bewerben, doch er hat es sich anders überlegt. Warum? Er habe festgestellt, „dass er für einen Abgeordneten arbeitet“, heißt es aus dem Plenum. Damit liegt ein Interessenskonflikt vor, der die Richtertätigkeit ausschließt, die Satzung will es so. Kein Hindernis für eine Kandidatur wäre es übrigens gewesen, dass ein Foto existiert, auf dem Wiesemann den Hitlergruß zeigt.


14:59 │ Weiter geht es mit der Wahl von Ersatzrichter*innen – eigentlich. Antreten will Dubravko Mandic, das ist keine Überraschung mehr. Daraufhin wird aber beantragt, die Wahlen an diesem Punkt zu beenden. Offenbar sind viele der Delegierten von Mandic schwer genervt, 58 Prozent wollen den Tagesordnungspunkt schließen. So kommt’s auch.


14:53 │ Zwei Vorschläge gibt es zunächst für den fünften Posten, Julien Wiesemann und Christopher Hahn. Beide kommen aus Sachsen, Wiesemann will jedoch nicht antreten. So bleibt es auch hier bei einem einzigen Kandidaten. Hahn ist Landtagsabgeordneter in Sachsen, Typ Hinterbänkler. Mit juristischer Expertise fiel er bislang nicht auf, stattdessen mit einer ↪ umstrittenen Brief-Aktion. Auffällig: Hahn sagt auf der Bühne, dass er Berufssoldat ist – erwähnt aber nicht, dass er kürzlich ein Immobilienbüro eröffnet hat. Mit 82,3 Prozent wird er gewählt, das bisher beste Ergebnis.


14:46 │ Für den vierten Posten bewirbt sich Stephan Wunsch, es gibt abermals keine Gegenkandidat*innen. Er bezeichnet sich als den „mit Abstand dienstältesten Schiedsrichter der Partei“. Zum Vorwurf, es würde Einfluss auf Urteile genommen, sagt er übrigens: „Ja, die Versuche gab es.“ Aber nur in seltenen Fällen, man habe das abgeblockt. Die Delegierten bestätigen ihn mit 77,6 Prozent im Amt.


14:38 │ Auch für den dritten Richterposten gibt es nur einen Kandidaten, Werner Berendes, und auch er will seine Tätigkeit im Bundesschiedsgericht fortsetzen. Vorwürfe, wonach Einfluss auf die Gerichtsarbeit genommen werde, seien „Fata Morganas“. Mit 79,7 Prozent der Stimmen ist er wiedergewählt.


14:30 │ Für einen weiteren Richterposten gibt es nur einen Kandidaten, Marc Vallendar, der im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt. Vallendar ist bereits seit zwei Jahren Mitglied des Bundesschiedsgerichts und will seine Arbeit dort fortsetzen. Die Delegierten wollen’s auch – 72 Prozent kann er verbuchen, er ist gewählt.


14:22 │ Wahlergebnis: Walter Wissenbach setzt sich mit 58 Prozent durch. Mandic hat knapp ein Drittel der Delegierten hinter sich.


14:16 │ Der als gemäßigt geltende Wissenbach, bereits erfahren als Parteirichter des Bundesverbands, schwärmt von den „hochintellektuellen Beratungen“, die er im Bundesschiedsgericht erlebt habe. Die Vorwürfe, die Mandic ohne Belege vorgebracht hat, weist er zurück. Hier prallen wohl Welten aufeinander – Wissenbach war am Parteiausschluss gegen Kalbitz beteiligt. Ein Delegierter will vor genau diesem Hintergrund wissen, ob er „politische Urteile“ fällt, er sei einmal so zitiert worden. Das weist Wissenbach zurück.


14:10 │ Kandidat Würdig behauptet bei seiner Vorstellung, dass Parteiausschlussanträge „missbräuchlich“ gestellt worden seien. Er schimpft auf den Verfassungsschutz, echauffiert sich über „Linksfaschismus“. „Die Seele unseres Heimatlandes wird zerstört“, sagt er, und Islamisten würden es übernehmen wollen. In dieser Situation über eine Spaltung der Partei nachzudenken sei ein „Verbrechen“, fährt er fort und meint offensichtlich Meuthen. Damit hat er sich klar positioniert.


14:03 │ Dubravko Mandic stellt sich vor und sagt, er habe als Anwalt „genug Erfahrung“ für das Schiedsgericht, Parteirichter war er bereits in seinem Landesverband Baden-Württemberg. Dann beginnt die große Schelte: Er behauptet, dass Mitglieder im Bundesschiedsgericht mitunter nicht unabhängig seien und ihr Amt „missbraucht“ hätten, um „auf Geheiß des Bundesvorstands“ vorgegebene Urteile zu fällen. Seiner Ansicht nach dürfe es nicht passieren, „irgendwelche Vorgaben des Verfassungsschutzes intern einfach umzusetzen“. Das sind übrigens alles Punkte, die gegen den Ausschluss des Neonazis Andreas Kalbitz vorgebracht wurden. Aus dem Plenum kommt die Frage, ob sein Stil nicht etwa „geschmacklos“ sei. Mandic reagiert wütend und beschwert sich, dass ihm Vorwürfe gemacht werden, „wenn alle Medien hier versammelt sind.“ Weitere Frage: Kann er seinen schwerwiegenden Vorwurf belegen, dass Schiedsgerichte der Partei nicht unabhängig sind? „Meine Informationen habe ich aus meiner eigenen Tätigkeit als Schiedsrichter“ – doch darüber dürfe er leider nicht reden. Es sei aber ein „offenes Geheimnis“, meint Mandic, und „wer etwas anderes behauptet, lügt“.


13:48 │ Es gibt drei Kandidaten für den ersten Schiedsrichterposten, begleitet von einem Raunen im Saal. Flügel-Mann Jürgen Pohl schlägt nämlich Dubravko Mandic vor. Hinzu kommen Peter Würdig und Walter Wissenbach.


13:42 │ Nächster Punkt ist die Wahl von fünf Richter*innen und von bis zu neun Ersatzrichter*innen für das Bundesschiedsgericht.


13:38 │ Wahlergebis: Zum 1. Rechnungsprüfer ist Sascha Schlösser gewählt (55 Prozet), zum 2. Rechnungsprüfer Eberhard Brett. Die Funktion wird gleichberechtigt ausgeübt.


13:32 │ Schlösser berichtet, dass er zuletzt Mitglied im thüringischen Schiedsgericht war. Die Tätigkeit als Rechnungsprüfer sei „sehr wichtig“, er bringe dafür „gesunden Menschenverstand“ mit, doch offenbar kaum weitere Erfahrung auf diesem Gebiet. Fragen an ihn gibt es nicht.


13:29 │ Brett hat sich vorgestellt. Er ist bisher schon Rechnungsprüfer der Bundespartei, unter anderem gemeinsam mit der sächsischen Landtagsabgeordneten Doreen Schwietzer. Auf die Frage, wie es bisher lief, sagt er, dass „nicht unerhebliche Missstände“ bei der Kontrolle der Parteifinanzen festgestellt worden seien. Eine weitere Frage lautet, ob es stimmt, dass gegen ihn ein Parteiausschlussverfahren läuft. Darauf antwortet er nicht.


13:18 │ Es gibt nur zwei Kandidaten für die Wahl von Rechnungsprüfern: Sascha Schlösser und Eberhard Brett. Vorgeschlagen worden war zudem Torsten Gahler. Er ist Landtagsabgeordneter in Sachsen sowie Schatzmeister des Landesverbands – und sagt auf Nachfrage, dass er nicht zur Verfügung steht.


13:13 │ Delegierte verlassen gerade scharenweise im Saal. Jene, die geblieben sind, lehnen eine Pause ab. Daher geht es in der regulären Tagesordnung weiter, nun mit der Wahl von Rechnungsprüfer*innen.


13:11 │ Alice Weidel informiert über den Gesundheitszustand von Alexander Gauland: „Es geht ihm gut, es war nur eine Kleinigkeit, er ist wohlauf.“ Er war am Morgen von einem Krankenwagen abgeholt worden. Nach unterschiedlichen Berichten war er wahlweise gestürzt, oder eine Ader ist geplatzt, oder ihm war „unwohl“.


13:08 │ Was für eine Wendung! Eine knappe Mehrheit von 53,2 Prozent der 509 Delegierten stimmt dafür, die weitere Behandlung des Antrags abzusetzen. Das heißt: Am Ende der langen Parteitags-Debatte gibt es keinen Showdown und keinen Beschluss gegen den Vorsitzenden. Das war knapp für ihn.


13:05 │ In der Zwischenzeit wird nochmals gebeten, den Antrag „sofort“ abzusetzen, wie am Anfang schon. Diesmal kommt der Vorschlag von Bundes-Vize Kay Gottschalk. Zur Begründung sagt er, dass für alle Beteiligten die Möglichkeit bleiben müsse, den Parteitag „ohne Gesichtsverlust“ zu verlassen.


13:01 │ Die aktuelle Fassung des Antrags, über den gleich abgestimmt werden soll, lautet: „Der Bundesvorstand missbilligt die Unterstellungen aus der Begrüßungsrede von Prof. Dr. Meuthen und weist diese Unterstellungen zurück.“ Ursprünglich war etwas allgemeiner von einem „spalterischen Gebaren“ und einem „Absturz in der Wählergunst“ die Rede, zudem wurden nicht namentlich genannte „Parteigänger“ erwähnt. Derzeit wird geklärt, ob der Antragstext ohne Weiteres ausgetauscht werden darf.


12:55 │ Wieder einmal steht Mandic am Mikrofon. Er will den anfangs schon vorgestellten Änderungsantrag aus Brandenburg übernehmen. Andere Änderungsanträge sind fast mit einer Zweidrittel-Mehrheit abgeräumt.


12:48 │ Vorbei ist das Thema damit keineswegs. Zum immer noch nicht abgestimmten Ursprungsantrag gibt es mehrere Änderungsvorschläge – Kürzung oder Umformulierung.


12:44 │ Zum inzwischen dritten Mal wird beantragt, die Debatte zu beenden. Nach rund anderthalb Stunden haben viele der Delegierten genug. Ergebnis: 55 Prozent wollen zum Ende kommen.


12:39 │ Albrecht Glaser erinnert daran, dass der Freiburger Antrag, um den es eigentlich geht, schon mehrere Wochen alt ist und mit Meuthens gestriger Rede nichts zu tun haben kann. Sie werde jetzt aber genutzt, um einen „Personenkrieg“ anzufachen. Es werde nun sogar versucht, eine „Zensur“ über den Vorsitzenden zu verhängen. Der nächste Redner fragt, wo eigentlich dieser „Herr Höcke“ ist, der ein „Strippenzieher“ im Hintergrund sei – „zeigen Sie sich!“ Höcke sitzt übrigens im Saal, weit hinten, das ganze Wochenende lang hat er das Saalmikrofon noch nicht genutzt.


12:29 │ Die Argumente wiederholen sich, nur die Stimmlagen heben weiter an. Was auffällt: Die verfeindeten Lager werfen sich gegenseitig Spaltung vor und werben für Einheit als „oberstes Ziel“; genau die Rhetorik, die seit Frühjahr die parteiinterne Debatte prägt. Doch immer noch scheint allen Beteiligten vollkommen unklar zu sein, worüber sie sich einig werden sollen. Heute zeigt sich überdeutlich, dass die AfD in Wirklichkeit aus zwei Parteien besteht.


12:16 │ Schmutzige Wäsche wird auch gewaschen. Ein Redner macht eine neue Front auf und greift das Vorstandsmitlied Alexander Wolf an, der Meuthen soeben verteidigt hat. „Fragen Sie ihn nach dem Schreiben seiner Burschenschaft“, ruft er in die Richtung des Vorsitzenden, bevor ihm das Mikrofon abgestellt wird. Es meldet sich Petra Federau aus Schwerin zu Wort, sie sei enttäuscht, „mein Herz hat fast geblutet“. Sie dankt Chrupalla, Weidel und Gauland, die „für die Einigkeit der Partei stehen“. Dann kommt der sachsen-anhaltische Abgeordnete und Landesfunktionär Hans-Thomas Tillschneider an die Reihe, der gestern während Meuthens Rede regelrecht getobt hat. Jetzt spricht er mit aufbrausender Stimme von einem „Spaltungskurs“ und „Zerstörungswerk“, der Vorsitzende trage Schuld an fallenden Umfragewerten. „Wenn das Führung ist, dann sind Sie ein Führer ins Nichts!“


12:09 │ Jetzt spricht Jörg Meuthen selbst und kritisiert eine „gezielte, ideologisch motivierte Verdrehung meiner Rede von gestern.“ Er habe sich weder gegen Bismarck, noch gegen die „Querdenken“-Bewegung gestellt, sondern eine „kritische Distanz“ zu ihren problematischen Teilen gefordert. Er wolle keineswegs eine Spaltung, sondern eine „neue Einheit in Disziplin“, künftige Wahlerfolge seien „nur mit seriösem Auftreten“ möglich, „das alleine mahne ich an“. Wer das anders sieht, möge einen Abwahlantrag stellen – der nicht vorliegt.


12:03 │ Der Berliner Abgeordnete Thorsten Weiß sagt, er „bedauere es zutiefst“, dass Meuthen den „integrativen Kurs“ verlassen habe. Stephan Brandner, der im Vorstand sitzt und kein Meuthen-Anhänger ist, spricht von „schwerem Schaden für die Partei“, von einem „Torpedo“, der den Parteitag getroffen habe. „Lieber Jörg, dieser Weg ist ein Irrweg!“ NRW-Landeschef Rüdiger Lucassen sagt, es sei wichtig, „dass Klartext gesprochen wird“, und genau das habe Meuthen getan. Dann spricht Sachsens Landesvorsitzender Jörg Urban, bekanntermaßen Flügel-Fan. Er glaube nicht, dass die durch Meuthen begonnene Diskusison die Partei einigt, „nein, sie spaltet sie noch weiter.“ Die „Querdenker“ seien derzeit „die mutigsten Menschen in diesem Land“, und sie seien „selbstverständlich unserer Partner auf der Straße“, sagt Urban.


11:55 │ Es knallt, in beiden Richtungen. Der Berliner Landesvorsitzende Nicolaus Fest nimmt Meuthen überraschend in Schutz, er zeige immerhin „Führung“, dessen Forderung nach „mehr Selbstdisziplin“ sei „trotz einiger Spitzen“ nachvollziehbar. Ein anderer Redner erinnert daran, wer der Antragsteller Mandic ist, der AfD und NPD vergleicht: „Lasst euch doch nicht von solchen Leuten triggern!“ BuVo-Mitglied Alexander Wolf sagt, es komme nicht darauf an, ob man jede einzelne Äußerung der Meuthen-Rede mitträgt. Es stimme jedoch, dass wir „an einer entscheidenden Stelle“ stehen, man dürfe die AfD nicht kaputtmachen lassen durch „Querulanten, Spinner und Chaoten“. Ganz anders sieht es der thüringische Flügel-Mann Jürgen Pohl: „Hier geht es um die Arroganz“ des Vorsitzenden, sagt er, „und das hat Methode“. Unter Applaus schreit er: „Herr Professor Meuthen, Ihre Zeit in der AfD ist vorbei!“ Joachim Paul, ein Meuthen-Anhänger im Vorstand, meint hingegen, dass die AfD nicht der parlamentarische Arm von Attila Hildmann sein dürfe.


11:45 │ Kommt der Gegenschlag des Flügels, der gestern ausblieb? Die Redner*innenliste wurde geschlossen, denn die Schlangen an den Saalmikrofonen sind lang. Auch Meuthen selbst will sich gleich äußern.


11:40 │ Zum weiteren Vorgehen wird abgestimmt, das Ergebnis bringt keine Wende: Die Aussprache zum Anti-Meuthen-Antrag geht weiter.


11:35 │ Die Stimmung kocht hoch. Birgit Bessin stellt den Änderungsantrag aus Brandenburg vor, Kernsatz: „Der Bundesparteitag missbilligt die Unterstellungen“ in Meuthens gestriger Rede, der Vorsitzende habe sein Rederecht missbraucht, sagt sie zur Begründung. Meuthen habe es sich gestern „mit hunderttausenden Corona-Kritikern verdorben“. Dabei seien doch „wir diejenigen, die diesen Menschen draußen eine Stimme geben“. Eine schroffe Gegenrede kommt von Norbert Kleinwächter, ebenfalls ein Brandenburger: „Seit ihr denn des Wahnsinns, eine Debatte um den Parteivorsitz zu beginnen?“ Das gehöre nicht in die Öffentlichkeit. Er beantragt, das Thema fallen zu lassen.


11:28 │ Für den antragstellenden Kreisverband Freiburg spricht der Rechtsaußen-Politiker Dubravko Mandic, der gestern bereits zwei Mal erfolglos den Ausschluss der Presse gefordert hatte. Man beobachte „mit Sorge“ die Entwicklung des Bundesvorstands, Jörg Meuthen arbeite „mit einem Kredit, der nicht gedeckt ist“. Dessen Versuche der Abgrenzung – wie im Fall Kalbitz – würden bei Wahlen nichts bringen und auch die drohende Verfassungsschutz-Beobachtung nicht abwende. „Wir wollen alle Mitglieder einbinden, aber auf Augenhöhe“, fordert Mandic. Meuthen ruft er zu: „Hören Sie auf mit ihrem Spalterkurs!“ Teile des Saals johlen.


11:22 │ Mit hauchdünner Mehrheit entscheiden die Delegierten, dass der Anti-Meuthen-Antrag „SN-3“ auf der Tagesordnung bleibt. 53 Prozent wollen, dass das sofort passiert. Es wird spannend werden.


11:14 │ Bothe begründet sein Anliegen, den Antrag gegen Meuthen vorzuziehen. Der Vorsitzende habe mit seiner Rede „die Grundfeste unserer Partei erschüttert“, den Ehrenvorsitzenden Gauland „und am Ende auch Bismarck angegriffen“. Gegenrede: Der Antrag sei „nicht weniger spalterisch“ als Meuthens Rede. Die brandenburgische Abgeordnete Birgit Bessin kündigt an, dass aus ihrem Landesverband ein Zusatzantrag gegen Meuthens Äußerungen vorbereitet wurde.


11:11 │ Zwischeninformation aus dem Präsidium: Es sind aktuell 483 Delegierte akkreditiert.


11:08 │ Jetzt wird beantragt, den Parteitag für 30 Minuten zu unterbrechen, weil „ein Großteil“ der Delegierten noch nicht in den Saal gelangt sei. Das Plenum lehnt das ab.


11:03 │ Der niedersächsische AfD-Politiker Stephan Bothe – ein Flügel-Mann – will den Antrag mit dem unscheinbaren Titel „SN-3“ vorziehen und sofort behandeln. Inhalt: „Der Bundesparteitag missbilligt das spalterische Gebaren von Bundessprecher Jörg Meuthen und seinen Parteigängern.“ Bothe wird belehrt, dass er das schriftlich beantragen muss. Nach bisheriger Planung wäre dieser Antrag erst ganz zum Schluss aufgerufen worden.


11:00 │ Mit genau einstündiger Verzögerung eröffnet Versammlungsleiter Julian Flak die Sitzung. Die strengen Einlasskontrollen, Masken-Check inbegriffen, sollen der Grund der Unpünktlichkeit sein. Daher ist das Plenum erst jetzt beschlussfähig. Im Präsidium bleibt Gaulands Platz frei.


10:53 │ Ein Gerücht, das unter Delegierten kursiert, ist nun auch an Medien gedrungen: Alexander Gauland (79) soll heute morgen gestürzt und ins Krankenhaus gebracht worden sein. Aus Parteikreisen heißt es, er fühle sich „nicht gut“ und es sei „nichts Ernstes“.


10:37 │ Parteichef Jörg Meuthen verteidigt im Interview mit Phoenix seine gestrige „Brandrede“, wie er sie selber nennt. Es handle sich um einen „Ordnungsruf an die Partei, der mit notwendig erschien“. Mit der Kritik an „Provokateuren“ im Bundestag habe er allerdings keine AfD-Bundestagsabgeordneten gemeint, stellt er klar. Das verstanden gestern alle anders. Dass es „konträre Reaktionen“ geben würde, sei ihm bewusst gewesen. Nach seiner Beobachtung habe er aber „deutlich mehr Applaus“ erhalten als Missfallensbekundungen – auf TV-Bildern habe das vielleicht anders gewirkt, vermutet er. Gefragt nach der Rolle Björn Höckes sagt Meuthen, der sei „reiner Landespolitiker“ und sollte daher „besser den Ball flachhalten“. Höcke hatte gestern gepoltert, er lasse sich von Meuthen „nicht die Partei kaputtmachen“.


10:12 │ Im Interview mit dem Sender Phoenix verteidigt Joana Cotar, die gestern als Beisitzerin in den Bundesvorstand gewählt wurde, den Ausschluss des Neonazis Andreas Kalbitz, dessen Posten sie nun übernommen hat. „Es blieb dem Bundesvorstand gar keine andere Wahl“, sagt sie und stellt in Aussicht, sich selbst „streng an das Programm“ zu halten. Gefragt nach Meuthens Rede, die zu lauten Unmutsbekundungen führte, sagt sie, dass man die Inhalte und die Reaktionen darauf „intern diskutieren“ werde. Sie glaube nicht, dass der Posten des Parteivorsitzenden wackelt – und dürfte eher auf dessen Seite stehen: „Wir müssen uns das Eine oder Andere verkneifen“, pflichtet sie Meuthens Aufruf zur Mäßigung bei.


10:02 │ Viele Delegierte sind noch nicht am Platz, bis zum Start des zweiten Sitzungstags dauert es noch.


08:55 │ In gut einer Stunde wird der Parteitag fortgesetzt. Auf dem Programm steht die Wahl von Rechnungsprüfer*innen und von Mitgliedern des Bundesschiedsgerichts, zudem ein Tätigkeitsbericht des Bundesvorstands. Bei der Aussprache dazu könnte es um die grundsätzliche Ausrichtung der Partei gehen – Jörg Meuthen hatte mit seiner gestrigen Wutrede alle großen Wunden aufgerissen. Und da ein Großteil der Tagesordnung bereits abgearbeitet wurde, bleibt genügend Zeit dafür.

Samstag, 28. November

19:59 │ Nach zehn Stunden endet der erste Sitzungstag. Der Parteitag folgt damit einem Geschäftsordnungs-Antrag, die Sitzung am Sonntag fortzusetzen. Ab 10 Uhr geht es weiter mit der Wahl von Rechnungsprüfer*innen und Mitgliedern für das Bundesschiedsgericht.


19:57 │ Ergebnis der Stichwahl: Joana Cotar ist Beisitzerin. Sie erhält 51,7 Prozent der Stimmen, Krah 44,5 Prozent. Weitere 3,9 Prozent stimmten gegen beide. Insgesamt wurden 517 Stimmen abgegeben.


19:53 │ Ergebnis der Abstimmung: Niemand erreichte die erforderliche absolute Mehrheit. Cotar kam auf 49,7 Prozent, Krah auf 42,8 Prozent, Biedermann nur auf 4,1 Prozent. Es folgt eine Stichwahl.


19:47 │ Weyel zieht seine Kandidatur wieder zurück. Bleibt noch Biedermann, ein Groß- und Außenhandelskaufmann aus München. Er berichtet aus seiner Kindheit, wirbt zudem damit, kein Mandat zu haben, sondern „die Basis“ im Vorstand vertreten zu können. Außerdem kritisiert er Jörg Meuthen – weil er sich in seiner Rede nicht den bayrischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) „zur Brust genommen“ hat. Auf die Frage, was er im Bundesvorstand bewegen will, antwortet er: Die Verhältnisse in Bayern ordnen.


19:39 │ Die hessische AfD-Politikerin Cotar stellt sich zuerst vor. Im Bundestag sitze sie, „weil ich Deutschland retten will“, und im Parlament gelinge es, „dass wir die Altparteien tatsächlich jagen“. Was ihre Ziele im Bundesvorstand wären? Wird weder gesagt noch gefragt. Anders Krah, der auruft, dass der Vorstand „einig und geschlossen“ sein müsse, um voranzukommen. „Ohne Einigkeit ist alles nichts“, sagt er und beruft sich ausdrücklich auf Parteichef Chrupalla. Den anderen Vorsitzenden Meuthen kritisiert er hingehen, denn „wir gewinnen Wahlen nicht mit Selbstkritik“. Künftig will er als „Moderator und Mediator“ wirken, er kündigt sogar an, dass man die Bundestagswahl – zu der er selbst nicht antritt – „gewinnen“ könne. An Krah werden kritische Fragen gestellt, denn er ist Pro-China-Lobbyist.


19:14 │ Eine Meldung aus den Medien macht derweil die Runde: Der Verfassungsschutz hat begonnen, V-Leute in der AfD anzuwerben. Das bestätigt der Leiter des brandenburgischen Landesamtes, Jörg Müller. Aus der Partei heraus heißt es, dass es zu Anwerbeversuchen kam, ↪ berichtet die FAZ.


19:11 │ Zügig geht es weiter, jetzt mit der Wahl einer Beisitzer*in im Bundesvorstand. Es ist der Posten, den der Neonazi Andreas Kalbitz aufgeben musste. Der sächsische AfD-Landesvorsitzende Jörg Urban schlägt den Europaabgeordneten Maximilian Krah vor, einen profilierten Rechtsaußen-Politiker, der seine Kandidatur im Vorfeld angekündigt hatte. Wichtigste Kontrahentin ist die vergleichsweise gemäßigte Bundestagsabgeordnete Joana Cotar, die durch Albrecht Glaser ins Spiel gebracht wurde. Auch das war erwartet worden. Zusätzlich auf der Liste: Harald Weyel und Wilfried Biedermann.


19:02 │ Ergebnis der Stichwahl: Mit 260 Stimmen (50,1 Prozent) ist Christian Waldheim neuer stellvertretender Bundesschatzmeister. Er setzt sich mit genau einer Stimme Vorsprung durch.


18:58 │ Ergebnis der Abstimmung: Die Kandidierenden erreichen jeweils nicht die erforderliche einfache Mehrheit. Weyel und Waldheim liegen mit rund 43 bzw. 44 Prozent fast gleichauf, es kommt zur Stichwahl.


18:49 │ Die Kandidierenden stellen sich und ihre Ziele vor, mehr oder weniger. Eglseer, eine relativ unbekannte bayrische Kommunalpolitikerin, sagt über Finanzen kaum etwas. Sie habe aber in Rosenheim den Bau einer Unterkunft für Geflüchtete verhindert. Der Bundestagsabgeordnete Weyel sieht bei den Parteifinanzen „Luft nach oben“ und kommt dann auf ein anderes Thema zu sprechen: Er kritisiert Meuthens Abgrenzung von den „Querdenkern“, spricht sich „gegen das Bashing der Blogger-Szene“ aus und natürlich auch gegen Masken. Auf die Nachfrage, was konkret er verändern will, führt er aus, dass man mehr Geld mit neuen Mitgliedern einspielen müsse – und die wiederum könnten bei den „Querdenkern“ angeworben werden, meint er. Waldheim schließlich, bislang Rechnungsprüfer des Bundesverbands, nutzt seine Vorstellungsrede, um mit „15 Jahren merkelscher Herrschaft des Unrechts“ abzurechnen.


18:24 │ Da Hütter bislang stellvertretender Schatzmeister war und jetzt aufgerückt ist, muss dieser Posten neu besetzt werden. Es gibt drei Kandidierende: Christian Waldheim, Harald Weyel und Michaela Eglseer. Der zunächst vorgeschlagene Emil Sänze, der eben unterlegen war, verzichtet auf einen Antritt.


18:21 │ Ergebnis der Abstimmung: Carsten Hütter ist Bundesschatzmeister, mit knapper Mehrheit. Er erhält 261 Stimmen, das sind 50,9 Prozent. Auf Sänze entfallen 240 Stimmen (46,8 Prozent). Zwölf Delegierte sagen „nein“ zu beiden Kandidaten, zwei enthalten sich. Wichtiges Detail: Sänze wurde vorhin durch Christina Baum vorgeschlagen. Er darf damit wohl als Flügel-Kandidat angesehen werden.


18:16 │ Auch Emil Sänze stellt sich vor, der gelernte Industriekaufmann wirbt mit seiner Berufserfahrung in großen Konzernen und Finanzinstituten. Die Partei müsse finanziell in ein „geordnetes Fahrwasser“ zurückkehren, „wenn Sie das wollen, wählen Sie mich“, sagt er und spielt damit offensichtlich auf die aktuellen Parteispendenskandale an. Auffällig: Niemand stellt Sänze eine Frage.


18:10 │ „Ich möchte keine politische Rede halten“, sagt Carsten Hütter bei seiner Vorstellung, denn es zähle die „tägliche Leistung“. So habe er bislang mehr als 60 Finanzanträge in den Bundesvorstand eingebracht und beschlossen bekommen, in seiner Zeit seien außerdem Spenden in Höhe von 1,6 Millionen Euro eingegangen. „Bitte wählen Sie mich!“, sagt er, nachdem er fünf Minuten lang seine Erfolge aufgezählt hat. Danach werden Fragen gestellt, die Möglichkeit nutzt unter anderem der sächsische Bundestagsabgeordnete Siegbert Droese. Der Flügel-Mann stichelt sofort: Warum gibt es aus Hütters früherer Zeit als sächsischer Landesschatzmeister noch Altlasten, die bis ins Jahr 2017 zurückreichen und den Kreisverbänden derzeit zur Last fallen? Hütter antwortet Droese, er möge nachdenken, da er damals ebenfalls im Landesvorstand saß. Unter Frauke Petry.


18:00 │ Für den Posten des Bundesschatzmeisters bewirbt sich der sächsische Landtagsabgeordnete Carsten Hütter, er ist eigentlich Stellvertreter und übt das Amt derzeit kommissarisch aus. Einziger Gegenkandidat ist Emil Sänze, Landtagsabgeordneter in Baden-Württemberg.


17:53 │ Die Aussprache zu Satzungsänderungen ist schnell durchgelaufen. Jetzt geht es weiter mit einem Thema, von dem man dachte, dass es erst morgen aufgerufen werden kann – die Neuwahl von Positionen im Bundesvorstand.


17:48 │ Interessante Zahlen sind das: Von 545 angereisten delegierten haben 51 und damit fast zehn Prozent ein „Attest“, das angeblich von der Pflicht befreit, eine Maske zu tragen. Das berichtet der Zeit-Redakteur Tilman Steffen.


17:27 │ Der größte inhaltliche Block ist damit abgeschlossen, und zwar schneller als gedacht. Weiter geht es in der Tagesordnung, Anträge zu Satzungsänderungen stehen an. Diskutiert wird aktuell über Amtszeiten der Mitglieder von Schiedsgerichten der Partei.


17:22 │ Der Leitantrag zur Sozialpolitik wurde soeben – samt geringfügiger Modifikationen – mit breiter Mehrheit von 88,6 Prozent beschlossen. Es gab 413 Ja-Stimmen, 53 Nein-Stimmen und neun Enthaltungen.


17:17 │ Ein weiterer Last-Minute-Antrag kommt aus Sachsen, offenbar der letzte, der den Leitantrag modifizieren soll: Der sächsische Landtagsabgeordnete André Wendt plädiert im Namen seines Landesverbandes dafür, den steigenden Eigenanteil zur Pflege zu deckeln. Er verweist auf Forderungen der Linken, die in eine ähnliche Richtung gehen. Entscheidendes Detail: Die sächsische Forderung wurde in den AfD-Bundesgremien, die den Leitantrag vorbereitet hatten, bereits abgewiesen. Die Idee wird nun auch beim Parteitag nicht beschlossen, sondern nochmals in einen Fachausschuss überwiesen.


17:12 │ Ad hoc wird die Idee diskutiert, im Leitantrag vorgesehene Rentenzuschläge für Familien mit Kindern zu beschränken – und zwar ausdrücklich auf Begünstigte „mit deutscher Staatsbürgerschaft“. Diese Einschränkung hatte es ursprünglich schon einmal gegeben, und zwar in den sozialpolitischen Konzepten des Höcke-Flügels. Der Vorstoß wird mit einer Mehrheit in einen der Fachausschüsse verwiesen.


16:59 │ Große Überraschung! Der Parteitag hat mit knapper Mehrheit beschlossen, dass ein im Vorfeld viel diskutierter Antrag zum Thema „Staatsbürgergeld“ doch nicht behandelt wird. Es handelt sich um die Idee eines bedingten Grundeinkommens, für eine Erprobung hatten sich die beiden Parteivorsitzenden Meuthen und Chrupalla ausgesprochen. Doch kaum war der Antrag aufgerufen, schritt Albrecht Glaser ans Mikrofon und kritisierte, dass das Konzept bisher noch nie in irgendeinem Parteigremium erörtert wurde. Eine Abstimmung ergab erst, dass es für die Vorstellung des komplexen Antrags keine zusätzliche Redezeit geben soll. Dann wurde „Nichtbefassung“ beschlossen.


16:53 │ Ein weiterer Esoterik-lastiger Antrag wurde nach längerer Debatte abgewiesen. Es ging um „neutrale Grundlagenforschung“ zu Themen wie etwa „ganzgheitlicher Medizin“, „Naturheilkunde“, „Impfschäden“.


16:40 │ Es wird immer spezieller. Der nächste Antrag, der gerade länger verhandelt wurde, will die WHO „grundlegend reformieren“ oder erreichen, dass Deutschland notfalls ganz aus der Welt-Gesundheitsorganisation austritt. In der Begründung wird die WHO als „Souveränitäts-Staubsauger“ bezeichnet, es fallen die Namen Bill Gates und Donald Trump. Während der Diskussion wird zudem behauptet, an der Spitze der Organisation stehe ein „Linksradikaler“. Dem folgt der Parteitag und übernimmt entsprechende Passagen in den Leitantrag. Allerdings wird mit knapper Mehrheit dann doch darauf verzichtet, den Namen Bill Gates zu nennen. Er wäre sonst Teil des offiziellen Parteiprogramms geworden.


16:15 │ Aktuell geht es um „integrative Medizin“, ein Antrag zu diesem Thema will alternative Heilmethoden aller Art stärken und „schulmedizinischen“ Behandlungen gleichstellen. Gegenrede: Das sei „Gender-Gaga für die Medizin“ und stehe im Widerspruch zum Werben für evidenzbasierte Maßnahmen. Die Delegierten lehnen den Antrag mit deutlicher Mehrheit ab.


15:59 │ Keine Überraschung: Der Änderungsantrag, der sich gegen eine „panikartige“ Pandemie-Eindämmung wendet, wurde gerade mit großer Mehrheit beschlossen. Konsequenz: Entsprechende Passagen fließen in den Leitantrag ein. Falls er später ebenfalls Zustimmung findet, wird eine klare Positionierung gegen die Corona-Bekämpfung künftig Teil des Grundsatzprogramms der AfD sein.


15:43 │ Ein weiterer Änderungsantrag, der das Plenum seit einer Weile beschäftigt, wendet sich gegen eine „panikartige“ Pandemie-Eindämmung und fordert, dass es „nur noch evidenzbasierte Corona-Maßnahmen“ gibt. Heißt unter anderem: keine „Impfpflicht“, die jedoch niemand plant, und auch keinen „Corona-Kommunismus“, wie zur Begründung ausgeführt wird. Was auch immer das ist, es soll in den Leitantrag eingefügt werden. Eine einsame Gegenrede lautet: Damit mache man sich lächerlich. Andere Delegierte sind Feuer und Flamme, fordern sogar eine eigene Resolution zu dem Thema. Doch dazu wurde kein rechtzeitiger Antrag gestellt. Applaus erntet ein Redner, der den Begriff „Ermächtigungsgesetz“ nutzt. Es handelt sich um Robert Farle, dem vorhin das Mikrofon abgedreht wurde.


15:22 │ Das Verfahren ist kleinteilig und zäh. Jetzt geht es um 5G-Kommunikation – angeblich schädliche Strahlung, behauptet ein Teil der Partei, andere halten das für technologiefeindlich. Zwei Anträge zu dem Thema wurden jetzt abgeblockt bzw. in einen der Fachausschüsse der Partei überwiesen. Die Konzentration im Plenum lässt nach, derzeit sind weniger als 400 Delegierte im Saal.


14:48 │ Oliver Kirchner, Fraktionschef im sachsen-anhaltischen Landtag, wirbt für einen Antrag, Rentner*innen in Ostdeutschland besserzustellen. „Diesen Schritt haben wir dringend nötig“, sagt er. Albrecht Glaser meldet sich zu Wort und räumt ein, dass das bisher zu wenig beachtet worden sei. Gegenrede: Das sei ein „Antrag völlig ohne Zahlen“, niemand wisse, was das kosten würde und wie das finanziert werden könnte. Der Antrag wird aber mehrheitlich angenommen und fließt damit in den Leitantrag ein.


14:35 │ Inzwischen ist die Tendenz sehr deutlich: Anträge, die den Leitantrag umfangreich ergänzen, grundsätzlich ändern oder ganz ersetzen wollen, werden serienmäßig abgelehnt. Das Verfahren zieht sich, doch erst wenn der Antragsstapel abgearbeitet ist, kann über das eigentliche Konzept abgestimmt werden.


14:19 │ So einfach kann es für die AfD sein: „Wir werden die Digitalisierung deshalb meistern, weil wir Deutsche sind“, erklärte gerade Bundesvorstands-Mitglied Joachim Paul. Aus dem Plenum kommt der Hinweis, dass man doch über Sozialpolitik reden wollte. Die Abstimmung zeigt, dass das eine klare Mehrheit so sieht – daher keine Diskussion über „Leitlinien Digitalpolitik“.


14:04 │ Glaser ging ans Mikrofon, nachdem Meister fertig geworden war, und warf ihm vor, „offensichtlich die Unwahrheit“ gesagt zu haben. Es stimme nicht, dass nur eine „kleine Gruppe“ hinter dem Leitantrag steht. Dem nachfolgenden Antrag, das Alternativkonzept nicht weiter zu behandeln, schließen sich knapp 63 Prozent der Delegierten an. Damit setzt sich Glaser durch, ohne dass es einer großen Aussprache bedurfte. Zudem entschieden sich die Mitglieder gerade für eine Redezeitbegrenzung – nur noch drei Minuten für die Begründung von Anträgen, eine Minute für alle anderen Beiträge.


13:59 │ Zwischeninformation aus dem Präsidium: Es sind 540 Delegierte vor Ort.


13:57 │ Auch Alice Weidel äußert sich zu Meuthens Rede und bleibt dabei zunächst erstaunlich diplomatisch. Sie habe die Kritik an der Bundestagsfraktion – der sie gemeinsam mit Gauland vorsteht – „nicht als Angriff verstanden“, sie ziehe sich „den Schuh nicht an“. Gewünscht hätte sie sich, dass Meuthen „mehr programmatische Apekte“ anspricht. Gefragt nach ihrer Meinung zur „Querdenken“-Bewegung sagt sie: „Ich kann nur jedem empfehlen, einfach mal eine ‚Querdenken‘-Demonstration zu besuchen!“ Auf weitere Nachfragen wird Weidel immer dünnhäutiger und bricht das Interview mit dem Sender Phoenix schließlich ab.


13:52 │ Widerspruch gegen den Leitantrag, den Glaser vorgestellt hat, kommt von Michael Meister. Er leitet den Bundesfachausschuss, der für Sozialpolitik zuständig ist – sich aber bei der Erarbeitung des Konzepts durch die übergeordnete Bundesprogrammkommission übergangen fühlt. Meister argumentiert, es sei kein realistischer Ansatz, die Geburtenraten durch finanzielle Anreize beeinflussen zu wollen. Wegen „elektronischer Spiele“ gebe es eine „sexuelle Flaute in deutschen Betten“. Zuschüsse für Kinder würden das nicht ändern, sondern in die „falschen“ Gesellschaftsgruppen abfließen. Der Parteitag soll sich daher gegen den Leitantrag und für ein anderes Modell entscheiden, eine steuerfinanzierte Altersgrundversorgung namens „Dynamische Alternative Altersversicherung“. Glaser und Meister werfen einander vor, unfinanzierbare Ansätze zu verfolgen.


13:22 │ Jetzt wird diskutiert, wie man über das Rententhema diskutieren will. Zum Leitantrag liegt nämlich ein großes Bündel mit Änderungsanträgen und Alternativvorschlägen vor. Die Befürchtung ist, dass eine komplette Behandlung den zeitlichen Rahmen sprengen wird. Einige der Anträge werden abgeräumt.


13:18 │ Alexander Gauland nimmt bei Phoenix Stellung zur Rede des Parteichefs Jörg Meuthen. Der Parteipatriarch sagt, Teile der Rede seien „spalterisch“ gewesen, die Kritik an der Bundestagsfraktion – und an ihm selbst – habe er „nicht verstanden“. „Irgendwelche Zensuren für die Fraktionsführung von Jörg Meuthen werde ich nicht annehmen“, meint Gauland, ohnehin hätte sich Meuthen nicht „einmischen“ dürfen. Dessen Ausführungen seien „zu viel Verbeugung vor dem Verfassungsschutz“. In der Zwischenzeit wurden auf der Bühne gesundheitspolitische Leitlinien vorgestellt, während sich viele Delegierte schon in die Mittagspause verabschiedet haben.


13:06 │ Glasers mehr als halbstündige Rede – sehr viel länger als der Leitantrag – ist alles andere als flammend. Überwiegend geht es nicht einmal um das AfD-Konzept, sondern darum, dass alle anderen „keinen Lösungsbeitrag“ hätten. Er räumt ein, dass es keinen „großen Wurf“ gibt, „aber wir sind die Einzigen, die auf eine Veränderung der Geburtenrate setzen“. Glaser betont damit ausführlich und in ermüdender Redundanz den Aspekt, der in seiner Partei konsensfähig sein dürfte: Die soziale Frage (er nennt sie „die deutsche Frage“) ist reine Demografie, mehr deutsche Kinder müssen her. Recht kurz spricht er dagegen an, dass in der Perspektive der AfD das Renteneintrittsalter noch weiter steigen wird – angeblich „ein Ausweg aus der Armutsfalle“. Erstaunlich: Im Saal ist es sehr ruhig. Viele Augen richteten sich zuletzt jedoch nicht auf Glaser, sondern auf Handys.


12:30 │ Albrecht Glaser stellt den Leitantrag zur Rentenpolitik vor. Damit tritt der Parteitag im Vergleich zu früheren Treffen sehr zügig in die inhaltliche Debatte ein. Glaser behauptet, alle anderen Parteien hätten kein Konzept und keine Lösung – dabei nahm sich die AfD des Themas vor inzwischen zweieinhalb Jahren an, weil sie es ist, die dazu bis heute nichts im Programm stehen hat.


12:24 │ Nach Meuthens Rede wird es hitzig, einem Zwischenredner wird das Mikrofon abgedreht. Weil er sich nicht beruhigt, wird ihm der Ausschluss angedroht. Danach geht nochmals Dubravko Mandic ans Mikrofon und beantragt erneut den Ausschluss der Medien: „Wir brauchen die Presse hier nicht!“ Ein Gegenredner echauffiert sich: „Wir sind nicht im Jahr 1933!“ Die Mehrheit der Delegierten will die Debatte nach kurzer Zeit wieder beenden, die Presse darf bleiben.


11:58 │ Der Bundesvorsitzende Jörg Meuthen spricht. Er empfiehlt kurz, den Leitantrag zur Rentenpolitik anzunehmen, und auch den Vorschlag, eine Art „Grundeinkommen“ zu erproben. Doch es gebe noch ein „wichtigeres Thema“. Was dann folgt, ist eine unerwartet harte Breitseite gegen die Radikalen in der AfD, eine Wutrede, die sich über rund 20 Minuten erstreckt:

Man sei an einem Punkt angelangt, „an dem es nicht mehr automatisch immer weiter nach oben geht“. Die AfD sei gefährdert „wie noch nie“, es könne „alles kaputtgehen“. Manche in der Partei würden ein „Zurück ins Gestern“ propagieren – das sei jedoch zukunftsblind, es komme nicht auf ein „Zurück ins Gestern“, sondern auf einen modernen Konservatismus an. Wirkliche Einheit der Partei – eine Parole des Flügels – fordere aus seiner Sicht „soziale Verhaltensweisen“ und „kompatiblen Sprachgebrauch“. Er kritisiert die „Provokateure“ im Bundestag und meint Abgeordnete der dortigen AfD-Fraktion. Dafür gibt es teils Applaus, teils Buhrufe. Man werde keinen Erfolg haben, indem man „immer derber, immer enthemmter“ auftritt, fährt Meuthen fort. „Ist es wirklich klug, von einer Corona-Diktatur zu sprechen?“, fragt er und meint damit vor allem Alexander Gauland. Man dürfe sich auch nicht mit sogenannten Querdenkern kritiklos gemein machen, dort gebe es „offen systemfeindliche Ansichten“, warnt er – „Pfui“, schallt es ihm entgegen. Auch der Begriff „Ermächtigungsgesetz“ sollte sich von selbst verbieten. „Das kann und darf so nicht weitergehen“, es mache ihn „zornig“, er fürchte ein Scheitern der Partei – wenn sie es nicht schafft, sich als „seriöse Alternative“ zu präsentieren.


11:57 │ Dubravko Mandic stellt den Antrag, die Medien auszuschließen, „damit nicht unnötig unschöne Bilder entstehen“. Er bezieht sich auf Berichte, wonach einige Delegierte keine Masken tragen. Auch gegen diese Pflicht bezieht er Stellung – und wird dann aus dem Präsidium unterbrochen. Grund: Der Antrag ist in der vorgebrachten Form unzulässig.


11:46 │ Für den gastgebenden Landesverband NRW ergreift Landeschef Rüdiger Lucassen das Wort. Er gilt als Fürsprecher des Parteivorsitzenden Jörg Meuthen. Nach idas-Informationen hat er kurzfristig noch Delegierte mit Informationsmaterial ausstatten lassen, samt Aufforderung, dem Leitantrag zur Rentenpolitik zuzustimmen. Zu den Delegierten sagt er, die AfD müsse in der Sozialpolitik einen „großen Schritt vorangehen“, um neue Wähler*innen überzeugen zu können. Es folgt Medienschelte. Die großen Medien „berichten oft nicht“ über die parlamentarische Arbeit der AfD, behauptet Lucassen, der Medien für „links-grün unterwandert“ hält. Man dürfe ihnen aber auch nicht durch Provokationen oder „zweideutige Äußerungen“ Futter liefern. Auffällig ist sein militärisches Vokabular: Er spricht von „Krieg“ und „Schlacht“, von „Truppen“ und „Minenfeldern“. Die AfD sei jetzt „im Angriffsmodus“.


11:45 │ Die Delegierten werden gemahnt: Es gebe eine „gewisse Disziplinlosigkeit“ beim Maskentragen, was man in Liveübertragungen auch sehen könne.


11:41 │ Es gab eine Diskussion um die Frage, ob und wann über eine geplante Resolution zur Lage in Bergkarabach verhandelt wird – die AfD sei eine „abendländische Partei“ und müsse sich dessen an prominenter Stelle annehmen, argumentiert Bundesvorstands-Mitglied Joachim Paul. Gegenrede: Sozialpolitik soll im Zentrum bleiben. Ergebnis: Das Thema bleibt auf der Tagesordnung, aber erst am Ende, gemeinsam mit einer Reihe weiterer Anträge. Erfahrungsgemäß ist damit fraglich, ob die Zeit genügen wird.


11:29 │ Auf Vorschlag des Bundesvorstands stellen die Delegierten die Tagesordnung um, die immerhin 20 Punkte umfasst. Konsequenz: Heute wird über Sozialpolitik geredet und der Leitantrag zur Rentenpolitik verhandelt, nach Möglichkeit auch abgestimmt. Morgen finden Wahlen statt, offen sind unter anderem zwei Posten im Bundesvorstand. Interessantes Detail: Der Bundesvorstand wollte ein neues Thema einfügen: „Verfassungsschutz“. Darauf wird nun aber verzichtet.


11:17 │ Das Umfrageinstitut Forsa hat neue Zahlen veröffentlicht – bundesweit fällt die AfD in der sogenannten Sonntagsfrage auf 7 Prozent. Das ist ein langjähriger Tiefpunkt, das Institut sah die Partei zuletzt im Juli 2017 auf diesem Stand.


11:11 │ Im Tagungspräsidium sitzt auch ein Sachse, Mario Aßmann aus dem Kreisverband Meißen ist stellvertretender Wahlleiter.


11:09 │ Aktuell sind 507 Delegierte akkreditiert, noch nicht die volle Zahl. Randnotiz: Einem Delegierten musste bereits der Ausschluss angedroht werden, weil er keine Maske tragen wollte.


10:57 │ Zum Versammlungsleiter wurde mit großer Mehrheit Julian Flak aus dem Landesverband Schleswig-Holstein gewählt, der solche Treffen schon oft begleitet hat. Stellvertreter sind Krzysztof Walczak und Torben Braga, der kürzlich erst zum stellvertretenden thüringischen Parteivorsitzenden gewählt wurde – unter Björn Höcke. Weitere Positionen im Tagungspräsidium werden jetzt besetzt.


10:36 │ Tino Chrupalla eröffnet den Parteitag mit einer 20-minütigen Grundsatzrede. Man beweise „all unseren Kritikern“, dass die Durchführung einer großen Veranstaltung auch in Corona-Zeiten möglich sei und man als einzige Partei „Demokratie über alles“ stelle. Er kritisiert die Eindämmung der Pandemie, nennt das „reine Konkurspolitik“, Betriebe würden absichtlich in den Bankrott geführt. Weiter beklagt er eine „Kampagne“ gegen die AfD und spricht von „völlig enthemmten Attacken gegen uns“ mit dem Ziel, die Partei „zu vernichten“. Allerdings sagt er auch: „Menschen mit verfassungsfeindlichem Gedankengut haben in unserer Partei nichts zu suchen.“ Zum Hauptthema des Treffens sagt Chrupalla, die AfD stehe für „soziale Demokratie“, ein „solidarisches Miteinander“ und einen „fürsorgenden Staat“. Darauf fuße der Leitantrag zur Rentenpolitik, der könne „sich wirklich sehen lassen“ und beseitige Altersarmut. Keine andere Partei habe ein vergleichbares Konzept zustande bekommen, behauptet er.


10:32 │ Derzeit werden von der Bühne herab noch organisatorische Details erläutert, vor allem zum Hygienekonzept. Gemahnt wird, an das Außenbild zu denken: Bitte „keine Exzesse oder Ausfälle“, heißt es.


10:25 │ Der zweite Parteivorsitzende, Tino Chrupalla, nennt es gegenüber Phoenix „verwunderlich“, dass Masken an den Plätzen getragen werden müssen, man werde sich aber an die Vorschrift halten. Bilder aus dem Saal zeigen einige Delegierte ohne Masken.


10:20 │ Der AfD-Bundesvorsitzende Jörg Meuthen rechnet mit einem geordneten Ablauf. Man sei gut vorbereitet, allen Delegierten werde entsprechende Diziplin abgefordert, sagte er dem Sender Phoenix. Er sei „froh, dass wir einen Parteitag haben, auf dem wir inhaltlich arbeiten können“, möglicherweise werde es aber kontroverse Diskussionen zum Leitantrag geben. Gefragt nach einem Antrag aus dem Kreisverband Freiburg (Baden-Württemberg), der sich gegen ihn richtet, sagte Meuthen: Dubravko Mandic, der dahinter steht, sei „nicht wirklich ernstzunehmen“.


10:07 │ Der Parteitag hat noch nicht begonnen, derzeit gehen die Delegierten zu ihren Plätzen. Dort liegen für Säumige auch Masken bereit.


09:15 │ Tische und Stühle wurden schon gestern Nachmittag aufgebaut, auch die meisten Delegierten sind seit dem Abend vor Ort. Statt langen Sitzreihen gibt es für sie in der Messehalle – gelegen im Vergnügungspark „Wunderland“ auf dem Gelände eines nie in Betrieb gegangenen Atomkraftwerks – Einzeltische mit klar vorgeschriebener Sitzordnung und viel Abstand. Hintergrund: Die AfD nutzt eine Ausnahmeregelung in der NRW-Corona-Verordnung, die Parteitage ermöglicht. Digitale Formate lehnt die AfD ab, für sie das eine Prinzipienfrage. Deshalb hatte sie auch kurzfristig gegen die strengen Hygieneauflagen geklagt, aber gestern vor dem Oberverwaltungsgericht Münster verloren. Demnach müssen alle Anwesenden einen Mund-Nase-Schutz tragen, auch am Platz. Bei Verstößen droht der Ausschluss von der Veranstaltung, ärgstenfalls sogar deren Abbruch. Die kommunalen Behörden haben penible Kontrollen angekündigt.


09:05 │ Eine Überraschungsmeldung gibt es bereits kurz vor Begnn: Alexander Gauland, der im Februar seinen 80. Geburtstag feiern wird, will zur kommenden Bundestagswahl antreten. Das hatte er sich bisher offengehalten. Nach ↪ RND-Angaben ist er als Spitzenkandidat in Brandenburg im Gespräch. „Das kann ich mir vorstellen“, sagt er, jedoch „eher für zwei als für vier Jahre.“


09:00 │ Noch eine Stunde, dann beginnt im nordrhein-westfälischen Kalkar der 11. Bundesparteitag der AfD. Es ist das erste große Treffen der Partei seit der Neuwahl des Bundesvorstands vor fast genau einem Jahr – und wohl auch das letzte vor Beginn des Superwahljahres 2021. Erwartet werden rund 600 Delegierte. Sie bestreiten den mehrfach verschobenen „Sozialparteitag“, den durchzuführen bereits vor zweieinhalb beschlossen worden war. Ziel ist die Einigung auf ein Rentenkonzept, bisher ein blinder Fleck im Programm. Weil sich lange kein Kompromiss zwischen unterschiedlichen Ansätzen abzeichnete, kam es immer wieder zu Verschiebungen. Ein Termin im April platzte aufgrund der Pandemie.