Mit ungewohnt deutlichen Worten kritisiert Landtagspräsident Matthias Rößler die AfD-Fraktion. Deren Abgeordnete haben im Innenhof des Parlaments ein Gruppenbild geschossen, damit Maßnahmen gegen den Infektionsschutz unterlaufen – und „gezielt“ gegen die Hausordnung verstoßen. Konsequenz: Die Corona-Regeln werden verschärft. Bei Wiederholung drohen Geldstrafen.
Beitrag vom 27.11.2020, 15:00 Uhr │
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Bundestags-Aktion nachgeahmt
Nach einer umstrittenen Fotoaktion der sächsischen AfD-Fraktion werden die Corona-Vorschriften im Landtag verschärft. Das hat Landtagspräsident Matthias Rößler (CDU) in einem Rundschreiben an sämtliche Fraktionen angekündigt. Demnach gilt künftig auch auf dem Innenhof des Parlamentsgebäudes sowie in der Tiefgarage des Baukomplexes und damit faktisch lückenlos die Pflicht, einen Mund-Nase-Schutz zu tragen. Bisher bezog sich eine entsprechende Regelung, die im Oktober als Allgemeinverfügung erlassen worden ist, nur auf Innenräume und Flure. Über die Ausweitung berichtete am Mittwoch zuerst die Freie Presse.
Grund dafür ist ein Foto, auf dem fast alle Mitglieder der AfD-Fraktion zu sehen sind. Auf deren Antrag hin hatte am Donnerstag der Vorwoche eine Sondersitzung des Plenums stattgefunden, Thema war die zu dem Zeitpunkt bereits beschlossene Novellierung des Infektionsschutzgesetzes. Unmittelbar nach der Sitzung stellten sich 36 der insgesamt 38 AfD-Abgeordneten auf dem Hof für ein Gruppenbild auf, in den Händen hielten sie Schilder mit der Aufschrift „Grundgesetz“ und einem stilisierten Trauerflor. Identische Motive waren einen Tag zuvor in einer Bundestagsdebatte aus den Reihen der AfD vorgezeigt worden. Die in Dresden nachgeahmte Szene landete wenig später auf der Facebook-Seite der Fraktion.
Das Problem ist dort klar zu erkennen: Weder trugen die sächsischen Abgeordneten einen Mundschutz, noch hielten sie den Mindestabstand zueinander ein. „Ich halte dieses Verhalten der Abgeordneten der AfD-Fraktion für unverantwortlich“, schreibt dazu Rößler. Noch deutlicher wird er in einem zweiten Brief, der dem AfD-Fraktionsvorsitzenden Jörg Urban direkt zuging. Er habe angenommen, „dass im Zuge gegenseitiger Rücksichtnahme zwischen Personen, die sich ohne Mund-Nasen-Bedeckung im Innenhof“ aufhalten, zumindest der als Schutz „allgemein anerkannte“ und auch im Hygienekonzept des Landtags angeführte Mindestabstand von anderthalb Metern eingehalten wird. „Offensichtlich ist ihre Fraktion aber nicht gewillt, dieser Schutzmaßnahme ohne eine verpflichtende Anordnung Rechnung zu tragen“, heißt es weiter.
Urban soll Fraktion disziplinieren
Rößler, der damit einen ungewohnt deutlichen Ton anschlägt, verweist auf Infektionsrisiken, die sich nicht nur für die Beteiligten, sondern auch für zahlreiche Mitarbeiter*innen ergeben. Bei künftigen Vorfällen dieser Art können Geldstrafen oder ein Zwangsgeld über bis zu 25.000 Euro fällig werden, auch Hausverbote sind möglich. Im Landtag gab es bereits mehrere Corona-Fälle, mindestens einen in den Reihen der AfD-Fraktion. Doch deren Shooting war auch unabhängig von der Pandemie ein Missgriff, denn es liegt ein Verstoß gegen die Hausordnung vor. Darin wird es ausdrücklich untersagt, Werbemittel und andere Protestutensilien ins Parlament zu bringen und dort vorzuzeigen. Auch dagegen hat die AfD „gezielt“ verstoßen, moniert Rößler.
Er fordert Fraktionschef Urban daher ausdrücklich auf, dafür zu sorgen, „dass vergleichbare Verstöße durch Mitglieder ihrer Fraktion künftig unterlassen werden.“ Weitere Folgen hat der Vorgang nicht – das Bild ist nach wie vor bei Facebook zugänglich. Es ist nicht der erste Fall, in dem die AfD die Hausordnung ignoriert. So brachten Abgeordnete, darunter Urban, im August 2018 anlässlich eines Dresden-Besuchs durch Bundeskanzlerin Angela Merkel ein Transparent mit der Aufschrift „Kretschmer und Merkel – vereint gegen Deutschland“ an der Hausfassade an. Das gelang aus dem Fenster eines Büroraums hinaus. Um die Entfernung zu erschweren, war der Zugang mit Stühlen verbarrikadiert worden. Zu Protesten hatte damals unter anderem Pegida aufgerufen.