Seit der Einstufung des Flügels als Beobachtungsobjekt des Verfassungsschutzes vor einer Woche hat sich in der AfD ein neuer Machtkampf zusammengebraut. Einzelne Ausschlüsse und sogar die Auflösung der verfassungsfeindlichen Parteiströmung werden gefordert. Heute berät der Parteivorstand, er steht vor harten Entscheidungen.
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Zur AfD sagte Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV), ausdrücklich nichts bei einer Pressekonferenz vor einer Woche. Thema war der künftige Umgang der Behörden mit dem völkisch-nationalistischen Flügel. Nach langer Prüfung wurde das innerparteiliche Netzwerk um Björn Höcke als verfassungsfeindlich eingestuft. Es ist ab sofort ein sogenanntes Beobachtungsobjekt, die maßgeblichen Protagonist*innen gelten jetzt amtlich als „Rechtsextremisten“.
Bundesspitze ist uneins
Die Partei als Ganzes ist nach wie vor ein Prüffall, noch unterhalb der Schwelle, die eine Ausforschung mit nachrichtendienstlichen Mitteln erlaubt. Aber das ist nur eine vorläufige Bewertung. Dem Vernehmen nach will das BfV eine zügige Entscheidung in Bezug auf die AfD treffen, noch bevor das Bundestagswahljahr 2021 anbricht. Nach jetzigem Stand wird alles davon abhängen, wie die Partei künftig mit ihrem Flügel umgeht: Ändert sich nichts, dann droht ihr, auf eine Stufe gestellt zu werden mit der NPD und einer Reihe weiterer extrem rechter Organisationen. Sie haben gemeinsam, parlamentarisch gescheitert zu sein. Der Abstieg der Republikaner hatte einst mit der Beobachtung durch den Verfassungsschutz begonnen.
Die Lage ist ernst, doch in der vergangenen Woche reagierte die Parteispitze zunächst einmal nicht. Eine gemeinsame Positionierung des AfD-Bundesvorstandes blieb überraschend aus, sondern wurde vertagt auf eine weitere Beratung, die heute in Berlin stattfindet. Bislang war man sich schlicht nicht einig, was man zum Vorgehen des Verfassungsschutzes mitteilen möchte: Ist in einer öffentlichen Auseinandersetzung überhaupt etwas zu gewinnen? Soll man den Flügel in Schutz nehmen und damit den gefährlichen Eindruck vertiefen, dass er die Partei prägt? Oder soll man auf Abstand gehen und damit „spalten“, ein Vorwurf, den der Flügel allzu oft erhebt?
Nach der BfV-Entscheidung ist lediglich ein Statement des Bundestagsabgeordneten Roland Hartwig erschienen. Er leitet eine innerparteiliche Arbeitsgruppe, die das Ziel hat, eine Beobachtung der AfD abzuwenden. In der Erklärung wird zur Sache selbst, zum Flügel, nichts gesagt. Nur der Verfassungsschutz wird gescholten, der politisch instrumentalisiert werde, um der Partei zu schaden. Den Text haben die Vorsitzenden der Bundestagsfraktion unterzeichnet, Alice Weidel und Alexander Gauland. Auch Tino Chrupalla, einer der beiden Bundesvorsitzenden, hat sich angeschlossen. Der Name des Co-Sprechers Jörg Meuthen fehlt jedoch.
Der Burgfrieden mit dem Flügel läuft aus
Es gibt nicht nur Uneinigkeit, sondern „Unruhe in der AfD“, so sieht es die parteinahe Wochenzeitung Junge Freiheit. Der Handlungsdruck ist gestiegen, zwei Auswege gibt es nur: Entweder der Flügel selbst mäßigt sich. Anzeichen dafür sind nicht zu sehen, der Tenor bisher war, dass man nichts zurückzunehmen habe, gern beruft man sich auf „Meinungsfreiheit“. Oder aber die Partei zähmt den Flügel. Das scheint ausweglos, frühere Versuche, Höcke zu disziplinieren, liefen ins Leere. So verlegte man sich bisher darauf, die Bedeutung des Flügels herunterzuspielen. Er sei keine offizielle Parteiströmung, heißt es, und mitunter wird sogar bestritten, dass es sich um so etwas wie eine Organisation handelt. Nach dieser Logik ist da nichts, was man zurückdrängen könnte.
Hinzu kommen die objektiven Kräfteverhältnisse. Der Flügel ist die einflussreichste Strömung innerhalb der AfD, er ist eine „Partei in der Partei“ geworden, straffer organisiert als das große Ganze – dahin gehen auch die bisher gewonnenen Verfassungsschutz-Erkenntnisse. In den drei stärksten Landesverbänden Thüringen, Brandenburg und Sachsen dominiert der Flügel eindeutig, und das ist vielleicht sein größter Pfand: Wo er das Sagen hat, ist die AfD am erfolgreichsten. Den Flügel zurückzudrängen hieße demnach, die Partei zu destabilisieren, sie vielleicht sogar zu teilen. Deshalb herrscht seit längerem ein Burgfrieden.
Aber der ist nicht mehr zu halten. Die Partei muss zügig reagieren, denn es drohen schon die nächsten Schläge. Der gesamte thüringische Landesverband, den Höcke anführt, wurde bereits zum Verdachtsfall hochgestuft. Nach Recherchen der Taz ist das auch in Brandenburg unter Andreas Kalbitz wahrscheinlich. Ebenso in Sachsen. Der hiesige Landesvorsitzende Jörg Urban ist auf der Facebook-Seite des Flügels zu sehen, an der Seite von Höcke und Kalbitz. Hinzu kommt die Sorge, dass Beamt*innen sich von der AfD abwenden. Zumindest denen, die beim Flügel mitmachen, drohen Disziplinarverfahren. Für Leute wie Höcke, der Lehrer in Hessen ist, oder auch für den Bundestagsabgeordneten Jens Maier, Richter am Landgericht Dresden, geht es um die Reputation, um die berufliche Zukunft, und nicht zuletzt auch um bereits erworbene Pensionsansprüche.
Aus einigen Bundesländern gibt es Ankündigungen, einschlägige Personalien gründlich zu begutachten, selbst in Sachsen ist das so. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken sagte vor einigen Tagen dem Handelsblatt, man müsse dafür sorgen, dass Flügel-Leute „in diesem Land keine Kinder unterrichten, keine Straftäter ermitteln, nicht für unsere Sicherheit sorgen und nicht in Verwaltungen oder Gerichten über das Schicksal von Menschen entscheiden“.
Höcke will Gegner*innen „ausschwitzen“
Lieber wäre die AfD jetzt zur Tagesordnung übergegangen. Doch mit dem Versuch, die Corona-Pandemie politisch zu verwerten, ist sie vorläufig gescheitert. Dass jetzt stattdessen eine verbissene Diskussion über den Umgang mit dem Flügel in Gang kommt, liegt daran, dass neue Hebel aufgetaucht sind, die geeignet scheinen, gegen die „Führer des Flügels“ einzuschreiten – so nennt das BfV Björn Höcke und Andreas Kalbitz.
Denn zu einer Unzeit, nur zwei Tage nach der Verfassungsschutz-Entscheidung, tauchte ein kurzer Videoclip auf. Er zeigt Höcke bei einem internen Flügel-Treffen in Schnellroda am 6. März. Über innerparteiliche Gegner*innen sagte er dort, dass man „die, die nicht in der Lage sind, das Wichtigste zu leben, was wir zu leisten haben, nämlich die Einheit, dass die allmählich auch mal ausgeschwitz werden sollten.“ Das Publikum reagierte mit Johlen, lautem Applaus und anhaltenden „Höcke, Höcke“-Rufen. Es ist eine offene Drohung, ausgesprochen mithilfe eines Sprachspiels, das an das nationalsozialistische Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau erinnert, wo mehr als eine Million Menschen ermordet worden sind.
Das Auschwitz-Museum nannte die Rede „eine Schande, ehrenlos, unmoralisch und unmenschlich – ebenso wie das Gelächter und der Applaus“. Höcke selbst wies die Kritik zurück. Einen Auschwitz-Bezug gebe es nicht, er spricht von einer „bösartigen Auslegung von Textpassagen“. Wer Höcke-Reden kennt, weiß aber, dass sie sorgsam komponiert sind, dass Höcke kaum etwas dem Zufall überlässt und er genau weiß, was er sagt und wie er es sagt.
HDJ-Mitgliedsnummer 01330
Noch stärker ist Andreas Kalbitz unter Druck geraten, der AfD-Landes- und Fraktionschef in Brandenburg, Höckes Mann im Bundesvorstand. Über ihn sagt das BfV, dass er „über Jahrzehnte“ in der rechten Szene verwurzelt sei und dass er darüber „evident unrichtige Aussagen“ macht. Es geht um Kalbitz‘ Bezug zur Heimattreuen deutschen Jugend (HDJ), eine Neonazigruppe, die sich im Stil der Hitlerjugend uniformiert hat und die 2009 verboten worden ist. In dem Verbotsbescheid, der idas vorliegt, wurde der HDJ eine Wesensverwandtschaft mit dem Nationalsozialismus vorgeworfen. „Eigentliche Zielsetzung des Vereins ist die Heranbildung einer neonazistischen Elite“, heißt es. „Dies erfolgt in Form einer ideologischen Einflussnahme auf Kinder und Jugendliche durch Verbreitung völkischer, rassistischer, nationalistischer und nationalsozialistischer Ansichten im Rahmen vorgeblich unpolitischer Freizeitangebote.“
Bisher war bekannt, dass Kalbitz bei einem dieser „Freizeitangebote“ dabei war, Fotos beweisen das. Im Jahr 2007 hatte er das jährliche HDJ-Pfingstlager besucht. Nach seinen Aussagen handelte es sich um eine „Stippvisite“, bei der er sich als Gast „informieren“ wollte. Doch nach Erkenntnissen des BfV könnte Kalbitz sogar Mitglied der Gruppe gewesen sein, die Rede ist von einem „vollumfänglichen Engagement“. In einem geheimen Gutachten, auf das der Verfassungsschutz die Flügel-Einstufung stützt, heißt es dazu: „Dem BfV liegen allerdings Erkenntnisse in Form einer Mitgliederliste der HdJ Stand 2007 vor, in der unter der Mitgliedsnummer 01330 die ‚Familie Andreas Kalbitz‘ genannt wird. Die nachweislich langjährige Dauer der Teilnahme an Aktivitäten der HdJ und deren Vorgängerorganisation im Erwachsenenalter spricht für eine tiefe Verwurzelung und für eine langjährige politische Sozialisation durch eine neo-nationalsozialistische Organisation.“
Innerhalb der AfD hatte Kalbitz eine etwaige Mitgliedschaft stets bestritten. Sie war bisher auch nur eine Hypothese gewesen. Das BfV spricht nun aber von Erkenntnissen, von einer Mitgliederliste, und das ist in der Tat eine Neuigkeit. Denn mehrere NSU-Untersuchungsausschüsse hatten zwar umfangreiche Unterlagen zur HDJ erhalten. Aber darunter war keine Mitgliederliste und auch sonst nichts, das den Namen Kalbitz enthält. So erinnern sich mehrere Abgeordnete, die mit dem Thema befasst waren, auf idas-Anfrage.
Über die Mitgliederliste, die im Original bisher nur dem BfV vorliegt, hatte der Spiegel zuerst berichtet. Auf Anfrage des Magazins sagte Kalbitz: „Über die beschriebene Mitgliederliste ist mir nichts bekannt.“ Er wisse auch nicht, nach welchen Kriterien eine solche Liste womöglich zusammengestellt wurde. Ein klares Dementi, mitgemacht zu haben, sieht anders aus. Der Jungen Freiheit sagte Kalbitz inzwischen, entsprechende Berichte seien „schlicht falsch“.
Kalbitz könnte aus der Partei fliegen
Falls sie nicht falsch sind, hätte Kalbitz ein Problem. Denn in der AfD gilt ein Unvereinbarkeitsbeschluss, den der Bundesvorstand schon vor mehreren Jahren gefasst hat. Wer in einer Organisation wie der HDJ war, kann der Partei nicht angehören. Wenn sich die BfV-Angaben beweisen lassen, könnte Kalbitz‘ AfD-Mitgliedschaft annuliert werden, mit einfacher Mehrheit des Bundesvorstands und ganz ohne zeitraubendes Ausschlussverfahren, das nach allen Erfahrungen aus der Vergangenheit kaum Aussicht auf Erfolg hätte. Gegen Höcke hat es solche fruchtlosen Versuche bereits gegeben.
Kalbitz ist nicht der Einzige mit einer HDJ-Vergangenheit, der in der AfD untergekommen ist. Der ehemaligen HDJ-Funktionär Felix Nothdurft, der inzwischen den Nachnamen seiner Ehefrau angenommen hat und Willer heißt, tauchte 2015 als Referent in der brandenburgischen AfD-Fraktion auf, in Kalbitz‘ Nähe. Zwei Jahre später wurde er Mitarbeiter im Bundestagsbüro von Alexander Gauland, der die „Erfurter Resolution“ und damit das Gründungsdokument des Flügels unterzeichnet hat. Willers Bruder Laurens Nothdurft, der sogar einer der HDJ-„Bundesführer“ war, kam derweil als Berater bei der AfD-Fraktion in Baden-Württemberg unter. Ein anderer ehemaliger HDJ-Mann, Patrick Harr, war persönlicher Referent von André Poggenburg im sachsen-anhaltischen Landtag.
Allerdings ist niemand von ihnen so bedeutsam wie Kalbitz. Er veröffentlichte inzwischen zu den Diskussionen um seine Person einen Text, der halb Rechtfertigung, halb Aufruf ist, das Thema zu beschließen und zu „Einigkeit und Geschlossenheit“ zurückzufinden. Doch dafür ist es schon zu spät.
Warnung vor „politischen Abenteuern“
Denn gleich aus mehreren Partei-Richtungen wird der Flügel nun attackiert, offen wie lange nicht. Den Aufschlag machte Georg Pazderski aus Berlin, der bis vor wenigen Monaten noch Mitglied im Bundesvorstand war, zuletzt als stellvertretender Parteichef. Bevor er aus dem Leitungsgremium ausschied, hatte er Mitte 2019 den „Appell der 100“ unterzeichnet, mit dem vor Höckes Einfluss gewarnt wurde. Anfang März legte Pazderski eine siebenseitige Analyse zur aktuellen Lage der Partei („Erfurt, Hamburg und die Folgen für die AfD“) vor, in der er Höcke abermals attackiert.
Wolle die AfD nicht ewig in der Opposition sein, so „führt kein Weg daran vorbei: Wenn die AfD in nicht allzu ferner Zukunft Regierungsverantwortung übernehmen und breitere Unterstützung in bürgerlichen Kreisen finden will, dann muss sie sich noch klarer als bisher vom rechten Rand distanzieren.“ Insbesondere der Flügel sei aufgerufen, eine deutliche Abgrenzung vorzunehmen, denn „politische Abenteuer bringen die AfD nicht weiter, sondern werfen sie zurück. Sie schwächen die Glaubwürdigkeit der AfD gerade in bürgerlichen Kreisen und liefern den Gegnern der AfD billige Argumente“, so Pazderski.
Inzwischen hat er nachgelegt, auf Medienanfragen erklärte er: „Ich bin mit der großen Mehrheit der AfD-Mitglieder der Überzeugung, dass der ‚Flügel‘ sein politisches Glaubwürdigkeitsproblem lösen und jetzt im Sinne und zum Wohle der Gesamtpartei handeln muss.“ Da das jedoch nicht geschehe, sei nun „der Bundesvorstand in der Pflicht, zu handeln und die Partei vor weiterem Schaden zu bewahren.“
„Partei ist ernsthaft in Gefahr“
Aus dem Bundesvorstand meldete sich Alexander Wolf zu Wort, der in der Bürgerschaft in Hamburg sitzt. Vor einem knappen Monat wurde dort gewählt, die AfD kam gerade so über die Fünf-Prozent-Hürde. Das bescheidene Ergebnis habe man „wegen des Narrensaums, wegen der Krakeeler“ eingefahren, meinte Wolf hinterher und forderte „rote Linien nach Rechtsaußen“ ein. Inzwischen hat er das bekräftigt, nennt Höcke nun einen „König der Eigentore“, dessen Äußerungen der Partei schaden und sie besonders in den Alten Bundesländern für viele unwählbar mache. „Das Projekt der Partei ist ernsthaft in Gefahr“, sagt Wolf und fordert, dass der Flügel seine Strukturen offenlegt – oder „zum Wohle der Partei“ aufgelöst wird.
Es gibt weitere mahnende Stimmen. In den vergangenen Tagen wandte sich Uwe Junge, AfD-Fraktionschef im Landtag von Rheinland-Pfalz, mit einem Schreiben an Parteifreund*innen. Viele in der AfD seien bereit, „die Partei zu verlassen, wenn jetzt nicht entschlossen reagiert wird“, heißt es darin. Er erwarte „eine harte Ordnungsmaßnahme gegen Höcke und die Löschung der Mitgliedschaft von Kalbitz“. Bei Facebook sprach er von einem „Narrensaum“ und mahnte, dass die Partei „nach sieben harten Jahren an der Uneinsichtigkeit der Radikalen zu scheitern“ drohe. Dem Bundesvorstand teilte er mit, seinen eigenen Verbleib in der AfD davon abhängig zu machen, wie heute entschieden wird. Junge selbst hat durch den Flügel an Einfluss in der Partei verloren. Ende 2019 wollte er in den Bundesvorstand einziehen, fiel aber durch.
Scharfe Worte kommen auch aus Nordrhein-Westfalen, wo die AfD ihren mitgliederreichsten Landesverband hat. Der Landtagsabgeordnete Roger Beckamp warf Höcke vor, er sorge parteiintern für immer mehr „Missmut“ und liefere der Presse und den Behörden neues Material, das der Partei schade. Diese Ansicht hat sich inzwischen der gesamte NRW-Landesvorstand zueigen gemacht. Es müsse „wieder Ruhe in unsere Partei einkehren“ um eine „bereits begonnene Austrittswelle zu stoppen“, schrieb Landeschef Rüdiger Lucassen am Mittwoch an die beiden Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen und Tino Chrupalla. Lucassen fordert, sämtliche Auftritte von AfD-Mitgliedern unter der Bezeichnung „Flügel“ zu verbieten. In einem weiteren Schreiben an die Mitglieder warnte Lucassen vor einer „Verselbständigung“ des Flügels, die sich als eine Zerreißprobe für die gesamte Partei auswirke.
Darum müsse ein klarer Schnitt her: „Der ‚Flügel‘ ist in seiner Art der Organisation und der Gestaltung von Prozessen nicht in unsere Partei integrierbar. Diktion und Duktus von bekannten Protagonisten des ‚Flügel‘ machen erfolgsversprechende Wahlergebnisse in unserem Bundesland zunichte.“ Die deutlichen Worte kommen überraschend. Lucassen hat vor nicht langer Zeit noch Höckes Landtagswahlkampf in Thüringen unterstützt. Geplant war außerdem, den kommenden Kommunalwahlkampf in Höxter gemeinsam mit Höcke zu eröffnen. Nun nutzt er teils die gleichen, scharfen Formulierungen wie Junge.
Der Flügel berät sich am Sonnabend
Auch Jörg Nobis, der Vorsitzende der AfD-Landtagsfraktion in Schleswig-Holstein, fordert vom Bundesvorstand eine deutliche Reaktion auf Höckes „Ausschwitzen“-Rede ein. Der Bundestagsabgeordnete Jürgen Braun, der zeitweise Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion war, drängt ebenfalls auf weitergehende Schritte: „Der Bundesvorstand muss jetzt handeln, die Zeit des Aussitzens ist vorbei“, sagte er dem Spiegel.
Nach Angaben des Magazins hat sich inzwischen eine Gruppe von knapp 20 AfD-Leuten zusammengeschlossen, die nach mehreren Treffen den Druck erhöhen will und in erster Linie auf den Rauswurf Kalbitz‘ drängt. Sie hoffen vor allem darauf, dass Bundessprecher Jörg Meuthen, der sich dazu bislang nicht eingelassen hat, ein Machtwort spricht. Co-Sprecher Chrupalla, so heißt es, könnte immerhin bereit sein, Flügel-Veranstaltungen bis auf Weiteres zu untersagen.
Vom Flügel gibt es auf all diese Entwicklungen bisher keine Reaktion. Die Gruppe will sich nach Recherchen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung an diesem Sonnabend an einem geheimen Ort versammeln. Dann soll beraten werden, wie man mit einer Entscheidung des Bundesvorstandes umgehen will, die bis dahin vorliegen könnte. Eine Auflösung wird allerdings nicht in Betracht gezogen, die eigene Machtbasis hält man für gefestigt. Die Kritik am Flügel, so viel ist zu erkennen, kommt bislang ausschließlich aus den westdeutschen Verbänden.