Ein absehbarer Schritt: Demnächst will das Bundesamt für Verfassungsschutz publik machen, dass die AfD verstärkt beobachtet wird. Die Partei fühlt sich zu Unrecht verfolgt, in Sachsen hält sie sich für das Opfer eines „tiefen Staats“. Verwunderlich ist eher, dass die Behörden erst jetzt ernst machen und so viel Zeit verstreichen ließen. idas erklärt die Hintergründe.
↓
Angst vor einer „neuen Stasi“
Freud und Leid können ganz nah beieinander liegen. Anfang Februar freute sich Rolf Weigand über den sächsischen Verfassungsschutz, der endlich bestätigt habe, dass die Junge Alternative „auf dem Boden des Grundgesetzes“ steht. Weigand war an diesem Gütesiegel brennend interessiert, schließlich ist er der Vorsitzende des AfD-Nachwuchsverbandes im Freistaat. Als Landtagsabgeordneter hatte er das Innenministerium gefragt, was dort über seine Organisation vorliegt, und als Antwort eine Ausflucht erhalten: „Bei der Jungen Alternative handelt es sich nicht um eine (…) erwiesene extremistische Bestrebung.“
Diesen Satz besagt etwas anderes, als Weigand annahm. Seine blaue Nachwuchs-Truppe ist längst im Visier des Verfassungsschutzes, ebenso der völkisch-nationalistische „Flügel“. Das wird Weigand spätestens jetzt, einen Monat später, bemerkt haben. Denn die Verfassungsschutzbehörden im Bund und in den Ländern stehen unmittelbar davor, ihr Vorgehen gegen die Partei zu verschärfen. Als wahrscheinlich gilt, dass der „Flügel“ zum offiziellen Beobachtungsobjekt erhoben und die AfD insgesamt zum Verdachtsfall erklärt wird.
Kaum war das vermeldet, klagte Jörg Urban sein Leid. Der Verfassungsschutz werde zur „neuen Stasi“ gemacht, um die AfD zu unterdrücken, meint der sächsische Landes- und Fraktionsvorsitzende. Er nimmt insbesondere den „Flügel“ in Schutz, der „eine legitime Strömung innerhalb der AfD“ sei und dem er zugutehält, „unsere patriotischen Anliegen besonders wichtig“ zu nehmen. Urban ist selbst ein „Flügel“-Mitglied und dadurch aller Voraussicht nach in Kürze ein amtlich geprüfter Rechtsextremist. Er und seine Leute, so die Behördensicht, die sich immer deutlicher abzeichnet, stehen keineswegs auf dem Boden des Grundgesetzes.
„Verdachtssplitter“ in Hülle und Fülle
Diese Frage war lange ungeklärt gewesen. Anfang vergangenen Jahres, kurz vor dem sechsten Geburtstag der AfD, machte das Bundesamt für Verfassungsschutz seine vorläufige Sicht öffentlich: „Dem BfV liegen erste tatsächliche Anhaltspunkte für eine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgerichtete Politik der AfD vor.“ Die Rede war von „Verdachtssplittern“, die weiter gesammelt und bewertet werden müssen. Seitdem ist die Partei ein sogenannter Prüffall der Inlands-Nachrichtendienste. Sie bewerten fortlaufend, ob sich die AfD so deutlich gegen die verfassungsmäßige Ordnung richtet, dass sie systematisch beobachtet werden muss.
Dann könnte das große nachrichtendienstliche Besteck genutzt werden, Observationen, V-Leute, das Abhören von Telefonen und Mitlesen von E-Mails. Bei der Jungen Alternative und dem „Flügel“ ist das bereits möglich. Sie wurden damals zu sogenannten Verdachtsfällen erklärt und dürfen seitdem unter bestimmten Voraussetzungen auch verdeckt ausgeforscht werden, um den Verdacht zu erhärten oder zu zerstreuen.
Die Behörden stützen sich bei alledem auf ein umfangreiches Gutachten, das auf 436 Seiten hunderte Beispiele anführt, wie zahlreiche Verbände und führende Vertreter*innen der Partei – unter ihnen auch 14 sächsische Amts- und Mandatsträger – durch ihr Reden und Handeln gegen die Menschenwürde verstoßen, wie sie Minderheiten die Grundrechte absprechen und politische Ziele verfolgen, die mit der parlamentarischen Demokratie unvereinbar sind. In vieler Hinsicht, so könnte man es vereinfacht sagen, ist die große AfD in die Fußstapfen der kleinen NPD getreten und hat dabei tiefe Spuren hinterlassen.
Ergebnis einer langfristigen Entwicklung
Für Beobachter*innen kam das nicht überraschend, auch nicht für die AfD selbst. Praktisch alles, was man ihr heute vorwirft, war von Anbeginn da und begleitete ihren Aufstieg wie ein Grundrauschen, das immer lauter und schriller wurde. Keine acht Wochen nach ihrer Gründung hatten sich schon mehr als 10.000 Interessierte eingeschrieben, die Mitglied werden wollten. Unter denen, die zur AfD stießen, waren viele mit einem Vorlauf in der rechten Szene, die ihre Erfahrungen aus den Braunzonen der Republik nun in eine anscheinend respektable politische Karriere ummünzen wollten.
Das bekannteste Beispiel ist Andreas Kalbitz, der sich seit den frühen 1990er Jahren in fanatischen Neonazikreisen bewegte, der heute, ohne je ausgestiegen zu sein, die AfD in Brandenburg anführt und sogar im Bundesvorstand sitzt. Nicht gerade wählerisch war man auch mit den Bündnispartner*innen. Immer wieder arbeitete die AfD mit der Identitären Bewegung (IB) zusammen, die ungefähr zu der Zeit, in der die Partei sich gründete, als Prüffall eingestuft wurde. Innerhalb der AfD bildeten sich Strömungen heraus, die sich deutlich an der IB orientierten.
Darunter war die sogenannte Patriotische Plattform, die sich ausdrücklich gegen die „Herausbildung einer multikulturellen Gesellschaft“ wandte, und wenig später der „Flügel“ als ein inzwischen konkurrenzloses Netzwerk völkischer und deutschnationaler Hardliner. Auch die offizielle Programmatik der Partei nahm Pfade, die in abseitiges, verfassungsfernes Gebiet führten. Im sächsischen Landesverband wurde bereits 2014 die Forderung entwickelt, Telefone ganz ohne gesetzliche Grundlage zu überwachen. Eine Idee, zu der Urbans Stasi-Vorwurf gepasst hätte.
Lob für rassistische Eskapaden
Ein Übriges taten die eskalierenden, rassistisch motivierten Straßenproteste im Jahr darauf. „Für die erste Demo war es in Ordnung“, meinte der heutige sächsische AfD-Generalsekretär Jan Zwerg zu einer Demonstration in Freital, bei der es im März 2015 zu Durchbruchsversuchen in Richtung einer örtlichen Asylunterkunft und zu gewalttätigen Angriffen auf die Polizei gekommen war. Einer der maßgeblichen Protest-Initiatoren, Dirk Jährling, wurde später Mitarbeiter des Abgeordneten André Barth. Dieser wiederum nahm in Meißen an Versammlungen der extrem rechten „Initiative Heimatschutz“ teil, die eine ganze Zeit lang auf die logistische Unterstützung der AfD setzen konnte.
Barths Landtagskollege Sebastian Wippel – ein Polizeibeamter, der bei der Gründung der Patriotischen Plattform dabei war – traf sich derweil mit der Initiative „Görlitz wehrt sich“ und hielt eine Ansprache bei einer ihrer Ausländer-raus-Kundgebungen, bei der immer wieder rassistische Reden geschwungen wurden. Dass dem Verfassungsschutz bei dieser Hetz-Initiative „Hinweise auf relevante rechtsextremistische Bezüge“ vorliegen, konnte Wippel in der Tageszeitung lesen. Nur hielt ihn das nicht ab. Es gibt viele solcher Beispiele.
Zur Wahrheit gehört, dass es in Teilen der AfD schon frühzeitig ein Problembewusstsein gab. Der Parteigründer Bernd Lucke hatte die Gefahr gesehen, dass seine Partei schnell „verbrennen“ wird, wenn sie sich zu weit aus dem Fenster lehnt, und deshalb gezögert, einen plumpen Anti-Islam-Kurs einzuschlagen oder beispielsweise eine offizielle Kooperation mit Pegida einzugehen. Im Frühjahr 2015 erließ daher der Bundesvorstand einen wegweisenden Beschluss, der eine Zusammenarbeit mit Strömungen, für die unter behördlicher Beobachtung stehen, verbietet. Jedenfalls theoretisch.
Einzelfall um Einzelfall
Seitdem pflegt die AfD eine Unvereinbarkeitsliste. Sie enthält sämtliche Grüppchen, die in Verfassungsschutzberichten auftauchen. Doch ein effektives Mittel, sich abzugrenzen, war das nie. Zum einen kann, wer einmal der Partei beigetreten ist, nicht einfach rausgeschmissen werden. Es bedarf dazu langwieriger Schiedsverfahren, die fast immer erfolglos verlaufen. Auch deshalb, weil die Rechtsausleger der Partei ganz gezielt die Parteigerichte besetzten. Einige von ihnen waren früher selbst Ausschlussverfahren ausgesetzt gewesen. So türmte sich Einzelfall um Einzelfall auf.
Zum anderen waren auch in den Spitzengremien der AfD bald Kräfte in der Mehrheit, die von einer Grenzziehung nach rechtsaußen nicht viel halten. Die immer, wenn es um Fragen der Abgrenzung geht, vor „Distanzeritis“ warnen. Und die erfolgreich an Luckes Demontage mitarbeiteten. Als die Identitären erstmals im Verfassungsschutzbericht auftauchten und auf der Unvereinbarkeitsliste der AfD landeten, sprach die Patriotische Plattform von einem „unwürdigen Anpassungseifer“. Der „Flügel“ nahm sogar die NPD in Schutz: „Ich gehe nicht davon aus, dass man jedes einzelne NPD-Mitglied als extremistisch einstufen kann“, sagte Björn Höcke einmal. Da war noch nicht bekannt, dass er früher unter dem Pseudonym Landolf Ladig selbst für eine NPD-Zeitschrift geschrieben hatte.
Dass das alles durchging und Leute wie Kalbitz und Höcke nicht nach draußen, sondern nach oben gespült wurden, hängt nicht zuletzt damit zusammen, dass die AfD mit ihrem offenen Rechtskurs weit größere Erfolge einfuhr als zu einer Zeit, in der man sie noch gern als verkopfte „Professorenpartei“ missverstand.
„Wir haben nichts zu verbergen“
Nachdem Lucke verdrängt war, setzte ein innerparteilicher Überbietungswettbewerb ein, bis hin zu Forderungen, auf Geflüchtete zu schießen. Die Partei berauschte sich daran, Teile der Öffentlichkeit waren alarmiert. Im Herbst 2015 wurden erstmals Forderungen laut, die AfD durch den Verfassungsschutz überprüfen zu lassen. Sie kamen nicht nur von anderen Parteien, sondern beispielsweise auch vom Bund der Kriminalbeamten. Zu dieser Zeit erlebte die Republik in kurzen Abständen gewaltsame Höhepunkte einer rassistischen Straßenmobilisierung. Verbale Ausfälle und handfeste Ausschreitungen bei Pegida. Bundesweites Entsetzen über das Attentat auf Henriette Reker. Eine aggressive Stimmung, die der AfD Auftrieb gab und von der sie im Grunde bis heute zehrt.
In der Partei amüsierte man sich derweil über Versuche, die Lage einzudämmen oder überhaupt eine Übersicht zu gewinnen: „Ich habe kein Problem damit, wenn der Verfassungsschutz uns überprüfen sollte“, meinte Höcke. Holger Hentschel, damals Stadtratsmitglied in Leipzig und heute Abgeordneter im Sächsischen Landtag, sagte: „Ich bin gerne bereit mit dem Verfassungsschutz zusammen zu arbeiten. Der VS kann gerne zu unseren Veranstaltungen kommen, wir haben nichts zu verbergen – im Gegenteil.“ Man sah sich im Recht, auch deshalb, weil Behörden nicht eingeschritten sind.
Doch ohne, dass man groß Notiz davon nahm, begannen im Verlauf des Jahres 2015 einige Verfassungsschutz-Landesämter, Material über die AfD abzuheften. Zunächst in Sachsen-Anhalt, dann auch Thüringen, Nordrhein-Westfalen, Berlin und Hamburg las man zumindest das, was die Tagespresse hergab. Außerdem fielen bei der Beobachtung der Identitären immer wieder nachrichtendienstliche Informationen über die AfD an. Sie deuteten auf gezielte Eintritte in die Partei und die Junge Alternative hin. In einigen Fällen zeigte sich auch, dass das mit dem Wissen und auf Wunsch von Partei-Funktionär*innen geschah. Deshalb begann der bayrische Verfassungsschutz, den damaligen AfD-Landesvorsitzenden Petr Bystron zu beobachten.
Prädikat: ungefährlich
Doch die Partei selbst schien unantastbar zu sein und blieb es noch jahrelang. Denn das maßgebliche Bundesamt für Verfassungsschutz stellte sich auf den Standpunkt, dass die AfD keineswegs extremistisch sei, auch nicht Teile von ihr. Man sah sie am „nationalkonservativen Rand“, überwiegend bürgerlich geprägt und ohne Hang zur Gewalt. Bis auf Weiteres galt das Diktum Hans-Georg Maaßens, des Präsidenten des BfV, nach dem von der AfD keine Gefahr ausgehe. Nach seiner Sicht war es für eine strengere Bewertung noch zu früh, die Partei zu jung und ungefestigt, um klare Schlüsse ziehen. Maaßens Dienstherr, der damalige Innenminister Thomas de Maizière, schloss sich an und beschwerte sich vor Medien, dass Äußerungen der Partei „hysterisch kommentiert“ werden.
Im Hintergrund standen Befürchtungen, die bis heute angeführt werden, wenn es um eine Beobachtung der AfD geht. Etwa, dass man die Partei dadurch in eine Märtyrer-Rolle drängt, die ihr am Ende, an der Wahlurne, mehr nützt als schadet. Und dass man den Eindruck vermeiden muss, wonach der Verfassungsschutz parteipolitischen Forderungen nachgibt, wenn er beginnt, einen aufstrebenden Mitbewerber unter die Lupe zu nehmen. Hinzu kam, dass Sicherheitsbehörden sich entschieden hatten, die sogenannten asylkritischen Bewegungen als „nichtextremistisch“ zu deklarieren. Für die AfD, die sich an deren Spitze setze, konnte kaum etwas anderes gelten.
Sympathien unter Entscheidungsträger*innen mögen auch eine Rolle gespielt haben. Reinhard Müller beispielsweise, Chef des Verfassungsschutzes in Mecklenburg-Vorpommern, sagte im Sommer 2016: „Die Mehrheit der Menschen ist asylkritisch. Es muss möglich sein, in der Gesellschaft einen Diskurs zu führen, ohne gleich Extremismus zu rufen.“ Im Rückblick erscheint die Annahme nicht abwegig, dass nicht die Einleitung der Beobachtung, sondern – im Gegenteil – die langanhaltende Nichtbeobachtung der AfD politisch motiviert war. Für eine abwartende Haltung gegenüber der AfD trat später auch Horst Seehofer ein, der, als er noch nicht Innenminister war, besonders drastische Worte für die Asylpolitik der Bundesregierung gewählt hatte.
„Möglicherweise für den Verfassungsschutz von Bedeutung“
Ganz zu schweigen von Hans-Georg Maaßen. Der oberste Verfassungsschützer verfolgte eine eigene politische Agenda, traf sich mehrmals mit AfD-Politiker*innen. Schon im Herbst 2015 soll er mit Frauke Petry, der Nachfolgerin Bernd Luckes an der Spitze der Partei, über eine mögliche Verfassungsschutzbeobachtung gesprochen haben. Zwar bestreitet Maaßen bis heute, Petry darin beraten zu haben, wie sie eine solche Beobachtung verhindern kann. Er sagt aber auch, dass es zu seinen Aufgaben gehört habe, „mit Personen zu sprechen, deren Organisation möglicherweise für den Verfassungsschutz von Bedeutung ist.“
Die Parteispitze war danach aufgeschreckt. „Wir mussten hier durchgreifen. In der AfD gibt es keine Duldung von Kontakten in das rechtsextreme Milieu“, sagte Jörg Meuthen im Frühjahr 2016. Der von ihm und Petry angeführte Bundesvorstand hatte damals – für die Öffentlichkeit überraschend – veranlasst, wegen extrem rechter Umtriebe den kompletten Landesverband Saar aufzulösen. Ebenso überraschend war, dass es dazu dann doch nicht kam, denn das Bundesschiedsgericht vereitelte den Versuch, erstmals im großen Stil durchzugreifen. Auch weitere Maßnahmen, mit denen der Bundesvorstand dokumentieren wollte, sich nach rechts abzugrenzen, liefen ins Leere. Dazu gehörte unter anderem der Versuch, den notorischen Antisemiten Wolfgang Gedeon loszuwerden. Er ist bis heute Mitglied.
Untätig blieben die Verfassungsschutzbehörden währenddessen nicht, doch Arbeitseifer war nicht im Spiel. Im November 2016 trafen sich die Amtsleiter*innen des Bundes- und der Landesämter. Bei dem Gipfeltreffen sollte unter anderem diskutiert werden, ob und wie die Ämter künftig das rechtspopulistische und neurechte „Brückenspektrum“ beobachten wollen, das jenseits der klassischen Neonazi-Szene neu entstanden war, mit der AfD als parteipolitischem Kern und parlamentarischem Arm. Doch Maaßens BfV ließ das Thema von der Tagesordnung nehmen. In den Vordergrund gestellt wurde der Umgang mit den Reichsbürgern.
Freibrief für den rechten Rand
Derweil trumpfte der „Flügel“ immer mehr auf. Im Januar 2017 hielt Höcke seine berüchtigte „Dresdner Rede“, in der er eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ forderte, das Berliner Holocaustmahnmals als „Denkmal der Schande“ bezeichnete und – ein Markenzeichen seiner Ansprachen – zum Umsturz aufrief: „Die AfD ist die letzte evolutionäre, sie ist die letzte friedliche Chance für unser Vaterland.“ Ein Vorstoß der Parteispitze, Höcke wegen parteischädigenden Verhaltens auszuschließen, fand im Bundesvorstand keine Mehrheit.
Auch andere „Flügel“-Leute wurden milde behandelt. Als im Sommer 2017 Chatprotokolle bekannt wurden, in denen sich André Poggenburg für eine „Erweiterung der Außengrenzen“ einsetzte, den Neonazi-Slogan „Deutschland den Deutschen“ benutzte und er nicht einschritt, als Gesprächspartner*innen von der „Machtergreifung“ und davon phantasierten, Journalist*innen zu „sieben“ – da wurde ihm lediglich eine Abmahnung ausgesprochen. Das gleiche geschah nochmal, als Poggenburg im Februar 2018 beim Aschermittwochs-Treffen der AfD im sächsischen Nenntmannsdorf von „Kümmelhändlern“ und „Kameltreibern“ sprach. Gegen Jörg Urban, der bei der gleichen Veranstaltung einen rassistischen „Witz“ erzählte, dem zufolge Türken Geschlechtsverkehr mit Schafen ausüben würden, unternahm man gar nichts.
Längst hatte die Partei erkannt, dass sie gerade mit primitiven Ausfällen, maximaler Plumpheit und vermeintlichen Tabubrüchen zuverlässig punkten kann. In einem vertraulichen Strategiepapier des Bundesvorstandes wurden damals „sorgfältig geplante Provokationen“ als eine bevorzugte Methode empfohlen, sich ins Gespräch zu bringen. Von rechtsextremen Gruppierungen solle man sich zwar besser fernhalten, hieß es weiter. Doch es müsse „nicht jedes Mitwirken individueller AfD-Mitglieder bei (…) suspekten Gruppen thematisiert und geahndet werden.“ Zur Begründung hieß es, dass ein Vorgehen gegen Problemfälle in den eigenen Reihen der Partei in der Regel keine Vorteile bringe. Was sich liest, wie ein Freibrief, wurde auch genau so verstanden.
Bundesamt soll Hinweise ignoriert haben
Mehrmals im Jahr 2017, dem Jahr der Bundestagswahl, baten verschiedene Landesämter das BfV, seine zurückhaltende Auffassung zu überdenken und eine Materialsammlung anzulegen: Nur so könne man auf einer gemeinsamen Informationsbasis entscheiden, ob es in der AfD nicht doch problematische Tendenzen gibt. Erst nach drastischer Kritik aus einigen Ländern, wonach das BfV seine Aufgaben vernachlässige, lenkte Maaßen ein kleines Stück ein und stimmte zu, die Lage künftig gemeinsam zu beurteilen. Allerdings mit Einschränkungen: Das BfV bestand darauf, dass keinesfalls von einer „Materialsammlung“ die Rede sein dürfe. Und es gab nicht einmal – anders, als es sonst praktiziert wird – eine ausdrückliche Aufforderung an die Landesämter, Informationen beizusteuern.
Einzelne Landesämter, etwa das bayrische, setzten daher auf Eigeninitiative. Dort wurde eine Analyse angefertigt, der zufolge die AfD als Teil eines straff agierenden, grenzüberschreitend organisierten und klar fremdenfeindlichen Netzwerks anzusehen ist. Gemeinsam mit den Identitären, die zu der Zeit bereits Verdachtsfall waren, und der Initiative Ein Prozent, die zum Prüffall wurde.
Die nächste Geheimdienst-Tagung im März 2018 dämpfte die Erwartungen dann wieder. Einer vorgefertigten Sprachregelung des BfV folgend wurde dort festgeklopft, dass „keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspukte ersichtlich“ seien, „die eine Beobachtung der AfD als Partei durch den Verfassungsschutzverbund begründen würden.“ Wieder sahen sich mehrere Landesämter düpiert. Sie schritten jetzt selbst ein: Vor allem wegen der anhaltenden und engen Zusammenarbeit mit den Identitären nahmen Bremen und Niedersachsen im Sommer 2018 die dortigen Landesverbände der Jungen Alternative unter Beobachtung. Die niedersächsische Behörde, die zudem begann, einzelne AfD-Funktionär*innen zu beobachten, verband das mit einer deutlichen Kritik am anhaltenden Zögern. Im BfV seien Hinweise aus den Ländern einfach ignoriert worden, so der Vorwurf.
Eigeninitiative der Landesämter
Der thüringische Verfassungsschutz wagte einen noch größeren Schritt und erklärte Höckes kompletten Landesverband zum Prüffall. Die Geheimdienst-Kolleg*innen in Nordrhein-Westfalen drängten darauf, wenigstens beim Umgang mit extrem rechten Strömungen wie dem „Flügel“ und der Patriotischen Plattform ein bundesweit einheitliches Vorgehen zu finden. Auch Hamburg und Bayern schlossen sich dieser Forderung an, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Chemnitzer Ereignisse und der Eskalation des von der AfD mitorganisierten „Trauermarschs“, an dem sich amtsbekannte Neonazis in vierstelliger Zahl beteiligten. In der Folge nahm man sich auch in Baden-Württemberg die Junge Alternative vor.
Und das BfV? Ging darauf zunächst nicht ein. Hans-Georg Maaßen hatte sich im Spätsommer 2018 vielmehr darauf verlegt, die jüngsten Ereignisse zu verklären, wenn nicht zu leugnen. Mit der Behauptung, es habe keine „Hetzjagd“ geben, und einigen weiteren Missgriffen läutete er das Ende seiner Karriere ein. Erst so kam neuer Schwung in das Thema. Denn Maaßens Nachfolger Thomas Haldenwang, bisher Stellvertreter, zögerte nicht lange. Einer seiner ersten Schritte an der Amtsspitze war die lange aufgeschobene Ankündigung, eine Entscheidung zum weiteren Umgang mit der AfD zu treffen, und zwar so schnell wie möglich.
Tatsächlich war das BfV nicht so blind, wie es bisher schien, 13 der 16 Landesämter hatten bereits Material an die Kölner Zentrale geschickt, belastende Belege, in einigen Fällen mehr als hundert Seiten stark. Doch ausgerechnet aus Sachsen, wo die AfD am mächtigsten ist, war nichts eingetroffen. Die Dresdner Behörde unter dem Burschenschafter Gordian Meyer-Plath soll rechtliche Bedenken geltend gemacht haben. Nach ausdrücklicher Aufforderung lieferte man dann doch noch Informationen. Die sollen dem Vernehmen nach einen konkurrenzlos bescheidenen Umfang gehabt haben, überwiegend kopierte Presseartikel. Aber auch in Sachsen hatte man als Beifang bei der Beobachtung der klassischen rechten Szene einigen Aufschluss über die Rolle der AfD gewonnen.
Einstufung als Warnschuss
Zusammengefügt lag im BfV nun ein mehr als eintausend Seiten dickes Konvolut vor, das die AfD schwer belastet. Strittig war nur noch, welche Schlüsse daraus zu ziehen sind: Gehört die ganze Partei unter Beobachtung, oder nur Teile davon? Das Amt setzte auf einen Warnschuss, der Anfang 2019 abgefeuert wurde: Die AfD wird Prüffall, Junge Alternative und „Flügel“ sind ab sofort Verdachtsfälle, alles Weitere muss später entschieden werden. Mit dem abgestuften Vorgehen wurde der Partei abermals Spielraum gegeben, zu reagieren, in den eigenen Reihen gegenzusteuern und beispielsweise eine Karenzzeit zu verordnen, in der sich der „Flügel“ zurücknimmt.
Die amtliche Milde war, einmal mehr, ein durchaus politisch motiviertes Zugeständnis an die AfD. Der Partei wurden immer wieder Brücken gebaut, die zurück ins demokratische Spektrum führen. Sie hat sie lieber abgerissen. Denn die Drohung, es mit dem Verfassungsschutz zu tun zu bekommen, war aus Sicht der Partei lange nur eine hypothetische Gefahr gewesen und keine glaubhafte Drohung, höchstens eine Imagefrage. In einem Strategiepapier des Bundesvorstands aus dem Sommer 2019 wurde moniert, dass die fehlende Abgrenzung nach rechts und wiederholte Forderungen nach einer behördlichen Beobachtung vor allem die Zielgruppe des „konservativ-liberalen Bürgertums“ abschrecken würde. Echten Handlungsbedarf sah man nicht.
Die Lage änderte sich für die AfD abrupt, als drei Jahre nach den ersten Forderungen, die Partei zu beobachten, einzelne Landesämter vorpreschten und sich die Junge Alternative vornahmen. Und als Maaßen, der bislang auf der Bremse gestanden hatte, seinen Schlapphut nehmen und gehen musste.
AfD setzte „Sonderermittler“ ein
Die AfD-Spitze reagierte umgehend mit einem ganzen Maßnahmenpaket. Noch im September 2018 empfahl sie „nach den Vorkommnissen in Chemnitz“ ihren Mitgliedern, nur noch an Versammlungen teilzunehmen, „die ausschließlich von der AfD angemeldet und organisiert worden sind.“ Eine verbindliche Vorschrift ist das nicht, die sächsische AfD kündigte umgehend an, sich daran nicht zu halten. Jörg Meuthen behauptete zudem wiederholt, man habe einige „problematische“ Mitglieder zum Austritt bewegt. Um wie viele und welche Personen es sich handelt, gibt die AfD nicht preis. Die Patriotische Plattform erklärte die Selbstauflösung, hatte zu der Zeit aber bereits ihre Bedeutung im Schatten des ungleich größeren „Flügels“ verloren. Mit der sogenannten „Freiberger Erklärung“ versicherten die AfD-Fraktionsvorstände aus allen Bundesländern, dass ihre Partei fest auf dem Boden des Grundgesetzes stehe.
Herzstück der Vorkehrungen der AfD war die Einsetzung einer Arbeitsgruppe, die „VS AG“, von Sonderermittlern ist parteiintern die Rede. Deren Leiter wurde der Bundestagsabgeordnete Roland Hartwig, der beim „Flügel“ gutes Ansehen genießt. Hinzu kamen seine Parlamentskollegen Roman Reusch und Martin Hess sowie Jörg Meuthen und Joachim Kuhs aus dem Bundesvorstand. Die Gruppe stützte sich auf ein Gutachten, das die AfD bei dem neurechten Staatsrechtler Dietrich Murswiek in Auftrag gegeben hatte. Er sollte verständlich aufschlüsseln, nach welchen Maßstäben die Verfassungsschutzbehörden vorgehen und was die Partei unternehmen kann, um einer Beobachtung doch noch zu entgehen.
Murswiek zog ein ambivalentes Fazit: Zwar würden einige überzogene Maßstäbe an die Partei angelegt, einige seien aber nachvollziehbar. Will die AfD eine Beobachtung vermeiden, müsse sie jeden Anschein vermeiden, gegen die demokratische Grundordnung zu arbeiten. Und sie müsse wirklich einschreiten gegen Mitglieder, die es in ihrem Reden und Handeln dennoch tun. „Missverständliche“ oder „versehentliche“ Äußerungen sollte man lieber korrigieren oder widerrufen, auf sachliche Differenzierungen setzen und natürlich Abstand wahren zu anderen Organisationen, die ihrerseits durch Verfassungsschutzbehörden beobachtet werden.
Keine Mäßigung des „Flügels“
Die AfD müsse also, kurz gesagt, „nichts anderes tun als sich so verhalten, wie es sich für Demokraten von selbst versteht.“ Nicht schaden könne es, heißt es weiter, wenn die Partei aktiv zeigt, dass sie sich mit dem Grundgesetz identifiziert und für die Demokratie eintritt. Das ist der einzige Punkt, den die AfD inzwischen umgesetzt hat. Denn unter ihren Werbebroschüren gibt es jetzt auch eine, die den Text des Grundgesetzes enthält. Um das Thema herum hat die AfD eine Kampagne namens „Wir sind Grundgesetz“ gebaut, zentraler Claim: „Das Grundgesetz ist die beste Verfassung, die wir Deutschen je hatten.“ Die Facebook-Fans der Partei reagieren auf solche Botschaften skeptisch, viele bezweifeln, dass die Bundesrepublik überhaupt eine Verfassung hat.
Die Arbeitsgruppe um Hartwig versuchte außerdem, die Kernpunkte des Murswiek-Gutachtens allen AfD-Verbänden im Land zu vermitteln, gab Verhaltenstipps an die Mitglieder und entwarf Handreichungen für Funktionär*innen. Die wichtigsten Leitlinien des neuen Kurses: Erstens eine Abgrenzung zu „Extremisten“. Zweitens der Verzicht auf problematische Äußerungen. Und drittens endlich Sanktionen gegen Mitglieder, die sich daran nicht halten. Das sind genau die Punkte, die seit langem Beschlusslage in der AfD sind. Es sind genau die Punkte, die von Anbeginn nicht greifen.
Das liegt auch daran, dass bis heute der „Flügel“ nicht bereit ist, einzulenken. Seine Aktivitäten hat er, seitdem der Verfassungsschutz ihn zum Verdachtsfall erklärte, sogar noch intensiviert. „Der ‚Flügel‘ wird immer extremistischer”, sagte Haldenwang vor einigen Monaten. Mit der „Stuttgarter Erklärung“ unterstrich die Höcke-Gefolgschaft eindeutig, sich nicht mäßigen zu wollen. Höcke selbst hat sich in langen Stellungnahmen erklären müssen, hat Sätze eingeordnet und entschärft, die ihm der Verfassungsschutz vorwirft und die der Gesamtpartei zur Last werden. Sein sehr kurzes Fazit lautet: „Ein Abrücken von politischen Positionen, die ich für vernünftig und sinnvoll halte, wird es von meiner Seite nicht geben.“
AfD konnte VS-Vorwürfe nicht ausräumen
Andere Exponent*innen wie Andreas Kalbitz sollen eine Stellungnahme ganz verweigert haben. Wieder andere legten noch eine Schippe drauf, wie der Bundestagsabgeordnete Siegbert Droese, der aus Leipzig stammt. In voller Kenntnis der behördlichen Vorwürfe stellte er vor einem Jahr Daniel Fiß als Mitarbeiter an, als der noch Bundeschef der Identitären war.
Das einzige, was die AfD bislang ein kleines Stück vorangebracht hat, war der Klageweg. Die Partei ließ gerichtlich feststellen, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz die Einstufung als Prüffall nicht öffentlich bekanntgeben durfte. Die Behörde akzeptierte das Urteil, es ist für den eigentlichen Prüfvorgang sowieso ohne Belang. Anfang 2020 legte die AfD nach, sie klagt jetzt auch dagegen, dass die Junge Alternative und der „Flügel“ als Verdachtsfälle behandelt werden. Die Chancen der Partei, damit durchzukommen, sind nicht allzu groß, das Belegmaterial erdrückend.
Das zeigen selbst die Ergebnisse von Hartwigs Kommission. Sie hat inzwischen alle Belege, die im Verfassungsschutz-Dossier aufgeführt sind, detailliert überprüft, und ein Gegengutachten angefertigt. Die Partei hält es unter Verschluss. Der Grund ist einfach: Zwar sind aus AfD-Sicht etwa 80 Prozent der Belege unzutreffend, die Rede ist von Aussagen, die man teils aus dem Zusammenhang gerissen oder böswillig interpretiert habe. Aussagen, die vielleicht arg überspitzt seien, aber nicht verfassungsfeindlich. Die restlichen 20 Prozent hält man allerdings für nachvollziehbar. Sie lassen sich nicht einfach wegargumentieren.
„Flügel“ dominiert die Partei in Sachsen
Daher versucht man es mit einer Vernebelung. Der „Flügel“ sei keine anerkannte Parteiströmung, nicht einmal eine richtige Organisation, niemand wisse, wer dazu gehört und wer nicht, heißt es bei der AfD. Wie kann man dann Aktivitäten des „Flügels“ der Partei anlasten? Doch den hat der AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla unlängst als „Bestandteil unserer Partei“ bezeichnet. Mit dem Dresdner Bundestagsabgeordneten Jens Maier gibt es sogar einen offiziellen sächsischen Obmann. Einige seiner Mitstreiter*innen – unter anderem die „Flügel“-Gründer Björn Höcke, Andreas Kalbitz und Hans-Thomas Tillschneider – werden bereits beobachtet.
Behördlich wird als „Flügel“-Anhänger*in eingestuft, wer die „Erfurter Resolution“, also Gründungsdokument der Gruppe, unterzeichnet oder sich später dem „Stuttgarter Aufruf“ angeschlossen hat, der eine Kampfansage gegen die letzten „gemäßigten“ Kräfte in der Partei war. Mehr als 200 sächsische AfD-Mitglieder sind als namentliche Unterzeichner*innen dieser Dokumente bekannt, darunter etliche mit Funktionen in der Partei und mit Mandaten in Kommunalvertretungen und Landtag. Relevant ist darüber hinaus, wer wiederholt an „Flügel“-Treffen teilnimmt, die auch bereits in Sachsen abgehalten worden sind.
Jan Zwerg, Generalsekretär des hiesigen Landesverbandes, schätzte schon vor zwei Jahren, dass 60 bis 70 Prozent aller AfD-Mitglieder in Sachsen dem „Flügel“ angehören. Was damals nach Kraftmeierei klang, ist nicht abwegig angesichts der betont vorsichtigen Schätzungen der Sicherheitsbehörden, wonach bundesweit ein Viertel bis ein Drittel aller Mitglieder dieser Strömung zugerechnet werden kann, insgesamt mehr als 7.000 Personen. Besonders hoch und eindeutig dominant ist der „Flügel“-Anteil in den ostdeutschen Verbänden. Worüber sich Zwerg einst freute, wird jetzt zum Problem: Eine intensivere Beschäftigung des Verfassungsschutzes mit dem sächsischen „Flügel“ kommt einer Beobachtung sehr weiter Teile des gesamten Landesverbandes gleich.
Keine Distanzierung, nirgends
Nach idas-Erkenntnissen können auch mindestens sieben der insgesamt 38 sächsischen Landtagsabgeordneten dem „Flügel“ zugerechnet werden. Nochmal so viele haben sich in der Vergangenheit positiv auf Höcke bezogen und ihn zur Wahlkampf-Unterstützung nach Sachsen eingeladen. Keines der AfD-Landtagsmitglieder hat sich dagegen in irgendeiner Weise abgegrenzt und beispielsweise den „Appell der 100“ unterzeichnet, mit dem im Sommer vergangenen Jahres vor dem wachsenden „Flügel“-Einfluss gewarnt wurde. Auch andere namhafte sächsische Parteifunktionär*innen aus dem Freistaat haben das nicht getan.
Zwar gibt es in Sachsen einen Verband der „Alternativen Mitte“, die oft als Gegengewicht zum Höcke-Netzwerk verstanden wird. Doch dieses Grüppchen ist in Sachsen praktisch bedeutungslos. Geleitet wird es von Thomas Hartung – der zugleich die „Erfurter Resolution“ unterzeichnet hatte. Dabei hätten glaubwürdige Distanzierungen der AfD in ihrer aktuellen Lage am ehesten geholfen.
Stattdessen verschanzt man sich hinter Verschwörungstheorien. Landeschef Jörg Urban wähnt nicht nur eine neue Stasi am Werk, sondern er glaubt nach eigenen Angaben auch an einen „tiefen Staat“, eine geheime Phalanx, die seiner Partei den Garaus machen will. Schon vor anderthalb Jahren warnte er in einem Rundschreiben seine Mitglieder vor vermeintlichen Provokateur*innen, „die durch das Landes- oder Bundesamt für Verfassungsschutz platziert wurden, um uns bewusst zu schaden und unsere weiter wachsende politische Bedeutung zu destabilisieren.“ Beweise hat Urban nicht präsentiert, es gab keine.
Damals hatte die Presse gerade Wind bekommen von Whatsapp-Chats der vogtländischen AfD, in der rassistische Statements und harte NS-Propaganda ausgetauscht wurden. Das war keineswegs das Werk von Agent*innen, was Urban auch genau weiß. Denn gleich mehrere Abgeordnete der heutigen AfD-Landtagsfraktion, die Urban anführt, waren in diesen Chatgruppen dabei. Sie haben mindestens mitgelesen, ohne einzuschreiten. Urban hätte ehrlich sein und das seinen Mitgliedern irgendwann sagen können. Aber die Opferrolle gefällt ihm besser.