Presseschau, 10. Kalenderwoche 2020

Wahlen in Chemnitz, Meißen, Burkhardtsdorf und Stauchitz, AfD in den Stadträten von Heidenau, Dippoldiswalde und Bautzen, Austritt in Zwickau, Zusammenarbeit in Crimmitschau, Proteste in Döbeln und Riesa, Gegenprotest in Taucha, neuer Job für Österle, erneute Wahlschlappe für Hilse, Verfassungsschutz-Beobachtung, Höcke auf den Index, Umtriebe der WerteUnion, AfD und Gewalt, Diskursverschiebung, Unterwanderung der Zivilgesellschaft. Das war diese Woche wichtig:

AfD in Sachsen

Das Chemnitzer AfD-Stadratsmitglied Nico Köhler verzichtet auf eine Kandidatur zur OBM-Wahl in Chemnitz. Köhler hatte zunächst sein Interesse angemeldet, für die AfD anzutreten, unterlag aber bereits vor gut einem Monat überraschend gegen den Bundestagsabgeordneten Ulrich Oehme, der sich bei den Mitgliedern mit deutlichem Vorsprung durchsetzen konnte. Danach erwog Köhler, als Einzelbewerber anzutreten. Von diesem Plan hat er nun abgelassen. Der erste Wahlgang wird am 14. Juni stattfinden. (↪ FP, 01.03., ↪ Tag24, 01.03.)


Der ehemalige Vorsitzende der AfD-Stadtratsfraktion in Zwickau Sven Itzek ist aus der Partei ausgetreten. Als Grund nannte Itzek, der jahrelang auch Vorsitzender des örtlichen Kreisverbandes war, grundlegende Differenzen in der politischen Ausrichtung. Er sprach von einer „braunen Richtung“, mit der er nichts zu tun haben wolle. Die Fraktion hatte ihn kürzlich als Vorsitzenden abgesetzt. Im Hintergrund stehen langanhaltende Machtkämpfe, in denen Itzek unterlag. Dem Stadtrat will er weiter als Einzelmitglied angehören. Zudem hält er sich offen, zur OBM-Wahl in Zwickau als Einzelbewerber anzutreten. Der erste Wahlgang wird am 7. Juni stattfinden. (↪ FP, 01.03.)


Die AfD im Stadtrat von Heidenau (Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) hat sich dagegen ausgesprochen, die Zehn-Prozent-Hürde für die Durchführung von Bürgerbegehren abzusenken. Anders als in vielen anderen sächsischen Kommunen, in denen ein Fünf-Prozent-Quorum gilt, müssen in dem Ort zehn Prozent der wahlberechtigten Einwohner*innen unterschreiben, bevor ein Anliegen zur allgemeinen Abstimmung gestellt wird. Dabei wird es zunächst bleiben: Mit den Stimmen von AfD, CDU und FDP wurde eine Absenkung verhindert. Das ist im Falle der AfD, die häufig basisdemokratische Forderungen aufstellt, überraschend. Kürzlich hatte sie noch selbst einen Bürgerentscheid in Heidenau erwogen, um die Umbenennung der Ernst-Thälmann-Straße zu erzwingen. (↪ Sächsische, 02.03.)


Philipp Klinnert, seit Frühjahr 2019 AfD-Stadtrat in Dippoldiswalde (Sächsische Schweiz-Osterzgebirge), hat sein Mandat aufgegeben. Der Rückzug erfolgt nach seinen Angaben aus persönlichen und beruflichen Gründen. Seinen Platz im Stadtrat wird Wolfgang Rühle einnehmen. Weitere Nachrücker*innen hat die AfD vor Ort nicht. (↪ Sächsische, 02.03.)


Der Stadtrat in Leisnig (Mittelsachsen) will eine grundsätzliche Regelung schaffen, ob kommunale Räume für Parteiveranstaltungen genutzt werden dürfen oder nicht. Anlass ist die AfD, die sich im örtlichen Stadtgut eingemietet hatte, um dort eine Vortragsveranstaltung durchzuführen. Doch die Kommune verhinderte das, unter anderem, weil bei der Anmietung nicht klar ersichtlich gewesen sein soll, dass es sich um eine AfD-Veranstaltung handeln würde. (↪ LVZ, 04.03.)


Nach der OBM-Wahl in Leipzig erhebt die AfD Anspruch auf den Posten der Ordnungsbürgermeister*in. Die Partei werde demnächst einen Personalvorschlag unterbreiten, kündigte der Vorsitzende des Kreisverbandes Siegbert Droese an. Gemäß der Kräfteverhältnisse im Stadtrat, in dem die Partei die viertstärkste Fraktion stellt, könnte ihr ein solcher Posten zuerkannt werden. Wahrscheinlich ist das aber nicht: Der wiedergewählte Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) kündigte bereits an, in einem solchen Fall von seinem Vetorecht Gebrauch zu machen. Zur OBM-Wahl hatte der AfD-Kandidat Christoph Neumann unerwartet schlecht abgeschnitten und war im zweiten Wahlgang nicht mehr angetreten. (↪ LVZ, 04.03.)


Vor dem Amtsgericht in Döbeln (Mittelsachsen) haben am Mittwoch einige Anhänger*innen der AfD gegen das aus ihrer Sicht zu milde Urteil gegen drei Männer protestiert, die Anfang vergangenen Jahres eine sogenannte Kugelbombe vor dem örtlichen AfD-Büro gezündet hatten. Das Gericht verurteilte die Beschuldigten, die geständig waren und sich für die Tat entschuldigt haben, wegen Herbeiführens einer Sprengstoffexplosion zu Bewährungsstrafen. Der AfD-Landtagsabgeordnete Lars Kuppi kritisierte, dass die Gefährdung von Menschenleben bei der Urteilsfindung nicht berücksichtigt worden sei. Seiner Auffassung nach hätte auch Anklage wegen versuchten Mordes oder versuchten Totschlags erhoben werden müssen. Kuppi, der Polizeibeamter ist, nannte jedoch keine Anhaltspunkte für einen nachweisbaren Tötungsvorsatz, der solchen Tatvorwürfen zugrunde liegen muss. Die Ermittlungen der Polizei und die Beweisaufnahme vor Gericht hatten keine entsprechenden Hinweise erbracht. (↪ LVZ, 04.03.)


In Riesa (Landkreis Meißen) haben am Mittwochabend einige Anhänger*innen der AfD gegen die sächsische Justizministerin Katja Meier demonstriert. Bei der Versammlung sprach unter anderem der Landes- und Fraktionsvorsitzende Jörg Urban und warf der Grünen-Politikerin Meier vor, „die Würde ihres Amtes aufs Schärfste“ zu verletzen. Die Grünen würden „gewaltverherrlichende Extremisten in ihren Reihen“ dulden, hieß es zudem in Anspielung auf Liedtexte einer Punkband, in der Meier zu ihrer Schulzeit gespielt hatte. Von den Liedtexten hat sie sich ausdrücklich distanziert. Die AfD forderte trotzdem wiederholt den Rücktritt der Ministerin. (↪ FP, 04.03.)


Ein AfD-Vertreter wird künftig dem Begleitausschuss für das Zivilgesellschafts-Programm „Partnerschaft für Demokratie“ in Bautzen angehören. Die örtliche AfD-Stadtratsfraktion nominierte dafür Frank Peschel, der für seine Partei zugleich im Landtag sitzt. Er ist nicht der einzige Rechtsausleger in dem Begleitausschuss, der Fördermittel des Bundes an Vereine und Initiativen ausreicht, die sich für bürgerschaftliches Engagement einsetzen. Als vermeintlicher Zivilgesellschafts-Vertreter wurde nunmehr auch David Vandeven in den Ausschuss gewählt. Er betreibt das AfD-nahe Portal „Ostsachsen.TV“ und ist für den umstrittenen Verein „Bautzener Frieden“ tätig. (↪ Sächsische, 04.03.)


Zur kommenden Landratswahl in Meißen will die AfD antreten. Nach Wahlerfolgen in den vergangenen Jahren rechnet sich die Partei gute Chancen aus, in der Region bald den ersten blauen Landrat zu stellen. Nach Recherchen der Sächsischen Zeitung erwägt die Partei, eines ihrer Landtagsmitglieder ins Rennen zu schicken, womöglich Thomas Kirste oder Carsten Hütter. Die Fraktion würde damit ein Mandat opfern, da sie keine Nachrücker*innen hat. Die Landratswahl wird voraussichtlich am 20. September stattfinden. (↪ Sächsische, 06.03.)


Im Kreistag des Landkreises Leipzig ist ein Antrag der AfD-Fraktion abgelehnt worden, neben den gewählten Ratsmitgliedern auch sachkundige Bürger*innen zu berufen und in den Ausschüsse des Gremiums mitarbeiten zu lassen. Das ist grundsätzlich möglich, der Kreistag entschied sich aber mehrheitlich dagegen, unter anderem, weil bereits genügend fachkundige Personen unter den ordentlich gewählten Kreistagsmitgliedern seien. Zudem würden sich damit die Zusammensetzung der Ausschüsse und womöglich auch die Kräfteverhältnisse ändern, die dann nicht mehr den Wahlergebnissen entsprächen. Die AfD hatte bereits sechs genehme Bewerber*innen für verschiedene Kreistagsausschüsse ausgesucht. In der Kreistagsdebatte wurde darauf hingewiesen, dass die AfD im Stadtrat von Markranstädt, wo die SPD sachkundige Bürger*innen berufen wollte, genau umgekehrt votiert und der SPD vorgeworfen hat, sie wolle ihr Gewicht in einem Ausschuss stärken. (↪ LVZ, 06.03.)


Rund 200 Personen haben am Freitagabend in Taucha (Landkreis Nordsachsen) bei Leipzig gegen eine AfD-Veranstaltung protestiert, die in einer Grundschule stattfand. Dort referierten auf Einladung des örtlichen AfD-Stadtrats Klaus Hofmann der Bundestagsabgeordnete Peter Boehringer, der Landtagsabgeordnete Carsten Hütter, das Landesvorstandsmitglied Matthias Moosdorf und der nordsächsische Kreisvorsitzende René Bochmann unter anderem über Kultur- und Wirtschaftspolitik. Der ursprünglich angekündigte Stargast, Parteichef Tino Chrupalla, erschien nicht, da sein Auto kaputt ist. Rund 150 Gäste kamen zu der AfD-Veranstaltung, deutlich weniger als ursprünglich erwartet. Im Vorfeld war vor allem kritisiert worden, dass die AfD eine Grundschule als Veranstaltungsraum nutzen darf. (↪ LVZ, 03.03., ↪ MDR, 05.03., ↪ LVZ, 06.03.)


Der extrem rechte Aktivist Arthur Österle arbeitet seit Anfang des Jahres für den AfD-Bundestagsabgeordneten Ulrich Oehme, der aus Chemnitz stammt. Das ergeben aktuelle Recherchen der Wochenzeitung Die Zeit. Österle ist demnach als geringfügig Beschäftigter für Oehme tätig und nach Angaben des Abgeordneten „für meinen persönlichen Schutz bei öffentlichen Auftritten im Wahlkreis verantwortlich“. Österle, der bereits seit einer Weile AfD-Mitglied sowie Vorstandsmitglied im Kreisverband Erzgebirge ist, war 2018 als Chefordner von „Pro Chemnitz“ und als Einheizer bei rassistischen Versammlungen bekannt geworden. Zudem hat er an mindestens einer Kundgebung der neonazistischen Partei „Der III. Weg“ teilgenommen. (↪ Zeit, 06.03.)


Dank eines Tricks rechnet sich das extrem rechte AfD-Mitglied Arthur Österle Chancen bei der Bürgermeister*innenwahl in Burkhardtsdorf (Erzgebirgskreis) am kommenden Sonntag aus. Seine offizielle Kandidatur ist zwar gescheitert, denn als Einzelbewerber hätte Österle mindestens 60 Unterstützungsunterschriften sammeln müssen, was ihm nicht gelang. Er wirbt trotzdem weiter für sich, was erlaubt ist. Grund ist eine wahlrechtliche Sonderregelung: Da es nur einen einzigen Kandidaten gibt, der von der CDU nominiert wurde, dürfen Wähler*innen auf den Wahlzetteln alternativ auch eine andere Person vorschlagen. Nicht bekannt ist, warum Österle als Einzelbewerber antreten wollte und sich nicht von seiner Partei nominieren ließ. Dann hätte er keine Unterschriften vorlegen müssen. (↪ FP, 07.03.)


Die AfD wird mit einem Kandidaten zur Bürgermeister*innenwahl in Stauchitz (Landkreis Meißen) antreten. Für die Wahl, die am 10. Mai stattfinden wird, nominierte die Partei Enrico Barth, der nicht in dem Ort wohnt. Ausgehend von den Kommunalwahlergebnissen im vergangenen Jahr wird Barth auf den Stimmzetteln an erster Stelle stehen. (↪ Sächsische, 08.03.)

AfD rundherum

Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) will „sehr bald“ entscheiden, wie die Nachrichtendienste des Bundes und der Länder weiter mit der AfD umgehen werden. Anfang vergangenen Jahres hatte die Behörde die gesamte Partei als sogenannten Prüffall eingestuft, über den zunächst weiter Material gesammelt wird. Die völkisch-nationalistische Parteiströmung „Der Flügel“ und der Nachwuchsverband „Junge Alternative“ wurden bereits zu Verdachtsfällen erklärt, die durch Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel weiter aufgeklärt werden dürfen. Auf Grundlage einer umfangreichen Sammlung an Belegen sah das BfV seinerzeit Hinweise auf „eine gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung ausgerichtete Politik der AfD“. Erhärtet sich der Verdacht, könnte die gesamte Partei unter Beobachtung gestellt werden. Im Laufe des Frühjahrs 2020 sollte dazu eine Entscheidung fallen, die nun womöglich vorgezogen wird. Presseberichten zufolge wird voraussichtlich der „Flügel“ zum Beobachtungsobjekt erklärt, da seine verfassungsfeindliche Ausrichtung als erwiesen gilt. Dies kann weitreichende Folgen für die Partei haben: Unter anderem in Sachsen wird die AfD durch den „Flügel“ dominiert. Auf die verschärfte Beobachtung hat sich die Partei bereits eingestellt: Sie versucht derzeit, ihre Mitglieder zu beruhigen – und Beamt*innen in den eigenen Reihen von einem Austritt abzuhalten. (↪ Tagesschau, 03.03., ↪ SZ, 03.03., ↪ RND, 08.03.)


Überraschende Wende bei den Ermittlungen zu dem mutmaßlichen Mordversuch an dem sachsen-anhaltischen AfD-Politiker Sebastian Koch: Die Polizei sieht keine Hinweise auf ein politisches Tatmotiv, geht aber Spuren nach, wonach es sich um eine Beziehungstat handeln könnte. Im Juli vergangenen Jahres war in Arendsee (Altmarkkreis Salzwedel) eine Gartenlaube angezündet worden, in der Koch, der den AfD-Kreisverband Altmark-West leitet, gemeinsam mit seiner Partnerin schlief. Beide blieben unverletzt. Am Tag zuvor hatte es auf dem Grundstück eine Feier der Partei gegeben. Diese teilte nach dem Anschlag mit, dass es sich vermutlich um eine „geplante Tat aus dem linksextremen Milieu“ handle. Die falsche Behauptung ist auf der Facebook-Seite der sachsen-anhaltischen AfD bis heute abrufbar. (↪ MZ, 04.03.)


Der AfD-Bundestagsabgeordnete Karsten Hilse, der aus Sachsen stammt, ist erneut nicht zum Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages gewählt worden. Das Parlament votierte mit deutlicher Mehrheit gegen ihn. Es ist bereits der zweite erfolglose Wahlgang für Hilse und der insgesamt fünfte Versuch der AfD-Fraktion, den Posten zu besetzen. Er steht der Fraktion zu, sie hat aber keinen Anspruch darauf, ihn mit einer bestimmten Person zu besetzen. (↪ Zeit, 05.03.)


Das Interview-Buch „Nie zweimal in denselben Fluss“ des thüringischen AfD-Chefs und „Flügel“-Frontmanns Björn Höcke könnte künftig auf dem Index für jugendgefährdende Medien stehen. Dafür setzt sich aktuell der hessische Antisemitismusbeauftragte und Frankfurter Bürgermeister Uwe Becker (CDU) ein. In einem Schreiben an die zuständige Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien wies er auf völkisch-nationalistische und rassistische Passagen in dem Buch hin. Es war bereits 2018 erschienen und zunächst kaum beachtet worden. Höcke äußert sich darin ausdrücklich zu seiner politischen Agenda und lässt keine Zweifel an seiner Nähe zu neofaschistischen Positionen. Unter andere beschwört er die Gefahr eines „Volkstod durch den Bevölkerungsaustausch“ und raunt von „globalen Geldeliten“. Ein formales Antragsrecht zur Indizierung hat Becker nicht, die Prüfung müssen Jugendämter beantragen. Würde das Buch als jugendgefährdend eingeschätzt, dürfte es nicht mehr verkauft, beworben oder ausgelegt werden, wenn Jugendliche Zugang haben. Im Versandhandel dürfte das Werk nur noch gegen einen Altersnachweis verschickt werden. (↪ Frankfurter Allgemeine Woche, Ausg. 11/2020, S. 5)

Blauzone

Nach Medienberichten über die wiederholte Teilnahme des Radebeuler CDU-Stadtrates Wolfgang Jacobi an Pegida-Versammlungen ist ein Fernsehjournalist, dessen Aufnahmen Jacobi zeigen, beleidigt worden. Einige der denunzierenden Internet-Beiträge stammen von AfD-Funktionär*innen. Der Deutsche Journalistenverband nahm den Betroffenen in Schutz. Unterdessen kündigte Jacobis CDU-Stadtratskollege Sven Eppinger an, dass im Kreis Meißen der erste sächsische Kreisverband der nationalkonservativen WerteUnion (WU) gegründet werden soll. Eppinger ist Vizevorsitzender der sächsischen WU. Die Gruppe setzt sich für eine Zusammenarbeit der Unionsparteien mit der AfD ein. Von Eppingers Privatkonto war in der Vergangenheit eine Geldspende an die AfD geflossen. Der Raum Meißen gilt als stark konservativ geprägt, die Kreisstadt als „Identitätsbildungsstadt“. (↪ Tagesspiegel, 01.03., ↪ Tagesspiegel, 02.03., ↪ Sächsische, 03.03., ↪ MDR, 05.03.)


Entgegen einem Unvereinbarkeitsbeschluss seiner Partei plädiert André Raphael (CDU), Oberbürgermeister von Crimmitschau (Landkreis Zwickau), für einen „pragmatischen“ Umgang mit Vertreter*innen der AfD. Zu ihnen suchte Raphael wiederholt die Nähe, wie die Freie Presse berichtet. Der Stadtchef begründet dies mit „Respekt und Achtung“, zudem sei das Verhältnis zur örtlichen AfD „gut und sachlich“. Stephan Theuring, Vorsitzender des CDU-Stadtverbandes, sieht das ähnlich und unterstützt den Oberbürgermeister in seinem Kurs. Zur Begründung sagte er, dass sich eine Abgrenzung, die auf Bundes- und Landesebene gefordert wird, im kommunalen Raum „gar nicht umsetzen“ lasse, da man sich dort „regelmäßig über den Weg“ läuft. (↪ FP, 05.03.)


Mit der AfD nichts zu tun? Die Fassade der sogenannten WerteUnion (WU) bröckelt immer mehr. Neue Recherchen des Kölner Stadt-Anzeigers belegen jetzt: In der Kanzlei des umstrittenen Rechtsanwalts Ralf Höcker arbeitet mit Roger Beckamp sogar ein Landtagsabgeordneter der nordrhein-westfälischen AfD. Offiziell ausgewiesen wird seine Tätigkeit bisher nirgends. Der Jurist Höcker war Mitgründer der WerteUnion und bis vor kurzem Bundessprecher der Gruppe, in der sich nach eigenen Aussagen 4.000 Personen engagieren, überwiegend Mitglieder von CDU und CSU. Dazu gehört auch der ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen, das heute prominenteste WU-Mitglied. Auch Maaßen ist für Höckers Kanzlei tätig. Inzwischen soll es dort ein regelrechtes „AfD-Dezernat“ geben, das sich der speziellen Rechtsanliegen der Partei annimmt, die dafür eine Art Flatrate-Tarif zahlt. Womöglich ist Beckamp der direkte Verbindungsmann. Er hält nebenher auch Kontakte in extrem rechte Kreise. Namentliche Belege dafür finden sich in der Materialsammlung des Bundesamtes für Verfassungsschutz, mit dem Anfang 2019 die Einstufung der AfD als sogenannter Prüffall begründet wurde. Die Materialsammlung hatte einst Hans-Georg Maaßen in Auftrag gegeben. (↪ KStA, 07.03.)

Stimme & Haltung

Eine Mehrheit der Bundesbürger*innen lehnt eine politische Zusammenarbeit mit der AfD ab. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Sinus-Instituts. Demnach sprechen sich 55 Prozent der Befragten gegen eine solche Kooperation auf Bundesebene aus. Die Ablehnung einer Zusammenarbeit mit der AfD auf Landes- und kommunaler Ebene ist mit 53 beziehungsweise 51 Prozent unwesentlich geringer ausgeprägt. Eine Minderheit von 29 Prozent der Befragten hält es dagegen für richtig, über eine etwaige Zusammenarbeit von Fall und Fall zu entscheiden. Nur 18 Prozent finden es grundsätzlich falsch, eine Zusammenarbeit mit der AfD generell auszuschließen. (↪ TLZ, 03.03.)

Hintergründe

Die AfD bestreitet vehement, irgendetwas mit Gewalt zu tun zu haben. Erst recht verbittet es sich die Partei, mit schwersten Gewalttaten und rechtsterroristischen Anschlägen wie zuletzt in Hanau in Verbindung gebracht zu werden. Aber einen Zusammenhang gibt es durchaus: „Mit der Beschwö­rung gewalt­samer Zustände schafft die AfD über­haupt erst Zustände der Unsi­cher­heit“. Auch ohne offen Gewalt einzufordern, ist sie die „logi­sche Weiter­erzäh­lung“ der Narrative der AfD. (↪ GdG, 04.03.)


Björn Höcke und die von ihm geführte AfD-Fraktion im thüringischen Landtag werden innerhalb ihrer Partei gefeiert, den FDP-Politiker Thomas Kemmerich vorübergehend ins Amt des Ministerpräsidenten gehievt zu haben. Doch der vermeintliche „Coup“, der kurzzeitig viel Aufmerksamkeit für die AfD generierte, wirkt sich langfristig negativ aus, analysiert Maria Fiedler für den Tagesspiegel. Denn inzwischen grenzen sich die anderen Parteien deutlicher als bisher von der AfD ab, teils in scharfen Worten. Der Berliner AfD-Fraktionschef Georg Pazderski kritisiert nun in einem Positionspapier den „strategischen Kollateralschaden“, der durch die Erfurter Ereignisse entstanden ist: Chancen, irgendwann mit der CDU zusammenarbeiten zu können und gar in eine Landesregierung aufgenommen zu werden, sind dadurch deutlich gesunken. Auch der Anklang bei „bürgerlichen“ Wähler*innen hält sich in Grenzen. (↪ Tagesspiegel, 06.03.)


Die AfD hat den öffentlichen Diskurs nach rechts verschoben. Was oft behauptet wird, lässt sich auch nachweisen: In einer datenjournalistischen Recherche hat die Süddeutsche Zeitung Bundestagsprotokolle ausgewertet. Sie zeigen, dass noch nie so intensiv über Geflüchtete und Asyl debattiert wurde wie in der Gegenwart. Dabei hat sich die Sprache drastisch gewandelt, der Ton ist aggressiver geworden, es dominiert eine Abwehrhaltung – die den Positionen der AfD entspricht. Der Wandel vollzog sich rasch, denn erst seit zweieinhalb Jahren sitzen AfD-Abgeordnete im Bundestag. (↪ SZ, 06.03.)


Am Freitag hat sich der völkisch-nationalistische „Flügel“ um Björn Höcke im sachsen-anhaltischen Schnellroda getroffen. Dort betreibt der neurechte Publizist Götz Kubitschek das „Institut für Staatspolitik“. Aber was verbindet den „Flügel“ mit Schnellroda und Höcke mit Kubitschek? Der Politikwissenschaftler Richard Gebhardt erläutert in einem Interview mit dem Deutschlandfunk die Zusammenhänge. Er erinnert an einen Satz Höckes, „er würde sein geistiges Manna aus Schnellroda beziehen.“ Bei dem, was dort inhaltlich verhandelt wird, sei „ein faschistoider Beiklang nachweisbar“. (↪ Dlf, 06.03.)


Die AfD hat einen „Marsch durch die Organisationen“ angetreten, nach ihren parlamentarischen Erfolgen will sie nun in Vereine und Verbände einsickern. Besonders Umwelt- und Naturschutzinitiativen sind betroffen. Noch hat die Partei kein stringentes Vorgehen entwickelt, aber bereits erhebliche Verunsicherung in der Zivilgesellschaft erzeugt. (↪ Dlf, 07.03.)