Presseschau, 2. Kalenderwoche 2021

Von Lützow unter Druck, Wechsel in Arnsdorf, Kundgebung zum 13. Februar, Spannungen in der Sachsen-Fraktion, Krach in Bayern, 3.000 Seiten Verfassungsschutz-Material, Solidarität mit Trump, Ausschlussverfahren im Saarland, Hausverbote im Bundestag, Ermittlungen gegen Prenzler, Anklage gegen Graupner, Liberal-Konservative Reformer, unbeliebte AfD, Umgang in Stadträten. Das war diese Woche wichtig:


In der Presseschau informiert idas jeden Sonntag über lesenswerte Medienberichte und Recherchen rund um die AfD, die im Laufe der Woche erschienen sind.


 

Nach der Bundestagswahl könnten an die AfD-nahe Desiderius-Erasmus-Stiftung Steuermittel in Millionenhöhe fließen. Die Bildungsstätte Anne Frank informiert über die Hintergründe.


Top Stories

Gegen den brandenburgischen AfD-Abgeordneten Daniel Freiherr von Lützow, der auch stellvertretender Landesvorsitzender der Partei ist, ermittelt die Staatsanwaltschaft Cottbus wegen des Verdachts der Nötigung und des Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte. Anders, als der Landtagsabgeordnete zunächst behauptete, war er Gast der Cottbuser Kommunalpolitikerin Monique Buder, die in der Nacht vom 27. auf den 28. Dezember ihren Geburtstag gefeiert hat. Wegen Beschwerden über Lärm und weil aus ihrer Wohnung heraus Pyrotechnik gezündet wurde kam es zu einem Polizeieinsatz. Dabei wurden Buder, die sich aggressiv verhielt, und ein Mann in Gewahrsam genommen. Dieser soll sich auf einen gestürzten Beamten gekniet haben, zwischen Brustbein und Kehlkopf. Die Polizei musste Verstärkung anfordern und Pfefferspray einsetzen, um die illegale Feier aufzulösen. Daran nahmen insgesamt neun Personen teil, mehr als erlaubt. Zwei Polizist*innen wurden beim Versuch der Räumung verletzt.

Nach amtlicher Darstellung hat von Lützow während des Einsatzes versucht, Beamt*innen den Zugang zu einem Zimmer der Wohnung zu verwehren. Er soll „ein Nachspiel“ angekündigt, auf seine miliärische Ausbildung verwiesen und angedroht haben, „jeden alle zu machen“, der das Zimmer betritt. Darin sollen sich – nach seinen Angaben in jener Nacht – seine Lebensgefährtin und sein Kind aufgehalten haben. Die Drohungen soll er mehrfach und deutlich wiederholt haben. Innenminister Michael Stübgen (CDU) bestätigte am Mittwoch bei einer Sitzung des brandenburgischen Innenausschusses den Ablauf, über den zuerst die Potsdamer Neuesten Nachrichten berichteten. Von Lützow hatte eine Erklärung bei der Sitzung angekündigt, meldete sich aber kurzfristig krank. Auf Medienanfragen hatte er zuvor bestritten, an der Feier beteiligt gewesen zu sein. Vielmehr sei er kurz zum Gratulieren vor Ort gewesen, aber nur bis zur Tür gekommen. Von einer Auseinandersetzung will er nichts bemerkt haben.

Die Gastgeberin Monique Buder wurde in der vergangenen Woche aus der AfD-Fraktion in der Cottbuser Stadtverordnetenversammlung ausgeschlossen. Christoph Berndt, Vorsitzender der AfD-Landtagsfraktion, hatte den Angriff auf die Polizei verurteilt. Angesprochen auf die neuen Erkenntnisse sagte er, man werde abwarten, „was die Ermittlungen bringen“. Konsequenzen für von Lützow gab es bislang nicht, die demokratischen Fraktionen fordern seinen Rückzug aus dem Innenausschuss. Nach Medienrecherchen soll er der Polizei bereits wegen eines früheren Vorfalls bekannt sein, bei dem wegen Bedrohung und übler Nachrede gegen ihn ermittelt worden war. (↪ PNN, 11.01., ↪ RBB, 12.01., ↪ MOZ, 12.01., ↪ MAZ, 12.01., ↪ Tagesspiegel, 12.01., ↪ LR, 13.01., ↪ PNN, 13.01., ↪ MAZ, 13.01.)

AfD in Sachsen

Die AfD darf den Neuen Sitzungssaal im Rathaus von Burgstädt (Landkreis Mittelsachsen) nicht für interne Treffen nutzen. Das hat der örtliche Stadtrat, der sich regulär im gleichen Saal trifft, bei seiner jüngsten Sitzung anhand eines Antrags der AfD-Fraktion mehrheitlich entschieden. Deren Vorsitzender Matthias Hofmann hatte vorgeschlagen, den Saal künftig allen Fraktionen zur Verfügung zu stellen und das mit den eingeschränkten Möglichkeiten der AfD: Die drei rechten Ratsmitglieder müssten sich bislang privat in Wohnungen treffen, eine Vorbereitung der Stadtratsarbeit sei so oder „in Hinterzimmern von Kneipen nicht möglich“. (↪ FP, 11.01.)


Überdurchschnittlich viele sächsische Anhänger*innen der AfD geben an, dass sich ihr persönliches Einkommen während der Corona-Krise verschlechtert habe. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des INSA-Instituts im Auftrag der Leipziger Volkszeitung. Von allen Befragten sagen demnach 24 Prozent, dass sie finanzielle Einbußen verzeichnen müssen. Zwar sind Wähler*innen der AfD davon zu zwei Dritteln nicht betroffen. Doch unter jenen, denen etwa durch Kurzarbeit oder die Schließung von Geschäften weniger Geld zur Verfügung steht, liegt die AfD mit 30 Prozent vor allen anderen Parteien. (↪ LVZ, 11.01.)


Im Gemeinderat von Arnsdorf (Landkreis Bautzen) ist das parteilose Ratsmitglied Detlef Oelsner als Vorsitzender der AfD-Fraktion zurückgetreten. Zum Nachfolger wurde Mirko Senf bestimmt. Gründe für den Personalwechsel wurden nicht bekannt. Oelsner zieht sich zugleich aus dem Ältestenrat und den Ausschüssen des Kommunalgremiums zurück. Der 54-Jährige, der auch im Kreistag sitzt, war im vergangenen Jahr erfolglos zur Bürgermeister*innen-Wahl des Ortes angetreten. (↪ Sächsische, 11.01.)


Die AfD will in diesem Jahr erneut eine eigene Kundgebung zum Jahrestag der Bombardierung Dresdens im II. Weltkrieg durchführen. Nach Angaben der Sächsischen Zeitung wurde für den Abend des 13. Februar eine Versammlung auf dem Altmarkt angemeldet. Für den gleichen Ort ist bereits eine städtische Gedenkveranstaltung geplant. (↪ Sächsische, 12.01.)


Die Spannungen in der sächsischen AfD-Landtagsfraktion halten an. Nach Angaben der Freien Presse trafen sich die Abgeordneten am Dienstag zu einer stundenlangen Sitzung und sagten sich „ausführlich die Meinung“. In den vergangenen Monaten war die Unzufriedenheit mit der Organisation der Fraktionsarbeit gestiegen, mehrere Mitglieder bemängeln, dass die Landtagsdebatten schlecht vorbereitet seien. Diese Kritik gilt vor allem dem Vorsitzenden Jörg Urban und dem Parlamentarischen Geschäftsführer Jan-Oliver Zwerg, beide bilden zugleich die Spitze der Landespartei. Dem Vernehmen nach sollen in jüngster Zeit mehrere Abgeordnete einen Abwahlantrag erwogen haben. Diesmal wurde die Idee aufgebracht, bei der turnusgemäßen Neuwahl des Fraktionsvorstands in einem Jahr eine Ämtertrennung vorzunehmen. Weiterer Kritikpunkt ist nach Angaben der Zeitung die Öffentlichkeitsarbeit der Fraktion und die Qualität von Pressemitteilungen: „Nicht alle Themen müssten mit Asylproblemen verknüpft werden“, heißt es plötzlich. (↪ FP, Newsletter „Unter Zwei“, 13.01.)


Erneut hat die AfD-Fraktion im Stadtrat von Bautzen versucht, dem Kulturzentrum Steinhaus Gelder zu entziehen und das Zivilgesellschafts-Programms „Partnerschaft für Demokratie“ (PfD) zu kippen. Im Auftrag der Stadt koordiniert die Einrichtung die Vergabe von PfD-Fördermitteln, die vom Bund kommen. Der Finanzausschuss des Stadtrats hatte am Dienstag über die Ausreichung von Bundesmitteln an das Steinhaus zu entscheiden, gedacht für die Projektkoordination und die PfD-eigene Öffentlichkeitsarbeit. Bereits im Vorfeld der Sitzung verbreitete das AfD-Stadtratsmitglied Oliver Helbing, dass es sich um einen „Missbrauch von Steuergeldern“ handle. Während der Sitzung argumentierte der Fraktionsvorsitzende Sieghard Albert, dass man das Geld für dringendere Vorhaben benötige, etwa Sanierungsarbeiten im Stadtgebiet. Wiederholt wies die Verwaltung darauf hin, dass die Fördermittel zweckgebunden sind und nicht umgeleitet werden können. Und: Ohne Projektkoordinierung würden bis auf Weiteres sämtliche PfD-Mittel verfallen, die für Bautzen gedacht sind, insgesamt 145.000 Euro. Reaktion des AfD-Ratsmitglieds Udo Pillasch: „Dann ist das halt so.“ Eine Mehrheit des Finanzausschusses stimmte aber dafür, die Mittel wie geplant freizugeben. Bereits im vergangenen Mai hatte die örtliche AfD den unzulässigen Vorschlag gemacht, PfD-Mittel für Gastronomie und Einzelhandel zu verwenden. Wenig später wurde bekannt, dass der AfD-Vorfeldverein „Bautzener Liedertafel“ PfD-Mittel erhält. Im zuständigen Begleitausschuss, der über die Zuteilung der Gelder an einzelne Initiativen entscheidet, ist mit dem Landtagsabgeordneten Frank Peschel auch die AfD vertreten. (↪ Sächsische, 13.01.)


Der Dresdner Gastronom Mario Zichner, der sich in einem Internetvideo über ausstehende staatliche Hilfszahlungen echauffierte und daraufhin ein telefonisches Gespräch mit Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) führte, steht offenbar der AfD und der rechten Szene nahe, über „Kontakte ins neurechte Milieu“ berichtet die Sächsische Zeitung: „Fotos zeigen ihn mit Ex-Pegida-Organisatoren und einem Mann, der offenbar der Reichsbürger-Bewegung nahesteht.“ Im Jahr 2019 veranstaltete die Dresdner AfD ihre Weihnachtsfeier in Zichners Mittelalter-Restaurant „Anno Domini“. Inzwischen spricht sich Zichner allerdings für einen „ganz scharfen Lockdown“ aus. (↪ Sächsische, 16.01.)

AfD rundherum

Wegen anhaltender Zerwürfnisse in den eigenen Reihen verzichtet die AfD-Fraktion im bayerischen Landtag auf die sonst übliche Winterklausur. „Einige Abgeordnete wollen mit bestimmten Fraktionskollegen offenbar nicht mehr an einem Tisch sitzen“, berichtet der Bayerische Rundfunk. Bereits im September war die Herbstklausur der Fraktion wegen anhaltenden Streits abgebrochen worden, eine Einigung auf eine gemeinsame Tagesordnung war damals nicht möglich. Die Fraktionsspitze um die Flügel-nahe Abgeordnete Katrin Ebner-Steiner vertritt seit längerem nur noch eine Minderheit der Mitglieder und beabsichtigt nun offenbar, ein eigenes Treffen durchzuführen. Erst kürzlich war die Fraktion durch den Austritt des Abgeordneten Ralph Müller geschrumpft, der zu den Kritiker*innen Ebner-Steiners gehörte. Diese sind weiterhin in der Mehrheit, erreichen aber nicht die notwendige Zweidrittel-Mehrheit, um die Fraktionsspitze abzuwählen. (↪ BR, 11.01.)


Der Staatsgerichtshof des Landes Hessen hat eine Beschwerde der AfD-Fraktion gegen die Sitzverteilung im dortigen Landtag zurückgewiesen und die Zusammensetzung des Parlaments damit für rechtmäßig erklärt. Seit der Landtagswahl 2018 verfügt die schwarz-grüne Koalition über eine Mehrheit von einer Stimme. Die AfD hatte behauptet, dass die Gesamtzahl der Mandate falsch berechnet und die CDU durch die Verteilung von Ausgleichs- und Überhangmandaten bevorzugt worden sei. Nach „alternativer“ Berechnung müsste der Hessische Landtag über 138 statt 137 Sitze verfügen, das Zusatzmandat reklamierte die AfD für sich. Doch das Gericht folgte dem nicht, zeigte vielmehr auf, dass auch der Rechenweg der AfD zu keinem anderen Ergebnis führt und der Fraktion daher kein Extrasitz zusteht. Verfahrensbevollmächtigter war der Jurist Michael Elicker, der für die sächsische AfD-Fraktion tätig ist. (↪ Spiegel, 11.01., ↪ FAZ, 11.01., ↪ TAZ, 11.01.)


Der Bundesvorstand der AfD versucht weiterhin, einer drohenden Einstufung der Gesamtpartei als rechtsextremistischer Verdachtsfall zu entgehen. So sollen nach Recherchen von NDR und WDR weitere Ausschlussverfahren in Vorbereitung sein, um eine glaubhafte Distanzierung vom äußersten rechten Rand und insbesondere vom verfassungsfeindlichen Flügel zu dokumentieren. Bereits in Kürze – Ende Januar oder Anfang Februar – wird mit einer Entscheidung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) zum weiteren Umgang mit der AfD gerechnet, die bislang flächendeckend ein sogenannter Prüffall ist und in mehreren Bundesländern bereits zum Verdachtsfall hochgestuft wurde. Offenbar geht man auch innerhalb der Partei von einer Gesamtbeobachtung aus, gegen die absehbare Entscheidung des BfV sind Klagen auf Landes- und Bundesebene in Vorbereitung, um öffentlichkeitswirksam mit der Situation umzugehen – „ganz gleich wie hoch die Erfolgsaussichten sind“. In den vergangenen Monaten hat das BfV eine neue Materialsammlung im Umfang von rund 3.000 Seiten zusammengestellt, um eine tragfähige Entscheidung begründen zu können. Wie es heißt, messe man dem Umstand großen Wert zu, dass Anhänger*innen des radikalen Flügels „nur sehr vereinzelt“ ausgeschlossen wurden. (↪ Tagesschau, 11.01., ↪ SZ, 11.01., ↪ Badische Zeitung, 14.01., ↪ Tagesspiegel, 15.01.)


Die Schweriner AfD-Politikerin Petra Federau, die als Direktkandidatin zur Landtagswahl im September antritt, geht nach einer Kündigung arbeitsrechtlich gegen den Abgeordneten Dirk Lerche vor, der im Parlament von Mecklenburg-Vorpommern sitzt. Vier Jahre lang hatte Federau dessen Wahlkreisbüro in der Landeshauptstadt geleitet, im November 2020 war damit Schluss. Als Kündigungsgrund gab Lerche ein „gestörtes Vertrauensverhältnis“ an: Er selbst steht am rechten Rand der Partei und ist Kontrahent des Landesvorsitzenden Leif-Erik Holm. Lerche zufolge soll sich Federau zur Unterstützerin Holms gewandelt haben, daher stellt er ihre Loyalität in Frage, wie er in dieser Woche bei einem ersten Verhandlungstermin ausführte. Voraussichtlich im März wird das Arbeitsgericht entscheiden, ob das ein ausreichender Kündigungsgrund ist. Federau wollte 2016 schon einmal in den Landtag einziehen. Kurzfristig wurde sie aber von einem aussichtsreichen Listenplatz gestrichen, weil sie eine frühere Tätigkeit für einen Escort-Service verheimlicht hatte. Seither war angenommen worden, dass sie und Holm, der damals bereits an der Spitze der Landespartei stand, endgültig miteinander gebrochen haben. (↪ SVZ, 12.01.)


Nach mehreren Verschiebungen und Absagen in den vergangenen Monaten unternimmt die AfD in Baden-Württemberg einen neuen Anlauf für einen Landesparteitag. Der Verband hat für den 6. und 7. Februar zu einem Treffen auf die Messe Stuttgart eingeladen, geplant ist die Aufstellung der Landesliste für die Bundestagswahl. Erwartet werden rund 800 Teilnehmende. (↪ StN, 12.01., ↪ BNN, 13.01.)


Auch nach dem bewaffneten Angriff auf das Washingtoner Capitol, bei dem mehrere Menschen starben, und trotz Distanzierung der Spitze der Bundestagsfraktion von den Ausschreitungen solidarisieren sich Teile der AfD unverändert mit dem abgewählten US-Präsidenten Donald Trump. So schrieb jüngst der Bundestagsabgeordnete Martin Renner bei Facebook, Trump führe „den gleichen politischen Kampf – den man schon Kulturkampf nennen muss – wie wir als ‚Alternative für Deutschland‘ in der Opposition“. Bei Twitter, das den reichweitenstarken Account Trumps lahmlegte, beanstandete Beatrix von Storch, dass er „mundtot“ gemacht werde. Der sächsische Bundestagsabgeordnete Ulrich Oehme bezeichnete die Vorgänge in Washington als einen Akt „extrem-linker Provokateure“ und verbreitete damit eine eindeutig widerlegte Verschwörungserzählung. Zuvor hatte der AfD-Kreisverband Landkreis Leipzig den Aufruf Trumps weiterverbreitet, an jener Demonstration teilzunehmen, von der schließlich der Angriff auf das US-Parlament ausging. Seit der Präsidentschaftswahl verbreitet die AfD zudem unwahre Berichte über einen vermeintlichen Wahlbetrug zulasten Trumps – und überträgt Behauptungen über angeblich manipulierte Briefwahlen ohne Belege auf Deutschland. (↪ Zeit, 12.01., ↪ Tagesschau, 14.01., ↪ Kontraste, 14.01.)


Der Vorstand der saarländische AfD will Dieter Müller, Geschäftsführer der dortigen Landtagsfraktion und ehemaliger Vize-Landeschef, aus der Partei ausschließen. Nach Recherchen des Saarländischen Rundfunks wurde bereits ein Ausschlussverfahren beantragt. Dem 65-Jährigen wird vorgeworfen, Parteigelder in einer Höhe von rund 8.000 Euro unterschlagen und veruntreut zu haben, auch Strafanzeige soll in dem Zusammenhang erstattet werden. Unter anderem soll es dabei um Kosten für einen Auftritt des Neonazis Andreas Kalbitz beim Aschermittwochstreffen der Saar-AfD im vergangenen Jahr gehen. Aufwendungen für einen Personenschützer stellte Kalbitz dem Landesverband in Rechnung. Müller hob eine entsprechende Summe vom Parteikonto ab und will die Kosten bar beglichen haben, eine Quittung ist jedoch nicht auffindbar. Müller bestreitet die Vorwürfe. Er gehörte zur Führungsspitze des Landesverbands um Josef Dörr, die im Frühjahr 2020 durch die Bundespartei entmachtet und vorübergehend durch einen Notvorstand ersetzt worden ist. (↪ SR, 13.01.)


In Sachsen-Anhalt hat die AfD ihre Mitgliederzahl im vergangenen Jahr deutlich steigern können. Hatte die Landespartei Ende 2019 insgesamt 1.224 Mitglieder, wuchs deren Zahl bis Ende 2020 auf 1.366. Das ist ein Plus von rund zehn Prozent. (↪ MZ, 13.01.)


Das Berliner Kammergericht wird am 22. Januar die Berufung des Ex-AfD-Funktionärs Andreas Kalbitz gegen eine Entscheidung des Landgerichts verhandeln, mit der sein Ausschluss aus der Partei im Eilverfahren bestätigt worden war. Den Termin bestätigte das Gericht in dieser Woche. Bereits im November hatten Medien im Zuge eigener Recherchen die anstehende Verhandlung angekündigt. (↪ RBB, 13.01.)


Bei seiner geplanten Direktkandidatur zur Bundestagswahl im Wahlkreis 15 (Rügen, Stralsund, Nordvorpommern, Greifswald) erhält AfD-Landeschef Leif-Erik Holm, der bereits seit 2017 im Parlament sitzt, Konkurrenz aus den eigenen Reihen. Der Vorstand es örtlich zuständigen AfD-Kreisverbands Vorpommern-Rügen unterstützt den 26-Jährigen Dario Seifert. Er soll bei einem Kreisparteitag im Februar als Direktkandidat aufgestellt werden, falls Holm bei den Mitgliedern keine Mehrheit findet. Die Personalie bezeichnet Holm als „abgehobenes Hinterzimmer-Gekungel“. Seifert steht am äußersten rechten Rand der Partei, er gilt als Anhänger des ausgeschlossenen Neonazis Andreas Kalbitz – und ist auch selbst mit einem Ausschlussverfahren konfrontiert, wie die Ostsee-Zeitung berichtet. Hintergrund: Nachdem er 2019 in den Kreistag Vorpommern-Rügen eingezogen war, schloss er sich einer Gruppe von Abtrünnigen um Dennis Augustin an, der wenig später die AfD verlassen musste, weil er seine frühere Zugehörigkeit zur NPD verschwiegen hatte. Zeitweise existierten im Kreistag zwei Fraktionen namens „AfD“. Später gelang zwar die Vereinigung, doch Seifert verließ die gemeinsame Fraktion nach kurzer Zeit. (↪ Ostsee-Zeitung, 13.01.)


Nach Störaktionen im Bundestag während der Debatte um die Novellierung des Infektionsschutzgesetzes am 18. November hat die Bundestagsverwaltung zwei Hausverbote verhängt. Mithilfe von Einladungen durch AfD-Fraktionsmitglieder waren damals mehrere Personen ins Gebäude gelangt, die andere Abgeordnete bedrängt und teils beleidigt haben. Zusätzliche Maßnahmen werden derzeit noch geprüft: „Gegen mehrere Personen sind außerdem Verfahren nach dem Ordnungswidrigkeitengesetz eingeleitet worden, die Bußgelder zur Folge haben“, heißt es aus dem Parlament. Verstöße gegen die Hausordnung werden unter anderem auch der ehemaligen SPD-Abgeordneten Angelika Barbe vorgeworfen, die heute als AfD-nah gilt. Sie war mittels eigenem Hausausweis in den Bundestag gelangt, um dort ebenfalls zu stören. (↪ RND, 14.01., ↪ Tagesschau.de, 14.01.)


Wegen des Vorwurfs der Urkundenfälschung ermittelt die Staatsanwaltschaft Hamburg gegen Thorsten Prenzler, Geschäftsführer der AfD-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft. Zugrunde liegt eine Strafanzeige der AfD-Abgeordneten Olga Petersen. Sie zweifelt an, dass Prenzler über einen Universitätsabschluss verfügt und den Magistertitel führen darf. Die AfD-Fraktion nennt die Vorwürfe „falsch und grob ehrabschneidend“ und verteidigt damit Prenzler. Er ist seit 2015 Geschäftsführer der AfD-Fraktion und Vorsitzender des Parteiverbands in Buchholz/Nordheide. Vor gut drei Jahren warf ihm eine Fraktionsmitarbeiterin vor, sie in einer Teeküche eingesperrt zu haben. Bereits 2006 wurde Prenzler wegen Betrugs rechtskräftig verurteilt. Er hatte sich als Reisejournalist ausgegeben, um in Hotels Rabatte zu erhalten. (↪ Bild, 14.01., ↪ Hamburger Abendblatt, 14.01., ↪ Hamburger Morgenpost, 15.01.)


Die Staatsanwaltschaft Schweinfurt hat Anklage gegen den bayerischen AfD-Landtagsabgeordneten Richard Graupner erhoben, der als Bezirksvorsitzender in Unterfranken auch Funktionär der Partei ist. Anfang Dezember waren die Vorwürfe bekannt geworden, der Landtag hob seine Immunität auf. Dem ehemaligen Polizisten liegt die Verletzung des Dienstgeheimnisses zur Last. Graupner soll 2017 und 2018, als er Leiter der Fahndungs- und Kontrollgruppe der Autobahnpolizei Schweinfurt-Werneck war, mehrfach interne Informationen an einen Bekannten weitergereicht haben. Gegen diesen wurde wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte ermittelt. Der Politiker bestreitet die Vorwürfe. (↪ Mainpost, 15.01.)


Im Zusammenhang mit dem sogenannten Reichstagssturm Ende August 2020 ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft in Berlin in 34 Verfahren gegen insgesamt 40 namentlich bekannte Tatverdächtige. Im Raum steht vielfach der Vorwurf des Landfriedensbruchs, hinzu kommen Körperverletzungen, tätliche Angriffe gegen Vollstreckungsbeamte, Gefangenenbefreiung und die Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Zur Besetzung der Treppe des Bundestagsgebäudes war es am Rande von „Querdenken“-Protesten gekommen. Auch Anhänger*innen der AfD waren vor Ort, darunter der sächsische Aktivist und Parteifunktionär Arthur Österle. (↪ RND, 16.01.)


Die hessische AfD hat im vergangenen Jahr zahlreiche Mitglieder verloren. Von den 2829 eingeschriebenen Anhänger*innen gaben insgesamt 475 ihr Parteibuch ab. Es handelt sich überwiegend um freiwillige Austritte, wegen ungezahlter Beiträge wurden aber auch 125 Personen aus der Kartei gestrichen. Im gleichen Zeitraum gewann die Landespartei nur 169 neue Mitglieder hinzu. Gesamtzahl jetzt: 2523. (↪ FASZ, 17.01., S. 57)

Blauzone

Weitere ehemalige AfD-Politiker*innen sind in dieser Woche zu den Liberal-Konservativen Reformern (LKR) übergetreten. Dabei handelt es sich um die niedersächsische Abgeordnete Dana Guth und das schleswig-holsteinische Landtagsmitglied Frank Brodehl. Zuvor war in Niedersachsen bereits Jens Ahrends der Kleinpartei beigetreten. Er hatte im September gemeinsam mit der ehemaligen Landes- und Fraktionsvorsitzenden Guth sowie Stefan Wirtz die AfD-Fraktion verlassen und damit zur Auflösung gezwungen, da sie nicht mehr über genügend eigene Mitglieder verfügte. Auch in Schleswig-Holstein musste sich die AfD-Fraktion auflösen, nachdem Brodehl ebenfalls im September überraschend seinen Austritt bekannt gegeben hatte. Die LKR war 2015 durch den ehemaligen AfD-Vorsitzenden Bernd Lucke unter dem Namen „Allianz für Aufbruch und Fortschritt“ (Alfa) gegründet worden, sie hat bundesweit rund 800 Mitglieder und bereitet derzeit den Antritt zur Wahl des Bundestags vor. Dort hat man mit Uwe Kamann und Mario Mieruch, die beide für die AfD ins Parlament eingezogen waren, bereits zwei Abgeordnete. Kamann ist LKR-Vizevorsitzender, Mieruch neuerdings Generalsekretär. Als Vizegeneralsekretär fungiert Jens Krause, der ehemalige Fraktionsgeschäftsführer aus Guths niedersächsischer AfD-Fraktion. (↪ SHZ, 14.01., ↪ Weser-Kurier, 14.01., ↪ Spiegel, 14.01.)


Ehemals führende Mitglieder der sächsischen Freien Wähler (FW) wollen sich offenbar der AfD-Abspaltung Liberal-Konservative Reformer (LKR) anschließen. Das berichten die Dresdner Neuesten Nachrichten. Nach zahlreichen Austritten und der Auflösung mehrerer Kreisverbände gilt der hiesige FW-Landesverband als gescheitert, Ende 2020 zogen sich fast alle Vorstandsmitglieder zurück. Zuvor hatte die Bundespartei gegen den Landesvorsitzenden Steffen Große durchgegriffen und eine Ämtersperre verhangen. Vorwurf: Verbindungen in die rechte Szene. Behauptungen, wonach ein sächsischer LKR-Verband mit ihm als Landeschef geplant sei, dementierte Große – ein Interesse an den Kleinpartei aber nicht. (↪ DNN, 17.01.)

Stimme & Haltung

Die AfD ist Deutschlands unbeliebteste Partei. Einer repräsentativen Umfrage des INSA-Instituts im Auftrag der Bild zufolge geben 63 Prozent der Befragten an, dass ihrer Meinung nach die AfD besser nicht dem nächsten Bundestag angehören sollte. Keine andere rechnerisch mögliche Koalition erfährt so große Ablehnung wie ein hypothetisches Bündnis aus Union, FDP und AfD. Davon versprechen sich nur 12 Prozent „eher positive Auswirkungen“, eine klare Mehrheit von 60 Prozent befürchtet hingegen negative Folgen. Verbreitetste Sorge der Wähler*innen im Hinblick auf das Wahlergebnis ist ein Rechtsruck, davor haben 42 Prozent Angst. (↪ Bild, 15.01., S. 3)

Hintergrund

Trotz einer geplanten Vergrößerung des MDR-Rundfunkrats wird der Einfluss der AfD auf das oberste Beschlussorgan der öffentlich-rechtlichen Sendeanstalt voraussichtlich nicht steigen. Zuletzt einigten sich die Bundesländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen auf umfangreiche Änderungen des gemeinsamen MDR-Staatsvertrags. Unter anderem wird der Rundfunkrat, in dem verschiedenste soziale und politische Interessengruppen repräsentiert sind, von 43 auf 50 Mitglieder anwachsen. Nach Recherchen der Freien Presse sollen künftig höchstens neun Vertreter*innen von Parteien darunter sein, drei pro Bundesland, „die mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden Mitglieder des jeweiligen Landtages gewählt werden“ müssen. Bisher gab es diese Einschränkung nicht. Aktuell wird die AfD im MDR-Rundfunkrat durch Jens Dietrich aus Thüringen vertreten. (↪ FP, 11.01.)


Trotz vergleichbarer Rahmenbedingungen unterscheidet sich der Umgang mit der AfD in den Stadträten von Dresden, Leipzig und Chemnitz teils erheblich. Das ist das Ergebnis einer Auswertung von Sitzungsprotokollen durch die die Politikwissenschaftlerinnen Anna-Sophie Heinze und Annina Hermes für das Hannah-Arendt-Institut. Demnach prägten sich in den drei großen sächsischen Städten bereits frühzeitig unterschiedliche Umgangsweisen mit der AfD aus. Zwar kam es in keinem Fall zu einer festen und dauerhaften Zusammenarbeit mit der AfD, allerdings auch nicht zu einem durchgängigen Ausschluss. In Leipzig werden AfD-Anträge am häufigsten inhaltlich debattiert, dort gab es bislang auch die meisten Fälle einer Duldung, teils auch Unterstützung durch Mitglieder anderer Fraktionen. Spiegelbildlich werden im Rat der Landeshauptstadt AfD-Anträge am stärksten ignoriert und häufig formal abgelehnt, ohne dass eine inhaltliche Debatte vorausgeht. (↪ HAIT, 14.01.)