Presseschau, 38. Kalenderwoche 2020

Direktkandidaten aufgestellt, Stadträte in Riesa und Leipzig, Schaufel kaum aktiv, wenig Zuspruch in Beilrode, Klage gegen Jugendorganisationen, Deal für Guth, Flaute bei NRW-Wahl, Herbstklausur in Bayern gescheitert, Corona-Infektionen, Rauswürfe in Hessen beantragt, Streit um Verdachtsfall-Nennung, Lüth wieder im Einsatz, Polizeieinsatz in KZ-Gedenkstätte, Reichardt wiedergewählt, Petry bringt sich ins Spiel, WerteUnion zerfällt, DGB grenzt sich ab, „Chris Ares“ und die AfD. Das war diese Woche wichtig:


In der Presseschau informiert idas jeden Sonntag über lesenswerte Medienberichte und Recherchen rund um die AfD, die im Laufe der Woche erschienen sind.


AfD in Sachsen

Die AfD hat weitere sächsische Direktkandidaten für die Bundestagswahl im kommenden Jahr aufgestellt. Demnach tritt Karsten Hilse erneut im Wahlkreis Bautzen I an, der unter anderem die Städte Bautzen, Hoyerswerda und Kamenz umfasst. Hilse hatte 2017 das Direktmandat errungen. Ebenfalls in ihren angestammten Wahlkreisen Leipzig I und Leipzig II werden Christoph Neumann und Siegbert Droese antreten, die im Bundestag sitzen, aber unterdurchschnittliche Ergebnisse erzielt hatten. Für den Wahlkreis Leipzig-Land wurde erstmals Edgar Naujok aufgestellt, der auch Kreisvorsitzender ist. Er ersetzt Lars Herrmann, der für die AfD in den Bundestag eingezogen war, inzwischen aber ausgetreten ist. Bereits vor kurzem war der heutige Parteivorsitzende Tino Chrupalla erneut für den Wahlkreis Görlitz nominiert worden. Der damals noch recht unbekannte AfD-Politiker hatte 2017 das Direktmandat gewonnen und damit über den heutigen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) gesiegt. In den kommenden Wochen wird die Partei Kandidierende in bis zu elf weiteren Wahlkreisen aufstellen. (↪ Sächsische, 14.09., ↪ Sächsische, 14.09., LVZ, 14.09., S. 15)


Im Stadtrat von Riesa (Landkreis Meißen) ist Martin Bischof als neues Mitglied für die AfD vereidigt worden. Der 33-jährige Angestellte ist Nachrücker für Volker Barthel, der sein Mandat aus gesundheitlichen Gründen niedergelegt hat. Bereits im März hatte Gottfried Reichelt aus dem gleichen Grund sein Ehrenamt beendet, ihn ersetzt seitdem Toni Seidel. Mit sieben Fraktionsmitgliedern ist die AfD im Riesaer Stadtrat die zweitstärkste Kraft nach der CDU. (↪ Sächsische, 14.09.)


Während der Wahl von drei neuen Beigeordneten hat die AfD-Fraktion im Stadtrat von Leipzig geschlossen die Ratssitzung verlassen. Man habe die AfD bei der Vergabe der Bürgermeister*innen-Posten übergangen und damit gegen den vorgesehenen Parteienproporz verstoßen, erklärte der Fraktionsvorsitzende Tobias Keller, der auch im Landtag sitzt, diesen symbolischen Schritt. Hintergrund: Seit der Kommunalwahl im vergangenen Jahr, bei der die AfD als viertstärkste Fraktion in den Leipziger Stadtrat eingezogen ist, reklamiert sie einen der hauptamtlichen Spitzenposten im Rathaus für sich. Doch auch nach mehrfachen Ankündigungen, eine geeignete Person vorzuschlagen, wurde keine AfD-Kandidat*in offiziell ins Spiel gebracht. Eine solche Person würde er auch nicht akzeptieren, hatte der Anfang des Jahres wiedergewählte Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) frühzeitig erklärt. Laut sächsischer Gemeindeordnung sollen Personalvorschläge aus den Fraktionen nach ihrer jeweiligen Stärke berücksichtigt werden. Daraus ergibt sich aber kein Rechtsanspruch, in einer Ratsversammlung tatsächlich gewählt zu werden. (↪ LVZ, 16.09.)


Der sächsische AfD-Landtagsabgeordnete Frank Schaufel hat sich gegen Vorwürfe des soeben wiedergewählten vogtländischen CDU-Kreisvorsitzenden Sören Voigt verteidigt, untätig zu sein. In einem Interview mit der Freien Presse hatte Voigt gesagt, dass man in der Kreisstadt Plauen „vom direkt gewählten Abgeordneten nichts hört. Gar nichts.“ Damit meinte er Schaufel, der aus Plauen stammt und zur Landtagswahl im vergangenen Jahr ein Direktmandat erhalten hatte – mit zwölf Stimmen Vorsprung vor dem Unions-Kandidaten. Schaufel verwies nun darauf, dass er in Plauen ein Parteibüro betreibe. Es stehe Bürger*innen offen, „wovon diese auch Gebrauch machen“. Er arbeite „im Rahmen der Möglichkeiten“ daran, „deren Probleme einer Lösung zuzuführen.“ Konkrete Beispiele, was er für die Menschen vor Ort bewegt, nannte Schaufel nicht. Die Zeitung verweist darauf, dass der AfD-Mann, seitdem er im Parlament sitzt, lediglich zwei Anfragen eingereicht hat: „Inwieweit es sich dabei um Plauener Probleme handelte, geht aus den Fragen und daraufhin erteilten Auskünften der Staatsregierung nicht hervor.“ (↪ FP, 17.09.)


Wenig Zuspruch hat am Freitagabend eine Veranstaltung der AfD in Beilrode (Landkreis Nordsachsen) gefunden. Dorthin hatte die Bundestagsfraktion eingeladen, als Auftakt zu einer Veranstaltungsreihe unter dem Titel „Klartext“. Auf dem Podium saßen die Abgeordneten Tino Chrupalla, Detlev Spangenberg und Roland Hartwig. Zum Thema Asylpolitik sagte der ehemalige Stasi-Zuträger Spangenberg: „Hier kommen nur die Galgenvögel, die Abenteurer, an.“ Nur etwa die Hälfte der rund 100 vorbereiteten Stühle in der Ostelbienhalle wurden genutzt. „Der Rest war vor allem mit älterem Publikum und Mitgliedern der eigenen nordsächsischen Parteibasis besetzt“, notierte die Leipziger Volkszeitung. (↪ LVZ, 19.09.)


Die AfD-Landtagsfraktion hat am Freitag beim Sächsischen Verfassungsgerichtshof in Leipzig eine Klage gegen die Finanzierung parteinaher Jugendorganisationen eingereicht. Prozessbevollmächtigter ist der Jurist Michael Elicker, der für die Fraktion arbeitet. Seiner Auffassung nach gebe es „überhaupt keine Rechtsgrundlage“, solche Organisationen über den Landeshaushalt zu fördern. Ziel der sogenannten Normenkontrollklage sei es, die Rechtswidrigkeit der bisherigen Praxis feststellen zu lassen und „solche Dinge zugunsten des Steuerzahlers“ zu beenden. Über das Vorgehen der AfD hatte idas bereits im Vorfeld ausführlich berichtet. (↪ FP, 19.09., S. 2)

AfD rundherum

Die ehemalige niedersächsische AfD-Landesvorsitzende Dana Guth, die am vergangenen Wochenende bei einem Parteitag gestürzt worden ist, will weiterhin die dortige Landtagsfraktion anleiten. „Mit einer Doppelspitze, hier Fraktion, dort Partei, wird die AfD nun für ein besseres Niedersachsen kämpfen“, sagte Guth am Montag. In der kommenden Woche wird die Fraktionsspitze neu gewählt, genügend Abgeordnete sollen sich bereits darauf verständigt haben, Guth vorzuschlagen und zu wählen. An der Landesspitze ist die vergleichsweise moderate Politikerin durch den Flügel-Anhänger Jens Kästner ersetzt worden, seinem Vorstand gehören auch Guths Vertraute nicht mehr an. Daraufhin sollen mehrere Abgeordnete erwogen haben, die Fraktion zu verlassen – damit würde die AfD im Landtag zugleich ihren Fraktionsstatus verlieren. Wenn Guth jedoch bleibt, wird dieser folgenreichen Spaltung vorgebeugt. (↪ Rundblick, 14.09., ↪ NDR, 14.09.)


Bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen hat die AfD am vergangenen Sonntag ein landesweites Durchschnittsergebnis von 5,0 Prozent erzielt. Das bedeutet zwar eine Verdopplung des Stimmenanteils gegenüber 2014. Der NRW-Landesvorsitzende Rüdiger Lucassen räumte jedoch ein, dass es „nicht gelungen“ sei, die eigenen Wahlziele zu erreichen. Die Partei hatte in NRW, wo sie ihren mitgliederstärksten Landesverband unterhält, mindestens zehn Prozent angepeilt. Zum Vergleich: Bei der Bundestagswahl 2017 kam sie auf 9,4 Prozent, bei der Europawahl 2019 immer noch auf 8,5 Prozent. Ein deutlich überdurchschnittliches Ergebnis erzielte die AfD diesmal in Gelsenkirchen (12,9 Prozent), es war die einzige kreisfreie Stadt mit einem zweistelligen Resultat. Danach folgen Hagen und Duisburg mit jeweils 9,3 Prozent, Herne mit 8,5 Prozent, Oberhausen mit 7,6 Prozent und Essen mit 7,5 Prozent. Deutlich schwächer fiel das Ergebnis in den Landkreisen aus, am stärksten war die AfD in Recklinghausen (7,1 Prozent), Siegen-Wittgenstein (6,7 Prozent), Euskirchen (6,5 Prozent) und Düren (6,4 Prozent). Insgesamt traten rund 2.000 AfD-Kandidierende für kommunale Gremien an. Sie errangen am Schluss 185 Mandate in den Räten der kreisfreien Städte und in den Kreistagen. (↪ RND, 14.09., ↪ KStA, 14.09., ↪ BNR, 14.09., ↪ TAZ, 14.09.)


Eine dreitätige Herbstklausur der bayrischen AfD-Landtagsfraktion, die am Dienstag in München begonnen hat, ist schon nach einem Tag vorzeitig abgebrochen worden. Die Abgeordneten konnten sich nicht auf eine gemeinsame Tagesordnung einigen, ließen bereits das gemeinsame Abendessen am ersten Tag ausfallen und gaben schließlich zwei getrennte Pressekonferenzen über die Ergebnisse des Treffens, das die Spaltung der Fraktion weiter vertieft haben dürfte. Hintergrund des Konflikts: Die Flügel-nahe Fraktionschefin Katrin Ebner-Steiner war Ende Mai nur knapp einer Abwahl entgangen, weil die nötige Zweidrittelmehrheit verfehlt wurde. Sie hat seitdem eine Mehrheit von zwölf der 20 Abgeordneten gegen sich, die ihr unter anderem Kungelei, einen unkollegialen Führungsstil und Intransparenz im Umgang mit Fraktionsgeldern vorwerfen. Die Zwölfergruppe – Eigenbezeichnung: „die Vernünftigen“ – fordert seit Juni den Rücktritt des gesamten Fraktionsvorstands, strich der Führungsriege im Juli die Dienstwagen und verbannte Ebner-Steiner im Plenarsaal in die letzte Reihe. Im Vorfeld der Klausur stellten die Abtrünnigen weitreichende Forderungen auf und verlangten, dass sie in der Tagesordnung berücksichtigt werden. Unter anderem sollten alle Ausschussposten neu besetzt, einige Fraktionsmitarbeiter*innen entlassen und Zulagen für die Fraktionsspitze gestrichen werden. Das Maßnahmenpaket hätte die Macht des Vorstands beschnitten, der es folglich ablehnte, darüber zu beraten. Der gesamte Konflikt ist damit aber nur vertagt, eine öffentliche Aussprache wird für den kommenden bayrischen Landesparteitag erwartet. Er sollte zunächst am kommenden Samstag stattfinden. Wegen Mängeln im Hygienekonzept wurde das Treffen im fränkischen Greding auf den 21. November verschoben. (↪ Merkur, 14.09., ↪ SZ, 15.09., ↪ BR, 15.09., ↪ SZ, 16.09., ↪ SZ, 17.09., ↪ BR, 17.09., ↪ SZ, 17.09.)


Der Berliner Kommunalpolitiker Stephan Piel ist aus der AfD-ausgetreten. Er war bis 2019 Vorsitzender des Neuköllner Kreisverbandes der Partei und sitzt in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV), der er künftig als parteiloses Mitglieder angehören wird. Seinen Austritt begründete er unter anderem mit einer Radikalisierung der AfD und einer verbreiteten „Klüngelei“, durch die sie zu einem „Haufen Postenjäger diverser karrieregeiler Leute“ geworden sei. Als Anlass für seinen Schritt benennt Piel eine BVV-Rede seiner ehemaligen Parteifreundin Anne Zielisch. Sie hatte einer SPD-Verordneten gesagt, dass sie ihr „Kopftuchgeschwader“ mitgebracht habe und damit augenscheinlich muslimische Zuhörerinnen im Saal gemeint. (↪ Berliner Morgenpost, 15.09.)


Die brandenburgische AfD-Landtagsfraktion wird die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Umgang der Landesregierung mit der Corona-Krise beantragen. In dem Gremium will die Fraktion hinterfragen, ob Eingriffe in Grund- und Freiheitsrechte verhältnismäßig und die ergriffenen Maßnahmen dienlich waren, die Pandemie einzudämmen. Einer Einsetzung des Ausschusses muss im brandenburgischen Landtag mindestens ein Fünftel der Abgeordneten zustimmen. Mit ihren 23 von insgesamt 88 Parlamentsmitgliedern verfügt die AfD-Fraktion aus eigener Kraft über eine ausreichende Stimmenzahl. (↪ Berliner Morgenpost, 15.09.)


Die AfD ist derzeit von mehreren Corona-Infektionen betroffen. Mit Norbert Kleinwächter aus dem brandenburgischen Wildau gibt es erstmals einen solchen Fall in der Bundestagsfraktion. Der Abgeordnete hatte am Samstag der Vorwoche einschlägige Symptome entwickelt und sich krankgemeldet, ein Test bestätigte den Verdacht. Das zuständige Gesundheitsamt ermittelte insgesamt 27 Kontaktpersonen. Zehn von ihnen – darunter sechs weitere AfD-Abgeordnete und vier Fraktions-Mitarbeiter*innen – mussten sich in Quarantäne begeben. Inzwischen soll auch ein Mitarbeiter positiv getestet worden sein. In der Vorwoche war Kleinwächter noch im Plenarsaal und mehrfach in der Bundestagskantine gewesen. In den anderen Fraktionen steigt daher der Unmut über das Verhalten der AfD, die sich demonstrativ nicht an die Empfehlung hält, in den Parlamentsräumen eine Maske zu tragen. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hat vor diesem Hintergrund „mit Nachdruck“ dazu aufgerufen, Schutzmaßnahmen einzuhalten. Inzwischen wird erwogen, eine Maskenpflicht einzuführen. Wegen rechtlicher Bedenken war davon bislang abgesehen worden. Ähnliche Überlegungen bestehen inzwischen auch im brandenburgischen Landtag, dort ist ein AfD-Fraktionsmitarbeiter infiziert. Es handelt sich um den ersten Corona-Fall in dem Landesparlament. Die dortige Fraktion hat daraufhin alle Mitarbeiter*innen ins Home-Office beordert. Nach Angaben der AfD sei der Infizierte bereits seit anderthalb Wochen nicht mehr im Landtag gewesen. Zuletzt war noch unklar, ob es dort relevante Kontaktpersonen gibt und Quarantäneregelungen greifen. (↪ RND, 16.09., ↪ MAZ, 17.09., ↪ Tagesspiegel, 18.09., ↪ PNN, 18.09., ↪ MAZ, 18.09., ↪ Welt, 18.09.)


Die hessische AfD-Fraktion bereitet den Rauswurf zweier ihrer bekanntesten Mitglieder vor. Nach übereinstimmenden Medienberichten liegen Ausschlussanträge gegen Rainer Rahn und Rolf Kahnt vor, über die bei einer Fraktionssitzung am 20. Oktober abgestimmt werden soll. Nötig ist eine Zweidrittelmehrheit, eine Zustimmung gilt bereits als sicher, da die Anträge durch 15 der 18 AfD-Abgeordneten mitgetragen werden. Der Schritt hätte großen Symbolwert: Rahn war der Spitzenkandidat der AfD zur Landtagswahl und hatte die Partei überhaupt erst ins hessische Parlament geführt. Dort ist Kahnt, der bis 2017 Landesvorsitzender war, der Alterspräsident. Beide erfuhren nach eigenen Angaben aus der Presse von den Abwahlanträgen. Bereits länger bekannt sind jedoch die Vorwürfe, die dazu geführt haben: Unter anderem geht es um unkollegiales Verhalten, Unzuverlässigkeit, unabgesprochene Alleingänge und Verstöße gegen die politische Linie der Fraktion. Diese hatte die beiden Abgeordneten regelrecht ausgeforscht und Dossiers über deren Sozialverhalten angelegt, wie im Frühjahr war bekannt geworden war. Über die Sommermonate hatte sich eher eine Entspannung angedeutet. (↪ FAZ, 17.09., ↪ FAZ, 17.09., ↪ Hessenschau, 17.09., ↪ FR, 19.09.)


Die brandenburgische AfD-Landtagsfraktion will gegen das Verfassungsschutzgesetz des Bundeslandes und damit indirekt gegen den Umgang der Sicherheitsbehörden mit der Landespartei klagen. Am Freitag kündigte die Partei an, eine Normenkontrollklage einzureichen und dadurch feststellen zu lassen, dass das Gesetz mit dem Landesrecht vereinbar sei. Das Gesetz erlaubt es ausdrücklich, dass bekannt gegeben wird, welche Vereinigungen als sogenannte Verdachtsfälle in den Fokus des brandenburgischen Verfassungsschutzes geraten sind. Das trifft auf den AfD-Landesverband zu, der seit Juni als „rechtsextremistischer Verdachtsfall“ unter Beobachtung steht. Die AfD hält dagegen, dass es nicht rechtens sei, die Öffentlichkeit bereits dann zu informieren, wenn ein entsprechender Verdacht besteht. Gegen die eigentliche Einstufung und damit verbundene Befugnisse, die Partei mit nachrichtendienstlichen Mitteln auszuforschen, wendet sich die AfD zumindest auf diesem Weg nicht. (↪ RBB, 18.09., ↪ MZ, 18.09.)


Christian Lüth, geschasster Pressesprecher der AfD-Bundestagsfraktion, hat wieder eine offizielle Funktion erhalten. Nach Angaben des Spiegel wird der 43-Jährige fortan als „Medienkoordinator“ der Fraktion tätig sein. Das soll der Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland am Dienstag unter mehrfachem Applaus in einer Sitzung mit Abgeordneten bekanntgegeben haben. Lüth, ein gut vernetzter Parteiarbeiter der ersten Stunde, war im Frühjahr „mit sofortiger Wirkung“ freigestellt worden. Zuvor waren in der Fraktion Chatnachrichten bekannt geworden, in denen er sich selbst als „Faschist“ bezeichnet, sich seiner „arischen“ Abstammung und eines vermeintlichen Verwandten mit Funktion in der NS-Marine gerühmt haben soll. Eine interne Kommission prüfte den Fall monatelang. Einzelne AfD-Abgeordnete sollen sich indes gegen eine Weiterbeschäftigung ausgesprochen haben. (↪ Spiegel, 18.09.)


Die Polizei hat am Samstag die drei thüringischen AfD-Landtagsabgeordneten Thomas Rudy, Torsten Czuppon und Karlheinz Frosch des Geländes der KZ-Gedenkstätte Buchenwald verwiesen. Offenbar wollten die Parlamentarier dort an einer Gedenkveranstaltung zum sowjetische Speziallager Nr. 2 teilnehmen, waren aber nicht erwünscht. Grund: Die Gedenkstätte fasste bereits Anfang des vergangenen Jahres den Entschluss, AfD-Abgeordneten den Zugang zu Gedenkfeiern grundsätzlich zu verwehren. Daran hielt sich die kleine Delegation nun jedoch nicht und weigerte sich auf Aufforderung außerdem, zu gehen. Daraufhin haben Beamt*innen das Hausrecht durchgesetzt. (↪ MDR, 19.09.)


Der Flügel-Anhänger Martin Reichardt wird auch die nächsten zwei Jahre Vorsitzender der sachsen-anhaltischen AfD sein. Das ist ein Ergebnis eines Landesparteitags, der an diesem Sonntag in Dessau begann und aktuell noch anhält. Versammlungsort ist ein Zelt auf dem Gelände eines ehemaligen Autokinos. Reichardt, der keine Gegenkandidat*innen hatte, erhielt knapp 91 Prozent der Stimmen. Als Stellvertreter wurden Kay Uwe Ziegler und – erstmals im Landesvorstand vertreten – der als „Rechtsextremist“ eingestufte Hans-Thomas Tillschneider gewählt. Nach längerer Vakanz wurde zudem der Posten des Generalsekretärs an Andreas Mrosek vergeben. Die Ergebnisse überraschen nicht, denn die Spitzenplätze waren durch den alten Landesvorstand vorgeschlagen worden, gemeinsam mit den Kreisvorständen fand in der Vorwoche sogar eine Probeabstimmung statt. Im Vorfeld war trotzdem angenommen worden, dass es zu Kampfkandidaturen kommen könnte, die verfeindeten Parteilager hatten dazu in Chatnachrichten aufgerufen. Etwa 550 der insgesamt 1.350 Mitglieder erschienen vor Ort. Unter den Anwesenden war auch der kürzlich aus der Partei ausgeschlossene Bundestagsabgeordnete Frank Pasemann. Er behauptete, dass ihm der Beschluss des Landesschiedsgerichts nicht zugestellt worden sei und er daher weiterhin seine Mitgliedsrechte wahrnehmen könne. Für den wiedergewählten Landeschef Reichardt bedeutet dieser Sonntag den zweiten Erfolg in kurzer Zeit: Neulich wurde er bei einem Kreisparteitag in Merseburg als Direktkandidat zur Bundestagswahl aufgestellt – unter anderem mit Fürsprache des heute belohnten Tillschneider. Reichardts Nominierung war in anderen Teilen der Partei umstritten, die Rede ist von einem „Import-Kandidaten“, der seinen angestammten Wahlkreis in der Börde verließ, weil er sich im Süden des Bundeslandes mehr Chancen ausrechnet. Den parteiinternen Kritiker*innen wurde inzwischen Ordnungsmaßnahmen angedroht. Nachdem sie sich in der Mitteldeutschen Zeitung äußern konnten, wurde einem Reporter der Zeitung der Zugang zur Nominierungsveranstaltung verwehrt. (↪ MZ, 14.09., ↪ MZ, 14.09., ↪ MZ, 15.09., ↪ Volksstimme, 17.09., ↪ Spiegel, 18.09., ↪ MZ, 18.09., ↪ Volksstimme, 19.09., ↪ MZ, 19.09., ↪ MDR, 20.09., ↪ Volksstimme, 20.09.)

Blauzone

Die ehemalige AfD-Landes- und Bundesvorsitzende Frauke Petry erwägt für das kommende Jahr eine erneute Kandidatur zur Bundestagswahl. Petry hatte 2017 das Direktmandat für den Wahlkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge mit 37,4 Prozent der Erststimmen klar gewonnen. Unmittelbar danach trat sie im Streit aus der AfD aus, ist seitdem fraktionslose Abgeordnete. Der Versuch, mit der „Blauen Partei“ eine moderate Abspaltung zu etablieren, ist inzwischen gescheitert. Zuletzt hatte es geheißen, dass Petry ihre politische Karriere mit dem Ablauf der Wahlperiode „definitiv“ beenden will. Auf Anfrage der Sächsischen Zeitung sagte sie nun aber, dass sie sich eine „endgültige Entscheidung“ über eine erneute Kandidatur noch offenhalte. (↪ Sächsische, 14.09.)


Die Krise in der nationalkonservativen WerteUnion hält an. Inzwischen droht Gruppe, die sich im CDU/CSU-Umfeld für eine Öffnung gegenüber der AfD und deren Positionen ausspricht, sogar der Zerfall. Bereits im August hatte es eine Reihe von Rücktritten gegeben, so zogen sich der thüringische Landesvorsitzende Christian Sitter und dessen Stellvertreterin Angela Wanner zurück, außerdem der Landesvorsitzende von Baden-Württemberg, Holger Kappel, und mehrere Einzelpersonen wie der Mitgründer und frühere Pressesprecher Stefan Koch und Jörg Förster, der maßgeblich für die Social-Media-Arbeit zuständig war. Jetzt folgen weitere namhafte Abhänge: Der stellvertretende Bundesvorsitzende Hinrich Rohbohm hat sein Amt niedergelegt und ist aus der Gruppe ausgetreten. Robohm ist Reporter der AfD-freundlichen Wochenzeitung „Junge Freiheit“, zugleich aber auch Autor der „Frankfurter Erklärung“, mit der die WerteUnion Anfang des Jahres offiziell auf Distanz zur AfD gegangen war. „Wenn diese Erklärung unterlaufen oder relativiert wird, kann das aus meiner Sicht nicht folgenlos bleiben“, erklärte Rohbohm und bestätigte damit verbreitete Vorwürfe, wonach sich die WerteUnion stärker als bekannt nach rechtsaußen orientiert. Da Robohm kommissarisch die Landesverbände in Schleswig-Holstein und Hamburg anführte, fehlt nun auch dort eine Leitung. Zugleich ist der Bremer Landeschef Simon Beckmann aus- und der bislang von ihm geführte Landesvorstand geschlossen zurückgetreten. Bundesweit hat die WerteUnion mehr als 4.000 Mitglieder, die nur zum Teil auch der CDU oder CSU angehören. Offenbar hat die Gruppe in den vergangenen Wochen rund 400 Mitglieder verloren. Für den Oktober ist eine Mitgliederversammlung geplant. (↪ t-online.de, 16.09.)

Stimme & Haltung

Vor dem Hintergrund mehrerer anstehender Wahlen in Sachsen ist der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) auf Abstand zur AfD gegangen. So sandte der Zwickauer DGB-Kreisverband ein Schreiben an die Kandidierenden der heute stattfindenden OBM-Wahl und bot darin eine Zusammenarbeit an, um die Interessen der Arbeitnehmer*innen zu wahren. Der AfD-Kandidat Andreas Gerold erhielt ein solches Schreiben jedoch nicht. Zur Begründung sagte die DGB-Kreisvorsitzende Sabine Zimmermann, dass die Gewerkschaft „grundsätzlich keine Kontakte zur rechtspopulistischen AfD“ unterhalte. Aus dem gleichen Grund blieb kürzlich auch die AfD außen vor, als der DGB-Kreisverband Meißen anlässlich der kommenden Landratswahl zu einem Diskussionsforum einlud. Dazu eingeladen waren der CDU-Kandidat Ralf Hänsel sowie Elke Siebert von den Gründen, nicht aber der AfD-Mann Thomas Kirste. (↪ FP, 16.09., ↪ Sächsische, 18.09.)

Fokus: AfD & „Chris Ares“

Bei Enthaltungen der AfD hat sich der Gemeinderat von Cunewalde (Landkreis Bautzen) am Mittwoch auf eine gemeinsame Erklärung gegen die Ansiedlung des extrem rechten Musikers Christoph Aljoscha Zloch („Chris Ares“) ausgesprochen. Nach verschiedenen Anläufen, ein rechtes Jugendzentrum und ein Ladengeschäft in Bischofswerda und in Bautzen zu eröffnen, hat der aus Bayern stammende Zloch kürzlich ein ehemaliges Kinderferienlager in Weifa, einem Ortsteil von Steinigtwolmsdorf, bezogen. In Cunewalde wiederum will er ein Tattoostudio einrichten. Eine Gewerbeanmeldung für Räume in der Hauptstraße 89a liegt vor, sie geht auf Zlochs Geschäftspartner Jan David Fautz zurück. Eine Genehmigung erteilte das zuständige Landratsamt noch nicht. Vermieter ist mit Markus Baumgart ein unter anderem wegen Körperverletzung, Hausfriedensbruch und Sachbeschädigung polizeibekannter Neonazi, der das rechte Modelabel „Isegrim“ betreibt.

Zur Gemeinderatssitzung schlug der Bürgermeister Thomas Martolock (CDU) nun ein gemeinsames Statement vor: Man wehre sich „gegen Projekte mit menschenverachtendem oder diskriminierendem Gedankengut und Extremismus, egal welcher Coleur“, heißt es darin. Man wolle gemeinsam mit den zuständigen Behörden dafür sorgen, „dass in der Gemeinde Cunewalde keinerlei diesbezügliche Projekte begründet werden.“ An dieser deutlichen Anspielung auf die Pläne von Zloch nahm die AfD jedoch Anstoß und stimmte der Erklärung nicht zu. Begründung des AfD-Ratsmitglieds Jürgen Schulz, der aktuell auch als Bürgermeisterkandidat antritt: „Für Extremismus ist die Justiz zuständig, nicht der Gemeinderat“. Zudem dürfe niemand, auch nicht Zloch, wegen politischer Anschauungen benachteiligt werden. Kürzlich war eine ähnliche Erklärung im Stadtrat von Bischofswerda von allen Fraktionen mitgetragen worden, die AfD eingeschlossen. Wenig später einigten sich die demokratischen Fraktionen im Stadtrat von Bautzen auf ein vergleichbares Statement, dort allerdings ohne Zutun der AfD.

In der Region haben Zloch und sein Umfeld zuletzt mehrfach für Ärger gesorgt. So beendete die Polizei in der Nacht zum Sonntag der Vorwoche eine Neonazi-Feier im Bautzner Ortsteil Kleinwelka, bei der unter anderem „Musik mit Texten nationalsozialistischer Gesinnung und der Verherrlichung der Person Adolf Hitlers“ abgespielt wurde. Beim Veranstalter handelte es sich um Markus Baumgart, also Zlochs Vermieter in Cunewalde. Er hatte sich unter dem Vorwand, eine Privatfeier in familiärer Atmosphäre“ ausrichten zu wollen, auf einem örtlichen Sportplatz eingemietet. An diesem Montag fand auf dem Kornmarkt in Bautzen eine Protestkundgebung statt. Sie wandte sich gegen Zlochs Plan, in der Nähe einen Szenetreffpunkt für „heimatverbundene Menschen“ zu eröffnen, dort liegt auch eine Gewerbeanmeldung für ein Tattoostudio vor. Unklar ist, ob es in Betrieb gehen oder zugunsten des neuen Objekts in Cunewalde aufgegeben wird. Im Umfeld der Kundgebung sammelten sich Neonazis, unter ihren auch Zloch persönlich. Am späteren Abend ereigneten sich am Kornmarkt mehrere rassistische Übergriffe auf Geflüchtete. (↪ TAG24, 16.09., ↪ FP, 17.09., ↪ Sächsische, 17.09., ↪ Sächsische, 17.09., ↪ MDR, 18.09., ↪ Sächsische, 18.09., ↪ addn.me, 18.09.)