Brandenburger Verfassungsschutz beobachtet den „ganzen Vogel“

Die Sicherheitsbehörden verschärfen den Umgang mit der AfD: Nach Thüringen nimmt nun auch der brandenburgische Verfassungsschutz einen kompletten Landesverband unter Beobachtung. Demnach haben weder die vermeintliche Auflösung des Flügels, noch der Rauswurf von Andreas Kalbitz zu einem Richtungswechsel geführt. Die Rede ist von einer „Wagenburgmentalität“. Für die Partei wird es langsam eng.

„Nibelungentreue“ zu Kalbitz

Der komplette brandenburgische Landesverband der AfD wird durch den Verfassungsschutz beobachtet. Das gab Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) heute in Potsdam bekannt. Es handle sich um das Ergebnis einer „langen und intensiven Auswertung gesicherter Erkenntnisse“ über die Landespartei, die sich seit ihrer Gründung „stetig radikalisiert“ habe, sagte Stübgen. Sie werde inzwischen von Bestrebungen „dominiert, die ganz eindeutig gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung verstoßen“. Die „vermeintliche“ Flügel-Auflösung mache keinen Unterschied, „in der Brandenburger AfD ist der Flügel längst der ganze Vogel“, so der Minister.

Der Landesverband, der bislang wie die Bundespartei als sogenannter Prüffall galt, wird seit dem vergangenen Freitag zum Beobachtungsobjekt aufgewertet und als sogenannter Verdachtsfall bearbeitet. Dadurch ist die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel möglich. Davon werde man bei einflussreichen Protagonist*innen auch Gebrauch machen, kündigte Jörg Müller an, der Leiter des brandenburgischen Verfassungsschutzes. Er hatte in den vergangenen Wochen wiederholt ein verschärftes Vorgehen in Aussicht gestellt, wenn sich die Partei nicht erkennbar vom völkisch-nationalistischen Flügel distanziert und von Führungspersonen wie dem Neonazi Andreas Kalbitz lossagt.

Das sei jedoch nicht geschehen. Nach der Annullierung der Parteimitgliedschaft von Kalbitz, der zuletzt Landesvorsitzender war, werde der Verband „de facto von einem parteilosen Rechtsextremisten geführt“, sagte Müller. Anstelle einer kritischen Auseinandersetzung sei eine „Wagenburgmentalität“ und eine regelrechte „Nibelungentreue“ gegenüber Kalbitz zu erkennen. Der Flügel könne zudem „praktisch nicht vom Rest“ getrennt werden. Insgesamt sollen dieser Strömung um die 40 Prozent der rund 1.600 brandenburgischen Parteimitglieder angehören und den Landesverband in eine Richtung getrieben haben, die auf eine Stufe etwa mit der NPD führe. Diese Schwelle sei „in einigen Teilbereichen“ bereits überschritten.

Nur „vage“ Chancen zur Änderung

Nicht nur der Einfluss des Flügels sei relevant, sagte Müller weiter, der auch auf zusätzliche einschlägige Positionierungen hinwies. Unter anderem würden AfD-Landespolitiker*innen ein „biologisch-rassistisches Weltbild“ verbreiten. Zudem gebe es „nachweisliche personelle und strukturelle Verflechtung“ mit anderen extrem rechten Stukturen wie der Identitären Bewegung und dem Compact-Magazin. Besonderes Gewicht komme der Zusammenarbeit der AfD mit dem Pegida-ähnlichen Verein „Zukunft Heimat“ zu. Dieser werde inzwischen als „erwiesen rechtsextremistisch“ angesehen und stehe unter „neo-nationalsozialistischem Einfluss“. Der Vereinsvorsitzende Christoph Berndt sitzt für die AfD im brandenburgischen Landtag.

Das künftige Vorgehen des Verfassungsschutzes hänge weiterhin von der AfD selbst ab, sagte Müller. Die Chancen für eine entlastende Neupositionierung und eine „Rückkehr“ zur Demokratie halte er selbst aber für „eher vage“. Möglich sei auch eine andere andere Entwicklung: Wenn immer mehr Teilstrukturen der AfD unter Beobachtung geraten, könne sich bald die Einordnung der Gesamtpartei ändern. Brandenburg ist nach Thüringen das zweite Bundesland, das einen kompletten AfD-Landesverband zum Beobachtungsobjekt erklärt hat. Dem Vernehmen nach will das Bundesamt für Verfassungsschutz noch in diesem Jahr eine Entscheidung über die Einordnung der Bundespartei treffen.

Als naheliegend gilt, dass die AfD dann insgesamt beobachtet wird. Fraglich ist, ob bis dahin weitere Bundesländer einschreiten, etwa Sachsen, wo die AfD ebenfalls stark dem Flügel anhängt und gegenüber Kalbitz wie auch Björn Höcke wiederholt die ungebrochene Loyalität bezeugt hat. Erst vor zwei Tagen fand in Sebnitz eine Kundgebung der Partei statt, die komplett durch Flügel-Sympathisant*innen ausgestaltet wurde, darunter auch der Landesvorsitzende Jörg Urban. Kalbitz trat bei der Versammlung als Gastredner auf. Der sächsische Verfassungsschutz berichtet allerdings im Unterschied zu den meisten anderen Landesämtern nicht öffentlich über sogenannte Verdachtsfälle – eine Regelung, die erst gebraucht wird, seitdem es um die AfD geht.

Wortkarge Reaktion

Eine Stellungnahme der brandenburgischen AfD zu den jüngsten Entwicklungen liegt noch nicht vor. Der Ehrenvorsitzende der Partei Alexander Gauland – Kalbitz‘ Vorgänger als Landeschef – erklärte unterdessen, er halte die Entscheidung für „genauso falsch wie die bisherigen Einstufungen der AfD durch den Verfassungsschutz“. Versuche der Partei, eine drohende Beobachtung durch eigene Maßnahmen abzuwenden oder durch juristische Schritte zu unterbinden, waren bislang nicht erfolgreich, der Flügel und die Junge Alternative tauchen inzwischen in ersten Verfassungsschutzberichten auf.