Nach Andreas Kalbitz muss ein weiterer führender Aktivist des verfassungsfeindlichen Flügels die AfD verlassen: Das sachsen-anhaltische Schiedsgericht hat gestern geurteilt, dass Frank Pasemann der Partei zumindest vorläufig nicht mehr angehören darf. Vorausgegangen war Streit um Geld – und ein antisemitischer Tweet.
↓
Berufung möglich
Die AfD hat den sachsen-anhaltischen Bundestagsabgeordneten Frank Pasemann mit sofortiger Wirkung aus der Partei ausgeschlossen. Das Schiedsgericht des Landesverbandes Sachsen-Anhalt befasste sich gestern mit dem Fall, die Mitglieder wurden anschließend in einer Rundmail über das Ergebnis informiert. Pasemann verliert demnach sämtliche Parteiämter und darf nicht mehr an innerparteilichen Wahlen teilnehmen. Der 60-Jährige scheidet damit aus dem Vorstand des AfD-Kreisverbandes in Magdeburg aus, wo er zuletzt Schatzmeister war. Zudem kann er nach aktuellem Stand nicht als Parteikandidat zur Bundestagswahl im kommenden Jahr aufgestellt werden. Es ist das erste Mal, dass ein Bundestagsmitglied aus der Partei geworfen wird.
Gegen die Entscheidung ist eine Berufung möglich, dann wäre das Bundesschiedsgericht zuständig. Pasemann hat bislang keine Erklärung abgegeben, auch nicht die Bundestagsfraktion. Ihr könnte er auch als Parteiloser weiter angehören. Dem Ausschluss vorausgegangen war ein Mehrheitsbeschluss des zuständigen AfD-Landesvorstands, der Mitte März gefallen ist. Damals wurden beim Schiedsgericht zunächst Ordnungsmaßnahmen gegen Pasemann beantragt, um ihn seiner Ämter zu entheben und eine zweijährige Ämtersperre zu verhängen. Zugrunde lag der Vorwurf, dass der Abgeordnete in den beiden zurückliegenden Jahren die sogenannte Mandatsträgerabgabe nicht an die Landespartei gezahlt und damit gegen die Beitragsordnung verstoßen hat.
Unterm Strich geht es um rund 43.000 Euro. „Trotz freundlicher Erinnerung durch die Landesschatzmeisterin und einer zusätzlichen Mahnung wurden die fälligen Mandatsträgerabgaben (…) bis heute nicht bezahlt“, hieß es in einer Stellungnahme, die idas vorliegt. Stattdessen entrichtete Pasemann lediglich zweckgebundene Spenden an zwei regionale Gliederungen und die ihm gewogene Junge Alternative. Daher seien Ordnungsmaßnahmen „unausweichlich“, Ausnahmen von der „Parteidisziplin“ könnten nicht toleriert werden, „da diese sonst Schule machen könnten“. Pasemann wurde zu einer schriftlichen Stellungnahme aufgefordert. Diese habe jedoch „leider nicht zur Aufklärung beitragen können“, hieß es drei Wochen später. Daraufhin beschloss der Landesvorstand, noch weiter zu gehen – und nun auch den Parteiausschluss zu fordern.
Vorwürfe „zumeist“ unwahr
Zwischenzeitlich war ein neuer Vorwurf hinzugekommen. Bei Twitter hatte Pasemann Anfang des Jahres einen Beitrag veröffentlicht, der ein Foto des Publizisten und ehemaligen Vizevorsitzenden des Zentralrats der Juden, Michel Friedman, zeigt. Das Bild war mit dem Satz „Der ewige Friedman“ versehen, offenbar eine Anspielung auf den antisemitischen NS-Propagandafilm „Der ewige Jude“. So verstand es auch der AfD-Bundesvorstand, der schon im Februar über den Fall beraten hatte. Die Sache wurde dringend, nachdem das Bundesamt für Verfassungsschutz den Flügel unter Beobachtung nahm. „Die Anlehnung an diesen Film mit Ihrer getätigten Aussage kann als Indikator für Antisemitismus gewertet werden“, stellte die Parteispitze fest und empfahl dem Landesverband Sachsen-Anhalt ausdrücklich, in dieser Sache gegen Pasemann vorzugehen.
Eine substantielle Stellungnahme blieb er abermals schuldig. „Eine inhaltliche Aussage sowie die unbedingt notwendige Distanzierung gab es nicht“, notierte man in Magdeburg und zog „einhellig“ den Schluss, „dass jedwede Art von Antisemitismus in der AfD nicht geduldet werden kann“. Der Betroffene sprach damals von einer „Intrige“, von „persönlichen Ränkespielen“ und eine Kampagne, durch die er von einer erneuten Kandidatur zur Bundestagswahl abgehalten werden soll. Die Vorwürfe wies er als „in Gänze substanzarm und zumeist unwahr“ zurück, sein Tweet sei lediglich „ungeschickt formuliert“ gewesen, den NS-Film habe er nicht gekannt. Volle Rückendeckung erhielt er vom Flügel, dessen Abwicklung bereits beschlossene Sache war, der aber offen drohte, Maßnahmen gegen Pasemann könnten sich „zu einem Bumerang“ entwickeln.
Innerhalb des Flügel-Netzwerks hatte Pasemann eine zentrale Rolle gespielt, die mehr zufällig aufgeflogen ist. Der Zoll stieß bei Geldwäsche-Ermittlungen auf ein Konto, über das von Juni 2018 bis August 2019 Zahlungen des inneren Flügel-Kreises abgewickelt wurden, womöglich eine Art schwarzer Kasse, jenseits der offiziellen AfD-Buchführung. Bei verschiedenen Einzahlungen wurden Flügel-Mitgliedsnummern angegeben, obwohl es stets hieß, dass man nicht über formelle Strukturen verfüge, geschweige denn über regelrechte Mitglieder. Das Konto gehörte offiziell einer Immobilienfirma, hinter der Pasemann steht. Er war zugleich Schatzmeister des Vereins „Konservativ!“, der als eine Vorfeld-Organisation des Flügels diente. Pasemann bestritt zwar, dass das Konto zum Flügel gehört. Doch die Bankverbindung wurde zurückliegend auf einer Flügel-Website genannt, versehen mit einer Bitte um Spenden. Möglicherweise war das illegal, die Bundestagsverwaltung prüft den Vorgang bereits seit einer Weile.
Zusammenarbeit mit extrem rechten Kräften
Unter der Last all dieser Vorwürfe hat das sachsen-anhaltische Landesschiedsgericht nunmehr ein parteischädigendes Verhalten erkannt und gegen Pasemann geurteilt. Eine schriftliche Urteilsbegründung liegt indes noch nicht vor. Bereits vor knapp zwei Jahren hatte es seitens der sachsen-anhaltischen AfD einen ersten, jedoch erfolglosen Versuch gegeben, Pasemann loszuwerden. Damals hatten gerade öffentliche Diskussionen an Fahrt gewonnen, ob sich Sicherheitsbehörden eingehender mit der AfD befassen müssen. Ein Anlass dafür war eine Vortragsveranstaltung, die Pasemann in Bundestagsräumen durchführte und zu der er Philip Stein einlud, den Anführer der extrem rechten Initiative „Ein Prozent“, die inzwischen auch offiziell als „rechtsextremistisch“ eingestuft ist.
Stein erschien im Bundestag in Begleitung zweier „Experten“ namens Julian Monaco und Michael Schäfer. Beide sind von Dresden aus für „Ein Prozent“ tätig – und sie sind langjährig aktive Neonazis. Früher arbeiteten sie sogar bei der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag. Pasemann bezeichnete das braune Trio Stein, Schäfer und Monaco gleichwohl als seine „Freunde“. Zudem standen bereits Vorwürfe im Raum, nach denen Pasemann, der bis Mitte 2018 Schatzmeister der AfD Sachsen-Anhalt war, für finanzielle Unregelmäßigkeiten verantwortlich sein soll. Es war der AfD-Bundesvorstand, der sich seinerzeit schützend vor ihn stellte und ein Ausschlussverfahren abblockte. Damals war er selbst Mitglied des Parteivorstands. Seinen Posten als stellvertretender Bundesschatzmeister gab er Ende 2019 an den sächsischen Landtagsabgeordneten Carsten Hütter ab.
Pasemann hatte der AfD seit 2015 angehört. Bevor er eine zentrale Rolle im völkisch-nationalistischen Flügel einnahm, war er für die „Patriotische Plattform“ aktiv, die ihre Basis vor allem in Sachsen hatte, bevor sie im Höcke-Netzwerk aufgegangen ist. Zudem galt Pasemann als wichtiges Bindeglied in das extrem rechte Vorfeld der Partei, etwa zur verfassungsfeindlichen Identitären Bewegung. Er vertrat den Ansatz, die AfD in Richtung einer „Bewegungspartei“ zu entwickeln.