Presseschau, 49. Kalenderwoche 2020

Krach nach Kalkar, Ärger mit Erbe, Teichmann vor Gericht, Fake News im Landkreis Leipzig, Polizei widerlegt Kumpf, Austritte in Berlin, Hamburg, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz, Kontakt zu Schweizer Spenden-Firma, Meldeportal bleibt verboten, Anklage gegen bayerischen Abgeordneren steht bevor, Bundestagsfraktion wusste von Störabsichten, Überraschungen bei Parteitag in Braunschweig, neue Russland-Reise, vielfache Zusammenarbeit, „Querdenken“-Bewegung. Das war diese Woche wichtig:


In der Presseschau informiert idas jeden Sonntag über lesenswerte Medienberichte und Recherchen rund um die AfD, die im Laufe der Woche erschienen sind.


Top Stories

Die verbalen Auseinandersetzungen beim Bundesparteitag am vergangenen Wochenende in Kalkar beschäftigen weiterhin die AfD und ziehen teils drastische Reaktionen nach sich. Der Vorsitzende Jörg Meuthen hatte in einer Grundsatzrede die Partei zur Mäßigung gerufen, das Verhalten der Bundestagsfraktion kritisiert und sich von Teilen der „Querdenken“-Bewegung abgegrenzt. Co-Parteichef Tino Chrupalla ging im Nachgang auf Distanz: Er halte nichts davon, dass man sich von Protesten „pauschal distanziert“, sagte er im Interview mit dem Deutschlandfunk. Der Bundestagsfraktionsvorsitzende Alexander Gauland erklärte am Samstag beim niedersächsschen Landesparteitag, Ton, Zeitpunkt und Inhalt von Meuthens Rede seien „eines Vorsitzenden nicht würdig“. Am gleichen Tag sprach Björn Höcke bei einer Parteiveranstaltung im nordrhein-westfälischen Höxter und warf Meuthen vor, „nicht genehme Teile der Partei“ zu attackieren. „Wir brauchen keinen erhobenen Zeigefinger des Bundessprechers“. Beim Parteitag war Höcke anwesend, hatte sich jedoch nicht zu Wort gemeldet.

Zwischenzeitlich äußerten sich zahlreiche weitere Vertreter*innen der Partei. Martin Renner, Bundestagsabgeordneter und AfD-Mitgründer, fordert die Einberufung eines Sonderparteitags, um die Vorgänge aufzuarbeiten. „Alle ethischen Grundsätze unserer immer noch jungen Partei sind erneut mit dieser bewusst inszenierten und bewusst provozierten Schlammschlacht verletzt worden“, fasst er das zurückliegende Treffen zusammen. Der Versuch, „Querdenken“ zu tabuisieren, sei „in höchstem Maße schändlich und verräterisch“, schreibt er in einer langen Stellungnahme auf seiner Facebook-Seite. Ein Sonderparteitag kann durch den Bundesvorstand oder auf Antrag von sechs Landesvorständen einberufen werden. An dieser Idee waren die Flügel-Kräfte bereits im Frühjahr gescheitert, als sie sich gegen die durch Meuthen vorangetriebene Auflösung ihrer Strömung wehren wollten. Der bayerische AfD-Landesvorstand fordert als vermeintlich mildere Variante einen „Friedensgipfel“ von Bundes- und Landesspitzen, bei dem man „Tacheles“ reden könne, mit neutraler Moderation. Die bayerische Landespartei hat sich allerdings bereits offen zur „Querdenken“-Bewegung bekannt. Hinter dem Vorstoß steht unter anderem der Bundestagsabgeordnete Hansjörg Müller, der zu den fanatischeren Meuthen-Gegnern gehört.

Meuthen selbst sieht keinen Grund, seine Äußerungen zurückzunehmen. „Die intensive Diskussion zur Disziplinierung der Partei war notwendig und richtig“, sagte er der Süddeutschen Zeitung. NRW-Landeschef Rüdiger Lucassen, der den Parteivorsitzenden in Kalkar verteidigt hatte, deutete im Gespräch mit dem Cicero an, dass man das Treffen gezielt genutzt habe, um die inneren Konflikte der AfD noch vor Beginn des Bundestagswahlkampfs „auf den Punkt zu bringen“ und „die Dinge auf den Tisch zu legen“. Die Flügel-Kräfte argwöhnen in dem Zusammenhang, dass die Einheit der Partei leichtfertig aufs Spiel gesetzt worden sei. Zum Unmut trägt bei, dass Meuthen in seiner Rede andeutete, sich spontan zum Zustand der AfD zu äußern. Doch sein Redemanuskript kursierte schon unter Journalist*innen, bevor er vor die Delegierten trat. (↪ Dlf, 30.11., ↪ Cicero, 30.11., ↪ Sächsische, 03.12., ↪ Welt, 04.12., ↪ Spiegel, 04.12., ↪ SZ, 05.12., ↪ Dlf, 05.12.)


Neben ihren Spendenskandalen droht der AfD eine weitere empfindliche Strafzahlung der Bundestagsverwaltung. Nach Recherchen von WDR und NDR geht es um eine Erbschaft, die ein 2017 verstorbenes Mitglied aus Baden-Württemberg der Partei vermacht hat. Zur Erbmasse gehören ein Mehrfamilienhaus und vier weitere Grundstücke. Der Gesamtwert wurde 2018 durch den AfD-Landesvorstand auf etwa eine Million Euro geschätzt. Doch im Rechenschaftsbericht für das gleiche Jahr wurden lediglich 248.895,02 Euro als Einnahme verbucht und damit womöglich ein Großteil des wahren Vermögenswerts verschleiert. Offenbar hatte die Partei nur den Verkehrswert des Hauses angesetzt und davon eine Bankverbindlichkeit abgezogen – die Gundstücke blieben unberücksichtigt. Die Prüfung des Vorgangs dauert an. (↪ Tagesschau, 03.12.)

AfD in Sachsen

Mit einem Teilvergleich ist ein Zivilprozess am Landgericht Dresden beendet worden, in den der sächsische AfD-Landtagsabgeordnete Ivo Teichmann verwickelt war. Für seinen Wahlkampf im vergangenen Jahr hatte ihm ein Gönner, der Berliner Frank Martin, einen T5-Bus zur Verfügung gestellt. Der Nutzungsvertrag, den beide schlossen, sah eine spätere Rückgabe in einwandfreiem Zustand vor. Doch dazu kam es zunächst nicht: Nachdem Teichmann das Fahrzeug eingesetzt hatte, wies es Schäden auf, deren Beseitigung einen fünfstelligen Betrag kosten würde. Inzwischen ließ der Abgeordnete auf eigene Rechnung verschiedene Reparaturen vornehmen. Entscheidung des Gerichts: Er muss das Auto abgeben und zurück nach Berlin bringen. Das ist direkt nach der Verhandlung geschehen. Bei einem Folgetermin wird die Zivilkammer noch entscheiden, wer die Kosten des Verfahrens trägt. (↪ Sächsische, 30.11.)


Der AfD-Kreisverband im Landkreis Leipzig verbreitet abermals frei erfundene Informationen aus verschwörungsideologischen Quellen. Den Behauptungen zufolge sollen in Frankfurt am Main fünf US-Soldaten bei dem Versuch erschossen worden sein, „eine Server-Farm der CIA“ sicherzustellen, die mit angeblichen Wahlmanipulationen bei der amerikanischen Präsidentenwahl in Verbindung steht. Doch davon trifft nichts zu, ergeben Recherchen der Nachrichtenagentur AFP. Der AfD-Kreisverband vebreitete die vermeintliche Nachricht dennoch, als wäre sie wahr – versehen mit dem offiziellen Logo der Partei. Schon mehrfach war dieser Verband mit verschwörungsideologischen Beiträgen und auch antisemitischen Äußerungen aufgefallen. (↪ AFP, 01.12.)


Mit Beteiligung der AfD versammelten sich am Montagabend in Döbeln (Landkreis Mittelsachsen) rund zwei Dutzend Personen zu einem „Protestspaziergang“ gegen die Eindämmung der Corona-Pandemie. Vor Ort war unter anderem Dirk Munzig, der für die Partei im örtlichen Stadtrat sitzt. Im Vorfeld war die Versammlung nicht angezeigt worden. Den Versuch, sich zu einem unerlaubten Marschzug aufzustellen, unterband die Polizei. Munzig warf den Einsatzkräften daraufhin ein „Kesseltreiben“ vor. Einen Kessel gab es jedoch nicht, notiert die Leipziger Volkszeitung: „Jeder, der wollte, konnte den Marktplatz verlassen.“ (↪ LVZ, 01.12.)


Ermittlungsergebnisse der Polizei widerlegen Behauptungen des sächsischen AfD-Landtagsabgeordneten Mario Kumpf, wonach sich in Löbau (Landkreis Görlitz) „kriminelle Clan-Strukturen“ ausbreiten würden, auch von ausländischen „Banden“ hatte er gesprochen. Anlass für diese Äußerungen war eine Körperverletzung gegen einen 17-jährigen Schüler im Juli, der Tatverdächtige ist türkischer Herkunft. Da es zu weiteren Vorfällen gekommen war, bildete die örtliche Polizei die Ermittlungsgruppe „Lubaw“, die jetzt ihre Arbeit abschließen konnte. Demnach gab es durchaus eine Jugendgruppe, von der Straftaten ausgingen. Abgesehen von dem bekannten Tatverdächtigen, dessen Herkunft „keine Rolle“ spielte, habe diese Gruppe aber „ausschließlich aus deutschen Jugendlichen bestanden“, heißt es nun. Gegen sie wird wegen verschiedener Vorwürfe ermittelt – unter anderem auch wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. (↪ Sächsische, 01.12.)


Im Stadtrat von Großschirma (Landkreis Mittelsachsen) ist Kai-Uwe Bärsch als neues Mitglied für die AfD verpflichtet worden. Der 54-Jährige, der ein Parteibuch hat, ist Nachrücker für Sebastian Veit, der als Parteiloser der AfD-Fraktion angehört hatte. Er ist aus dem Gremium ausgeschieden, weil er aus dem Gemeindegebiet weggezogen ist. (↪ FP, 03.12.)


Die AfD ist mit dem wiederholten Versuch gescheitert, dem soziokulturellen Verein „Treibhaus“ aus Döbeln (Landkreis Mittelsachsen) die Fördermittel streichen zu lassen. Der Kulturkonvent des Kulturraums Erzgebirge-Mittelsachsen beschloss am Freitag eine institutionelle Unterstützung in Höhe der beantragten 90.000 Euro. Am Tag zuvor hatte die Partei interveniert und in einer Pressemitteilung umfangreiche Vorwürfe erhoben. Sie gehen auf das AfD-Kreisratsmitglied Jörg Bretschneider zurück, der Mitglied des Kulturkonvents, dort aber nicht stimmberechtigt ist. Ihm zufolge sei der Verein „linksextrem“. Als vermeintliche Belege nannte er unter anderem Veranstaltungen mit der Fachjournalistin Andrea Röpke und dem Soziologen Matthias Quent, bei denen es sich um „bekannte Aktivisten im linksextremistischen Umfeld“ handle. Belege dafür nannte Bretschneider nicht. Ähnliche Vorwürfe hatte die AfD bereits im vergangenen Jahr aufgestellt, damals mit einem Teilerfolg: Der Kulturkonvent, in dem die Landräte Matthias Damm (Mittelsachsen) und Frank Vogel (Erzgebirgskreis) die Entscheidungen treffen, hatte die Förderung zurückgestellt und erst später beschlossen. In der Zwischenzeit stand der Fortbestand des Vereins auf der Kippe. Für einen Erhalt des „Treibhaus“ machten sich damals fast 250 Döbelner*innen mit einer gemeinsamen Erklärung stark. Bei den Unterzeichnenden handle es sich vielfach um „ehemalige Akteure oder deren Verwandte, also mutmaßlich ebenfalls Teil des linksradikalen Milieus“, behauptet die AfD inzwischen – wiederum ohne Belege. (↪ Sächsische, 03.12., ↪ LVZ, 04.12., ↪ Sächsische, 04.12.)

AfD rundherum

Clemens Torno, Mitglied der Bezirksverordnetenversammlung in Berlin-Mitte, hat die AfD-Fraktion verlassen und ist nach sechs Jahren Mitgliedschaft aus der Partei ausgetreten. Sein Mandat will er behalten. Seine Abwendung von der AfD begründete er im Gespräch mit dem Deutschlandfunk mit dem Verhalten der Bundestagsfraktion bei der Novellierung des Infektionsschutzgesetzes. Zudem berichtet er über rassistische Positionierungen in der Partei und bezeugt, dass der inzwischen ausgeschlossene Andreas Kalbitz bereits 2015 am Rande eines Bundesparteitags „‚Heil Hitler‘ geschrieen und den Hitlergruß gezeigt“ habe. Derzeit leidet die Berliner AfD unter zahlreichen Austritten, seit Beginn der Pandemie sollen rund 200 Personen und damit fast 15 Prozent aller Mitglieder gegangen sein. (↪ Dlf, 30.11.)


Detlef Ehlebracht, Mitglied der Hamburger Bürgerschaft, hat die AfD-Fraktion verlassen und ist aus der Partei ausgetreten. Es gäbe dafür „persönliche Gründe“, teilte die AfD mit, die den 57-Jährigen aufforderte, sein Mandat niederzulegen. Offenbar will er aber als Partei- und Fraktionsloser aktiv bleiben. Ehlebracht, der als vergleichsweise gemäßigt galt, war 2015 erstmals und 2020 erneut in die Bürgerschaft eingezogen, für die AfD war er dort Sprecher für Stadtentwicklung und Verkehr sowie zuletzt parlamentarischer Geschäftsführer. Die AfD-Fraktion schrumpft damit auf sechs Mitglieder, die Mindestgröße. Bei einem weiteren Abgang müsste sich die Fraktion auflösen. (↪ Hamburger Abendblatt, 30.11., ↪ Mopo, 30.11., ↪ TAZ, 02.12., ↪ Hamburger Abendblatt, 02.12.)


Der frühere AfD-Politiker Marcus Pretzell hat erstmals bestätigt, in direktem Kontakt zur Schweizer PR-Agentur Goal AG gestanden zu haben, über die wiederholt illegale Spenden an die Partei geflossen sind. Dem ZDF-Magazin Frontal 21 und dem Rechercheportal Correctiv sagte der ehemalige NRW-Landesvorsitzende, dass er bereits 2015 den Firmeninhaber Alexander Segert getroffen habe. Es sei danach zu mehreren Begegnungen gekommen, bei denen Segert sich „als ein Dienstleister“ angeboten habe. Im Folgejahr bezahlte die Goal AG die Kosten für einen Kongress in Düsseldorf, den Pretzell organisiert hatte. Inzwischen wertet die Bundestagsverwaltung diesen Zuschuss als illegale Parteispende und fordert eine Strafzahlung in Höhe von 108.000 Euro ein. Noch ist unklar, ob die AfD die Strafe akzeptiert oder dagegen klagen wird. Bislang behauptete die Partei, dass es keine wissentliche Zusammenarbeit mit der Firma gegeben habe, geschweige denn direkte Absprachen. Die Aktivitäten der Goal AG führten bislang zu Strafforderungen gegenüber der AfD in einer Höhe von rund 900.000 Euro. Auch Parteichef Jörg Meuthen war unter den Begünstigten. (↪ ZDF, 01.12., ↪ Frontal 21, 01.12., ↪ Correctiv, 01.12.)


Der Betrieb des Meldeportals „Neutrale Schule“, das der AfD-Landesverband Mecklenburg-Vorpommern im Herbst 2019 initiiert hatte, bleibt weiterhin verboten. Das Verwaltungsgericht Schwerin wies in dieser Woche eine Klage der Partei gegen die Abschaltung ab, die der Landesdatenschutzbeauftragte Heinz Müller verfügt hatte. Bereits in einem Eilverfahren zum Verwaltungs- und zum Oberverwaltungsgericht war die Partei mit ihrer Auffassung gescheitert, dass ers sich um eine „parteipolitisch motivierte Willkürentscheidung“ handle. Im jetzt durchgeführten Hauptsacheverfahren bestätigte das Verwaltungsgericht den ursprünglichen Verbotsgrund. So sollten über das Portal „ganz gezielt auch die politischen Meinungen der gemeldeten Lehrer“ erhoben werden. Solche Angaben stehen jedoch unter besonderen rechtlichen Schutz der Datenschutz-Grundverordnung, die Verarbeitung ist grundsätzlich untersagt. Noch offen ist, ob die AfD Rechtsmittel beim Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern einlegen wird. (↪ NDR, 01.12., ↪ LTO, 01.12., ↪ BNR, 01.12.)


Der AfD-Landesverband Hessen will das dortige Landesamt für Verfassungsschutz verklagen. Grund dafür sind Angaben im Jahresbericht der Behörde, der im Oktober vorgelegt worden ist. Demnach werden dem verfassungsfeindlichen Flügel in dem Bundesland bis zu 600 Personen zugerechnet, der Jungen Alternative weitere 50. Nach Ansicht der Partei seien diese Angaben jedoch „aus der Luft gegriffen“, die Behörde dürfe ihre öffentliche Darstellung nicht darauf stützen. Man wolle dagegen „alle Rechtsmittel ausschöpfen“. (↪ Hessenschau, 01.12., ↪ OP, 01.12.)


Die baden-württembergische AfD hat ihren Landesparteitag, der an diesem Wochenende in Göppingen stattfinden sollte, endgültig abgesagt. Das beschloss der Landesvorstand der Partei am Dienstag. Zunächst war ein Treffen mit rund 800 Teilnehmenden in der EWS-Arena geplant gewesen. Zwischenzeitlich kündigte jedoch die private Betreibergesellschaft einen Vorvertrag. Den dagegen gerichteten Antrag der AfD, eine einstweilige Verfügung zu erlassen, lehnte das Landgericht Ulm ab und bestätigte damit die Kündigung. Die AfD will den Streit vor dem Oberlandesgericht weiter ausfechten, um Schadenersatz geltend zu machen. (↪ SWR, 01.12.)


Der Bayerische Landtag hat die parlamentarische Immunität des AfD-Abgeordneten Richard Graupner aufgehoben. Beantragt hatte das die Staatsanwaltschaft Schweinfurt, sie ermittelt wegen des Verdachts der Verletzung des Dienstgeheimnisses. Konkret wird dem 57-Jährigen vorgeworfen, im Jahr 2018, als er noch Leiter der Fahndungs- und Kontrollgruppe der Autobahnpolizei Schweinfurt-Werneck war, interne Informationen an einen Beschuldigten weitergereicht zu haben. Graupner bestreitet den Vorwurf, eine Anklage steht bevor. (↪ Augsburger Allgemeine, 01.12., ↪ BR, 02.12.)


In Teilen der AfD-Bundestagsfraktion war offenbar vorab bekannt, dass von Gästen, die am 18. November durch Abgeordnete in den Bundestag eingelassen wurden, Störaktionen ausgehen könnten. Darauf deuten Recherchen von WDR und NDR hin. Demnach hatte die Rechtsaußen-Aktivistin Rebecca Sommer, die im Parlamentsgebäude unter anderem Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier bedrängte und beleidigte, vorab in Sprachnachrichten an AfD-Mitarbeiter*innen angedeutet, dass sie ungefragt Filmaufnahmen anderer Abgeordneter, die sie als „Täter“ bezeichnete, anfertigen wolle, „ohne dass ich da auffalle“. Zu diesem Zweck hatte sie ausdrücklich darum gebeten, „dass man mich in den Bundestag einschleusen kann“. Das geschah letztlich über das Büro von Petr Bystron. Dieser entschuldigte sich am Folgetag in einem Schreiben bei Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble für die Vorgänge und behauptete, nicht gewusst zu haben, dass Sommer Videoaufnahmen anfertigen will. Der Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland beteuerte in einer Plenarrede, die AfD habe „nicht damit rechnen“ können, „dass so etwas passiert“. (↪ Tagesschau, 02.12.)


Die ehemalige niedersächsische AfD-Landes- und Fraktionsvorsitzende Dana Guth ist aus der Partei ausgetreten. Als Grund nannte sie die Dominanz des verfassungsfeindlichen Flügels. Dessen Anhänger Jens Kestner hatte sie im September an der Spitze der Landespartei verdrängt. Kurz darauf trat Guth mit zwei weiteren Abgeordneten aus der Landtagsfraktion aus und zwang sie so zur Auflösung. Mit dem Austritt kommt sie einem Ausschlussverfahren zuvor, das nach gescheiterten Vermittlungsversuchen eingeleitet worden ist. Gemeinsam mit Guth traten die Mitglieder ihres Göttinger Kreisvorstandes von ihren Posten zurück und teils ebenfalls aus der AfD aus. Möglicherweise beabsichtigt sie einen Wechsel zu den Liberal-konservativen Reformern (LKR), einer durch Bernd Lucke gegründeten Abspaltung. Der LKR-Landesvorsitzende Bernd Vogel bestätigte, dass es Gespräche gebe. Kürzlich war bereits Jens Ahrends beigetreten, der ebenfalls die niedersächsische Fraktion verlassen hatte. (↪ Rundblick, 02.12., ↪ NDR, 03.12., ↪ Braunschweiger Zeitung, 03.12., ↪ GT, 05.12.)


Der rheinland-pfälzische Landtagsabgeordnete Timo Böhme ist aus der AfD-Fraktion ausgetreten und hat die Partei verlassen. Das geschehe „mit sofortiger Wirkung“, erklärte er am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. „Die offensichtliche Zerrissenheit, welche die Partei im Moment prägt, hat auch bei mir Spuren hinterlassen“, sagte er zur Begründung, verwies auf eine Reihe von „Enttäuschungen“ und darauf, „Wirkmacht“ in der AfD eingebüßt zu haben. Jüngst war der 57-Jährige daran gescheitert, auf einen aussichtsreichen Platz für die Landtagswahl im kommenden Jahr gewählt zu werden. Von ihren ursprünglich 14 Mitgliedern schrumpft die Fraktion damit auf noch elf Abgeordnete. (↪ Volksfreund, 02.12., ↪ RZ, 03.12.)


In der Bezirksverordnetenversammlung von Berlin-Neukölln muss sich die ursprünglich achtköpfige AfD-Fraktion auflösen, da sie nach mehreren Austritten nicht mehr über genügend eigene Mitglieder verfügt. So teilten in dieser Woche Andreas Lüdecke und Steffen Schröter mit, dass sie die Fraktion verlassen. Ein Grund dafür wurde nicht bekannt, offenbar sind beide nach wie vor Mitglieder der Partei. Sie erwägen nun die Gründung einer neuen Fraktion, womöglich gemeinsam mit den AfD-Kommunalpolitiker*innen Anne Zielisch, Roland Babilon und Jörg Kapitän, die sich schon früher von der Fraktion abgewandt hatten. (↪ Tagesspiegel, 03.12.)


Begleitet von Protesten hat am Samstag im niedersächsischen Braunschweig ein Landesparteitag der AfD begonnen. Wichtigste Aufgabe des Treffens, zu dem mehr als 500 Mitglieder erschienen sind, ist die Aufstellung der Landesliste für die Bundestagswahl im kommenden Jahr. Dabei erlitt der erst im September ins Amt gekommene Landesvorsitzende Jens Kestner, der dem verfassungsfeindlichen Flügel nahesteht, eine schwere Niederlage: Zum Spitzenkandidaten wurde nicht der Abgeordnete Armin-Paul Hampel gewählt, sondern Ex-General Joachim Wundrak. Auf den zweiten Platz kam Frank Rinck, er setzte sich knapp gegen Kestner durch – der daraufhin erklärte, nicht mehr zu kandidieren. Das bedeutet aller Voraussicht nach sein Aus als Bundestagsabgeordneter. Wundrak und Rinck werden dem Lager der früheren Landeschefin Dana Guth zugerechnet, die vor einigen Wochen aus der Landtagsfraktion und inzwischen auch aus der AfD ausgetreten ist. Eröffnet wurde Parteitag im Beisein des Bundesvorsitzenden Tino Chrupalla und des Bundestagsfraktionschefs Alexander Gauland. Das Treffen hält am heutigen Sonntag noch an. (↪ Braunschweiger Zeitung, 03.12., ↪ NDR, 05.12., ↪ RND, 05.12., ↪ Rundblick, 05.12., ↪ Rundblick, 05.12.)


Eine Delegation der AfD wird am Montag nach Russland reisen. Beteiligt sind der aus Sachsen stammende Bundesvorsitzende Tino Chrupalla und Armin-Paul Hampel, außenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion. Wie die AfD mitteilte, sei man durch die Duma, das russische Parlament, eingeladen worden. Anlass seien die Beziehungen beider Länder, insbesondere die Gaspipeline „Nord Stream 2“ und die fortbestehenden Sanktionen. Nach einem Frühstück mit dem deutschen Botschafter in Moskau soll es dazu am Dienstag zu einem Treffen mit dem Außenminister Sergej Lawrow kommen. Offenbar ging die russische Seite zunächst davon aus, dass der AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland beteiligt sein würde. Inzwischen heißt es jedoch, dass er die Reise „aus organisatorischen Gründen“ nicht antreten könne, offenbar ist sein Gesundheitszustand der Grund. Pandemiebeding ist der freie Reiseverkehr nach Russland seit Monaten ausgesetzt, nur mit einer Sondergenehmigung ist die Einreise möglich. (↪ RND, 03.12., ↪ Sächsische, 04.12., ↪ RND, 05.12.)

Blauzone

Trotz Abgrenzungen durch Bundes- und Landesparteien kommt es auf kommunaler Ebene vielfach zu einer Zusammenarbeit mit der AfD und deren Mandatsträger*innen. Nach einer Auswertung des Spiegel sind inzwischen 40 Fälle der offenen Kooperation bekannt. Vergleichsweise häufig passiert das in Sachsen, „die CDU ist besonders oft involviert“, schreibt das Magazin. (↪ Spiegel, 04.12.)

Hintergrund

Erhebliche Teile der „Querdenken“-Bewegung neigen offenbar der AfD zu. Das ergeben erste Auswertungen des Studienprojekts „Politischen Soziologie der Corona-Proteste“, das an der Universität Basel durchgeführt wird. Auf Grundlage zahlreicher Fragebögen und Interviews zeigt sich demnach, dass bei der letzten Bundestagswahl 21 Prozent der Befragten die Grünen und 17 Prozent die Linke gewählt haben. „Der AfD haben 14 Prozent ihre Stimme gegeben. Bei der nächsten Bundestagswahl wollen nun aber 30 Prozent der AfD ihre Stimme geben“, sagt der Soziologe Oliver Nachtwey. Er spricht von einer „Bewegung, die mehr von links kommt, aber stärker nach rechts geht“. Es handelt sich um die erste empirische Untersuchung dieser Art, deren Ergebnisse allerdings nicht repräsentativ sind. Sie geben dennoch Aufschluss über die Sozialstruktur der Proteste: Demnach sind die Beteiligten überdurchschnittlich alt, zudem nach Eigenangaben formal gut gebildet und häufig Selbständige. Unter ihnen weit verbreitet sind antisemitische Stereotype. (↪ FAZ, 04.12.)