Die AfD muss in Sachsen weitere, teils deutliche Niederlagen bei Wahlen einstecken: Der Landtagsabgeordnete Thomas Kirste scheiterte gestern als Landratskandidat im Kreis Meißen, zur OBM-Wahl in Chemnitz reichte es für das Bundestagsmitglied Ulrich Oehme sogar nur für den letzten Platz. Auch in kleineren Orten wie Arnsdorf und Thum konnte die Partei nicht punkten.
Beitrag vom 12.10.2020, 18:00 Uhr
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Meißen: Kopf-an-Kopf-Rennen fiel aus
Wieder wurde in Sachsen gewählt, wieder hat die AfD das Nachsehen. Mit der Landratswahl im Kreis Meißen fand am Sonntag einer der größten Urnengänge im Freistaat in diesem Jahr statt. Für die AfD kandidierte der Landtagsabgeordnete Thomas Kirste, dem zugetraut wurde, in ein Kopf-an-Kopf-Rennen um die Spitzenposition einzusteigen. Doch die nahm mit deutlichem Vorsprung Ralf Hänsel ein, der parteilos ist und für die CDU antrat. Mit seinen 51,5 Prozent holte er aus dem Stand die absolute Mehrheit. Als neuer Landrat ersetzt er Arndt Steinbach (CDU), der seinen Job wechselt und als Geschäftsführer des Kommunalen Schadenausgleichs nach Berlin geht.
Nach dem vorläufigen Endergebnis kam Kirste auf 28,8 Prozent, immerhin der zweite Platz, doch in den 28 Städten und Gemeinden im Kreisgebiet lag er nur im kleinen Lampertswalde knapp vorn. Auf dem dritten Platz folgt die Grünen-Kandidatin Elke Siebert mit 19,7 Prozent, sie wurde von SPD und Linken unterstützt. „80 Prozent in unserem Kreis haben nicht rot-rot-grün gewählt, allein das ist ein Signal“, erklärt Kirste zum Wahlausgang auf seiner Facebook-Seite – und „mit fast 30 Prozent der Stimmen braucht sich die AfD nicht zu verstecken“.
Tatsächlich bescherte der 42-Jährige seiner Partei das beste Ergebnis seit längerer Zeit, sogar noch etwas stärker als zur Kreistagswahl im vergangenen Jahr. Damals war Kirste in den Kreistag und auch in den Meißener Stadtrat eingezogen. Einige Monate später schien es so, als hätte die AfD den Landkreis endgültig als Hochburg erobert, mit bis zu 40,1 Prozent holte sie drei der vier Direktmandate. Eines davon ging an Kirste, ein Glücksfall für ihn, denn er war nicht durch einen Listenplatz abgesichert.
Auftritt mit Christoph Berndt
An sein eigenes Erststimmenergebnis von seinerzeit 34,2 Prozent kam Kirste nicht erneut heran, trotz intensiven Wahlkampfs. Dabei ließ er sich unter anderem durch den Parteivorsitzenden Tino Chrupalla unterstützen und sich in den Medien als einen ruhigen „Sacharbeiter“ porträtieren, dem an schrägen Tönen nicht gelegen sei. Doch bei seiner Abschlusskundgebung, die am vergangenen Freitag in Meißen stattfand, sprach mit Christoph Berndt ein ausgemachter Rechtsaußen-Politiker. Im brandenburgischen Landtag will Berndt demnächst Fraktionsvorsitzender werden, Nachfolger des Neonazis Andreas Kalbitz.
Noch mehr war irritierend an Kirstes Auftreten. So empfahl er, besser nicht die Briefwahl zu nutzen, ohne das näher zu erklären. Und nachdem er sich echauffierte, dass ihn der DGB zu einem Wahlforum nicht einlud, weil die Gewerkschaft mit seiner Partei nichts zu tun haben will, blieb er einem ähnlichen Podium am vergangenen Montag fern, trotz Einladung. Nach eigenen Angaben hatte er einen anderen Termin.
Mit Kirste wagte die AfD ihren erst zweiten Anlauf zu einer Landratswahl in Sachsen, vor fünf Jahren war Ralph Olenizak im Kreis Nordsachsen auf 8,9 Prozent gekommen. Der Meißener Kreisverband hatte sich schwergetan, überhaupt eine Kandidat*in zu küren, Kirste konnte sich nur knapp durchsetzen. Es folgten Vorwürfe aus den eigenen Reihen, dass dabei Formalia missachtet worden seien. Zudem war der Einsatz hoch: Bei einem Sieg hätte Kirste sein Landtagsmandat aufgeben müssen, sein Stuhl im Parlament wäre leer geblieben, denn Nachrücker*nnen hat die Fraktion nicht.
Chemnitz: Oehme ganz hinten
Verlierer des Wahlsonntags ist aber ein anderer AfD-Politiker, der Bundestagsabgeordnete Ulrich Oehme, der neuer Oberbürgermeister in Chemnitz werden wollte. Im entscheidenden zweiten Wahlgang kam er auf 13,2 Prozent, das reichte nur für letzten von fünf Plätzen. Seit dem ersten Durchlauf konnte er sich kaum steigern, hatte schon damals mit 12,7 Prozent überraschend schwach abgeschnitten. Danach lichtete sich das Feld der Konkurrent*innen, Martin Kohlmann von der extrem rechten Lokalpartei „Pro Chemnitz“, der seine Kandidatur zurückzog, empfahl Oehme. Doch das zahlte sich kaum aus.
Das Rennen machte mit deutlichem Vorsprung Sven Schulze (SPD), der auf 34,9 Prozent kam. Ihm folgen Almut Patt (CDU, 22 Prozent), Susanne Schaper (LINKE, 16 Prozent) und der Einzelbewerber Lars Faßmann (13,8 Prozent). Der neue Oberbürgermeister Schulze sagte noch am Wahlabend, das AfD-Ergebnis zeigte, dass Chemnitz „keine braune Stadt“ ist. Oehme selbst ist allerdings „nicht unzufrieden“ mit dem Ergebnis. An ihm selbst soll es auch nicht gelegen haben: „Ein Vertreter, der mehr die Mitte der AfD vertritt, hätte nicht besser abgeschnitten.“
Der 60-Jährige ist einer der bekanntesten Anhänger*innen des verfassungsfeindlichen Flügels. Zu seinem Wahlkampfabschluss am vergangenen Freitag im Ballhaus Hilbersdorf kamen der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland, Parteichef Tino Chrupalla, der Landesvorsitzende Jörg Urban und Mitglieder der Jungen Alternative. Auffällig: Auch Oehme warnte im Vorfeld des Wahlgangs davor, die Möglichkeit der Briefwahl zu nutzen, wegen der „nicht vorhandenen Nachvollziehbarkeit“, wie er auf seiner Facebook-Seite wissen ließ. Denn „komischerweise“ würden bei Briefwahlen „die Ergebnisse der Altparteien regelrecht durch die Decke“ gehen.
Ohne Chancen in Arnsdorf und Thum
Die Serie der AfD-Niederlagen wurde gestern in Arnsdorf (Landkreis Bautzen) fortgesetzt, in der Gemeinde stand die zweite Runde zur Wahl einer neuen Bürgermeister*in an. Detlef Oelsner, der als Parteiloser durch die AfD aufgestellt wurde, kam mit 10 Prozent auf den letzten Platz. Gewinner mit 48 Prozent ist Frank Eisold (CDU), gefolgt von Ilko Keßler (Bürgerforum), der 42 Prozent errang. Vor drei Wochen schien das Rennen in Arnsdorf noch offen zu sein, Eisold war zunächst nicht in Führung, Oelsner bekam damals beachtliche 27,1 Prozent. Der Sächsischen Zeitung sagte er nun, dass viele seiner Wähler*innen sich letztlich für den CDU-Kandidaten entschieden hätten.
In sieben weiteren Orten fanden gestern die entscheidenden zweiten Wahlgänge statt, AfD-Kandidierende konnten sonst nirgends angekreuzt werden. So trat in Steinigtwolmsdorf (Landkreis Bautzen) Alexander Zapke nicht erneut an, nachdem er im ersten Durchgang für die AfD mit 14,4 Prozent auf den dritten und letzten Platz gelangt war. Einen Rückzieher gab es auch in Zwickau. Dort zog Andreas Gerold seine Kandidatur vorzeitig zurück, mit vormals 17 Prozent hatte es auch für ihn ihm ersten Wahlgang nur für einen dritten Platz gereicht.
Erste Wahlgänge für Bürgermeister*innenwahlen gab es am Sonntag in fünf Orten, die AfD war nur in der Stadt Thum (Erzgebirgskreis) dabei. Dort kam Giso Lieberwirth mit 20,2 Prozent zwar auf den zweiten Platz, war damit zumindest nicht das Schlusslicht. Doch der Abstand zum siegreichen Kandidaten Thomas Mauersberger war so groß, dass das Rennen bereits entschieden ist: Mit knapp 63 Prozent holte der CDU-Mann die absolute Mehrheit. „Ich kann das Ergebnis nicht ganz nachvollziehen, aber ich respektiere es“, sagte Lieberwirth der Freien Presse. Die lange Durststrecke der AfD ist offenbar noch nicht vorbei.