Presseschau, 41. Kalenderwoche 2020

Lüth-Affäre weitet sich aus, neuer Spendenskandal, harte Kritik an Gauland, Niederlagen in Ottendorf-Okrilla und Stauchitz, Jens Maier unter Beobachtung, teures Facebook-Sponsoring, Droese ermahnt West-Verbände, Freitaler AfD „überprüft“ Sozialarbeiter*innen, Junge sieht Partei am Abgrund, Bruch in Bremerhaven, Höcke unterliegt vor Gericht, Jongen nennt NS-Gedenken „Erinnerungswahn“, Lucassen im Aufwind, Verfassungsschutz sieht wachsenden Flügel-Einfluss, FDP-Spitze distanziert sich von Kemmerich. Das war diese Woche wichtig:


In der Presseschau informiert idas jeden Sonntag über lesenswerte Medienberichte und Recherchen rund um die AfD, die im Laufe der Woche erschienen sind.


 

„Der Antisemitismus ist ein politisches Denkmuster, und das wird heute von niemandem so stark bewirtschaftet wie von der AfD. Ihr politisches Erstarken in den vergangenen Jahren hat das Leben für Jüdinnen und Juden beschwerlicher und, ja: auch physisch gefährlicher gemacht.“

Ronen Steinke, Publizist, zum Jahrestag der Mordattentate in Halle

 


Top Stories

Nach der Entlassung des früheren Pressesprechers der AfD-Bundestagsfraktion Christian Lüth mehren sich die Hinweise, dass Teile der Parteispitze und der Fraktion bereits seit Monaten über Gewaltaufrufe des 44-Jährigen, Migrant*innen zu „erschießen“ oder zu „vergasen“, informiert waren. Die inkriminierten Äußerungen waren Anfang der vergangenen Woche durch eine TV-Dokumentation öffentlich bekannt geworden. Wie die Zeit berichtet, sollen vorab sowohl der Parteivorsitzende Tino Chrupalla wie auch der Fraktionschef Alexander Gauland unterrichtet gewesen sein, dass Lüth in einem mitgeschnittenen Gespräch mit der Youtuberin „Lisa Licentia“ kompromittierende Äußerungen machte; nur der genaue Wortlaut war noch nicht bekannt.

In der Folge soll es im Kreise der Fraktion mehrere Treffen zu dem Thema gegeben haben, ohne dass weitere Maßnahmen gegen Lüth ergriffen wurden. Vielmehr wollte man ihn halten, ihm zuletzt die Funktion des „Medienkoordinators“ antragen, auch ein Wechsel ins „Kontaktbüro Brüssel“ der Fraktion war im Gespräch. Lüth war bereits seit April beurlaubt, nachdem bekannt geworden war, dass er sich in Chatnachrichten an eine junge Frau unter anderem seiner „arischen“ Abstammung gerühmt und sich selbst als „Faschist“ bezeichnet haben soll. Jene Frau soll den Zeit-Recherchen zufolge dieselbe Person sein, die auch Chrupalla und Gauland kontaktierte. Es handelt sich nach idas-Informationen um Linnéa Findeklee, die bis vor wenigen Monaten ein bekanntes Aushängeschild der nationalkonservativen „WerteUnion“ war. Dort wurde sie inzwischen ausgeschlossen – weil sie gegen einen Abgrenzungsbeschluss gegen die AfD verstoßen haben soll. (↪ Zeit, 05.10., ↪ Spiegel, 09.10., ↪ Spiegel, 09.10.)


Die AfD plagt ein neuer Spendenskandal. Grund ist eine halbseitige Zeitungsannonce, die am 20. Juni in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ) erschienen ist. Es handelte sich um einen Aufsatz des AfD-Bundestagsabgeordneten Peter Boehringer, in dem er die Geldpolitik der EU kritisiert, „selbsternannte Eliten“ geißelt und zum Widerstand gegen den „Brüsseler Leviathan“ aufruft. Boehringer wurde unter dem Text, der wie ein Gastbeitrag aufgemacht ist, als Autor benannt, jedoch nicht als Mitglied der AfD-Fraktion bezeichnet, sondern als Vorsitzender des Bundestags-Haushaltsausschusses. Daneben wurde ein Bundesadler abgebildet, als handle es sich um eine amtliche Äußerung. Wenige Tage später hat der Abgeordnete auf seiner Facebook-Seite dem Sponsor der NZZ-Anzeige – sie kostet in dem gewählten Format knapp 16.000 Euro – namentlich gedankt, dem „Berner Privatmann J. Müller“. Dabei handelt es sich um den Gold- und Münzhändler Johannes Müller. Boehringer beharrt darauf, dass er den Abdruck nicht beauftragt habe. Doch Auslandsspenden im Wert von mehr als 1.000 Euro, worunter auch geldwerte Vorteile wie etwa bezahlte Werbung fallen, müssen der Bundestagsverwaltung gemeldet werden.

Das holte Boehringer erst in dieser Woche nach, mehrere Monate später. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble muss den Vorgang jetzt prüfen. Die Mitglieder anderer Fraktionen im Haushaltsausschuss werfen Boehringer zudem vor, gegen weitere Verhaltensregeln für Abgeordnete verstoßen zu haben, und wandten sich mit einem gemeinsamen Schreiben an Schäuble. Moniert wird in dem Brief unter anderem, dass die Anzeige den Anschein erwecke, Boehringer würde für den gesamten Ausschuss sprechen. Von einem „Grenzübertritt“ und einem möglichen Amtsmissbrauch ist die Rede – auch eine mögliche Abwahl als Ausschussvorsitzender steht damit im Raum. In der Vergangenheit waren mehrere Spitzenpolitiker*innen der AfD in Spendenskandale verwickelt, so unter anderem der heutige Europaabgeordnete Guido Reil, die Bundestagsfraktionsvorsitzende Alice Weidel sowie Parteichef Jörg Meuthen. Die juristische Aufarbeitung dieser Fälle, in denen es stets um Spenden aus der Schweiz ging, ist nicht abgeschlossen, teils stehen immense Strafzahlungen noch aus. (↪ Bild, 07.10., ↪ Welt, 07.10., ↪ RND, 08.10., ↪ SZ, 09.10., ↪ Spiegel, 09.10.)


Der AfD-Mitgründer Konrad Adam, der seinen Austritt aus der Partei zum Jahresende angekündigt und in dieser Woche seinen Posten als Ehrenvorsitzender der Desiderius-Erasmus-Stiftung niedergelegt hat, erhebt schwere Vorwürfe gegen seinen einstigen Weggefährten Alexander Gauland. Dieser habe sich „zum Schutzengel von dunklen Ehrenmännern wie Höcke oder Kalbitz aufgeschwungen“ und so „der Zerstörung dessen vorgearbeitet, was er mit falschem Stolz sein Lebenswerk zu nennen pflegt“, schreibt Adam in einem Gastbeitrag für das Magazin Cicero. Heute sehe er Gauland als „einen Mann ohne Standpunkt, ohne Kompass, letztlich auch ohne Überzeugung“, der nur an eigener Macht interessiert sei.

Nach Adams Erfahrung würden „schlichte Gemüter“ die Partei prägen, eine „intellektuell starke Parteiführung“ gäbe es nicht. Man sei überwiegend damit befasst, „einander das Wasser abzugraben; wer wissen will, wie es im Naturzustand, wo jeder jeden bekämpfte, zugegangen sein mag, sollte sich in der AfD umsehen.“ Zudem sei es Lobbygruppen in mehreren Fällen gelungen, Einfluss auf das Parteiprogramm zu nehmen: „Die AfD dürfte die einzige Partei sein, die es fertiggebracht hat, eine der dümmsten Parolen, den Ruf nach freier Fahrt für freie Bürger, in den Rang einer politischen Forderung zu erheben.“ Der AfD prophezeit Adam, dass sie sich „entlang der alten Zonengrenze“ spalten werde. (↪ Cicero, 09.10.)

AfD in Sachsen

Mit lediglich 7,3 Prozent der Stimmen hat der AfD-Kandidat Carsten Rybicki am vergangenen Sonntag bei der Bürgermeister*innen-Wahl in Ottendorf-Okrilla (Landkreis Bautzen) den dritten und letzten Platz belegt. Neuer Ortschef wurde der parteilose Kandidat Rico Pfeiffer, der von der CDU unterstützt wurde. Da er mit 52,1 Prozent die absolute Mehrheit erreichte, ist ein zweiter Wahlgang nicht erforderlich. René Edelmann, ebenfalls parteilos, kam auf 40,6 Prozent. Rybicki erklärte sein Abschneiden damit, ortsfremd zu sein. „Als Ortsansässiger hätte ich sicher mehr Zustimmung bekommen“, sagte er der Sächsischen Zeitung. Insgesamt waren rund 8.000 Einwohner*innen zur Wahl aufgerufen, die unter ungewöhnlichen Bedingungen stattfand: Anfang März war schon einmal ein erster Wahlgang durchgeführt worden, in dem keiner der damals noch fünf Bewerber die absolute Mehrheit erzielte. Rybicki war mit 9,5 Prozent schon damals auf den dritten Platz gelangt. Aufgrund der Pandemie konnte der zweite Wahlgang aber nicht fristgerecht durchgeführt werden, so dass die Ergebnisse der ersten Runde annulliert wurden. (↪ DNN, 03.10., ↪ Sächsische, 04.10., ↪ Sächsische, 04.10., ↪ MDR, 05.10.)


Im zweiten Wahlgang zur Bürgermeister*innenwahl in Stauchitz (Landkreis Meißen) hat der AfD-Kandidat Enrico Barth am vergangenen Sonntag mit lediglich 2,8 Prozent der Stimmen den dritten Platz belegt. Neuer Ortschef ist Dirk Zschoke, der als parteiloser Einzelbewerber antrat und 49 Prozent der Stimmen erhielt. Knapp dahinter platzierte sich die ebenfalls parteilose Kandidatin Michaela Steuer mit 45,6 Prozent. Der abgeschlagene AfD-Mann Barth hatte im ersten Durchgang noch 7,4 Prozent erreicht. (↪ Sächsische, 04.10.)


Mathias Lampe, Kandidat der AfD zur Bürgermeister*innen-Wahl in Schleife (Landkreis Görlitz), ist bei einer Schlägerei verletzt worden und musste in der Notaufnahme behandelt werden. Der Vorfall ereignete sich bei einer privaten Feier am Freitag der Vorwoche, die Polizei ermittelt in dem Zusammenhang wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung. Noch im Dunkeln liegen die näheren Umstände, Lampe spricht von einem Angriff mit politischem Hintergrund, der ihm als AfD-Kommunalpolitiker gegolten habe. Die Partei verbreitet diese Darstellung aktuell auch in sozialen Medien. Die Polizei kann dies bislang nicht bestätigen: „Wir ermitteln im häuslichen Umfeld“, sagte ein Sprecher auf Anfrage der Lausitzer Rundschau. Wahltermin in Schleife ist der 1. November. (↪ LR, 05.10.)


Der AfD-Verband im Vogtlandkreis, der seit gut anderthalb Jahren keinen Vorstand hat, wird „bald wieder eigenverantwortlich die Geschäfte führen“. Das kündigte der Landtagsabgeordnete Torsten Gahler gegenüber der Freien Presse an. Gahler war im April 2019 nach dem geschlossenen Rücktritt des damaligen Kreisvorstands durch die Landesspitze als „Betreuer“ eingesetzt worden. Seither gebe es in der Vogtland-AfD eine „positive Entwicklung“. Nach Eigenangaben verfügt die Partei im Kreisgebiet über derzeit 136 Mitglieder bei einem Frauenanteil von lediglich 17 Prozent. Seit vergangenem Jahr gab es 15 Neueintritte. Ihnen gegenüber stehen zwölf Austritte im gleichen Zeitraum, laut Gahler aufgrund von „zwischenmenschlichen Unstimmigkeiten“. (↪ FP, 05.10.)


Für die AfD ist Mario Dieke aus Plauen neues Mitglied des vogtländischen Kreistags geworden. Er ist Nachrücker für Helmut Wotzlawek, der sein Mandat aus persönlichen Gründen niedergelegt hatte. Dieke, Facharbeiter für Leitungs- und Sicherungstechnik, ist bereits Mitglied des Stadtrats der Kreisstadt Plauen. (↪ FP, 05.10.)


In den erzgebirgischen Kreistag zieht Susann Gahler als neues Mitglied für die AfD ein. Sie ersetzt dort Konstantin Rühl. Er hatte darum ersucht, von dem Ehrenamt entbunden zu werden, da er den zeitlichen Aufwand nicht mehr mit beruflichen und familiären Verpflichtungen vereinbaren könne. (↪ FP, 05.10.)


Das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) hat verschiedenen Medien bestätigt, dass der AfD-Bundestagsabgeordnete Jens Maier als „Rechtsextremisten“ eingestuft wurde. Über diesen Schritt hatte idas zuerst berichtet. Zur Begründung führt das LfV an, dass Maier „der erwiesen extremistischen Bestrebung ‚Der Flügel‘ zugeordnet“ werde. Die völkisch-nationalistische Strömung, als deren sächsischer „Obmann“ Maier bis vor kurzem fungierte, war seit Anfang 2019 zunächst Verdachtsfall und seit März dieses Jahrs vollwertiges Beobachtungsobjekt der Verfassungsschutzbehörden. Offen ließ das LfV, seit wann der Abgeordnete im Fokus steht. Gegenüber der Bild erklärte Maier, er behalte sich vor, „dagegen juristisch vorzugehen“, und sprach von einer „Diffamierungskampagne gegen mich und andere AfD-Politiker“. Bevor er 2017 in den Bundestag einzog, war er als Richter am Landgericht Dresden tätig, seitdem ruht das Beamtenverhältnis. Probleme könnten sich ergeben, wenn er später in den Dienst zurückkehren will: Die nunmehr verdichteten Hinweise auf eine mangelnde Verfassungstreue würden dann ein dienstrechtliches Verfahren am sogenannten Dienstgerichtshof nach sich ziehen, der am Dresdner Oberlandesgericht angesiedelt ist. (↪ DNN, 05.10., ↪ Bild, 05.10., ↪ Sächsische, 05.10., ↪ MDR, 05.10., ↪ Dlf, 06.10.)


Der AfD-Kandidat Ulrich Oehme, zugleich Bundestagsabgeordneter seiner Partei, hat nur geringe Chancen, beim heutigen zweiten Durchgang der Oberbürgermeister*innen-Wahl in Chemnitz zum Zuge gekommen. Nachdem er im ersten Wahlgang nur auf rund 12 Prozent der Stimmen gekommen war, lässt eine im Auftrag der Freien Presse durchgeführte repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Insa keine Zugewinne erwarten. Oehme kann demnach erneut mit zwölf Prozent rechnen – obwohl sich das Feld der Bewerber*innen gelichtet hat und die extrem rechte Lokalpartei „Pro Chemnitz“, deren Kandidat Martin Kohlmann nicht erneut antritt, zur Wahl Oehmes aufruft. Beste Chancen hat vielmehr Sven Schulze (SPD), der zunächst 23 Prozent der Stimmen erhalten hatte und nun auf deutlich über 30 Prozent kommen könnte. Seinen offiziellen Wahlkampfabschluss beging Oehme an diesem Freitag im Ballsaal Hilbersdorf, dazu eingeladen war unter anderem der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland. (↪ FP, 06.10.)


Rund 10.000 Euro aus ihrem steuerfinanzierten Budget hat die sächsische AfD-Fraktion seit März 2019 für das Sponsoring von Facebook-Beiträgen ausgegeben. Ziel der Fraktion ist offenbar, dadurch größere Reichweiten zu erzielen. Die zugehörige AfD-Facebook-Seite hat mit knapp 30.000 „Fans“ mehr Follower als alle anderen Fraktionen – die allerdings auch weit weniger Geld ausgeben, um ihre Sichtbarkeit zu erhöhen, wie der „Unter Zwei“-Newsletter der Freien Presse berichtet. Demnach gab die SPD im gleichen Zeitraum etwa 3.000 Euro aus, die Grünen folgen mit knapp 700 Euro auf Platz drei. (↪ Freie Presse, „Unter Zwei“, 07.10.)


Im Stadtrat von Leipzig hat die AfD-Fraktion am Mittwoch eigene Vorschläge für die künftige Bebauung des zentral gelegenen Wilhelm-Leuschner-Platz gemacht. So fordert die Fraktion unter anderem den Bau einer Tiefgarage – „obwohl unter allen Baufeldern bereits Tiefgaragen vorgesehen sind“, notiert die Leipziger Volkszeitung. (↪ LVZ, 07.10.)


Der Leipziger AfD-Verbandsvorsitzende Siegbert Droese, der auch Bundestagsabgeordneter ist, sieht die Schuld für die innere Krise seiner Partei bei den westdeutschen Landesverbänden. Diese würden sich in „ostdeutsche Belange“ einmischen und so Streit verursachen, sagte der Flügel-Anhänger der Leipziger Volkszeitung. „Ich würde mir wünschen, dass die Verbände im Westen uns mehr nehmen würden, wie wir sind.“ (↪ LVZ, 08.10.)


Die AfD hat im Sächsischen Landtag den Abriss des Karl-Marx-Monuments in Chemnitz, eines der bekanntesten Wahrzeichen der Stadt, in Erwägung gezogen. Anlass dafür war die Petition eines Bürgers. Er wandte sich an das Parlament und schilderte, wie er angesichts von DDR-Erfahrungen vor einigen Jahren beim Anblick des Denkmals traumatisiert worden sei; daher solle es entfernt werden. Mit dem Anliegen befasste sich kürzlich der Petitionsausschuss des Landtags, dort wurde das Ansinnen von allen demokratischen Fraktionen geschlossen zurückgewiesen. Die AfD brachte laut Protokoll der Sitzung aber eine „abweichende Meinung“ an – nach Angaben der Ausschussvorsitzenden Simone Lang (SPD) stimmten die AfD-Mitglieder der Petition und damit einem Abriss zu. Die AfD bestreitet das jedoch. Auf Nachfrage von TAG24 gibt der rechte Abgeordnete Lars Kuppi an, er könne sich „nicht genau“ an die Abstimmung erinnern, er „glaube“ aber, dass sich seine Fraktion enthalten habe. (↪ TAG24, 08.10.)


Im Stadtrat von Freital hat die AfD versucht, eine weitere Förderung des Familienzentrums „Regenbogen“, eines örtlichen Mehrgenerationen-Hauses, zu verhindern. Zur Abstimmung stand ein Antrag, dem Trägerverein der sozialen Einrichtung auch in den kommenden Jahren mit jeweils 10.000 Euro zu fördern. Diese Summe ist eine Bedingung für weiterreichende Zuschüsse des Bundes. Dem widersprach die AfD-Fraktion. Deren Vorsitzender Torsten Heger, von Beruf Polizist, sagte, Mitglieder seiner Partei hätten Personen „überprüft“, die im Familienzentrum arbeiten. Angebliches Ergebnis: „Da wird in sozialen Netzwerken Hetze betrieben gegen politisch Andersdenkende, vor allem natürlich gegen die AfD“. Einige Personen würden „das demokratische System ablehnen“, führte er weiter aus. Heger legte dafür keine Belege vor, andere Fraktionen wiesen seine Darstellung zurück. Nur die AfD stimmte gegen die weitere Förderung. (↪ Sächsische, 09.10.)

AfD rundherum

Der Landesparteitag der AfD im Saarland ist am vergangenen Wochenende mit einer umfassenden Niederlage für den bisherigen Landeschef Josef Dörr und dessen frühere Vorstandsriege zu Ende gegangen, die im Frühjahr durch die Bundesspitze der Partei des Amtes enthoben worden war. Mit dem Versuch, erneut die Führung des Verbandes zu übernehmen, scheiterte Dörr wie berichtet schon im ersten Wahlgang. Neuer Landeschef wurde der Bundestagsabgeordnete Christian Wirth. Er setzte sich gegen den ehemaligen Landesgeschäftsführer Christoph Schaufert durch, der zum zweiten Stellvertreter gewählt wurde. Erster Stellvertreter ist fortan der Landtagsabgeordnete Lutz Hecker, der kürzlich aus der AfD-Fraktion im Saar-Landtag ausgeschlossen wurde. Zugleich hat Schaufert dort seine Anstellung als Mitarbeiter verloren. Dörr leitet die nur noch zweiköpfige Fraktion. Gegen ihn wurden auf dem Parteitag neue Vorwürfe erhoben, unter anderem soll er sich persönlich bereichert und die Mitgliederkartei manipuliert haben. Mit dem Ergebnis des Parteitags gibt sich der 82-Jährige nicht zufrieden: Er will die Beschlüsse anfechten, da nicht bei allen anwesenden Mitgliedern überprüft worden sei, ob diese durchgehend Beiträge entrichtet haben und damit stimmberechtigt sind. Noch offen ist ein Verfahren beim AfD-Schiedsgericht. Dort hatten sich frühere Vorstandsmitglieder über ihre Absetzung beschwert. (↪ Saarbrücker Zeitung, 04.10.2020, ↪ BNR, 05.10.)


Uwe Junge, ehemaliger Landesvorsitzender der AfD in Rheinland-Pfalz und Chef der dortigen Landtagsfraktion, hat in einem Schreiben an die Parteispitze den Rücktritt von Alexander Gauland und Alice Weidel als Vorsitzende der Bundestagsfraktion gefordert. Der 63-Jährige knüpft damit an die Lüth-Affäre an, über die zumindest Teile der Fraktion frühzeitig informiert waren, ohne jedoch einzuschreiten. Die Konsequenz müsse ein personeller Neuanfang sein, so Junge. Er sieht die Partei aktuell in desolatem Zustand, sie bewege sich „schulterklopfend auf den politischen Abgrund zu“. Statt Sacharbeit stünden „Lagerdenken, Hass und Häme“ im Vordergrund, die AfD verkomme zu einem „Sammelbecken von Egozentrikern und Pseudopatrioten, die jede Form von Anstand, Höflichkeit und Loyalität vermissen lassen und sich ausschließlich um Macht, Posten und Mandate rangeln.“ Junge, der zum vergleichsweise gemäßigten Lager um den Parteivorsitzenden Jörg Meuthen gehört, hatte bereits früher mit deutlichen Worten in den Machtkampf der Partei eingegriffen, in der er nichts mehr zu verlieren hat. Bereits vor Monaten kündigte er an, seine politische Karriere im kommenden Jahr mit dem Ablauf seines Landtagsmandats zu beenden. (↪ SZ, 05.10.)


Der extrem rechte AfD-Kommunalpolitiker Dubravko Mandic, der für die Partei im Stadtrat von Freiburg (Baden-Württemberg) sitzt, hat Beteiligte einer Demonstration in Steinen (Landkreis Lörrach) bedroht. Dort fand zum Tag der Deutschen Einheit am Samstag der Vorwoche eine Saalveranstaltung der Partei statt, an der neben Alexander Gauland mehrere Bundestagsabgeordnete teilnahmen. Rund 900 Personen protestierten gegen das Treffen, an dem Mandic teilnehmen wollte. Dabei fuhr er mit seinem Auto auf Teilnehmende des Gegenprotests zu, die dem Fahrzeug ausweichen mussten. Mandic hielt an und stieg aus, suchte dann gemeinsam mit einem weiteren AfD-Mann „die körperliche Konfrontation, die vom Sicherheitspersonal unterbunden wurde.“ (↪ Badische Zeitung, 06.10., ↪ Beobachter News, 07.10.)


Die AfD-Fraktion im Bundestag hat angekündigt, gegen eine seit Dienstag geltende verschärfte Maskenpflicht zu klagen. Man wolle dringend klären, ob man „uns Abgeordnete und unsere Mitarbeiter im Parlament zum Tragen von Masken verpflichten kann“, erklärte der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner. Den Nutzen eines Mund-Nase-Schutzes bezeichnete er als „höchst umstritten“ und stellte in Frage, ob es überhaupt eine Pandemie gibt. Wegen deutlich steigender Infektionszahlen hatte Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble eine Allgemeinverfügung in Kraft gesetzt, der zufolge zunächst bis Mitte Januar in allen Parlamentsgebäuden eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen werden muss. Abgenommen werden darf sie erst am Sitzplatz und wenn der Mindestabstand eingehalten wird, Ausnahmen gelten für Redepulte und an den Saalmikrofonen. Bei Verstößen drohen Strafen von 5.000 bis zu 25.000 Euro. Trotzdem erschienen am Mittwoch mehrere AfD-Abgeordnete, darunter Beatrix von Storch, demonstrativ ohne Maske im Plenarsaal. Als später Schäuble eine AfD-Abgeordnete nachdrücklich ermahnte, rief ihm von Storch zu, dass er selbst keine Maske trage. Dafür erhielt sie einen Ordnungsruf. Bislang galt im Bundestag lediglich die Empfehlung, einen Mund-Nase-Schutz zu tragen. In den vergangenen Monaten hatte die AfD solche Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie immer wieder absichtlich unterlaufen. (↪ RND, 07.10., ↪ FAZ, 07.10., ↪ RND, 07.10.)


In der Stadtverordnetenversammlung von Bremerhaven ist die AfD-Fraktion zerbrochen. Grund ist der Austritt der beiden Stadtverordneten Natalia Bodenhagen und Pascal Hiller aus der Fraktion und der Partei in der Vorwoche. Hiller hat inzwischen auch sein Mandat niedergelegt. Die AfD ging zunächst davon aus, dass die Fraktion, die mindestens dreier Mitglieder bedarf, wieder aufgefüllt werden kann. Doch der nun als Nachrücker in die Versammlung eingezogene Sven Lichtenfeld lehnt eine Zusammenarbeit mit dem bisherigen Fraktionsvorsitzenden Thomas Jürgewitz ab. „Ich kann nicht mit Herrn Jürgewitz zusammenarbeiten, weil es zu viele politische Kontroversen gibt“, sagte Lichtenfeld. Im Hintergrund stehen Spannungen im zuständigen AfD-Landesverband Bremen. Durch den Bruch in Bremerhaven entgehen der Partei nunmehr das sogenannte Fraktionsgeld in Höhe von rund 3.000 Euro und Zuschläge für den Fraktionsvorsitzenden. (↪ Weser-Kurier, 07.10., ↪ buten un binnen, 07.10.)


Die AfD-Fraktion im bayerischen Landtag wird bis zum Ende der Wahlperiode keine Zulagen mehr für Spitzenämter auszahlen. Bislang hatten die Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner und ihr Stellvertreter Ingo Hahn pro Monat rund 3.000 Euro extra erhalten. Eine Mehrheit der AfD-Abgeordneten fordert jedoch seit längerem den Rücktritt des Vorstands, unter anderem wegen des Vorwurfs, sich persönlich zu bereichern. In diesen und weiteren Fragen ist die Fraktion nachhaltig gespalten, zuletzt war eine gemeinsame Klausur bereits nach einem von drei Tagen gescheitert. Der Verzicht auf die Zulagen gilt als ein Entgegenkommen der Fraktionsminderheit um Ebner-Steiner, die sieben weitere Abgeordnete in ihren Reihen zählt. Für eine Versöhnung mit den zwölf Abtrünnigen genügt das nicht: Deren Forderung nach dem Rücktritt des Vorstands steht weiterhin im Raum. (↪ Schwäbische, 07.10., ↪ BR, 08.10., ↪ SZ, 08.10.)


Der AfD-Abgeordnete Kay Gottschalk, Finanzexperte seiner Bundestagsfraktion, ist am Donnerstag zum Vorsitzenden des parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Wirecard-Skandal gewählt worden. Das Gremium soll den Bilanzschwindel um den ehemaligen, inzwischen insolventen Dax-Konzert und mögliche Versäumnisse der Finanzaufsicht aufklären. Bei der konstituierenden Sitzung votierten fünf der neun Ausschussmitglieder in geheimer Wahl für Gottschalk. Damit leitet die AfD erstmals einen Untersuchungsausschuss des Bundestags. Nach gewohnter, jedoch nicht vorgeschriebener Praxis fiel der AfD der Vorsitz zu. Wie das Handelsblatt berichtet, waren möglicherweise Stimmen der SPD ausschlaggebend. Der Einsetzung des Untersuchungsausschusses lag ein gemeinsamer Oppositions-Antrag von Linken, Grünen und FDP zugrunde, ihre Stimmen genügten dafür. Auch die AfD hatte sich für das Gremium ausgesprochen, an der Vorbereitung aber nicht mitgewirkt. (↪ SZ, 08.10., ↪ RND, 08.10., ↪ Zeit, 08.10., ↪ Handesblatt, 08.10.)


Wegen des Vorwurfs des Titelmissbrauchs ermittelt die Staatsanwaltschaft Düsseldorf nach wie vor gegen den AfD-Europaabgeordneten Gunnar Beck. Im Sommer war deshalb seine parlamentarische Immunität aufgehoben worden. Beck hatte sich bei der Nominierung in der eigenen Partei und schließlich auch auf Stimmzetteln zur Europawahl 2019 als „Professor“ bezeichnet, darf diesen Titel in Deutschland aber nicht führen, weil er ihn nie erlangt hat. Auswirkungen auf sein Mandat wird dieses mutmaßlich rechtswidrige Vorgehen nicht haben. Allerdings gibt es Hinweise, dass sich Beck mit seinem falschen Titel einen Vorteil bei der Wahl erschlichen hat: Eine Studie von Thomas Gschwend, Professor für Politikwissenschaften an der Universität Mannheim, zeigt, dass bei einer korrekten, Wähler*innen weniger beeindruckenden Namensangabe auf den Wahlzetteln die AfD mit einer Wahrscheinlichkeit von 77 Prozent ein Mandat weniger im Europaparlament erlangt hätte. (↪ Dlf, 08.10.)


Vor dem Verwaltungsgericht Gera hat der thüringische AfD-Vorsitzende Björn Höcke einen von ihm angestrengten Rechtsstreit gegen den Altenburger Oberbürgermeister André Neumann (CDU) verloren. Im Juli hatte Höcke im Vorfeld einer Kundgebung seiner Partei mit einem Eilantrag vor dem gleichen Gericht erreicht, dass ihn Neumann wegen eines damit verbundenen Verstoßes gegen das Neutralitätsgebot bei Twitter nicht als „Nationalsozialisten“ bezeichnen darf, der „in Altenburg nicht willkommen“ ist. Unter Androhung einer Geldstrafe löschte Neumann den Text, verfasste aber einen neuen Beitrag. Dieser enthielt den Screenshot einer Pressemeldung, die den Wortlaut des ursprünglichen Tweets wiedergibt. Auch das wollte Höcke nun untersagen lassen, scheiterte aber. Das Gericht kam zu dem Schluss, dass sich Neumann durch die insoweit erlaubte Verlinkung die untersagte Äußerung nicht erneut zu Eigen machte. Die Entscheidung durchkreuze „ständige Versuch Höckes, Andersdenkende mit Anwälten und Gerichten mundtot zu machen“, erklärte Neumann zum Ausgang des Verfahrens. (↪ MDR, 08.10., ↪ LVZ, 08.10.)


Als einzige Fraktion hat die AfD am Freitag im Bundestag gegen die Errichtung eines neuen NS-Erinnerungsortes gestimmt. Der Gedenkort soll sich vor allem mit der Aufarbeitung der deutschen Besatzungsherrschaft während des Zweiten Weltkriegs befassen, in dem dazu beschlossenen Antrag wird die Bundesregierung beauftragt, einen Realisierungsvorschlag zu erarbeiten. Diesem Ziel widersprach vor allem der AfD-Abgeordnete Marc Jongen. Er sprach von einem „Sündenstolz der Deutschen“, von „Erinnerungswahn“ und „hypermoralischem Büßertum“. Die AfD setzt sich hingehen für eine Gedenkstätte für „deutsche Opfer“ ein. (↪ SZ, 09.10.)


Mit fragwürdigen Tricks haben AfD-Abgeordnete im Landtag von Niedersachsen versucht, die Auflösung ihrer Fraktion zu verzögern. Vor knapp drei Wochen hatten die Abgeordneten Dana Guth, Stefan Wirtz und Jens Ahrends ihren Fraktionsaustritt erklärt, nachdem Guth als Landesvorsitzende abgewählt und ihre Zukunft als Fraktionschefin fraglich geworden war. Zurück blieben zu wenige Abgeordnete, um weiterhin als Fraktion bestehen zu können. Damit entfallen monatliche Zuschüsse in Höhe von rund 100.000 Euro und das Budget für etliche Mitarbeiter*innen. Offenbar um das zu verhindern und noch die Zuschüsse für den Oktober einzustreichen, verweigerten AfD-Abgeordnete die Annahme der Austrittserklärungen, wie der Spiegel berichtet. Demnach wurden entsprechende E-Mails an den Fraktionsvorstand mit anscheinend automatisierten Nachrichten beantwortet, wonach man erst ab 1. Oktober wieder zu erreichen sei. Ein von den Abtrünnigen geplantes Treffen für ein klärendes Gespräch ließ die Rest-Fraktion platzen. Unterdessen wurden Mitarbeiter*innen ins Home Office beordert und mit einem Zugangsverbot für die bisherigen Fraktionsräume belegt, damit niemandem die Austrittserklärungen zugestellt werden können. Guth soll letztlich sogar einen Gerichtsvollzieher mit der Zustellung beauftragt haben. Das war nicht mehr nötig: Die Landtagsverwaltung hatte inzwischen selbst geprüft, ob die Fraktion noch existiert – und sie für aufgelöst erklärt. (↪ Spiegel, 09.10.)


Thomas Schlaffke, bislang Vorsitzender des brandenburgischen AfD-Kreisverbandes Prignitz, hat seinen Austritt aus der Partei zum Ende des Monats erklärt. Er kündigte in dem Zusammenhang an, dass ihm mehr als ein dutzend Mitglieder folgen werden. Als Konsequenz wird sich voraussichtlich die AfD-Kreistagsfraktion auflösen müssen. (↪ MAZ, 09.10.)


Der nordrhein-westfälische AfD-Landesvorsitzende Rüdiger Lucassen wird innerhalb der Partei offenbar für eine Spitzenkandidatur zur Bundestagswahl im kommenden Jahr in Erwägung gezogen. Das berichtet der Focus. Derzeit sucht die Partei nach einer Kandidat*in, der oder die zumindest für die Zeit des Wahlkampfs die anhaltenden Macht- und Richtungskämpfe überbrücken könnte. Zuletzt hatte der Parteivorsitzende Jörg Meuthen eigene Ambitionen aufgegeben, vom Europaparlament in den Bundestag zu wechseln. Lucassen soll nun nach Angaben des Magazins sein Wunschkandidat sein, der im Erfolgsfall neuer Fraktionsvorsitzender werden könnte. Meuthens Pläne sollen noch weiter reichen: Lucassen könnte Ende 2021, wenn planmäßig eine neue Parteispitze gewählt wird, sein Nachfolger werden. (↪ Focus, 10.10., S. 36–38)


Der thüringische AfD-Kommunalpolitiker Reinhard Etzrodt, der kürzlich zum Vorsitzenden des Stadtrats in Gera gewählt wurde, hat sich zu Björn Höcke und dem verfassungsfeindlichen Flügel bekannt. „Ich ordne mich dort ein. Ich habe den Flügel unterstützt“, sagte Etzrodt der Zeit. Begriffe wie „nationalistisch“ oder „völkisch“ lehne er zwar ab, er sei aber „konservativ-national gesinnt, genauso wie Björn Höcke.“ Die Wahl Etzrodts hatte bundesweit für Aufsehen gesorgt, einen vergleichbaren Fall gab es noch nicht. Er hatte weit mehr Stimmen erhalten, als die AfD selbst aufbringen kann. Die CDU bestreitet, für ihn gestimmt zu haben, daran bestehen jedoch Zweifel. (↪ Zeit, 10.10.)


Gegen Hagen Gebel, einen Stadtverordneten der AfD in der brandenburgischen Kleinstadt Ortrand (Oberspreewald-Lausitz), ermittelt die Polizei. Nach einer Ratssitzung am Dienstagabend soll Gebel den örtlichen CDU-Bürgermeister Niko Gebel – der zugleich sein Sohn ist – angegriffen, beschimpft und bedroht haben. Zuvor war es in einer Ratsdiskussion zum Wutausbruch des AfD-Mannes gekommen sein, nachdem der Bürgermeister die AfD als rechtsradikal bezeichnet hatte. (↪ LR, 10.10.)


Zum zweiten Mal hat die AfD-Bundestagsfraktion an diesem Samstag eine „Konferenz der Freien Medien“ veranstaltet. Dazu eingeladen waren unter anderem die Publizisten Thor Kunkel und Matthias Matussek, zudem Youtube-Aktivist*innen wie Hagen Grell. Die Neuauflage des Treffens verfolgte offenbar wie der erste Durchgang im Mai 2019 das Ziel, sogenannte Alternativmedien an die Partei zu binden und dadurch Zusatz-Reichweiten für die Kampagnenthemen der AfD zu generieren. (↪ Endstation Rechts, 10.10.)


Nach Erkenntnissen des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) wächst die Macht des verfassungsfeindlichen Flügels innerhalb der AfD. Man nehme wahr, „dass viele Anhänger des rechtsextremen Flügels um mehr Einfluss in der Partei kämpfen, obwohl sich der Flügel angeblich selbst aufgelöst hat“, sagte BfV-Präsident Thomas Haldenwang in einem Interview mit dem Tagesspiegel. Anhänger*innen der völkisch-nationalistischen Strömung kämen weiter in Schlüsselpositionen, nur Wenige würden sich dagegen von dem Gedankengut des Höcke-Lagers entfernen. Fazit aus Sicht der Behörde: „Faktisch hat sich trotz der formalen Auflösung des Flügels wenig verändert“. (↪ Tagesspiegel, 11.10.)

Blauzone

Das Bundesschiedsgericht der Freien Wähler (FW) hat eine Entscheidung des Parteivorstands bestätigt, wonach der sächsische Landesvorsitzende Steffen Große seines Amtes enthoben wird und die nächsten drei Jahre lang keine Parteiämter ausüben darf. Zu diesem überraschenden Schritt war es im Juli gekommen, Grund: Die Bundespartei wirft Große vor, dass es unter seiner Zuständigkeit zu „Verbindungen und Überschneidungen mit dem rechten Milieu“ gekommen sei. Große bestreitet das und rief gegen die Ordnungsmaßnahmen die Schiedsgerichtsbarkeit der Partei an, die seinen Einspruch verwarf. Dagegen wandte sich Große Anfang der Woche mit einem Eilantrag zum Landgericht in Oldenburg, doch auch dort hatte er keinen Erfolg. Aus der Begründung des Schiedsgerichts ergeben sich neue Details des Disputs. Demnach beanstandet die Bundespartei, dass der sächsische FW-Landesverband eng mit dem Verein „Freie Wähler Dresden e.V.“ zusammenarbeitet, trotz wiederholter Aufforderungen, die „personelle und organisatorische Verzahnung“ aufzugeben. Dem Dresdner Verein gehören unter anderem die neurechte Buchhändlerin Susanne Dagen und der Anwalt Frank Hannig an, der zuletzt als – dann wieder entpflichteter – Verteidiger des mutmaßlichen Lübcke-Mörders Stephan Ernst bekannt geworden ist. (↪ DNN, 05.10., ↪ Sächsische, 08.10.)


Eine Rede des thüringischen AfD-Landeschefs und Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke sorgt für neuen Streit im Deutschen Feuerwehrverband. Der Anführer des verfassungsfeindlichen Flügels hatte bei einer Verbandsversammlung des Thüringer Landesfeuerwehrverbands am Samstag vor zwei Wochen eine Rede gehalten, dabei die Delegierten als „Kameraden“ angesprochen und versichert, dass seine Fraktion „fest an der Seite der Feuerwehren“ stehe. Widerspruch gab es vor Ort nicht, trotz „Anwesenheit fast der kompletten Führungsriege des Bundes-Feuerwehrverbandes“, wie das Redaktionsnetzwerk Deutschland notiert. Höcke machte seinen Auftritt durch einen Instagram-Beitrag selbst publik, der Feuerwehrverband nannte den Namen in seinen offiziellen Mitteilungen hingegen nicht. Wie der Verband inzwischen mitteilte, habe man alle im Landtag vertretenen Parteien zu dem Treffen eingeladen, ohne vorher gewusst oder gar gebeten zu haben, dass Höcke dort sprechen würde. Die AfD widerspricht und verweist darauf, eine persönliche Einladung „zu Händen Fraktionschef Björn Höcke“ erhalten zu haben. Bei der Tagung wurde Karsten Utterodt aus Weimar zum neuen Vorsitzenden gewählt. Im Namen seines Verbandes distanzierte er sich im Nachgang „ausdrücklich von den politischen Ansichten des Thüringer AfD-Fraktionsvorsitzenden Björn Höcke“, die in dessen Rede allerdings nicht angeklungen seien. Er persönlich hätte „lieber keinen Höcke und keine AfD“ gesehen, man müsse sich aber „politisch neutral“ verhalten. Weiter sagte er: „Ein demokratischer Diskurs beinhaltet zwangsläufig auch die Auseinandersetzung mit Meinungen, denen man selbst kritisch gegenüber steht.“ Deutlicher ist die Kritik anderer Verbände. „Die Feuerwehr lässt sich damit politisch vereinnahmen, das geht zu weit“, sagte Jan Heinisch, Landesvorsitzender des Feuerwehrverbands Nordrhein-Westfalen. Seiner Ansicht nach hätte der Auftritt verhindert werden können. Frank Kliem, Vizevorsitzender im brandenburgischen Feuerwehrverband, schloss sich an: „Ich hätte für das Grußwort von Herrn Höcke definitiv den Saal verlassen.” Kliem hatte sich bereits in der Vergangenheit gegen die AfD ausgesprochen. Derzeit bewirbt er sich um den Posten des Vorsitzenden des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV), die Wahl findet am 24. Oktober statt. Grund für die Neubesetzung ist der Rücktritt des bisherigen Verbandschefs Hartmut Ziebs Ende 2019. Er hatte offen vor einer Unterwanderung durch die AfD gewarnt. Nach persönlichen Angriffen erklärte er den Verzicht auf das Amt. (↪ RND, 06.10., ↪ TLZ, 06.10., ↪ TLZ, 07.10.)


Die Spitze der FDP hat sich von ihrem thüringischen Landtagsabgeordneten Thomas Kemmerich, der zugleich Fraktions- und Landesvorsitzender ist, distanziert. Anlass dafür ist ein Beitrag, den Kemmerich, der im Februar mit Unterstützung der AfD kurzzeitig Ministerpräsident geworden war, am Donnerstag auf Twitter veröffentlicht hat: „Nicht die Annahme der Wahl war der Fehler, sondern der Umgang der anderen demokratischen Parteien mit der Situation.“ Die Vorgänge hatten deutschlandweit für Aufsehen gesorgt, damals kritisierte die FDP ihren eigenen, wenig später zurückgetretenen Politiker dafür, die Wahl angenommen zu haben. Diese Kritik weist Kemmerich nun aber von sich. Darauf reagierte das Präsidium der Bundespartei und teilte am Freitag mit, dass man sich „geschlossen von den aktuellen Äußerungen von Thomas Kemmerich“ distanziere. Das Präsidium beschloss zudem einstimmig, dass die Bundespartei eine offenbar angestrebte Spitzenkandidatur Kemmerichs zur nächsten Landtagswahl nicht mittragen wird. Es werde „keinerlei finanzielle, logistische oder organisatorische Unterstützung für einen Wahlkampf eines Spitzenkandidaten Thomas Kemmerich durch den Bundesverband geben“, heißt es. In dem Zusammenhang bekräftige die Bundespartei ihre Abgrenzung gegenüber der AfD, eine Position, die man so deutlich erst im Zuge der Aufarbeitung der Kemmerich-Affäre bezogen hat. Rückhalt findet Kemmerich noch immer in seinem eigenen Landesverband. Am Freitag erreichte ihn jedoch ein gemeinsamer Brief der anderen 15 FDP-Landesvorsitzenden. Sie werfen ihm darin vor, dass seine jüngsten Äußerungen „im krassen Widerspruch zu bisherigen Einlassungen von Dir und Deinem Landesverband“ stünden. Man sei der Auffassung, dass er „der Partei damit erheblichen Schaden“ zufüge – und fordere ihn auf, von einer Spitzenkandidatur abzusehen. (↪ RND, 09.10., ↪ Tagesspiegel, 09.10., ↪ Spiegel, 09.10., ↪ TAZ, 09.10.)

Stimme & Haltung

Für führende Politiker*innen der AfD gilt auch künftig ein Hausverbot in der KZ-Gedenkstätte Buchenwald. Das sagte der neue Direktor der zuständigen Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, am Montag in Erfurt aus Anlass seiner Amtseinführung. Er hat den Posten von Volkhard Knigge übernommen. Dieser hatte nach mehrfachen Eklats und Provokationen untersagt, dass Delegationen der Partei an Veranstaltungen auf dem Gelände der Gedenkstätte teilnehmen. (↪ Jüdische Allgemeine, 05.10.)

Hintergrund

Die Generalstaatsanwaltschaft im sachsen-anhaltischen Naumburg hat Ermittlungen zu einem gewaltbereiten Prepper-Netzwerk aus den Reihen der Leipziger Burschenschaft Germania eingestellt, dessen Mitglieder sich auf einen „Rassenkrieg“ vorbereitet hatten. Die Anklagebehörde ließ gegen zwei Beschuldigte wegen mutmaßlicher Verstöße gegen das Waffengesetz und wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermitteln. Insbesondere ging es um gemeinsame Schießübungen in einer Anlage in Jüdenburg im Landkreis Wittenberg, für die zu dieser Zeit keine Betriebserlaubnis vorlag. Bekannt geworden waren die Vorgänge durch umfangreiche Recherchen der Tageszeitung TAZ, des Portals Sachsen-Anhalt rechtsaußen und idas. Beendet sind die Ermittlungen damit nicht. Den Schwerpunkt sehe man vielmehr in Sachsen, erklärte ein Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft. Bei der Staatsanwaltschaft Leipzig ist nach wie vor ein sogenanntes Vorermittlungsverfahren anhängig. (↪ MDR, 05.10.)


Der Sächsische Datenschutzbeauftragte Andreas Schurig hat Berichte bestätigt, wonach das bisherige Vorgehen des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV), Daten über AfD-Abgeordnete zu erheben und zu speichern, rechtmäßig war. Das Handeln unter dem geschassten Amtspräsidenten Gordian Meyer-Plath habe „grundsätzlich mit den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zur Beobachtung von Abgeordneten“ im Einklang gestanden, erklärte Schurig am Mittwoch. Anhaltspunkte für ein rechtswidriges Vorgehen oder gar einen Verfassungsbruch, der Meyer-Plath vorgeworfen worden ist, seien dagegen nicht ersichtlich. Schurig widerspricht damit vor allem Innenminister Roland Wöller, der Meyer-Plath im Zuge des vermeintlichen Datenskandal abgesetzt hat. Auch idas hatte über die Bewertung des des Datenschutzbeauftragten berichtet, der Einsicht in geheime Unterlagen des LfV nehmen konnte. Medien, denen Schurigs Prüfvermerk nach eigenen Angaben vorliegt, bestätigen nun, dass er darin zu einem konträren Urteil kam. Das Innenministerium hält dennoch an der Darstellung fest, dass die anhaltende Speicherung von Daten zu Abgeordneten überwiegend nicht den rechtlichen Anforderungen entsprochen habe. (↪ Tagesspiegel, 07.10., ↪ LVZ, 07.10., ↪ FP, 08.10., ↪ Sächsische, 09.10., ↪ MDR, 09.10.)


In einer aufwändigen, mehrteiligen Datenrecherche zeigt Correctiv, wie die rechte Szene Instagram nutzt, um sich zu vernetzen, die eigenen Ziele zu vermarkten und Nachwuchs zu gewinnen. Auch die AfD beteiligt sich daran – die sonst hochgehaltene Abgrenzung gegenüber verfassungsfeindlichen Gruppierungen wie den Identitären tritt dabei in den Hintergrund. (↪ Correctiv, 07.10.)