Mitglieder der extrem rechten Leipziger Burschenschaft Germania sollen sich auf einen bewaffneten „Rassenkrieg“ vorbereitet haben. Mehrere der mutmaßlichen Protagonisten arbeiten für die AfD-Fraktion in Sachsen-Anhalt. Einer von ihnen, Hannes Rother, ist Parteimitglied und auch mit sächsischen Funktionären bekannt. Mit deren Hilfe wollte er bei der Landtagsfraktion in Dresden anheuern.
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Im Bild: Mitarbeiter der AfD-Fraktion in Sachsen-Anhalt im Jahr 2017, unter anderem mit den Burschenschaftern Hannes Rother, Ben Berressem und Michael Schuster (von links).
Freikorpsführer als Idol
Die Leipziger „Germania“ gibt sich gern honorig. Sie ist die „älteste Burschenschaft Sachsens“, erfährt man auf ihrer Website. Wer mitmachen will, brauche nur eine freiheitlich-konservative Grundeinstellung, heißt es weiter, und finde dann „Freunde fürs Leben“, die für „Treue, Kameradschaft und Vaterlandsliebe“ stehen. Diese Liebe gilt allerdings dem Deutschen Reich. Man trägt deswegen schwarz-weiß-rote Bändchen und sieht sich auch sonst „unserer geschichtlichen Überlieferung verpflichtet“, was immer man darunter verstehen mag.
Wer bereits dabei ist, erfährt man auf der Website nicht, und auch mit weiteren Details ist man geizig. Das hat gute Gründe: Nach idas-Recherchen gehören der schlagenden Studentenverbindung etwas mehr als 50 Mitglieder an, darunter Ingenieure und Ärzte, Anwälte und Unternehmer. Die meisten von ihnen studieren schon lange nicht mehr, sondern sind sogenannte Alte Herren. Der Chemnitzer Neonazi Maik Otto ist einer von ihnen. Unter den jüngeren „Aktivitas“, es gibt rund ein Dutzend davon, ist mit Paul Rzehaczek der Bundesvorsitzende der Jungen Nationalisten, der Nachwuchsorganisation der NPD. Nein, Konservative sind diese Leute nicht.
Bei Facebook ist man etwas offener, dort sind einige ausgewählte Gesichter zu sehen und auch die gemeinsamen Idole. So gedenkt man beispielsweise Hermann Ehrhardts, des Freikorpsführers aus der Weimarer Republik, einem der frühen Totengräber der ersten deutschen Demokratie. Offiziere aus Ehrhardts bewaffneter Privatarmee verschworen sich Anfang der 1920er Jahre zur Organisation Consul und ermordeten den früheren Finanzminister Matthias Erzberger sowie den Außenminister Walther Rathenau, aus antisemitischen Motiven. Es war ein blutiger Auftakt zur langen Tradition des deutschen Rechtsterrorismus.
Von Leipzig nach Magdeburg
Möglicherweise nehmen es einige Germania-Mitglieder mit dieser „geschichtlichen Überlieferung“ allzu ernst. Sie sollen sich ebenfalls verschworen haben zu einer bislang geheimen, achtköpfigen Gruppe, die sich auf einen kommenden „Rassenkrieg“ vorbereitet. Seit 2015 haben diese Germanen über einen „Endkampf“ diskutiert. Sie nahmen, um vorbereitet zu sein, an Wehrübungen beim Reservistenverband der Bundeswehr teil und planten die Beschaffung von Waffen, offenbar auch auf illegalen Wegen. Auf dem Grundstück des Alten Herrn Jörg Krause in Beuden, einem Ortsteil des nordsächsischen Krostitz, soll ein „Zufluchtsort“ entstanden sein. Dort wollte man sich verschanzen, wenn der „Tag X“ anbricht. Die Einwohner*innen hätte man dann vor die Wahl gestellt: Zwangsrekrutierung, Vertreibung oder – Krauses liebste Lösung – „Kopfschuss“.
Das alles berichtet die TAZ, die sich auf umfangreiche Chatnachrichten aus dem inneren Zirkel der Leipzier Germanen stützt. Bei Sachsen-Anhalt rechtsaußen sind inzwischen noch mehr verstörende Details über die Planungen der Gruppe erschienen, der es offenbar gelang, über Jahre hinweg unter dem Radar der Sicherheitsbehörden zu bleiben. Dabei war die Staatsmacht die ganze Zeit lang in den Reihen der Germania: Ein Alter Herr namens Axel Knoll hat es beruflich weit gebracht, er arbeitet als Staatsanwalt in Leipzig. Es ist unklar, wie viel er von den Terrorplanungen seiner Bundesbrüder wusste. Eine der treibenden Kräfte, eingeweiht in alles und Wortführer bei vielem, ist Michael Volker Schuster, ein Mann mit großem Schmiss und dem Spitznamen „Wolf“. Im Chat hetzte der Hauptmann der Reserve immer wieder gegen „Kanaken“. Sein Auskommen sicherte ihm zuletzt eine gänzlich zivile Tätigkeit, eine Anstellung bei der AfD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt.
Nachdem die AfD im Frühjahr 2016 erstmals in den Magdeburger Landtag einzog, wurde Schuster dort Referent. Dabei war einer der „Freunde fürs Leben“ behilflich: Die Stelle vermittelte ihm ein Burschenschafter aus Halle, der damals persönlicher Mitarbeiter des Neu-Abgeordneten Hans-Thomas Tillschneider war. Tillschneider hatte zu der Zeit bereits, zunächst von Leipzig aus, die „Patriotische Plattform“ hochgezogen, die sich später im völkisch-nationalistischen Flügel auflöste. Für die Aussicht auf einen Platz im Parlament wurde Tillschneider das, was man in der Partei eher abschätzig als „Mandatstourist“ bezeichet, er zog um. Auch Schuster, der vormals in Leipzig ein Langzeitstudent war, unter anderem Politikwissenschaft studiert und letztlich als Verwaltungswirt abgeschlossen hat, wechselte ins Nachbarbundesland, direkt in die Landeshauptstadt Magdeburg.
Von Magdeburg nach Dresden
Die Stelle gefiel dem 43-Jährigen, die Stimmung auf den Fraktionsfluren war ganz nach seinem Geschmack, er nannte sie „ausgelassen hitleristisch“. Offenbar versuchte Schuster schon bald, weitere Gesinnungsgenossen aus dem extrem rechten Verbindungsmilieu mit Anstellungen bei der AfD zu versorgen und damit „alle neuralgischen Positionen mit zuverlässigen Leuten“ zu besetzen, wie er in einem Chat schrieb. So kam mindestens ein weiterer Germane ab dem Sommer 2016 bei der Fraktion unter und zog ebenfalls nach Magdeburg: Hannes Jürgen Rother. Auch er hatte zuvor in Leipzig studiert, zuletzt Journalistik. Und auch ihm gefiel der Job im Parlament, bald trat er der AfD bei. Zu dieser Zeit waren die Terrorplanungen der Germanen hochaktuell. Rother, ebenfalls ein Bundeswehr-Reservist, war darüber von Anbeginn voll im Bild und machte mit.
Es war dem 31-Jährigen förderlich, außerdem bei der AfD mitzumischen und Stallgeruch anzunehmen. In der sachsen-anhaltischen Fraktion brachte er es so in relativ kurzer Zeit von einer studentischen Aushilfskraft über die Pressestelle bis ins Büro des Parlamentarischen Geschäftsführers Robert Farle, das er zuletzt leitete. Gemeinsam mit Schuster hob er für die Partei auch mehrere Vorfeldvereine aus der Taufe. Offenbar zieht es Rother aber inzwischen wieder nach Sachsen zurück. Unterlagen der sächsischen AfD-Fraktion zufolge, die idas zugespielt wurden, bewarb sich Rother im Spätsommer 2019 in Dresden. Das war unmittelbar vor der sächsischen Landtagswahl, bei der die Partei ein Rekordergebnis erzielen und danach das Landtagspersonal kräftig aufstocken konnte.
In einem umfangreichen Bewerbungsschreiben bekundete Rother damals Interesse an einer Verwendung in der Fraktions-Pressestelle in Dresden und wandte sich dafür an Andreas Harlaß, den langjährigen Pressesprecher des hiesigen Landesverbandes und der Landtagsfraktion, sowie an den Fraktionsgeschäftsführer Bernd Lommel, der zugleich im Dresdner Stadtrat stellvertretender Fraktionschef ist. Bei Harlaß und Lommel warb Rother nicht nur mit seiner Berufserfahrung, die er in Magdeburg sowie bei mindestens einer Fortbildung der AfD-Bundestagsfraktion gesammelt hat, sondern auch mit seiner Mitgliedschaft in der Germania.
Interesse an „paramilitärischen Verbänden“
Rothers Wechsel war wohl länger vorbereitet, denn was in Dresden einging, war keine Initiativbewerbung. Vielmehr nahm er in seinem Anschreiben an Lommel und Harlaß Bezug auf „unser zuvorkommendes Gespräch“, das im Januar 2019 stattgefunden haben soll. Offen ist, bei welcher Gelegenheit man miteinander gesprochen hat. Es waren damals äußerst turbulente Tage für die Partei gewesen: In Riesa traf man sich zu einem großen Europa-Parteitag, demonstrierte Einigkeit. Nur wenige Tage später trat in Sachsen-Anhalt André Poggenburg, der langjährige Fraktionsvorsitzende und damit der oberste Chef der beiden Germanen Schuster und Rother, aus der Fraktion und der Partei aus. Der Verfassungsschutz setzte nach und gab bekannt, dass die AfD fortan als „Prüffall“ behandelt wird.
Das war dann, ganz ungeplant, das große Thema bei der traditionellen „Winterakademie“ des Instituts für Staatspolitik um den neurechten Publizisten Götz Kubitschek. Sein Stargast war Alexander Gauland. Rother hatte früher bereits an Kubitschek-Veranstaltungen teilgenommen. In einem Chat mit Schuster schilderte er ein persönliches Treffen, das im September 2015 stattfand. „Götz [Kubitschek] baut übrigens bereits an paramilitärischen Verbänden“, schrieb Rother und meinte damit mutmaßlich die damals noch junge Identitäre Bewegung.
Ihrer wollte sich die Germania offensichtlich auch in Leipzig bedienen, tatsächlich gab es mindestens ein gemeinsames Treffen. Rother schlug Schuster vor, „die Ortgruppe Leipzig zu übernehmen und daraus ein neues Zeitfreiwilligenregiment aufzubauen“. So hießen konterrevolutionäre Verbände in der frühen Weimarer Republik, die sich maßgeblich aus nationalistischen Studentenverbindungen – inklusive der Germania – rekrutierten und die in Leipzig zu Tausenden am Kapp-Putsch teilnahmen, auf Seiten der Republikfeinde. Aus diesem Gespräch von Schuster und Rother gingen dann die Planungen hervor, etwas ähnliches zu schaffen, aus der Burschenschaft heraus eine Prepper-Gruppe aufzubauen, an Schusswaffen zu trainieren und sie sich selbst zuzulegen.
Schon mehrere gelunge Wechsel
Unklar ist unterdessen, was aus Rothers Bewerbung in Dresden wurde. Offiziell angestellt wurde er offenbar nicht, sein Name ist im Landtag nirgends zu finden. Allerdings kam ein Kollege Rothers zum Zuge, der sich beinahe zeitgleich und mit einem ziemlich ähnlichen Schreiben bewarb: Ben Niclas Berressem. Der 31-Jährige ist ebenfalls ein Verbindungsstudent, er kommt aus der Marburger Burschenschaft Germania, die enge Kontakte in die Leipziger Verbindungsszene pflegt. Und er kennt die braune Stimmung auf den Fraktionsfluren, von der Schuster schwärmt, nur allzu gut.
Seit Frühjahr 2017 hat Berressem für die sachsen-anhaltische Landtagsfraktion gearbeitet, als Referent für Bildung, Kultur und Wissenschaft. Ende 2019 gelang ihm schließlich der erhoffte Wechsel nach Dresden, seitdem ist er dort parlamentarischer Berater der AfD-Fraktion. Das war offenbar auch möglich mit der Hilfe eines namhaften Fürsprechers: Felix Menzel, der lange selbst für Kubitschek gearbeitet hat und die „Blaue Narzisse“ herausgibt, für die Berressem schrieb.
Auch Menzel ist in Burschenschafterkreisen aktiv. Erst im Herbst vergangenen Jahres hielt er einen Vortrag in Leipzig, natürlich bei der Germania. Er ist heute Pressereferent der sächsischen AfD-Fraktion und hat damit genau den Job bekommen, den Rother gern gehabt hätte. Vielleicht hat er in der Zukunft noch Chancen: Mit Bodo Walther gelang inzwischen einem weiteren Mitarbeiter aus Magdeburg der fliegende Wechsel nach Sachsen.