Prominenter Neuzugang bei den Mitarbeiter*innen der sächsischen AfD-Fraktion: Der neurechte Publizist Felix Menzel ist dort seit Beginn der Wahlperiode als Pressereferent angestellt. Zudem berät neuerdings ein Bekannter Menzels die Abgeordneten, Ben Niclas Berressem.
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Die Freie Presse berichtete am Dienstag zuerst über die schillernde Personalie. Demnach verstärkt der 34-jährige Felix Menzel seit kurzem das „Medienteam“ der AfD-Landtagsfraktion, also deren Pressestelle. Aufmerksame Beobachter*innen konnten damit rechnen. Nachdem Anfang November vergangenen Jahres der Innen- und der damalige Justizminister im Landtag eine Pressekonferenz zum „Linksextremismus“ abhielten, setzte die AfD-Fraktion eine Pressemitteilung ab: Was das Land gegen die „terroristisch agierende Antifa“ unternehme, reiche hinten und vorne nicht aus. „Die AfD fordert deshalb eine landesweite Bekämpfung der Antifa mit allen Mitteln“, wurde im Namen des Fraktionsvorsitzenden Jörg Urban mitgeteilt.
Der hatte die Pressekonferenz gar nicht besucht. Im Publikum saß vielmehr Menzel und schrieb eifrig mit (siehe Foto). Künftig soll er die Pressearbeit der Fraktion umkrempeln. So berichtet es die Freie Presse, die sich auf Eigenangaben Menzels stützt. Der sei „in rechten Kreisen kein Unbekannter“, heißt es in dem Artikel.
Neurechter Multi-Aktivist
Aber das ist untertrieben, Menzel ist einer der zentralen Publizisten der Neuen Rechten. Bereits 2004 initiierte er in Chemnitz, wo er aufwuchs, die „Blaue Narzisse“, die ursprünglich als Schüler*innenzeitung konzipiert war und heute noch als Blog existiert. Daneben erschienen etliche Artikel aus Menzels Feder unter anderem in der Wochenzeitung Junge Freiheit, im Querfrontmagazin Compact und in den Burschenschaftlichen Blättern.
Jahrelang gefördert wurde er durch den Verleger Götz Kubitschek, der Leitfigur im neurechten Spektrum. Auf dessen Geheiß und teils gegen Geld organisierte Menzel beispielsweise eine Veranstaltungsreihe („Zwischentage“), die als neurechte Vernetzungs-Messe diente, und befüllte eine ausländerfeindliche Website mit dem vielsagenden Titel „Deutsche Opfer – Fremde Täter“. Wiederholt referierte er beim Institut für Staatspolitik (IfS). Und er war als Protagonist bei Kubitscheks „konservativ-subversiver Aktion“ dabei, die das aktionistische Profil der späteren Identitären Bewegung vorwegnahm.
Nachdem er in Sachsen-Anhalt studiert und eine Auszeit im irischen Robertstown genommen hatte, tauchte Menzel in Dresden wieder auf. Dort initiierte er im Sommer 2013 das „Zentrum für Jugend, Identität und Kultur“, inspiriert von neofaschistischen Hausprojekten in Italien („Casa Pound“). Als Praktikant im Zentrum tätig wurde Philip Stein, der heute eine Führungsfigur der Initiative „Ein Prozent“ ist und den in Dresden ansässigen neofaschistischen Jungeuropa-Verlag leitet.
Das jüngste Menzel-Projekt heißt „Recherche Dresden“, ist eine Zeitschrift mit angeschlossener „patriotisch-konservativer Denkfabrik“ für Wirtschaftsfragen. Durch sie vermarktet sich Menzel selbst – als vorgeblich unabhängiger Berater. Herausgeber ist der gleiche Verein, der auch die Blaue Narzisse trägt.
Keine Berührungsängste mit Neonazis
Menzel ist nicht nur ein rechter Kopfarbeiter, sondern seit seiner Jugend in organisiert. So war er unter anderem tätig als Gruppenführer des bündischen „Freibund – Bund Heimattreuer Jugend“. Er gehörte dem Allgemeinen Pennälerring an und war Sprecher der maßgeblich durch ihn betriebenen pennalen Burschenschaft Theodor Körner, die zeitweise ein Prüffall des sächsischen Verfassungsschutzes war. Das Chemnitzer Umfeld der Blauen Narzisse ist bis heute eng verbunden mit der extrem rechten Lokalpartei Pro Chemnitz um Martin Kohlmann.
Zu solchen Kreisen hat Menzel keine Berührungsängste, auch nicht zu weiteren Neonazis. So nahm er 2010 an einem Seminar des NPD-eigenen „Bildungswerk für Heimat und nationale Identität“ teil. Im Dezember 2011 war er angekündigt als Redner bei der Weihnachtsfeier des Wartburgkreisboten, einem neonazistischen Werbeblättchen um den NPD-Funktionär Patrick Wieschke. Über die Gastgeber kann sich Menzel nicht getäuscht haben, denn zum Rahmenprogramm gehörte ein Auftritt der Rechtsrock-Band Sleipnir.
Zu Menzels Bekanntenkreis zählen frühere Mitglieder der verbotenen Nationalen Sozialisten Chemnitz, darunter Benedikt Kaiser und Eric Fröhlich. Fröhlich, der außerdem dem NSU-Umfeld zugerechnet wird, wirkte unter Pseudonym an einem Buch mit, das in der Schriftenreihe der Blauen Narzisse erschienen ist. Es dreht sich um Josef Kneifel, den Pro Chemnitz mit der Ehrenbürgerschaft auszeichnen will. Kneifel ist bekannt als der „Panzersprenger von Chemnitz“, der einzige Rechtsterrorist der DDR, ein Hitler-Verehrer.
Braunes aus der Pressestelle
Von nichts davon hat sich Menzel je distanziert. Man mag kaum raten, was von alledem ihn zum Pressereferenten qualifiziert, als der er jetzt für die AfD im Landtag arbeitet. Die Pressestelle ist eine Schaltzentrale der Fraktion, im Verlauf der letzten Jahre war sie schrittweise verstärkt worden und zuletzt mit sechs Stellen besonders üppig ausgestattet. Das ist weit mehr Personal, als es bei anderen Fraktionen üblich ist. Dem Vernehmen nach ist ein weiterer Ausbau beabsichtigt.
Offizieller Fraktionssprecher ist seit 2014 Andreas Albrecht Harlaß, ein ehemaliger Redakteur der Dresdner BILD-Ausgabe. Seit einigen Jahren fällt er immer wieder durch rechte Provokationen auf. Mal zeigte er sich auf seinem Facebook-Profil in „Thor Steinar“-Kleidung, mal präsentierte er dort einen Julleuchter, Weihnachtsdekoration der SS. Fotos zeigen, dass in seinem privaten Wohnzimmer eine sogenannte Schwarze Sonne an der Wand prangt, eine Hakenkreuz-Variation, wie sie im ehemaligen Obergruppenführersaal der Wewelsburg zu sehen ist.
Weitere Fotos zeigen Harlaß mit einem Hemd, auf dem ein Signet der „Artamanen“ gestickt ist, die in der Weimarer Republik völkische Siedlungsprojekte verfolgten und später in die Hitlerjugend eingegliedert wurden. Heute wird das Logo durch die rassistische Artgemeinschaft verwendet. Nach dem antisemitischen Attentat in Halle veröffentliche Harlaß auf seiner Facebook-Seite einen Beitrag, in dem behauptet wurde, dass der Täter Stephan Balliet zum Islam konvertiert sei. Das war frei erfunden.
Zu Harlaß’ Eskapaden steht der Erfolg der von ihm gesteuerten Öffentlichkeitsarbeit in keinem nachvollziehbaren Verhältnis. Zwar entstehen im Namen der Abgeordneten Pressemitteilungen wie am Fließband, so viele, dass einige nicht einmal eine Rechtschreibkontrolle durchlaufen. Aber davon wird in der Presse für gewöhnlich wenig aufgegriffen, manches entpuppt sich sowieso als Ente. Nach wie vor wird die AfD meist dann thematisiert, wenn es um sie selbst geht.
Dagegen gelingt es kaum, die Facharbeit der Abgeordneten nach außen zu transportieren. Viel Material kursiert am Ende nur auf den fraktions- und parteieigenen Profilen in sozialen Netzwerken. Menzel, so deutet es die Freie Presse, sieht man in der Fraktion nun als einen Macher, der „neue Schlagkraft in der Öffentlichkeitsarbeit“ erzeugt.
Jahrelange Annäherung
Menzels Engagement zugunsten der AfD hat eine lange Vorgeschichte. Bereits im Februar 2014 trat er bei einem Stammtisch des Kreisverbandes Mittelsachsen auf, zwei Jahre später erneut bei einer ähnlichen Zusammenkunft des Kreisverbandes Zwickau. Damals, im Jahr 2016, veröffentlichte die Blaue Narzisse auch ein Interview mit dem damaligen Bundesvorsitzenden der Jungen Alternative, Markus Frohnmaier. Der arbeitete zu dieser Zeit gerade als Presseberater für Frauke Petry und wurde teils aus Mitteln der Fraktion bezahlt.
Für die bayrische Junge Alternative trat Menzel 2018 als Redner bei deren „Konservativismus Kongress“ auf. Im gleichen Jahr wurde er auf der Website der sächsischen AfD-Fraktion beiläufig als „Mitarbeiter eines AfD-Landtagabgeordneten“ bezeichnet. Menzel, muss man wissen, ist Mitgründer des AfD-nahen „Verein gegen politischen und religiösen Extremismus in Sachsen“, der sich vorgeblich für ein „extremismusfreies Sachsen“ einsetzt und sich kurz ExFreiSa nennt. Initiator dieses Vereins ist der Gebrauchtwagenhändler und Landtagsabgeordnete Carsten Hütter.
Als ebenfalls 2018 ein Vortrag Menzels in Dresden abgesagt wurde, ließ ein anderer Abgeordneter, der Berufssoldat André Wendt, eine Pressemitteilung aussenden, in der er auf vermeintliche Linksextremisten schimpfte, weil sie die Veranstaltung verhindert hätten; Antifaschist*innen bezeichnete er darin die „neuen, roten ‚Nazis‘“. Und im Mai 2019 referierte Menzel in Meißen auf Einladung von Thomas Kirste, der wenig später in den Landtag einzog, zum Thema „Fachkräftesicherung ohne Masseneinwanderung“. Hütter und Kirste haben ihre Wahlkreise im Raum Meißen, wo Menzel inzwischen mit Frau und Kindern wohnt.
Bei Vorträgen in anderen Bundesländern gab er übrigens schon vor der jüngsten Landtagswahl an, als politischer Berater tätig zu sein, und zwar unter anderem für die sächsische AfD-Landtagsfraktion. Falls das stimmt, arbeitet er der Fraktion schon viel länger zu als bisher bekannt. Das enger werdende Verhältnis von AfD und Blauer Narzisse spielt so oder so eine Rolle für Verfassungsschutzbehörden, die derzeit prüfen, inwieweit einzelne Gliederungen oder gar die Partei als Ganzes verfassungsfeindlich sind. In einem dazu gefertigten Dossier des Bundesamtes für Verfassungsschutz, das vor rund einem Jahr publik wurde, taucht die Blaue Narzisse mehrfach auf. Menzel ist namentlich verzeichnet.
Aggressive Kampagne gegen die Justizministerin
Bei allen Risiken: Aus AfD-Sicht hat sich Menzels Einsatz für die Fraktion bereits gelohnt. Anfang des Jahres startete sie eine frontale Kampagne gegen die neue sächsische Justizministerin Katja Meier von den Grünen, weil sie vor mehr als 20 Jahren in einer Punkband spielte. Das war längst bekannt. Doch nach den Silvesterereignissen in Leipzig ließ sich ein ebenfalls bereits bekannter Songtext wie „Advent, Advent, ein Bulle brennt“ gut skandalisieren. „Nie gab es eine so große Empörung bei den sächsischen Bürgern“, lobt sich Menzel selbst.
Die AfD versucht nun krampfhaft und bisher ohne weitere Belege, Meier eine „linksextreme Vergangenheit“ anzudichten. Inwieweit es sich um „Wirkungstreffer“ handelt, von denen die Freie Presse spricht, mag dahinstehen. Zu der Serie von Pressemitteilungen, die zu dem Thema durch die Fraktion ausgesandt wurden, gehört auch ein umfangreicher „Fragenkatalog“ an Meier, der sich wie ein schlechtes Verhör liest: „Wie viele Demonstrationen besuchten Sie in Ihrem Leben, bei denen auch vom Verfassungsschutz als linksextrem eingestufte Organisationen beteiligt waren?“, will die Fraktion von ihr wissen. Und auch, ob sie bei irgendeiner Demo mal frühere Mitglieder ihrer Punkband traf.
Die AfD besteht auf Antworten, denn „wer an seine politischen Gegner hohe moralische Ansprüche stellt, kann sich nicht wegducken, wenn es um die eigene Person geht.“ Bei diesem Satz hätte Menzel an sich selbst denken können. Dass er sich ausgerechnet an den Grünen abarbeitet, hat nämlich einen faden Beigeschmack: Das Landgericht Dresden hat ihm rechtskräftig wegen Beleidigung eine Geldstrafe aufgebrummt. Er hatte die Grünen-Bundespolitikerin Claudia Roth als „fette Qualle“ bezeichnet. Menzel ist ein verurteilter Straftäter.
Weiterer neurechter Aktivist in der Fraktion
Auf den Landtagsfluren wird er nicht einsam sein. Der Freien Presse sagte er, dass eine „deutlich zweistellige Zahl“ seiner Gesinnungsgenossen bundesweit bei AfD-Abgeordneten untergekommen sei. Auch in der sächsischen AfD-Fraktion sei er „nicht der Einzige mit einer Vergangenheit bei der ‚Blauen Narzisse‘“.
Damit ist nach idas-Informationen Ben Niclas Berressem gemeint. Seit Dezember vergangenen Jahres ist der Marburger, Jahrgang 1987, Fraktionsberater. Er wurde ordentlich akkreditiert und hat jetzt Zugang zu allen regulären Ausschüssen, die in der Regel unter Ausschluss der Öffentlichkeit tagen.
Auch Berressem hat eine einschlägige Vergangenheit. Er ist Alter Herr der Burschenschaft Germania in Marburg und gehört zudem der völkisch-nationalistischen Burschenschaftlichen Gemeinschaft (BG) an. Beim Burschentag 2012 in Eisenach marschierte er mit einer Fackel auf. Ende 2018 nahm er in Marburg an einer Veranstaltung des Jungeuropa-Verlags von Menzels Mitstreiter Philip Stein teil.
Schon seit einigen Jahren bewegt sich Berressem offiziell im AfD-Umfeld, er ist Beisitzer der parteinahen Friedrich-Friesen-Stiftung in Sachsen-Anhalt. Seit April 2017 arbeitete er für die dortige AfD-Fraktion im Magdeburger Landtag. Inzwischen hat er einen Doktortitel erworben. In den Sächsischen Landtag könnte er aufgrund seiner Bekanntschaft mit Menzel gelangt sein – früher schrieb er für dessen Blaue Narzisse. Menzel zeichnete ihn sogar mit dem selbst erdachten „Rainer-Maria-Rilke-Jugendkultur-Preis“ aus.