Heikler Neuzugang bei der AfD im sächsischen Landtag: Ab sofort arbeitet Bodo Walther im Parlament. Er ist Funktionär des Kreisverbandes im Landkreis Leipzig, aus dem wiederholt antisemitische Töne zu hören waren. Erst vor wenigen Tagen ließ ihn die Fraktion akkreditieren – als parlamentarischer Berater erhält er jetzt Zugang zu allen Fachausschüssen.
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Antisemitische Ausfälle
Offiziell als Mitarbeiter ausgewiesen wird Bodo Walther bei der Fraktion nicht. Die Personalie ist offenbar heikel, weil Walthers Kreisverband in jüngster Zeit wiederholt schlechte Schlagzeilen produziert hat. Auf der zugehörigen Facebook-Seite ist im Februar ein antisemitisches Video verbreitet worden. Vor zwei Wochen wurde an gleicher Stelle behauptet, dass die Corona-Pandemie „künstlich geschaffen“ worden sei. Bei einer Kundgebung am 1. Mai in Borna äußerten sich außerdem zwei Mitglieder des Kreisvorstands, Rainer Kanthack und Matthias Heinich, vor laufender Kamera eindeutig judenfeindlich.
Das Video wurde wieder gelöscht, die Entfernung des wirren Corona-Textes hat der AfD-Landesvorstand erzwungen. Zu den antisemitischen Ausfällen der beiden Funktionäre ließ die Partei nichts verlauten. Auch in den anderen Fällen wurde auf eine Distanzierung bislang verzichtet. Solche Nachsicht verwundert, zum Vergleich: Gegen den Bundestagsabgeordneten Frank Pasemann – der mit Walther bekannt sein dürfte – wird ein Parteiausschlussverfahren angestrengt, nachdem er sich antisemitisch geäußert hat.
Zumindest für die ausbleibende Abgrenzung ist Walther als gewähltes Mitglied im Kreisvorstand mitverantwortlich, er fungiert dort als Schriftführer und Pressesprecher. Medienanfragen hat er wiederholt nicht beantwortet, denn sie erinnerten ihn an „nachrichtendienstliche Befragungen“, die er in der DDR erleiden musste, heißt es auf der Website des Kreisverbandes. Walther will unter anderem nicht preisgeben, wer die Facebook-Seite seines Verbandes betreibt. Dass er zu seinen Vorstandskollegen hält, ist nicht verwunderlich. Mit Jörg Dornau, der für die AfD im Landtag sitzt, gehört der stellvertretenden Kreisvorsitzende nun zu seinen Arbeitgebern.
Vom Gemüsebau zur AfD
Walther, 1960 in Weißenfels geboren, ist gelernter Gemüsebauer und studierter Jurist. Nach der Wende war er kurz beim Kommunalen Sozialverband Sachsen angestellt, wechselte dann als Beamter ans Landesverwaltungsamt im sachsen-anhaltischen Halle, vorübergehend war er zur Landesdirektion in Leipzig abgeordnet. Von 2006 bis 2010 leitete er das Verwaltungsamt der Verwaltungsgemeinschaft Saaletal, deren Gemeinden später nach Weißenfels eingemeindet wurden. Ganz in der Nähe, im Örtchen Lobitzsch, lebte er lange Zeit.
Warum seine Laufbahn als Landes- und Kommunalbeamter vorzeitig endete, ist unklar. Ab 2010 arbeitete er als Rechtsanwalt, zunächst kurzzeitig bei zwei Kanzleien im hessischen Marburg und in Konstanz am Bodensee. Ab 2014 wurde er in Leipzig für die Kanzlei Braun & Zwetkow tätig, die unter anderem auf Vergaberecht spezialisiert ist. Auf der Kanzleiwebsite wurde sein Name allerdings schon vor geraumer Zeit gelöscht.
Parallel brachte er sich in der sachsen-anhaltischen AfD ein. Für die Partei wollte er vor rund vier Jahren Bürgermeister in der Verbandsgemeinde Droyßiger-Zeitzer Forst werden, die im südlichen Zipfel des Bundeslands liegt, dort, wo Walther nie gewohnt hat. Im ersten Wahlgang erhielt er lediglich rund 15 Prozent der Stimmen und schied damit aus dem Rennen um den hauptamtlichen Posten aus.
Mitarbeiter in Magdeburg
Walther stieg in der Landespartei auf, brachte es zum Vorsitzenden des Landesschiedsgerichts in Sachsen-Anhalt. Das war kaum bekannt, bis er im Frühjahr 2017 überraschend zurücktrat und damit ein nicht mehr arbeitsfähiges Gremium und ratlose Parteifreund*innen zurückließ. Unter ihnen war der damalige Landes- und Fraktionschef André Poggenburg, den Walther als Anwalt vertrat und mit dem er gemeinsam Parteiveranstaltungen bestritten hat.
Zu dieser Zeit eskalierte aber ein innerparteilicher Machtkampf. Poggenburg witterte Umsturzpläne gegen sich, wollte mit Amtsenthebungen und Ausschlussverfahren gegen Kritiker*innen vorgehen sowie bereits erledigte Wahlen neu abhalten lassen – eine umfassende Flurbereinigung, für die Poggenburg das Landesschiedsgericht benötigt hätte. In dieser Situation zog sich Walther zurück. Möglicherweise war ausschlaggebend, dass er sich genau in dieser Phase, in der die Fetzen flogen, um einen Listenplatz für die Bundestagswahl 2017 beworben hat, aber leer ausgegangen ist, anders als etwa Frank Pasemann.
Walther begründete seinen Rückzug wenig später mit einem Interessenkonflikt: Das Parteiamt könne er nicht mehr unabhängig ausüben, da er zugleich für die AfD-Landtagsfraktion arbeitet. Dort, wo Poggenburg später geschasst wurde, hatte Walther Ende 2016 einen Beratervertrag erhalten. Er war seitdem für die Fraktion in einem Untersuchungsausschuss tätig, den die AfD eingesetzt hat. Das Gremium soll untersuchen, ob das landeseigene Finanzministerium bei der Beauftragung von Beratungsdienstleistungen gegen Rechtsvorschriften verstoßen und etwa Ausschreibungen unterlassen hat.
Als Kommunalpolitiker in Markranstädt
In dem Ausschuss machte Walther im Frühjahr 2018 von sich reden, diesmal mit einem echten Interessenkonflikt. Zu juristischen Detailfragen ließen die Abgeordneten damals ein Rechtsgutachten beauftragen und folgten dem Vorschlag der AfD, damit nicht etwa Landtagsjurist*innen, sondern die Leipziger Kanzlei Braun & Zwetkow zu betrauen. Es war Walther, der die Kanzlei ins Spiel gebracht hat. Seinem Arbeitgeber soll er zunächst nicht offenbart haben, dass er mit genau dieser Kanzlei selbst verbandelt ist. Danach wurde es ruhig um Walther. Erst rund ein Jahr später nahm man wieder Notiz von ihm, als er Pressesprecher des Kreisverbandes im Landkreis Leipzig wurde.
Er wohnt auch selbst im Kreisgebiet, in Markranstädt, westlich von Leipzig. Im Markranstädter Stadtrat sowie im Kreistag leitet er inzwischen die kommunalen Fraktionen der AfD. Kontakte zur sächsischen Partei hatte der Katholik schon früher geknüpft, beispielsweise, als er 2017 in den Vorstand des damals neu gebildeten Regionalverbandes Mitteldeutschland der „Christen in der AfD“ gewählt wurde. Mit ihm in den Vorstand zogen unter anderem Ulrich Oehme und Jörg Kühne ein. Oehme wurde wenig später Bundestagsabgeordneter – eine Bekanntschaft, die Walther nicht geschadet hat. Vielmehr wurde er 2018 durch den Bundestag in den Beirat der Stasi-Unterlagenbehörde gewählt, natürlich auf Vorschlag der AfD.
Kühne wiederum sitzt heute im Dresdner Parlament, an Bodo Walthers neuem Arbeitsort. Er ist nicht der erste Mitarbeiter, der aus dem sachsen-anhaltischen in den sächsischen Landtag wechselt. Seit Ende 2019 arbeitet hier bereits Ben Niclas Berressem, ebenfalls als parlamentarischer Berater.