Presseschau, 19. Kalenderwoche 2020

Corona-Proteste, Aussprache zur Dresdner Erklärung, Austritt in Chemnitz, gegen Inklusion in Döbeln, neues Büro in Reichenbach, Freispruch für Petry, Rücktritt in Plauen, mehr Geld in Pirna, Schweigen zum Flügel, Rotstift in Bautzen, Lüth außer Dienst, Abstimmungs-Niederlagen im Bundestag, Sayn-Wittgenstein meldet sich zurück, Relativierung zum 8. Mai, Kemmerich-Auftritt, Anrgiffe auf Journalist*innen. Das war diese Woche wichtig:


In der Presseschau informiert idas jeden Sonntag über lesenswerte Medienberichte und Recherchen rund um die AfD, die im Laufe der Woche erschienen sind.



Flügelstutzen

Der verfassungsfeindliche Flügel war (und ist) nicht nur im Osten stark. Auch in Westverbänden der AfD haben sich die Anhänger*innen der völkisch-nationalistischen Strömung teils klandestin organisiert. Einblicke hinter die „bürgerliche“ Fassade in Niedersachsen bieten ausführliche Recherchen, die nun auf einer eigenen Website erschienen sind.
 


AfD in Sachsen

Die sächsische AfD hat sich auch in dieser Woche an verschiedenen Protestveranstaltungen gegen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie beteiligt und sie teilweise selbst organisiert.

    • So fand am Montag in Freiberg (Landkreis Mittelsachsen) eine Kundgebung statt, Veranstalter waren die beiden AfD-Landtagsabgeordneten Romy Penz und Rolf Weigand.
    • Am Mittwoch folgte eine Versammlung in Pirna (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge), angemeldet durch den Stadtrat Tim Lochner. Anwesend waren auch die AfD-Landtagsmitglieder Jan Zwerg, André Barth und Ivo Teichmann. Zu ihnen gesellte sich der AfD-Kreisrat und Polizist Steffen Janich, der die örtliche Protestserie angestiftet hatte. Am Rand kam es erneut zu Auseinandersetzungen mit der Polizei.
    • In Stollberg (Erzgebirgskreis) fand am Freitag eine Kundgebung der AfD statt, es nahmen unter anderem der Kreisvorsitzende Thomas Dietz, der Landtagsabgeordnete und Polizist Lars Kuppi und der Bundestagsabgeordnete Ulrich Oehme teil. Am gleichen Tag gab es einen „Spaziergang“ in Kamenz (Landkreis Bautzen), den der AfD-Bundestagsabgeordnete Karsten Hilse als Eilversammlung angemeldet hat. Im nahegelegenen Bischofswerda führten zwei AfD-Stadträte eine ähnliche Versammlung an, die später durch die Polizei aufgelöst wurde.
    • Am Sonnabend wurde ein AfD-Infostand des örtlichen Kreisverbandes zum Anlaufpunkt einer Versammlung in der Stadt Bautzen, an den sich ein unangemeldeter Demonstrationszug anschloss. Anwesend war wieder der Abgeordnete Hilse. In einer Rede behauptete er: „Die Corona-Toten sind erstunken und erlogen. Jeder, der angeblich deswegen gestorben ist, wäre sowieso bald gestorben.“ Auch in Plauen (Vogtlandkreis) gab es einen unangemeldeten „Spaziergang“. Daran beteiligten sich unter anderem Neonazis und Anhänger*innen der Partei „Der III. Weg“. Mit dabei war der AfD-Landtagsabgeordnete Ulrich Lupart. Am gleichen Tag fand eine Kundgebung in Schwarzenberg (Erzgebirgskreis) statt. Angemeldet wurde sie durch das Stadtratsmitglied Jens Döbel – bekannt als Pegida-Galgenbauer – von den „Freien Bürgern Schwarzenberg“. Als Redner trat unter anderem der AfD-Landtagsabgeordnete Thomas Thumm auf. Anwesende blockierten derweil eine angrenzende Bundesstraße, woraufhin die Versammlung abgebrochen wurde. Die Polizei drängte Personen, die sich teils widersetzten, von der Straße. In der Landeshauptstadt Dresden trafen sich schließlich erneut die sogenannten Corona-Rebellen am Großen Garten. Hier waren Stadtratsmitglieder und Funktionär*innen der AfD dabei.

(↪ FP, 04.05., ↪ FP, 05.05., ↪ Sächsische, 06.05., ↪ MDR, 06.05., ↪ DNN, 07.05., ↪ Sächsische, 08.05., ↪ FP, 08.05., ↪ Sächsische, 09.05., ↪ FP, 09.05., ↪ Sächsische, 09.05., ↪ FP, 09.05.)


Die sogenannte Dresdner Erklärung der sächsischen AfD, der sich namhafte Funktionär*innen und Mandatsträger*innen der Partei aus dem gesamten Bundesgebiet angeschlossen haben, ist am Dienstag zum Thema einer Sondersitzung der hiesigen Landtagsfraktion geworden. Ein Drittel der Abgeordneten hat die Flügel-freundliche Erklärung, die auch als Positionierung gegen den Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen verstanden werden kann, unterzeichnet. Zur Mehrheit, die das nicht tat, gehört Thomas Prantl, der die Sondersitzung beantragt hat. Nach Angaben der Freien Presse und der Sächsischen Zeitung ist die Kritik an der Erklärung allerdings nicht inhaltlicher Art. Vielmehr wurde bemängelt, dass vorab nicht alle AfD-Abgeordneten eingebunden worden sind, obwohl die Fraktionsspitze um Jörg Urban und Jan Zwerg mit ihren Unterschriften den Eindruck erweckt hat, die gesamte Fraktion stehe hinter der Erklärung. Zwischenzeitlich soll daher im Gespräch gewesen sein, sie um einen erläuternden Text zu ergänzen. Doch das wird nicht geschehen. Bei der Sitzung entschuldigten sich Urban und Zwerg für die „interne Kommunikation beim Zustandekommen“ der Erklärung – die Debatte gilt damit als beendet. In den vergangenen Tagen war die Erklärung nur noch sporadisch um neue Unterzeichner*innen ergänzt worden, zuletzt waren es rund 250 Namen. (↪ FP, 28.04., ↪ Sächsische, 04.05., ↪ FP, 05.05., ↪ Sächsische, 05.05.)


Das Chemnitzer Stadtratsmitglied Paul Günter Steuer, der Ende April seinen Austritt aus der AfD-Ratsfraktion erklärt hat, gehört auch der Partei nicht mehr an. Er will sein Mandat weiter als fraktions- und parteiloses Mitglied wahrnehmen, erläuterte er nun in einem Schreiben an die AfD-Fraktion. Sie schrumpft damit auf zehn Mitglieder und ist nur noch drittstärkste Kraft in dem Gremium. (↪ FP, 04.05.)


Die AfD hat sich im Stadtrat von Döbeln (Landkreis Mittelsachsen) gegen Inklusion an Schulen ausgesprochen. Sie funktioniere nicht und beeinträchtige die „Karriereperspektiven“ aller Kinder, behauptete AfD-Ratsmitglied Annemarie Reiche, die Inklusion mit Diskriminierung gleichsetzte. Ihrer Behauptung nach würden „Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf und Flüchtlinge, die noch nicht einmal die deutschen Sprache beherrschen, bevorzugt“. Anlass dieser Ausführungen war eine Debatte um die örtliche Schulnetzplanung, bei der unter anderem eruiert wird, wie viele Klassenzüge welche Schule künftig haben soll. Dabei stieß die AfD auf Widerspruch: Ein örtlicher Schulleiter nannte die Behauptungen „Quatsch“ und hielt der AfD-Ratsfrau vor, Inklusion und Integration nicht auseinanderhalten zu können. (↪ LVZ, 04.05.)


In Reichenbach (Vogtlandkreis) ist ein neues AfD-Büro eingerichtet worden. Es handelt sich um ein gemeinsames „Bürgerbüro“ des Landtagsabgeordneten Ulrich Lupart und des Reichenbacher Kreis- und Stadtratsmitglieds Danny Zeiner, gelegen in der Albertistraße 43. Pandemiebedingt fand noch keine offizielle Eröffnung statt. (↪ FP, 05.05.)


Der Bundesgerichtshof hat die Verurteilung Frauke Petrys wegen des Vorwurfs des fahrlässigen Falscheids aufgehoben und die ehemalige AfD-Bundes- und Landesvorsitzende damit rechtskräftig freigesprochen. Der gerichtliche Beschluss, der nun erst veröffentlicht wurde, ist bereits Mitte April ergangen. Es handelte sich um ein Revisionsverfahren, in dem Petry gegen das Urteil des Landgerichts Dresden vom April 2019 vorgegangen ist. Dort war sie zu einer Geldstrafe in einer Gesamthöhe von 6.000 Euro verurteilt worden. Das Verfahren drehte sich um falsche Angaben, die sie bereits 2015 – damals als Fraktionsvorsitzende – unter Eid vor dem Wahlprüfungsausschuss des Sächsischen Landtages gemacht haben soll. Laut BGH hätte sie dort aus rechtlichen Gründen weder unter Eid gestellt, noch in der Rolle einer Zeugin angehört werden dürfen. Daher habe sie auch keinen Falscheid leisten können, so die Begründung des Gerichts. Nicht zu bewerten war, inwieweit Petry tatsächlich gelogen hat. Durch den Wahlprüfungsausschuss war sie über Umstände der Listenaufstellung der sächsischen AfD im Vorfeld der Landtagswahl 2014 befragt worden. Im Kern ging es um eine Art Zwangsdarlehen, das Bewerber*innen für vordere Listenplätze abverlangt worden ist. Der bereits nominierte Kandidat Arvid Samtleben, der das geforderte Darlehen nicht gewährt hatte, ist damals von der Landesliste gestrichen worden. Ihm entging dadurch vermutlich ein lukratives Landtagsmandat. (↪ BGH, 06.05., ↪ Sächsische, 06.05., ↪ RND, 06.05.)


Der AfD-Kreisverband in Chemnitz hat derzeit 136 Mitglieder. Nach Angaben der Partei gab es im vergangenen Jahr insgesamt 25 Neueintritte, ihnen stehen 17 Austritte und zwei Todesfälle gegenüber. Im Vergleich mit den Kreisverbänden anderer Parteien fällt der erhebliche Männerüberschuss ins Auge: Nur 15 Prozent der Chemnitzer AfD-Mitglieder sind Frauen. (↪ FP, 07.05.)


Aus privaten und beruflichen Gründen hat Helmut Wotzlawek, bisher Mitglied im Stadtrat von Plauen (Vogtlandkreis), sein Mandat niedergelegt. Für ihn wird Stephan Schulze nachrücken, der Vize-Kreisvorsitzender der vogtländischen AfD war und erfolglos als Bürgermeister in der nahegelegenen Gemeinde Bergen kandidiert hat. (↪ FP, 07.05.)


Für die anstehende Wahl einer Oberbürgermeister*in in Chemnitz ist der 20. September als Termin des ersten Wahlgangs festgelegt worden. Ein zweiter Wahlgang könnte demnach am 11. Oktober erfolgen. Pandemiebedingt war der ursprünglich geplante Termin am 14. Juni nicht zu halten. Für die AfD kandidiert der Bundestagsabgeordnete Ulrich Oehme. (↪ FP, 07.05.)


Der Stadtrat von Pirna (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) hat mehrheitlich eine Erhöhung der Bezüge der Ratsmitglieder und der Fraktionsgelder beschlossen. Zugrunde lag ein gemeinsamer Antrag der Fraktionen von AfD, CDU, Freien Wählern und „Pirna kann mehr“. Als größte Fraktion wird die AfD am stärksten von der Erhöhung profitieren. Sie bedeutet für die Stadtkasse Mehrausgaben in Höhe von jährlich rund 73.000 Euro. Linke, Grüne und SPD votierten dagegen. (↪ DNN, 07.05.)


Die sächsische AfD verweigert Medien Auskünfte zur vorgeblichen Auflösung des verfassungsfeindlichen Flügels. Die völkisch-nationalistische Strömung um Björn Höcke hatte auf Verlangen des Parteivorstands zum 30. April das Ende ihrer Aktivitäten erklärt. Der sächsische Landeschef Jörg Urban, der als Flügel-Anhänger gilt, schlug dazu eine Interviewanfrage des MDR aus. Die von ihm angeführte Landtagsfraktion teilte mit, man werde zu „internen Vorgängen“ keine Stellung beziehen. Dort bekräftige man, dass sich der Flügel tatsächlich aufgelöst habe. Daran bestehen jedoch Zweifel: Wie das sächsische Innenministerium und das Landesamt für Verfassungsschutz mitteilen, lägen „derzeit keine gesicherten Erkenntnisse“ darüber vor, ob die Auflösung wirklich vollzogen wurde. Auch in Sachsen wird der Flügel nachrichtendienstlich beobachtet. Die Maßnahmen richten sich gegen „die Führungspersonen, Obleute und Anhänger“ der Strömung, die bundesweit als „rechtsextremistisch“ gilt. Trotz „Auflösung“ trat das Flügel-Netzwerk zuletzt wieder in Erscheinung – bei Protesten gegen die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. (↪ RBB, 05.05., ↪ MDR, 07.05.)


Die AfD-Fraktion im Stadtrat von Bautzen (Landkreis Bautzen) will dem Kulturzentrum „Steinhaus“ die Gelder kürzen. Der Fraktionsvorsitzende Sieghard Albert begründete das im Sozialausschusses des Gremiums damit, dass die Mittel an anderer Stelle benötigt werden. Die AfD hat in dem Zusammenhang einen Antrag angekündigt, die Mittel für die „Partnerschaft für Demokratie“, die vom Steinhaus aus koordiniert werden, „Wichtigerem zuzuleiten“ und in die „bedrohten Branchen Tourismus, Gastronomie und Handel“ umzulenken. Indes handelt es sich hier um zweckgebundene Mittel des Bundes, über die der Stadtrat gar nicht verfügen kann. (↪ Sächsische, 08.05.)

AfD rundherum

Der bisherige AfD-Pressesprecher Christian Lüth ist weiterhin „freigestellt“. Das hat die Bundestagsfraktion, für die Lüth tätig war, nun auf Empfehlung des Fraktionsvorstands beschlossen. Lüth, der sich seit 2013 um die Öffentlichkeitsarbeit der AfD kümmert, wurde kürzlich von seinen Aufgaben entbunden, weil er sich in Chatnachrichten selbst als „Faschist“ bezeichnet und sich seiner „arischen“ Abstammung gerühmt haben soll. Dem Vernehmen nach soll es weitere Vorwürfe gegen ihn geben. Noch nicht entschieden wurde, ob ihm endgültig gekündigt oder ihm eine andere Aufgaben („Anschlussverwendung“) zugewiesen wird. Die Freistellung soll zunächst bis zur Sommerpause fortgelten. Erwirkt hatte diesen Schritt der Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland. Ihm waren die kompromittierenden Chatnachrichten offenbar zugespielt worden, Lüth galt bisher als sein Vertrauter. Die Leitung der Fraktions-Pressestelle hat der bisherige Stellvertreter Marcus Schmidt übernommen, ein ehemaliger Redakteur der parteinahen Wochenzeitung Junge Freiheit. (↪ TAZ, 05.05., ↪ Spiegel, 06.05., ↪ TAZ, 06.05.)


Im Bundestag ist die AfD-Fraktion in dieser Woche gleich mit drei Personalvorschlägen gescheitert. Bereits zum dritten Mal in Folge wurde der sächsische Abgeordnete Karsten Hilse nicht zum Vizepräsidenten des Bundestags gewählt. Vor ihm waren bereits vier andere AfD-Abgeordnete gescheitert: Paul Podolay, Albrecht Glaser, Mariana Harder-Kühnel und Gerold Otten. Auch sie hatten in jeweils drei Wahlgängen nicht die erforderliche Zustimmung gefunden. Nunmehr ebenfalls abgelehnt wurde der Vorschlag der AfD für die Neubesetzung des Amts des parlamentarischen Wehrbeauftagten. Erfolglos ins Rennen geschickt worden war dafür der Abgeordnete Gerold Otten. Abgeblitzt ist schließlich auch die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld. Die AfD-Fraktion wollte die Parteisympathisantin, die nach eigenen Angaben kein Mitglied ist, ins Kuratorium des Deutschen Instituts für Menschenrechte (DIMR) wählen lassen. Das Institut überwacht unter anderem die Umsetzung von UN-Konventionen. (↪ Zeit, 07.05., ↪ Welt, 07.05.)


Die aus der Partei ausgeschlossene ehemalige Vorsitzende der schleswig-holsteinischen AfD, Doris von Sayn-Wittgenstein, übt offenbar weiter erheblichen Einfluss auf den Landesvorstand aus. Nach Recherchen der WELT hat der Vorstand, der noch keine Nachfolger*in für die geschasste Vorsitzende wählen ließ, kürzlich per E-Mail-Rundschreiben einen Beitrag Sayn-Wittgensteins an alle Mitglieder des Landesverbandes versendet – ohne Distanzierung, sondern gekennzeichnet als „wichtige Botschaft“. Die Ex-Vorsitzende verteigt sich darin gegen Vorwürfe, die gegen sie erhoben werden. Einer davon hatte im vergangenen Sommer zum Parteiausschluss geführt, den das Bundesschiedsgericht der Partei bestätigt hat. Demnach hatte Sayn-Wittgenstein, die zum Flügel gerechnet wird, für die Mitgliedschaft in dem geschichtsrevisionistischen Verein „Gedächtnisstätte“ geworben, der auch als ein Sammelpunkt für Holocaustleugner gilt. (↪ Welt, 07.05.)


Mit Äußerungen zum Tag der Befreiung am 8. Mai hat Alexander Gauland, Ehrenvorsitzender der AfD und Chef ihrer Bundestagsfraktion, für Empörung gesorgt. Man könne diesen Tag „nicht zum Glückstag für Deutschland machen“, sagte er auf Anfrage des Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Der Tag sei ambivalent: „Für die KZ-Insassen ist er ein Tag der Befreiung gewesen. Aber es war auch ein Tag der absoluten Niederlage, ein Tag des Verlustes von großen Teilen Deutschlands und des Verlustes von Gestaltungsmöglichkeit.“ Zwar gäbe es auch Positives am 8. Mai, „aber die in Berlin vergewaltigten Frauen werden das ganz anders sehen als der KZ-Insasse“. Andere Parteien und Verbände grenzten sich mit scharfen Worten von Gaulands Auffassungen ab und ordneten sie teils als Aufrechnung und Relativierung von NS-Verbrechen ein. Der Präsident des Zentralrats der Juden Josef Schuster sagte, mit der Betonung, der 8. Mai sei ein Tag der „absoluten Niederlage“ gewesen und habe große Gebietsverluste bedeutet, zeige Gauland, „wes Geistes Kind er ist“. Solche Ansichten seien unter Neonazis verbreitet. „Damit sollen die Deutschen vor allem als Opfer dargestellt werden. Ich empfinde das als geschichtsverzerrende Relativierung der NS-Verbrechen und verantwortungslos“, so Schuster. Im Nachgang erklärte AfD-Pressesprecher Bastian Behrens, es sei „die Position der Partei“, den 8. Mai „ambivalent“ zu sehen. Der Tag stehe auch für den Verlust eines Teil des deutschen Staatsgebiets und für „massive Verbrechen an der deutschen Zivilbevölkerung“. (↪ RND, 06.05., ↪ Tagesspiegel, 06.05., ↪ t-online.de, 07.05., ↪ RND, 08.05.)

Blauzone

Er ist wieder da: Der ehemalige thüringische Kurzzeit-Ministerpräsident Thomas Kemmerich (FDP), der Anfang Februar mit Hilfe der AfD ins Amt gewählt worden war und wenig später zurückgetreten ist, hat am Sonnabend an einer Versammlung in Gera teilgenommen, die sich gegen die Maßnahmen zur Pandemie-Eindämmung richtete. Es beteiligten sich mehr als 600 Personen, Abstands- und Hygieneregeln wurden dabei überwiegend missachtet. Kemmerich hielt eine Ansprache, auch er trug keinen Gesichtsschutz. Die FDP-Bundesspitze kritisierte die Teilnahme inzwischen. Vor Ort waren auch etliche Anhänger*innen der rechten Szene und der AfD, darunter der Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner. Die übrigen Demonstrierenden distanzierten sich nicht davon, dass aus der Versammlung heraus ein Holocaust-relativierendes Plakat mit einem Davidstern gezeigt wurde. (↪ OTZ, 09.05., ↪ RND, 10.05., ↪ MDR, 10.05.)

Hintergründe

Medienschaffende in Deutschland sind zunehmend von Anfeindungen betroffen. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung (IKG) an der Universität Bielefeld. Demnach gaben rund 60 Prozent der befragten Journalist*innen an, im vergangenen Jahr mindestens ein Mal angegriffen worden zu sein – das Spektrum reicht von Beleidigungen bis hin zu körperlichen Gewalttaten. Bei einer Vorgänger-Studie im Jahr 2017 waren es 42 Prozent gewesen. Aufschlussreich: Die meisten der befragten Journalist*innen gehen davon aus, dass die Anfeindungen aus dem rechten Spektrum kommen und auf konkrete politische Akteur*innen zurückgeführt werden können. Als Aggressor wird zu knapp zwei Dritteln – und damit am häufigsten – die AfD benannt. (↪ Tagesspiegel, 06.05., ↪ DLF, 06.05., ↪ DLF Nova, 06.05., ↪ Studie)