Sächsische AfD-Veranstaltungen als „rechtsextremistisch“ eingestuft

Der Flügel ist weiter aktiv: Hinter zwei AfD-Kundgebungen im Juni stand in Wirklichkeit das verfassungsfeindliche Parteinetzwerk, berichtet das Innenministerium und stützt sich auf Erkenntnisse des sächsischen Verfassungsschutzes. In beiden Fällen war der Neonazi Andreas Kalbitz zu Gast – sein nächster Auftritt wird gerade vorbereitet.

Sachsens Sicherheitsbehörden haben erstmals zwei Veranstaltungen der AfD offiziell als „rechtsextremistisch“ eingestuft. Das gab Innenminister Roland Wöller (CDU) nun bei der Beantwortung einer Landtagsanfrage der Linksfraktion bekannt (hier im Volltext). Betroffen sind Kundgebungen der Partei, die im Juni in Sebnitz (Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) und in Burgstädt (Mittelsachsen) mit jeweils 150 bis 200 Teilnehmer*innen stattfanden. Die Treffen werden dem völkisch-nationalistischen Flügel zugerechnet.

Anlass: zwei Kalbitz-Auftritte

Die ausdrückliche Einordnung geht auf Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz zurück. Offenbar geht die Behörde davon aus, dass das verfassungsfeindliche Netzwerk, das seit März als eine „erwiesene extremistische Bestrebung“ bundesweit beobachtet wird, seine Aktivitäten im Freistaat fortsetzt – trotz angeblicher Auflösung. Noch im Frühjahr hatte die gleiche Behörde angegeben, keine eigenen Erkenntnisse über Flügel-Aktivitäten zu haben.

Doch infolge der Entscheidung des Bundesvorstands, Andreas Kalbitz die Mitgliedschaft zu entziehen, beteiligten sich etliche Funktionär*innen und Mandatsträger*innen der sächsischen Landespartei an einer Solidaritätskampagne. Sie distanzierten sich nicht vom rechten Rand, sondern holten den derzeit parteilosen Flügel-Anführer gezielt für gemeinsame Auftritte nach Sachsen. Das geschah erstmals bei einer Kundebung am am 13. Juni in Sebnitz, eingeladen hatte der umliegende AfD-Kreisverband. Neben Kalbitz standen in der Kleinstadt das Bundestagsmitglied Jens Maier, der Landesvorsitzende Jörg Urban, sein Generalsekretär Jan-Oliver Zwerg und der Landtagsabgeordnete Ivo Teichmann auf der Bühne.

Ähnlich sah es knapp zwei Wochen später in Burgstädt aus, diesmal hatte die örtliche AfD-Stadtratsfraktion eingeladen. Neben Kalbitz hielt erneut Jens Maier eine Rede, der bis vor kurzem noch der offizielle Sachsen-„Obmann“ des Flügels war, zudem der Polizeibeamte Lars Kuppi. Er sitzt für die Partei im Landtag und hatte die Kundgebung angemeldet. Wegen der offensichtlichen Nähe zum Flügel wurde Kuppi daraufhin aus der Deutschen Polizei-Gewerkschaft ausgeschlossen.

Wahrer Veranstalter: der Flügel

Neu ist: Nach Annahme des Innenministeriums waren beide Kundgebungen nicht nur im Sinne des Flügels, sondern er war der eigentliche Veranstalter. Es ist ein Eindruck, der sich bald noch verstärken könnte. Denn Ende des Monats soll in Grimma (Landkreis Leipzig) wieder eine ähnliche AfD-Kundgebung stattfinden, diesmal mit Reden von Kalbitz und auch von Björn Höcke, der den Flügel vor gut fünf Jahren aus der Taufe gehoben hatte. Dazu lädt der sächsische Landtagsabgeordnete Jörg Dornau ein. Für das Treffen in der Muldestadt warb er ursprünglich unter dem Logo der AfD-Landtagsfraktion. Das wurde inzwischen entfernt, denn die Verwendung war nicht abgesprochen. Am Gesamteindruck wird das nichts ändern: Dornau ist ein Flügel-Mann.

Bisher hatten sächsische Behörden mit weitaus größerer Zurückhaltung über die AfD berichtet als es etwa in Thüringen und Brandenburg der Fall ist. Dort wurden bereits die kompletten Landesverbände als sogenannte Verdachtsfälle unter Beobachtung genommen, weil der Flügel-Einfluss so groß ist. Über bloße Verdachtsfälle darf der hiesige Verfassungsschutz indes nicht berichten. Zuletzt geriet die Behörde ins Trudeln, als bekannt wurde, dass dort auf ungeklärter Rechtsgrundlage Daten von AfD-Abgeordneten gespeichert wurden.

Durch das Innenministerium öffentlich aufgelistet wurden bislang lediglich einschlägige Veranstaltungen, an denen unter anderem auch AfD-Vertreter*innen beteiligt waren, etwa Pegida-Versammlungen und eine ganzen Reihe teils unangemeldeter Protestaktionen gegen die Eindämmung der Corona-Pandemie. Bei einer solchen Kundgebung, die als „rechtsextremistisch“ eingestuft wurde, trat im Mai im erzgebirgischen Schwarzenberg der AfD-Landtagsabgeordnete Thomas Thumm auf. Das wurde zunächst durch idas-Recherchen bekannt und später offiziell bestätigt.