Der Kommunalpolitiker Lutz Jankus war früher bei der neonazistischen NPD aktiv. Die AfD nahm ihn deshalb nicht auf – in Görlitz kooperiert man trotzdem, ließ ihn zu Wahlen antreten, machte ihn gar zum Chef der mächtigen Stadtratsfraktion. Die Personalie ist brenzlig, denn der heutige Bundesvorsitzende Tino Chrupalla war offenbar eingeweiht.
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Im Bild: Lutz Jankus inmitten von Parteiprominenz, hier unter anderem mit dem Landtagsabgeordneten Sebastian Wippel und den beiden heutigen AfD-Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen und Tino Chrupalla.
„Vor 30 Jahren kurzzeitig in der NPD“
Der Vorsitzende der AfD-Fraktion im Stadtrat von Görlitz, Lutz Jankus, war Mitglied der neonazistischen NPD. Das berichtet die Sächsische Zeitung am Mittwoch und beruft sich auf die niedergeschriebene Entscheidung einer Vorstandssitzung des örtlichen Kreisverbandes der Partei. Ihr wollte der 49-Jährige vor gut zwei Jahren beitreten, doch daraus wurde nichts: „Die Aufnahme von Lutz Jankus ist aufgrund der ehemaligen NPD-Mitgliedschaft nicht möglich und wurde abgelehnt“, zitiert das Blatt aus dem internen Sitzungsprotokoll.
Einer Aufnahme stand in diesem Falle die Unvereinbarkeitsliste der AfD entgegen. Die Partei hatte das bisher nicht publik gemacht, auch Jankus ging damit nicht offen um. Den Umstand, kein Mitglied zu sein, erklärte er zunächst mit „meiner Vita“: Nachdem man ihn zu DDR-Zeiten drängen wollte, der SED beizutreten, habe er kein Interesse mehr, einer Partei anzugehören. Erst auf nochmalige Nachfrage räumte er ein, „vor 30 Jahren kurzzeitig in der NPD“ gewesen zu sein. Von ihr habe er sich wieder gelöst, nachdem sie sich radikalisierte.
Allerdings war die NPD, die im März 1990 und damit noch zu DDR-Zeiten unter der Tarnbezeichnung „Mitteldeutsche Nationaldemokraten“ (MND) einen Ost-Ableger gründete, auch damals bereits eine neonazistische Partei. Ab 1991 stand mit Günter Deckert ein Holocaustleugner an ihrer Spitze. Weiter wollte Jankus sein damaliges Engagement nicht erklären, lehnt die NPD heute aber ab. Der Zeitung sagte er, es handle sich bei ihr um eine „sozialistische Partei“, die – so sieht er das – eher links stehe.
Chrupalla und Wippel wussten bescheid
Pikant an der Personalie: Als Jankus eine Aufnahme in der AfD verwehrt wurde, führte mit Tino Chrupalla bereits der heutige Bundesvorsitzende der AfD den Kreisverband an. Sein Stellvertreter war damals der Landtagsabgeordnete Sebastian Wippel. Beide kannten folglich die Vergangenheit, hatten aber keine Berührungsängste. So trat Jankus im vergangenen Jahr für die AfD erfolgreich zur Kreistagswahl an. Bekanntester Kandidat: Chrupalla. Die AfD stellt heute die stärkste Kreistagsfraktion, neben dem Ex-NPD-Mann gehören ihr unter anderem auch Chrupalla und Wippel, die Ex-Abgeordnete Silke Grimm sowie Roberto Kuhnert und Mario Kumpf an, die später den Sprung ins Landesparlament schafften.
Zur Görlitzer Stadtratswahl, die ebenfalls 2019 stattfand, stand Jankus gar auf dem dritten Platz der AfD-Liste. Spitzenkandidat: Wippel. Zwar sammelte Jankus vergleichsweise wenige Stimmen, schaffte es aber trotzdem in das Kommunalgremium. Auch dort ist die AfD die stärkste Fraktion. Die Wahl des Vorsitzenden fiel damals überraschend aus, Jankus galt als ein unbeschriebenes Blatt in der Stadt und ist, wie sich jetzt bestätigte, nicht einmal Parteimitglied. Für ihn sprachen aber seine „rhetorische Stärke“, hieß es, und dass er es vermöge, Sebastian Wippel „den Rücken freizuhalten“. Der Abgeordnete arbeitet bis heute regelmäßig mit Jankus zusammen, als Schriftführer im Fraktionsvorstand.
Mitte der 2000er ließ sich Jankus in Görlitz mit einer Anwaltskanzlei nieder, spezialisiert auf deutsch-polnische Fälle. Später engagierte er sich im Elternrat einer örtlichen Schule, wurde zudem stellvertretender Vorsitzender eines Schwimmsportvereins, in dessen Vorstand er nach wie vor sitzt. Um seinen wahren Beruf gab es kurzen Wirbel im vergangenen Jahr, denn auf Wahlzetteln zur Kommunalwahl wurde er als „Rechtsanwalt“ bezeichnet, der er längst nicht mehr war. Nach eigenen Angaben habe er seine Zulassung bereits 2014 „aus gesundheitlichen Gründen“ zurückgegeben, bietet seitdem nur noch Polnisch-Übersetzungen an. Schon zuvor soll ihm eine Anwaltszulassung für Polen gefehlt haben.
Keine aktuelle Stellungnahme
Wer noch weiter zurückschaut, findet interessante Spuren. Im Jahr 1999 druckte das Ostpreußenblatt, das heute Preußische Allgemeine Zeitung heißt, einen Leserbrief Jankus‘ ab. Er schrieb darin in szenetypischer Diktion von „alliiertem Bombenterror“, schimpfte außerdem auf „Sozialisten von braun bis rot“. Später, im Jahr 2005, bewarb er seine neue Görlitzer Kanzlei mit einer Anzeige in der neurechten Wochenzeitung Junge Freiheit, die heute der AfD nahesteht.
Nach idas-Informationen war er bereits seit 1994 Abonnent des Blattes, das damals zu einer Anschrift in Halle/Saale geliefert wurde. Sein Name findet sich schließlich auch unter eine Reihe von Petitionen des rechtsradikalen Spektrums. Aus den Reihen der Görlitzer AfD gibt es noch keine Stellungnahme. Jankus ist dort nicht der einzige Mandatsträger, der mit der extremen Rechten in Kontakt gekommen ist: Gemeinsam mit ihm im Stadtrat sitzt Thomas Seliger. Dessen Name taucht in der Kundenkartei eines bekannten Szene-Textilversandes auf.