Presseschau, 46. Kalenderwoche 2020

Bundesparteitag in Sicht, Pasemann raus, Janich weiter suspendiert, Kundgebungen in Mittelsachsen, Wippel verteidigt „Querdenken“, Impfkritik, Landtagsabgeordnete erpresst, Ärger in Sachsen-Anhalt, mögliche Absprachen in Mecklenburg-Vorpommern, Trump spaltet die AfD, Nerstheimer geht zur NPD, Räpple fraktionslos, Mandic verurteilt, mehrere Landestreffen auf der Kippe, LKR wächst, Petry-Prozess verschoben. Das war diese Woche wichtig:


In der Presseschau informiert idas jeden Sonntag über lesenswerte Medienberichte und Recherchen rund um die AfD, die im Laufe der Woche erschienen sind.


Top Stories

Die AfD kann ihren Bundesparteitag voraussichtlich doch am 28. und 29. November im nordrhein-westfälischen Kalkar abhalten. Das Ordnungsamt der Stadt teilte der Partei mit, dass eine Durchführung zulässig ist. Zwar beschränkt die NRW-Schutzverordnung Veranstaltungen weitgehend, für unbedingt erforderliche Treffen dieser Art werden jedoch Ausnahmen gewährt. Die Kommune folgt damit einer Einschätzung des Gesundheitsministeriums des Bundeslandes. Dorthin hatte sich die AfD gewandt, um Klarheit zu bekommen – und vorsorglich mit einer Klage gedroht. Erwartet werden rund 600 Delegierte, offen ist, ob auch die Anreise von etwa 100 Gästen und bis zu 150 Journalist*innen ermöglicht wird. Derzeit werden noch Details des Hygienekonzepts ausgehandelt, die Stadt will eine „Pflicht zum Tragen einer Alltagsmaske auch an Sitz- und Stehplätzen“ verordnen, von der nur vorübergehend – etwa bei Redebeiträgen – abgewichen werden kann. Parteichef Tino Chrupalla kündigte an, gegen diese Auflage juristisch vorzugehen, inzwischen hat der Bundesvorstand beschlossen, zu klagen. Delegierte, die Bedenken wegen des Risikos haben, „sollen zu Hause bleiben“, sagte Chrupalla dem SWR.

Eine Durchführung als Online-Veranstaltung, wie es andere Parteien praktizieren, lehnt die AfD hingegen ab. Bei ihrem bereits mehrfach verschobenen „Sozialparteitag“ will sie einen sozialpolitischen Leitantrag beraten und sich auf ein Rentenkonzept verständigen. Zudem stehen Nachwahlen für den Bundesvorstand und das Bundesschiedsgericht an. Nach Angaben des Redaktionsnetzwerk Deutschland wurde inzwischen auch ein Antrag eingereicht, der sich direkt gegen den Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen richtet. Darin wird ihm „spalterisches Gebaren“ und ein „Absturz in der Wählergunst“ vorgeworfen. Sollte der Antrag eine Mehrheit finden, würde die Partei ihrem eigenen Vorsitzenden eine Missbilligung aussprechen. Hinter dem Vorstoß steht der Vorstand des baden-württembergischen Kreisverbandes Freiburg. Dort ist der extrem rechte Aktivist Dubravko Mandic aktiv. (↪ Spiegel, 09.11., ↪ TAZ, 10.11., ↪ Tagesschau, 10.11., ↪ RND, 15.11.)


Das Bundesschiedsgericht der AfD hat den Parteiausschluss des Bundestagsabgeordneten Frank Pasemann bestätigt. Der Politiker hatte das Gremium selbst angerufen, nachdem das Landesschiedsgericht in Sachsen-Anhalt gegen ihn geurteilt hatte. Pasemann war parteischädigendes Verhalten vorgeworfen worden, unter anderem wegen ausstehender Zahlungen an die Parteikasse, wegen eines antisemitischen Tweets und einer Verwicklung in die verdeckte und womöglich rechtswidrige Finanzierung des verfassungsfeindlichen Flügels. Zwar hatte der zuständige Landesverband Sachsen-Anhalt, der inzwischen in Flügel-Hand ist, das Ausschlussverfahren wieder rückgängig machen wollen. Doch der Bundesvorstand hielt an einer endgültigen Entscheidung fest. Sie liegt jetzt vor: Das Bundesschiedsgericht erklärte demnach einen Einspruch Pasemanns für unzulässig, weil er die vorgeschriebene Frist versäumte – und da man angesichts der Sachlage auch „nicht anders hätte entscheiden können“. Mit dem Verlust des Parteibuchs droht Pasemann der Ausschluss aus der AfD-Bundestagsfraktion. Mit ihm verliert die Partei nach Andreas Kalbitz einen weiteren vormals führenden Flügel-Aktivisten. Er äußerte sich bislang nicht zu der Entscheidung. Für die Bundestagswahl 2021 hatte ihn sein Magdeburger Kreisverband kürzlich als Direktkandidaten aufgestellt. (↪ Zeit, 15.11., ↪ MDR, 15.11.)

AfD in Sachsen

Der sächsische AfD-Kommunalpolitiker Steffen Janich, der kürzlich zum Direktkandidaten für die Bundestagswahl im kommenden Jahr aufgestellt wurde, ist nach wie vor von seinen Dienstpflichten als Polizeibeamter suspendiert. Das berichtet der Tagesspiegel unter Berufung auf seinen Anwalt Martin Braukmann, der zugleich Mitglied des AfD-Bundesschiedsgerichts und Befürworter des Neonazis Andreas Kalbitz ist. Ihm zufolge habe der Beamte seine Dienstwaffe abgeben müssen, die Bezüge seien gekürzt worden, der weitere Einsatz ist abhängig vom Ausgang eines Disziplinarverfahrens. Es war eingeleitet worden, nachdem Janich im April in Pirna (Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) als Versammlungsleiter einer zuvor beworbenen, aber nicht angemeldeten Demonstration gegen die Eindämmung der Corona-Pandemie in Erscheinung trat. Seither ist auch ein Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz anhängig. (↪ Tagesspiegel, 09.11.)


Mit einer Kundgebungsserie unter dem Motto „Grundrechte und Freiheit verteidigen“ haben die drei mittelsächsischen AfD-Landtagsabgeordneten Romy Penz, Rolf Weigand und Lars Kuppi gegen die Eindämmung der Corona-Pandemie protestiert. Am Dienstagabend beteiligten sich daran knapp 100 Menschen in Mittweida, am Mittwoch etwa 40 in Rochlitz und am Freitag rund 50 in Flöha. Beteiligt war auch Carolin Bachmann, Direktkandidatin der AfD im Kreis Mittelsachsen zur Bundestagswahl im kommenden Jahr. (↪ FP, 10.11., ↪ FP, 11.11., ↪ FP, 12.11., ↪ FP, 14.11.)


Nach Ansicht der sächsischen AfD-Landtagsfraktion hat die Polizei bei ihrem Einsatz rund um die eskalierte „Querdenken“-Demonstration am Samstag der Vorwoche in Leipzig „im Wesentlichen angemessen reagiert“. Das erklärte der Abgeordnete Sebastian Wippel, von Beruf Polizist, am Donnerstag noch vor dem Ende einer Sondersitzung des Innenausschusses. Nach seiner Einschätzung sei nur ein „Bruchteil“ der registrierten Straftaten auf Beteiligte der Corona-Proteste zurückzuführen, unter denen sich zahlreiche gewaltbereite Neonazis und Hooligans befanden. Im Nachgang kritisierten die oppositionelle Linksfraktion, mit der SPD und den Grünen aber auch zwei der drei Koalitionspartner das zurückhaltende Agieren der Polizei, der es nicht gelang, Ausschreitungen und Übergriffe auf Journalist*innen zu verhindern. Die AfD hingegen kritisiert die Polizei ausdrücklich nicht und schließt sich auch den aktuellen Rücktrittsforderungen gegen Innenminister Roland Wöller (CDU) nicht an, der den Einsatz politisch verantwortet. Vielmehr sieht Wippel die Schuld für die Eskalation bei der Stadt Leipzig – weil sie eine linke Gegendemonstration zugelassen hatte. (↪ MDR, 12.11., ↪ Sächsische, 12.11., ↪ FP, 12.11.)


Menschen in Sachsen, die nach eigenen Angaben die AfD wählen, sind überdurchschnittlich „impfkritisch“. Das ergibt eine aktuelle Auswertung einer Langzeiterhebung des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag der Sächsischen Zeitung. Demnach geben rund 67 Prozent der Anhänger*innen dieser Partei an, dass sie sich nicht gegen Corona impfen lassen würden. Bei allen anderen Parteien liegt die Ablehnung deutlich niedriger, bei jeweils nur rund 20 Prozent. Im Vergleich ist die Impfbereitschaft in Sachsen auch insgesamt auffällig niedrig ausgeprägt: 50,6 Prozent aller Sächs*innen befürworten eine Impfung, im bundesweiten Schnitt sind es hingegen 62 Prozent. Wie eine weitere Umfrage zeigt, nimmt die AfD-Klientel auch im Hinblick auf die Proteste gegen die Eindämmung der Corona-Pandemie eine Sonderstellung ein. Insgesamt 86 Prozent lehnen solche Aktionen ab. Dagegen befürworten jedoch 54 Prozent der AfD-Anhänger*innen etwa die „Querdenken“-Demonstrationen, so eine repräsentative Erhebung der Forschungsgruppe Wahlen im Auftrag des ZDF. Allerdings sind die AfD-Anhänger*innen gespalten: Genau die Hälfte von ihnen hält die Pandemie gleichwohl für das derzeit größte Problem in Deutschland. In der Gesamtbevölkerung sagen das 62 Prozent. (↪ Sächsische, 12.11., ↪ ZDF, 13.11.)

AfD rundherum

Die baden-württembergische AfD-Landtagsabgeordnete Carola Wolle ist offenbar durch ein Mitglied ihrer eigenen Partei erpresst worden. Sie war kürzlich für den Wahlkreis Neckarsulm als Direktkandidatin zur Landtagswahl im kommenden Jahr aufgestellt worden. Damit die Nominierung anerkannt wird, muss der korrekte Ablauf der Aufstellungsversammlung durch Zeug*innen an Eides statt versichert werden. Diese Aufgabe fiel unter anderem Michael Fischer zu, der für die Partei im Gemeinderat von Schwaigern (bei Heilbronn) sitzt. Doch statt zu unterzeichnen soll er von Wolle zunächst die Zahlung von 10.000 Euro verlangt haben. Die Abgeordnete wandte sich daraufhin an die Polizei, die den Mann am Mittwoch der Vorwoche bei einer fingierten Geldübergabe festnahm. Anschließend kam es zu einer Hausdurchsuchung. Als Vorwurf steht neben einer versuchten Erpressung auch der Verdacht des Verstoßes gegen das Waffengesetz im Raum, weil sich bei den Ermittlungen Hinweise ergaben, „dass der Beschuldigte erlaubnispflichtige Waffen und Munition besitzt“, wie eine Sprecherin der zuständigen Staatsanwaltschaft Heilbronn erklärte. Fischer bestreitet die Vorwürfe, er spricht von einer „Fehlinformation“ und einer Verwechslung. (↪ Stimme, 08.11., ↪ Stimme, 09.11.)


Der sachsen-anhaltische AfD-Landtagsabgeordnete Mario Lehmann hat sich offenbar mit seiner Partei überworfen. Jüngst kündigte er an, sein Wahlkreisbüro in Quedlinburg abzuwickeln. In einem Whatsapp-Beitrag bezeichnet er einen ganzen Kreisverband der AfD als „Gurkentruppe“, zudem verbreitet er einen Videoclip, in dem Parteiabzeichen in einen Mülleimer geworfen werden. Möglicher Hintergrund: Lehmann will zur Landtagswahl im kommenden Jahr erneut kandidieren, ihm werden aber keine Chancen auf eine Nominierung eingeräumt. Er selbst äußerte sich bislang nicht. Oliver Kirchner, Vorsitzender der Landtagsfraktion, sagte der Mitteldeutschen Zeitung, dass Lehmann ihm zugesichert habe, die Fraktion nicht vorzeitig zu verlassen. „Aber es stimmt, es gibt Unstimmigkeiten mit seinem Kreisverband.“ Nach dem absehbaren Ausscheiden aus dem Parlament könnte Lehmann in seinen früheren Beruf zurückkehren, er ist Polizeibeamter. Dem könnten einschlägige Äußerungen entgegenstehen, zudem wurde im vergangenen Jahr ein Foto bekannt, das Lehmann in Polizeiuniform zeigt. In der Hand hält er ein Maschinengewehr – und damit eine Kriegswaffe, die bei der Landespolizei gar nicht verwendet wird. Herkunft: unklar. (↪ MZ, 09.11.)


Im Vorfeld der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern wird über mögliche Absprachen zwischen CDU und AfD spekuliert. Anlass dafür: Der AfD-Fraktionsvorsitzende Nikolaus Kramer verzichtet überraschend auf eine Direktkandidatur in seinem Heimatwahlkreis in Greifswald, sondern tritt in Ueckermünde/Torgelow an. Damit wird ein Duell mit dem CDU-Landesvorsitzenden Michael Sack vermieden, dessen Chancen zugleich steigen, anstelle der AfD das Direktmandat in Greifswald zu gewinnen. Beide Politiker bestreiten, sich koordiniert zu haben. Kramer räumt gegenüber der Schweriner Volkszeitung jedoch ein, dass sein Verzicht auch vor dem Hintergrund der besseren Chancen des CDU-Kandidaten zu verstehen ist – andernfalls würden sich „zwei bekannte Politiker aus dem konservativen Lager gegenseitig pulverisieren.“ In seinem neuen Wahlkreis wolle er lieber den derzeitigen Energieminister Christian Pegel (SPD) schlagen und damit die Wahrscheinlichkeit senken, dass es nach der Wahl zu einer rot-rot-grünen Koalition kommt. (↪ SVZ, 09.11., ↪ Endstation Rechts, 10.11.)


Das Ende Donald Trumps als US-Präsident sorgt für Streit in der AfD. Nachdem amerikanische Medien den uneinholbaren Sieg des Herausforderers Joe Biden festgestellt hatten, gratulierten mit Alexander Gauland und Alice Weidel die beiden Fraktionsvorsitzenden im Bundestag und wünschten ihm in einer gemeinsamen Presseerklärung am vergangenen Samstag „alles Gute für die vor ihm liegenden Aufgaben“. Man akzeptiere „die demokratisch zustande gekommene Entscheidung“ und sei „zuversichtlich, dass mögliche Unregelmäßigkeiten bei den Auszählungen schnell auf rechtsstaatlichem Wege geklärt werden“, hieß es weiter. Zahlreiche andere AfD-Politiker*innen reagierten darauf wütend, vor allem der Rechtsaußen-Flügel widerspricht. Der Abgeordnete Markus Frohnmaier etwa nannte Biden einen „globalistischen Wahlbetrüger“, dem man nicht gratulieren könne. Wer es doch tue, „hat entweder keinen blassen Schimmer von der Dimension der aktuellen politischen Situation oder er will sich seine pfründegefüllten Schüsselchen rechtzeitig sichern“, so der Parlamentarier Martin Renner. Aber auch „moderate“ Teile der Partei gehen die Fraktionsspitze frontal an. Bereits in der Vorwoche berichtete Beatrix von Storch, die auch im Bundesvorstand sitzt, von „massiven Hinweisen auf Wahlfälschung“, die sie auf Nachfrage allerdings nicht benennen konnte. Der Parteivorsitzende Jörg Meuthen stimmte inzwischen ein: Bei der US-Wahl sei „noch manches zu klären“, sagte er. (↪ TAZ, 09.11., ↪ Spiegel, 10.11., ↪ Welt, 10.11., ↪ FAZ, 11.11., ↪ BNR, 12.11., ↪ Tagesschau, 14.11.)


Die AfD-Bundestagsfraktion geht juristisch gegen die Maskenpflicht vor, die Parlamentspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) Anfang Oktober durch eine Allgemeinverfügung angeordnet hat. Insgesamt 19 Abgeordnete reichten eine Klage beim Bundesverfassungsgericht ein, weil sie ihre Grundrechte verletzt sehen. Eine zügige Entscheidung wird es nicht geben, da der Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht beantragt wurde. Das ist jedoch der Fall bei einer zweiten Klage: Mehrere Mitarbeiter*innen der Fraktion wandten sich parallel an das Berliner Verwaltungsgericht, dort wollen sie die Maskenpflicht im Eilverfahren stoppen. Derzeit muss in allen Bundestagsgebäuden eine Mund-Nase-Bedeckung getragen werden. Ausnahmen gelten nur für das Rednerpult oder wenn Platz genommen wurde. AfD-Abgeordnete haben die Vorschrift, deren Umsetzung mit Geldbußen erzwungen werden kann, bereits mehrfach unterlaufen. Zunächst hatten sie erfolglos versucht, Schäuble durch eine Abmahnung von der Regelung abzubringen. (↪ Tagesspiegel, 10.11., ↪ RND, 10.11.)


Der Verfassungsschutz in Hamburg geht von Verbindungen der „Querdenken“-Bewegung und des verfassungsfeindlichen „Flügels“ der AfD aus. Dafür gebe es in dem Bundesland „klare Anzeichen“, sagte Behördenleiter Torsten Voß. (↪ Hamburger Abendblatt, 10.11.)


Der ehemalige Berliner AfD-Landespolitiker Kay Nerstheimer ist der NPD beigetreten. Am Dienstag kündigte die neonazistische Partei einen Übertritt an, am Mittwoch gab sie den Namen offiziell bekannt. Mit Nerstheimer ist sie erstmals seit vier Jahren wieder in einem Landesparlament vertreten. Er war 2016 als Direktkandidat in Lichtenberg ins Abgeordnetenhaus der Bundeshauptstadt gewählt worden, wurde aber nicht in die neu gebildete AfD-Fraktion aufgenommen. Zu der Zeit waren bereits einige seiner Vorstrafen bekannt, zudem eine frühere Betätigung bei der extrem rechten „German Defence League“ und sein Plan, eine „Miliz“ aufzubauen. Auch später fiel er unter anderem durch rassistische und schwulenfeindliche Äußerungen auf, weniger durch die parlamentarische Arbeit. Anfang 2020 schloss ihn die AfD aus, seither war er parteilos. Nerstheimer selbst behauptet dagegen fälschlich, dass er erst vor wenigen Wochen sein Parteibuch abgegeben habe, freiwillig. Den Wechsel begründet der 56-Jährige damit, dass die AfD „langsam eine Systempartei wie jede andere“ geworden sei. Seine Kontakte zur NPD waren bereits seit einer Weile bekannt. (↪ Nordkurier, 10.11., ↪ Tagesspiegel, 11.11., ↪ Nordkurier, 11.11., ↪ RBB, 11.11.)


Mehrere Wochen nach der Ankündigung ist der baden-württembergische Landtagsabgeordnete Stefan Räpple nicht mehr Mitglied der dortigen AfD-Fraktion. Ende September hatte der Landespolitiker bei einer Demonstration in Mainz zum gewaltsamen Sturz der Regierung aufgerufen, kurz darauf bestätigte das Bundesschiedsgericht der AfD einen schon länger angebahnten Parteiausschluss. Räpple kündigte an, die Fraktion zu verlassen, die ihrerseits bekanntgab, sich „mit sofortiger Wirkung“ trennen zu wollen. Das geschieht nun erst mit erheblicher Verzögerung. (↪ BNN, 11.11.)


Die AfD in Baden-Württemberg hält an ihrem Plan fest, noch in diesem Jahr einen Landesparteitag durchzuführen. Allerdings haben sich die Rahmendaten abermals verändert: Angepeilt wird nun der 12. und 13. Dezember, Tagungsort ist die Messe in Stuttgart. Bislang war ein weniger repräsentativer Ort vorgesehen, ein Zelt auf einem Wiesengrundstück in der Kleinstadt Owingen, gelegen in einem Hochwasserschutzgebiet. Dafür lag bis zuletzt keine Genehmigung vor. Mit 800 bis 900 Teilnehmenden rechnet die Partei, sie will ihre Landesliste für die Bundestagswahl 2021 aufstellen. Zu einem späteren Zeitpunkt sollen die Spitzenkandidat*innen zur Landtagswahl nominiert und ein Wahlprogramm verabschiedet werden. Möglicherweise wird das – ein Novum für die AfD – als Online-Parteitag geschehen, dessen Durchführung deutlich kostengünstiger als ein Präsenztreffen ist. Zuletzt war über Finanzprobleme des Landesverbandes beichtet worden, der Schatzmeister trat zurück. (↪ Badische Zeitung, 11.11., ↪ ZAK, 11.11.)


Nach einem ähnlichen Schritt der sächsischen AfD-Fraktion klagen auch die brandenburgischen AfD-Landtagsmitglieder vor dem dortigen Verfassungsgericht gegen die derzeit geltenden Corona-Beschränkungen. Ziel hier wie dort ist es, die die Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie insgesamt für „verfassungswidrig und nichtig“ erklären zu lassen. Die thüringische AfD-Fraktion hat angekündigt, ebenfalls aktiv zu werden. Vor dem Verfassungsgericht in Weimar ist bereits eine Klage gegen die Maßnahmen im Zuge des Frühjahrs-„Lockdowns“ anhängig. (↪ RBB, 11.11., ↪ RTL.de, 11.11., ↪ Zeit, 12.11.)


Im Landtag von Thüringen ist die AfD-Fraktion in dieser Woche erneut damit gescheitert, eigene Abgeordnete in zwei Kommissionen zu entsenden, die sich mit der Tätigkeit des Verfassungsschutzes befassen. Als mögliche Mitglieder der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) fielen Robert Sesselmann und Dieter Laudenbach durch. Für die G10-Kommission, zuständig für Kommunikations-Überwachungen, kandidierte Björn Höcke. Auch er erhielt zu wenige Stimmen: Im ersten Wahlgang sprachen sich in geheimer Abstimmung 24 Abgeordnete für den Flügel-Anführer aus. Die durch Höcke geleitete Fraktion verfügt selbst nur über 22 Sitze. In beiden Gremien ist die Mitarbeit der AfD vorgesehen, sie hat aber kein Anrecht, bestimmte Personen zu entsenden. Problem für das Parlament: Ohne gewählte AfD-Vertreter*innen dürfen beide Ausschüsse ihre Arbeit nicht aufnehmen, da sie unvollständig besetzt wären. Das hat das Landesverfassungsgericht kürzlich entschieden. Eine ähnliche Situation gibt es in Brandenburg, auch dort fielen in dieser Woche erneut AfD-Vorschläge für die Kontrollkommission durch. (↪ RND, 11.11., ↪ MDR, 12.11., ↪ SZ, 12.11., ↪ TA, 12.11.)


Das Amtsgericht in Schwabach (bei Nürnberg) hat den Freiburger AfD-Stadtrat Dubravko Mandic wegen Nötigung zu einer Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen zu je 120 Euro verurteilt. Zur Verhandlung kam es, weil Mandic, der am rechten Rand seiner Partei steht, gegen einen Strafbefehl Einspruch erhob. Er hatte im vergangenen Jahr bei einer Parteiveranstaltung im fränkischen Greding einer Journalistin das Handy entrissen. Vor Gericht wird er künftig wieder öfter stehen, allerdings als Strafverteidiger eines mutmaßlichen Mitglieds der rechtsterroristischen „Gruppe S.“, benannt nach ihrem Anführer Werner Somogyi, gegen die kürzlich Anklage erhoben wurde. Die Partei hatte Verbindungen zu diese Gruppe bislang abgestritten. Mandic kandidiert derweil im baden-württembergischen Wahlkreis Lörrach zur Bundestagswahl. Gegen den Willen des Bundesvorstands hat sein Landesverband, angeführt von Alice Weidel, von einem Ausschlussverfahren gegen ihn abgesehen. (↪ Badische Zeitung, 11.11., ↪ SWR, 12.11.)


Der für den 21. November im mittelfränkischen Greding (Landkreis Roth) geplante Landesparteitag der AfD Bayern steht auf der Kippe. Im September war die Durchführung durch das zuständige Landratsamt für 750 Personen gestattet worden, unter Vorbehalt und durch Gebrauch einer Ausnahmeregelung. Inzwischen gelten aber strengere Vorschriften und zusätzliche Hygieneauflagen, darunter eine durchgehende Maskenpflicht, die auch an den Sitzplätzen gilt. Zudem ist eine Bewirtung verboten. Die behördlichen Abstimmungen sind noch nicht abgeschlossen, Anfang kommender Woche soll eine endgültige Entscheidung fallen. Die Partei pocht auf den Termin und würde ihn gern noch größer aufziehen, da es sich um einen Mitgliederparteitag handelt, an dem alle der rund 5.000 Mitglieder in dem Bundesland teilnehmen könnten. Der aktuell gültigen Corona-Verordnung zufolge dürfen es jedoch nur 100 sein. Sollte es dabei bleiben, wäre eine Absage die Folge. Auf dem Programm steht die Nachwahl zweier Posten im Landesvorstand, zudem eine Diskussion über mögliche Satzungsänderungen, um Kandidierende für Wahlen künftig bei Delegiertentreffen aufstellen zu können. (↪ BR, 11.11., ↪ nordbayern.de, 11.11., ↪ SZ, 11.11., ↪ PNP, 12.11., ↪ SZ, 13.11.)


In Schleswig-Holstein ist die Durchführung des Landesparteitags der AfD weiter ungewiss. Geplant ist das zweitägige Treffen für den 21. und 22. November in den Holstenhallen in Neumünster. Für den ersten Tag, an dem die vakante Landesspitze neu gewählt werden soll, will die Stadt aus Gründen des Infektionsschutzes nur 100 Teilnehmende zulassen. Für den zweiten Tag gibt es hingegen keine solche Beschränkung, weil dann die Kandidierenden zur Bundestagswahl aufgestellt werden. Der AfD-Landesvorstand ist inzwischen mit einem Eilantrag vor das Verwaltungsgericht gezogen, um die Auflagen zu kippen, mit einer Entscheidung wird in der kommenden Woche gerechnet. Laut Parteisatzung handelt es sich um einen Mitgliederparteitag, an dem alle der rund 1.000 AfD-Mitglieder in dem Bundesland teilnehmen dürfen. (↪ Welt, 13.11.)


Unter Protesten hat am Sonntagvormittag in Hamburg der Landesparteitag der AfD begonnen. Die Partei trifft sich in der Berufsbildenden Schule für Medien und Kommunikation in Dulsberg und will Kandidierende zur Bundestagswahl aufstellen. Das Treffen hält zur Stunde noch an, Ergebnisse wurden noch nicht bekannt. (↪ NDR, 15.11.)

Blauzone

Der fraktionslose Abgeordnete Mario Mieruch, der 2017 für die AfD in den Bundestag eingezogen war, hat sich der Kleinpartei „Liberal-Konservative Reformer“ (LKR) angeschlossen. Bereits vor zwei Monaten war der Abgeordnete Uwe Kamann, der sich ebenfalls von der AfD abgewandt hatte, zu LKR übergetreten. Kamann ist neuerdings stellvertretender Vorsitzender der Partei, die durch Bernd Lucke – ursprünglich unter dem Namen „Alfa“ – gegründet worden war. LKR, jetzt achte Partei im Parlament, will zur kommenden Bundestagswahl flächendeckend antreten und die CDU „von Mitte-rechts“ angreifen, wie der Vorsitzende Jürgen Joost sagt. Man lehne es aber ab, den „ekelerregenden Nationalismus und Rassismus der AfD zu übernehmen“. Offenbar wird die Partei demnächst auch erstmals in einem Landesparlament vertreten sein: Jens Ahrends, der sich von der niedersächsischen AfD-Fraktion abwandte und dann sein Parteibuch abgab, kündigte seinen Beitritt an. (↪ Zeit, 08.11., ↪ Spiegel, 13.11.)


Das Landgericht Leipzig hat den Berufungsprozess gegen die frühere AfD-Vorsitzende Frauke Petry wegen des Vorwurfs der Steuerhinterziehung und des Subventionsbetrugs verschoben. Am vergangenen Donnerstag sollte die Hauptverhandlung beginnen, jedoch stand kein Saal zur Verfügung, der angesichts des erwarteten Andrangs groß genug wäre. Damit wird der Prozess voraussichtlich erst im Frühjahr 2021 starten können. Der fraktionslosen Bundestagsabgeordneten wird vorgeworfen, im Jahr 2014 Fördermittel eingestrichen haben, um eine professionelle Beratung für ihre Firma zu finanzieren, die in Schieflage geraten war. Die Beratung fand zwar statt, galt mutmaßlich aber nicht dem Unternehmen, sondern der Vorbereitung von Petrys Privatinsolvenz. In der Vorinstanz hatte die Staatsanwaltschaft eine Geldstrafe von insgesamt 30.000 Euro gefordert, das Amtsgericht Leipzig sprach sie aber frei. (↪ Sächsische, 11.11.)