Steffen Janich ist einer der Direktkandidat*innen der sächsischen AfD zur Bundestagswahl 2021. Er ist Polizist – aber derzeit nicht im Dienst, weil er zu einer unangemeldeten Demonstration einlud. Gegen ihn läuft außerdem ein Ermittlungsverfahren.
Beitrag vom 06.11.2020, 17:45 Uhr │ Im Bild: AfD-Direktkandidat Steffen Janich.
Zur Landtagswahl noch chancenlos
Der AfD-Verband im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge hat den gelernten Klempner und suspendierten Schutzpolizisten Steffen Janich als Direktkandidaten zur Bundestagswahl im kommenden Jahr nominiert. Am vergangenen Sonntag fiel die Entscheidung bei einer Aufstellungsversammlung im Landgasthof Heidekrug, gelegen im Dohmaer Stadtteil Cotta (bei Pirna). Der Kommunalpolitiker setzte sich dort gegen insgesamt sechs Mitbewerber – allesamt Männer – durch, zuletzt in einer Stichwahl gegen Tilo Bretschneider, den ehemaligen Landesvorsitzenden der rechtspopulistischen Partei „Die Freiheit“.
Janich tritt damit in große Fußstapfen, er ist Nachfolger der früheren Parteichefin Frauke Petry, die 2017 Direktkandidatin im gleichen Wahlkreis war. Mit 37,4 Prozent der Erststimmen erzielte sie ein Spitzenergebnis, trat kurz danach aber aus der AfD aus. Bei dem neuen Kandidaten, der vormals CDU-Mitglied war, handelte es sich um einen ihrer vehementen Gegenspieler. Nachdem der heute 49-Jährige bereits in der Gründungszeit der Partei beigetreten war (Mitgliedsnummer: 235), ihre Strukturen im Landkreis aufgebaut hat und dort erster Kreisvorsitzender geworden ist, wandte er sich aus Verärgerung über Petrys Führungsstil wieder ab. Anfang 2018 trat er erneut bei, ist heute stellvertretender Kreisvorsitzender, sitzt im Gemeinderat seines Wohnortes Dohma und im Kreistag.
Bereits im vergangenen Jahr wollte er zur Landtagswahl antreten. Damals gaben die Mitglieder aber Jan-Oliver Zwerg den Vorzug, der mit 35 Prozent das Direktmandat holte. Auch auf der Landesliste versuchte Janich sein Glück, kam aber nur auf den chancenlosen Platz 32. Ursprünglich hatte er sich auf Platz 30 beworben, unterlag aber in der entscheidenden Abstimmung gegen Alexander Wiesner, der den Sprung ins Parlament schaffte. Aussichtslos ist Janichs neue Bewerbung für den Bundestag nicht, immerhin hat er ausreichend Zeit für den Wahlkampf: Sein Dienstherr, die sächsische Polizei, hat ihn bereits vor Monaten suspendiert. Grund ist ein laufendes Ermittlungsverfahren wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz.
Für unangemeldete Corona-Demo geworben
Im April hatte sich Janich in Pirna als Leiter einer Versammlung gegen die damaligen Corona-Schutzmaßnahmen zur Verfügung gestellt, anscheinend spontan. Rund 180 Menschen waren damals anonym verbreiteten Aufrufen gefolgt, sich zu einem „stillen Spaziergang“ zusammenzuschließen – zu einer Zeit, als das nur in viel kleinerem Umfang erlaubt war. Auch Janich hatte für eine Teilnahme an dem Treffen geworben, das nicht angemeldet war. Bei Facebook sprach der Beamte im Vorfeld von „meinem Spaziergang“ und war dann auch selbst vor Ort, gut zu erkennen an seiner typischen Lederkutte.
Die Versammlungsbehörde sprach ihn gezielt an und forderte ihn auf, die Demonstration in geregelte Bahnen zu führen, die Anmeldung nachzuholen. Doch an die dann verfügten Hygieneauflagen hielten sich die Beteiligten nicht, beschimpften stattdessen die Polizei, nannten Janichs Kolleg*innen unter anderem „Merkel-Schergen“ und „Wichser“. Dabei blieb es nicht, in den folgenden Wochen gab es weitere Versammlungen in Pirna, dabei wurden wiederholt Polizist*innen angegriffen. Offiziell mochte die AfD damit nichts mehr zu tun haben: Aufrufe waren im AfD-Look gehalten, jedoch ohne Logo. Videoaufnahmen wurden zudem auf einem parteinahen Youtube-Kanal verbreitet.
Bislang hat die AfD in Sachsen elf von maximal 16 Direktkandidat*innen aufgestellt. Darunter ist mit Karsten Hilse (Bautzen I) ein weiterer Polizist und mit Jens Maier (Dresden I) ein Richter. Beide sind Anhänger des verfassungsfeindlichen Flügels und sitzen bereits im Bundestag. Im Wahlkreis Dresden II/Bautzen II kandidiert Andreas Harlaß, Pressesprecher der Landespartei und der Landtagsfraktion. Er ist immer wieder durch rechte Provokationen aufgefallen, etwa „Thor Steinar“-Kleidung, SS-Dekoration („Julleuchter“ und „Schwarze Sonne“) sowie ein Hemd mit dem Logo der rassistischen „Artgemeinschaft“. Noch keine AfD-Kandidierenden gibt es für Nordsachsen, die Städte Chemnitz und Zwickau, das Chemnitzer Umland sowie den Vogtlandkreis.