Mit Masken und Abstand, aber nicht immer mit Anstand haben am Mittwoch und Donnerstag die Landtagsmitglieder unter anderem über Corona, aber auch über Islamismus und den Umgang mit sogenannten Gefährdern diskutiert. Während die AfD bei der Pandemie auf verlorenem Posten steht, ist sie sich in einem anderen Punkt mit der CDU einig geworden: Nach Syrien soll wieder abgeschoben werden. Ein rechter Abgeordneter bedauerte zudem, dass es keine „Internierungslager“ gibt.
Beitrag vom 05.11.2020, 16:00 Uhr │ Im Bild: Der AfD-Abgeordnete Sebastian Wippel.
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Gefährder „irgendwo in die Pampa“ schicken?
Der AfD-Abgeordnete Sebastian Wippel hat in einer Landtagsdebatte „die Abschiebehaft oder eine Internierung“ für sogenannte Gefährder gefordert und bedauert, dass es keine „Internierungslager“ gibt. „Wir befinden uns im Krieg mit dem Islamismus“, sagte Wippel am Mittwoch vor dem Hintergrund des schweren Gewaltverbrechens, bei dem am 4. Oktober in Dresden zwei Männer mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt worden sind. Einer von ihnen, der 53-jährige Thomas L., erlag im Krankenhaus seinen Verletzungen. Später wurde Abdullah H. als Tatverdächtiger gefasst, gegen ihn ermittelt der Generalbundesanwalt wegen Mordes aus einem mutmaßlich schwulenfeindlichen Motiv. Bis kurz vor der Tat hatte H. in Haft gesessen, weil er versucht hatte, Mitglieder für den „Islamischen Staat“ anzuwerben.
Wippel bemängelte in seiner Rede, dass die Landesregierung zu wenig unternommen habe, um den 20-Jährigen abzuschieben, der aus Syrien stammt und seit mehreren Jahren als Gefährder eingestuft war. Ihm hätte eine Wohnsitzauflage erteilt werden können, sagte der AfD-Politiker, der von Beruf Polizeibeamter ist. „Warum lasse ich ihn in Dresden rumlaufen, und nicht irgendwo in der Pampa?“, fragte er – und bestätigte auf Nachfrage, dass sämtliche Gefährder in ländliche Gegenden verbracht werden sollten. „Wenn ich schon kein Internierungslager habe, wo diese Person ist, dann muss ich ihn in einen Bereich bringen, wo ich ihn kontrollieren kann“, sagte er zur Erklärung und stieß damit auf breites Unverständnis.
Die Polizei kann zwar Personen als Gefährder einstufen, von denen sie annimmt, dass sie schwere Straftaten begehen könnten. Doch das Konzept ist umstritten, eine einheitliche Definition des Begriffs fehlt, konkrete Zahlen nennen Behörden nicht. In Sachsen bewegen sie sich im unteren zweistelligen Bereich, darunter sind auch deutsche Staatsbürger*innen. Mehrere verurteilte Rechtsterroristen, darunter ein Zwickauer NSU-Unterstützer, werden nur als „relevante Person“ geführt, unterhalb der Gefährder-Ebene. Im Bereich des Islamismus hingegen sind Gefährder teils strafrechtlich unbescholten oder durch Verstöße gegen das Straßenverkehrsgesetz bekannt. Bei ausländischen Gefährdern kann gleichwohl die Abschiebung angeordnet werden. So war es bei Abdullah H. geschehen, wurde aber nicht umgesetzt, weil ein Abschiebestopp nach Syrien gilt.
CDU erntet Widerspruch aus der eigenen Koalition
In diesem Punkt kam die CDU der AfD weit entgegen. Innenpolitiker Rico Anton sagte in der Plenardebatte, dass künftig Ausnahmen ermöglicht werden müssen, und stellte die maßgeblichen Lagebilder des Auswärtigen Amtes in Frage. Es sei „nicht belegbar“, dass es in Syrien keinen sicheren Ort gibt, Bundesaußenminister Heiko Maas müsse „genauer hinschauen“ und diplomatische Beziehungen zum Assad-Regime oder „Gesprächsfäden zu Entscheidern vor Ort“ aufbauen. Innenminister Roland Wöller (CDU) sagte daraufhin, dass sich Sachsen im Rahmen der Innenministerkonferenz bereits seit zwei Jahren dafür einsetze, Abschiebungen in „befriedete Gebiete“ Syriens zu ermöglichen. Welche das sind, sagten weder CDU, noch AfD.
Doch innerhalb der Koalition ist dieser Vorstoß hochumstritten. Das machte SPD-Innenpolitiker Albrecht Pallas klar: Seine Partei befürworte Abschiebungen zwar „als letztes Mittel“, in Richtung Syrien sei das aber rechtlich und faktisch nicht möglich. Valentin Lippmann (Grüne) verwahrte sich gegen unsachliche „Abschiebedebatten“, denn „Syrien ist und Syrien bleibt ein Kriegsgebiet“. Beim Umgang mit dem Islamismus müsse es vielmehr darum gehen, Radikalisierungsprozesse zu verstehen und zu unterbinden. Bei Twitter widersprach die grüne Justiz- und Europaministerin Katja Meier dem konservativen Koalitionspartner „ganz klar“, für einen Rechtsstaat „verbietet sich eine Abschiebung in ein Bürgerkriegsland“.
Die AfD behauptete gestern, dass der Islamismus nur durch ihre Initiative zur Sprache gekommen sei. Tatsächlich hatte die Plenarsitzung am Mittwochvormittag mit einer Schweigeminute für die Opfer der Attentate in Nizza, Lyon, Paris, Wien und Dresden begonnen. Unmittelbar danach warnte Ministerpräsident Michael Kretschmer im Rahmen einer Regierungserklärung vor der Bedrohung durch Islamismus und Terrorismus, verwahrte sich aber auch gegen eine Aufwiegelung und Abwertung von Teilen der Bevölkerung. „Muslime leben in diesem Land, sie sind Teil unserer Gesellschaft und wir schützen sie, wenn sie in Misskredit gebracht werden.“ Kretschmers Amtsvorgänger Stanislaw Tillich (CDU) hatte vertreten, dass der Islam nicht zu Sachsen gehöre.
„Parlamentarischer Arm der Corona-Leugner“
Größtes Thema an beiden Plenartagen war die Eindämmung der Corona-Pandemie. Der Ministerpräsident verteidigte die aktuell geltenden Einschränkungen des öffentlichen Lebens und kritisierte Auffassungen, die letztlich darauf hinauslaufen würden, Menschen sterben zu lassen. „Das sind die Gleichen, die auch ‚absaufen, absaufen‘ oder ‚ausschwitzen, ausschwitzen‚ rufen“, sagte er im Hinblick auf gängige Pegida-Parolen. In der vergangenen Woche hatte im Bundestag der dortige AfD-Fraktionsvorsitzende Alexander Gauland die Pandemie mit dem Straßenverkehr verglichen, den man nicht abschaffe, obwohl es mehr Verkehrstote als Covid-19-Opfer gebe. Steigende Infektionszahlen nannte Gauland „Kriegspropaganda“, Absprachen der Bundeskanzlerin Merkel mit den Ministerpräsident*innen der Länder das Werk eines „Kriegskabinetts“.
Kretschmer sagte, man habe nicht länger warten können, „bis auch der letzte Populist“ die Gefahr verstanden hat. Jörg Urban nahm dazu für die AfD-Fraktion Stellung und kritisierte „drakonische Pauschalverbote“, die einer „Hinterzimmerdemokratie“ entspringen würden. Man sei „weit von einer medizinischen Katastrophe entfernt“. Anstelle eines Lockdowns für alle solle man eher die Ausbreitung des Virus „bei Großhochzeiten arabischer Clans“ untersuchen und sich auf Bevölkerungsgruppen konzentrieren, denen „Regeln völlig egal“ sind, etwa „Jugendliche mit überwiegend Migrationshintergrund“.
Stattdessen werde die derzeitige Krise instrumentalisiert, „um politisch Unbequemen das Leben schwer zu machen“, behauptete Urban. CDU-Fraktionschef Christian Hartmann widersprach entschieden, in den sächsischen Hochinzidenz-Regionen seien Großhochzeiten wohl derzeit nicht das Problem. Eigene Vorschläge bleibe die AfD schuldig, „dazu sind Sie weder willens, noch in der Lage“. Für Rico Gebhardt (LINKE) zeigten die Ausführungen der AfD, dass nicht nur die Pandemie bekämpft gehöre – „sondern auch der parlamentarische Arm der Verschwörungstheoretiker und der Corona-Leugner“.