Presseschau, 8. Kalenderwoche 2020

Wahlen in Meißen und Arnsdorf, Stadträte in Freital, Tharandt und Auerbach, Parteitag in Weinböhla, Parteibüro in Flöha, Kündigung in Leisnig, Jens Maier und Gemahlin, Ermittlungen gegen Höcke, Urteil gegen Juhlemann, „Lehrerpranger“, AfD-Geschichtslehrer, Blockade im Untersuchungsausschuss, Macht des „Flügels“, Streit um Millionen-Erbe, Agitation gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, Mitgliederentscheid, WerteUnion, Blockpartei CDU, Sprachpolitik, Influencer, Rechtsterrorismus. Das war diese Woche wichtig:

AfD in Sachsen

Die AfD will nach Informationen der Sächsischen Zeitung zur kommenden Landratswahl im Landkreis Meißen kandidieren. Dort wird eine Wahl erforderlich, weil der aktuelle Landrat Arndt Steinbach (CDU) zum Geschäftsführer des Kommunalen Schadensausgleichs der Ost-Länder berufen wurde und den Kreis verlassen wird. Der Termin für die Wahl wird erst im Sommer festgelegt. (↪ Sächsische, 17.02.)


Christina Maier, die Ehefrau des Dresdner AfD-Politikers und Bundestagsabgeordneten Jens Maier, klagt in einem Zivilprozess am Landgerichts Dresden gegen den Springer-Verlag auf Unterlassung und Zahlung eines Schmerzensgeldes. Am Montag fand dazu der erste Verhandlungstermin der Pressekammer statt, der Jens Maier selbst angehört hatte, bevor er 2017 in den Bundestag gewäht worden ist. Einige seiner Kolleg*innen erklärten sich deshalb für befangen in dem aktuellen Fall. Er dreht sich darum, dass Christina Maier ihren Ex-Ehemann unter anderem antisemitisch beschimpft hatte („intriganter Judenarsch“) und deswegen zu einer Geldstrafe verurteilt worden ist. Einen Strafbefehl in dieser Sache hatte sie zunächst nicht akzeptiert, ließ dann auch die Hauptverhandlung am Amtsgericht Dresden platzen – weil sie ihre Personalien nicht nennen wollte, sondern nach dem Dienstausweis des Richters fragte. Christina Maier klagt jetzt gegen die „Bild“, weil die Zeitung sie als nach ihrem skurrilen Gerichtsauftritt als „Reichsbürgerin“ bezeichnet hatte. Vertreten wird die Klägerin durch Maximilian Krah. Er ist Europaabgeordneter der AfD und einer der stellvertretenden Landesvorsitzenden der sächsischen AfD. (↪ Sächsische, 18.02.)


Die sächsische AfD-Landtagsabgeordnete Romy Penz hat ein Wahlkreisbüro in Flöha eröffnet. Das Büro in der Erdmannsdorfer Straße 2 wird künftig an zwei Tagen der Woche geöffnet sein und u.a. durch Penz‘ Mitarbeiter Holger Schütz betreut. Die Räume sind zugleich die Geschäftsstelle der mittelsächsischen Kreistagsfraktion der AfD. (↪ FP, 19.02., ↪ FP, 21.02.)


Die Staatsanwaltschaft Dresden prüft die Rede Björn Höckes, die der AfD-Politiker am vergangenen Montag bei einer Pegida-Kundgebung gehalten und in der er unter anderem zu einem Umsturz aufgerufen hat. Grundlage des aktuellen Prüfvorgangs ist eine Strafanzeige, die wegen des Verdachts der Volksverhetzung gestellt wurde. Sollten sich die Anhaltspunkte aus juristischer Sicht erhärten, müsste der Thüringer Landtag zunächst Höckes Immunität aufheben, bevor ein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet werden kann. (↪ RND, 19.02.)


Der parteilose Detlef Oelsner will für die AfD zur Bürgermeister*innenwahl in der Gemeinde Arnsdorf (Landkreis Bautzen) antreten. Die Wahl wird am 26. April stattfinden, Oelsner gehört bereits dem Gemeinderat an und leitet die dortige AfD-Fraktion; er sitzt ebenfalls für die Partei im Kreistag. Der Kommunalpolitiker war 2016, als er noch CDU-Mitglied war, schlagartig bekannt worden, als er gemeinsam mit anderen Männern im Stile einer Bürgerwehr einen Geflüchteten überwältigt und mit Kabelbindern an einen Baum gefesselt hat. Die Staatsanwaltschaft Görlitz hatte Oelsner und einige Kumpanen, die ihre Tat filmen ließen, deshalb wegen Freiheitsberaubung angeklagt. Doch der Prozess am Amtsgericht Kamenz wurde im April 2017 ohne Urteil eingestellt – nachdem der Betroffene tot in einem Waldstück aufgefunden worden war. Im Zuge des Prozesses war es außerdem zu Bedrohungen gegen Staatsanwält*innen gekommen. Oelsner bewirbt sich jetzt um den Rathausposten, den bis vor kurzem Martina Angermann (SPD) ausfüllte. Sie legte ihr Amt nach monatelangen Anfeindungen nieder. Sie hatten eingesetzt, nachdem sie Oelsners Bürgerwehr-Aktion öffentlich kritisiert hatte. Oelsner gilt für die bevorstehende Wahl als Favorit. (↪ Sächsische, 19.02., ↪ Bild, 20.02.)


An dem Neonazi-Aufmarsch in Dresden in der vergangenen Woche beteiligten sich auch Personen, „die ansonsten verstärkt im Pegida- und AfD-Milieu aufgetreten“ sind. Aus Anlass des 75. Jahrestages der Bombardierung der Stadt hatten sich am 15. Februar rund 1.500 Anhänger*innen der extremen Rechten versammelt. (↪ Fuxenrot, 19.02.)


Über das Lehrerpranger-Portal der sächsischen AfD-Landtagsfraktion sind seit dem Start der Website im Oktober 2018 mehr als 100 Hinweise eingegangen. Nach den Angaben eines Fraktionssprecher seien bisher etwa 30 der zumeist anonymen Eingaben in Parlaments-Anfragen umgesetzt worden. Dadurch sei es in „vielen Fällen“ gelungen, „Neutralitätsverletzungen“ aufzudecken, bei denen sich Lehrkräfte im Unterricht abfällig über die AfD geäußert haben sollen. In Wirklichkeit ist die Anzahl der Anfragen etwas geringer, und in keinem Fall wurde irgendetwas aufgedeckt: Bisher erwiesen sich die Behauptungen der AfD in jedem einzelnen Fall als falsch. Für die Anfragen, in denen einzelne Lehrer*innen teils namentlich erwähnt werden, ist der Abgeordnete Rolf Weigand zuständig, der auch als Initiator der Website gilt. Sie wird vor allem dafür kritisiert, dass sie offensichtlich dazu dient, Lehrkräfte einzuschüchtern. Zudem verstößt sie mutmaßlich gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen. Der Sächsische Datenschutzbeauftragte kann aber nicht einschreiten, da er für Landtagsfraktionen ausnahmsweise nicht zuständig ist. (↪ LVZ, 19.02.)


Die Geschäftsführerin des Zentralgasthofs Weinböhla (Landkreis Meißen), in dem am kommenden Wochenende der Landesparteitag der AfD stattfinden soll, hat die Vermietung der Räume an die Partei verteidigt. Sie sehe keinen Anlass zu sagen, dass sich die AfD nicht mehr einmieten darf, sagte Christina Wolf der Sächsischen Zeitung. Die AfD sei schließlich „demokratisch gewählt und wir müssen uns demokratisch verhalten.“ Auch Weinböhlas Bürgermeister Siegfried Zenker (CDU) verteidigt die Vermietung an die AfD und beruft sich auf den Grundsatz der Neutralität. Zum Parteitag werden bis zu 600 AfD-Delegierte erwartet, die einen neuen Landesvorstand wählen werden. Aufgrund des Wachstums des AfD-Landesverbandes findet die Partei immer schwerer geeignete Tagungsräume. Die erwartete Delegiertenzahl überschreitet bereits deutlich die Kapazitätsgrenzen, die auf der Website des Zentralgasthofs Weinböhla angegeben werden. (↪ Sächsische, 20.02., ↪ Sächsische, 22.02.)


Die Fraktion der Freien Wähler im Stadtrat von Freital (Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) hat angekündigt, auch weiterhin AfD-Anträgen zuzustimmen. Man werde „mit allen politischen Fraktionen“ kooperieren, sagte der Fraktionsvorsitzende Frank Gliemann. Er bestätigte damit Kritik, mit der Rechtspartei gemeinsame Sache zu machen. (↪ Sächsische, 20.02.)


Am Amtsgericht Dippoldiswalde ist das Verfahren gegen Thomas Prinz, der für die AfD im Stadtrat von Freital (Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) sitzt, erneut geplatzt. Weil Zeug*innen nicht erschienen sind und ein Fortsetzungstermin innerhalb der vorgeschriebenen Frist nicht gefunden wurde, wird die Hauptverhandlung am 30. März von vorn beginnen. Das war schon einmal im September vergangenen Jahres versucht worden. Damals ging es nicht weiter, weil Prinz ein ärztliches Attest vorlegte, das ihn für verhandlungsunfähig erklärte. Prinz wird das Vortäuschen einer Straftat und falsche Verdächtigung vorgeworfen, ihm und seiner Ehefrau außerdem gemeinschaftlicher Betrug. Der AfD-Politiker soll 2014 und erneut 2016 behauptet haben, überfallen und bestohlen worden zu sein. Beim ersten Mal ersetze eine Versicherung den Gegenwert eines angeblich entwendeten Tablets. Beim zweiten Mal ging es wieder um ein Tablet. Prinz bezichtigte nun zwei arabisch sprechende Männer, ihn angegriffen und beraubt zu haben, und identifizierte auf Fotos der Polizei sogar einen der angeblichen Angreifer, der in Polizeigewahrsam genommen und später abgeschoben wurde. Ganz anders sieht der Fall aus, nachdem die Polizei überraschend beide der angeblich gestohlenen Geräte in Prinz‘ Wohnung fand – sie waren nie weg. Prinz ist unter anderem bereits wegen gewerbsmäßiger Steuerhinterziehung, schweren Raubes, Zuhälterei und Fahrens ohne Führerschein rechtskräftig verurteilt worden. Im vergangenen Jahr stand er außerdem vor Gericht, weil er sich sich als Autobahnpolizist ausgegeben haben soll. (↪ Sächsische, 20.02.)


Das Amtsgericht Dresden hat Horst Juhlemann, den ehemaligen Sprecher des AfD-Kreisverbandes im Landkreis Leipzig, zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Rentner hatte im Juli 2019 in Dresden am Rande einer Pegida-Versammlung, bei der er eine AfD-Fahne bei sich trug, in Richtung des Gegenprotestes den Hitlergruß gezeigt. Zeug*innen meldeten das der Polizei, die Staatsanwaltschaft Dresden ermittelte wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen. Gegen Juhlemann erging daraufhin ein Strafbefehl, mit dem er zur Zahlung von 2.100 Euro verurteilt wurde. Da er das nicht akzeptierte, kam es nun zur öffentlichen Verhandlung. Dabei schwieg der Beschuldigte. Sein Verteidiger Roland Ulbrich – Landtagsabgeordneter der AfD und selbst am äußersten rechten Rand angesiedelt – forderte einen Freispruch. Sein Argument: Juhlemann habe niemanden „gegrüßt“. Da es darauf aber nicht ankommt, verurteilte der Richter Juhlemann zu einer Geldstrafe von 80 Tagessätzen zu je 30 Euro. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Verurteilte war Ende 2018 in die Schlagzeilen geraten. Damals hatte er sich in einem rassistischen Brief an einen Wursthersteller über einen TV-Werbespot beschwert, weil darin ein „Afrikaner“ zu sehen ist. Daraufhin musste Juhlemann aus dem Vorstand seines AfD-Kreisverbandes zuücktreten. Parteimitglied durfte er aber weiterhin bleiben, er sitzt bis heute für die AfD im Stadtrat seines Wohnortes Bad Lausick. (↪ Sächsische, 20.02., ↪ MDR, 21.02., ↪ LVZ, 22.02.)


Die AfD-Stadtratsfraktion in Auerbach (Vogtlandkreis) ist geschrumpft. Nach dem Ausscheiden von Frank Schröter, der weggezogen ist, und einer Erkrankung des möglichen Nachrückers René Seifert steht der Partei niemand mehr zur Verfügung, der den leeren Platz in dem Gremium besetzen könnte. Ursprünglich hatte die Partei zur Kommunalwahl vier Stadtratssitze in Auerbach errungen. (↪ FP, 21.02.)


Eine Veranstaltung der AfD, die am Sonnabend in Leisnig (Mittelsachsen) stattfinden sollte, ist ausgefallen. Die Partei wollte im Stadtgut über „100 Tage im Landtag“ berichten. Kurzfristig entschieden aber der Bürgermeister Tobias Goth (CDU) und Mitglieder mehrerer Ratsfraktionen, dass der AfD dafür keine Räume in der städtischen Kultureinrichtung zur Verfügung gestellt werden. Als Redner war der Bundestagsabgeordnete Heiko Heßenkemper angekündigt worden. Gastgeber wollte Lars Kuppi sein, ein Polizeibeamter, der für die AfD im Landtag sitzt. Nach seinen Angaben habe einer seiner Mitarbeiter die Veranstaltung bei der Stadt angemeldet und die Räume angemietet. Seitens der Stadt heißt es, dass anhand der Anmeldung nicht ersichtlich war, dass es sich in Wirklichkeit um eine Parteiveranstaltung handeln würde. Kuppi kündigte daraufhin an, dass anstelle der Veranstaltung am Samstagnachmittag eine eine Kundgebung auf dem Leisniger Marktplatz stattfinden wird. Dort versammelten sich schließlich rund 40 Anhänger*innen der Partei, anwesend war unter anderem der AfD-Landesvorsitzende Jörg Urban. Etwa ebenso viele Menschen protestierten vor Ort gegen die AfD. (↪ Sächsische, 21.02., ↪ Sächsische, 22.02.)


Aus Altersgründen ist Jürgen Matthes aus dem Stadtrat von Tharandt (Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) ausgeschieden. Erst im Mai vergangenen Jahres war er in das Gremium gewählt worden. Die anderen Mitglieder entließen ihn wunschgemäß aus dem Ehrenamt. Einige von ihnen verließen während seiner Abschiedsrede, in der Matthes die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung geißelte, den Saal. Womöglich hat der Rücktritt einen weiteren Grund: Kürzlich war bekannt geworden, dass Matthes bei der „Volksliedertafel Dresden“ musiziert und er neben Auftritten bei Pegida auch an Veranstaltungen der verfassungsfeindlichen Identitären Bewegung und der neonazistischen NPD mitwirkte. Zudem ließ er Anhänger*innen des extrem rechten „Sturmvogel“-Bundes auf seinem Grundstück ein Lager abhalten. Für Matthes wird Tobias Eisold in den Stadtrat nachrücken. (↪ Sächsische, 21.02.)


Die AfD im Sächsischen Landtag blockiert die Arbeit eines Untersuchungsausschusses, den die Fraktion selbst eingesetzt hat. Mit dem Gremium soll aufgeklärt werden, wie es im Vorfeld der Landtagswahl im vergangenen Jahr zur Kürzung der AfD-Landesliste kam: Wegen schwerer Formfehler bei der Aufstellung der Kandidat*innen hatte der Landeswahlausschuss zunächst nur 18 der insgesamt 61 Kandidierenden zugelassen. Später erweiterte der Sächsische Verfassungesgerichtshof die Liste auf 30 Personen. In der Konsequenz konnte die Partei ein Landtagsmandat nicht besetzen, sie sieht sich seitdem als Opfer einer Intrige. Den dazu geschaffenen Untersuchungsausschuss gibt es bereits seit vier Monaten, doch passiert ist bisher nicht viel. Stattdessen streiten sich die AfD-Mitglieder um die Verfahrensgrundsätze. Konkret geht es darum, dass ein Untersuchungsausschuss nicht mehr das Recht hat, Zeug*innen zu vereidigen – ein Meineid vor dem Gremium ist demnach nicht strafbar, so will es der Bundesgesetzgeber. Die AfD akzeptiert das nicht und droht, das sächsische Verfassungsgericht anzurufen. Die Arbeit des Ausschusses könnte das noch monatelang lahmlegen. (↪ FP, 21.02.)


Der Dresdner AfD-Politiker Gordon Engler soll künftig am Städtischen Gymnasium Riesa (Landkreis Meißen) die Fächer Geschichte und Gemeinschaftskunde unterrichten. Die Abordnung des Lehrers Engler verantwortet das Landesamt für Schule und Bildung, doch an der Personalentscheidung entzündet sich vor Ort Kritik. Engler hatte von 2014 bis 2019 für die AfD im Dresdner Stadtrat gesessen, zuletzt als Fraktionsvorsitzender. Derzeit ist er Mitglied in einem Stadtbezirksbeirat, außerdem ist er bei der verfassungsfeindlichen Jungen Alternative aktiv. Auch im Spektrum deutschnationaler Studentenverbindungen ist er fest verankert. So ist Engler Mitglied der in Dresden ansässigen Burschenschaft Cheruscia. Zeitweise war er sogar Sprecher der Deutschen Burschenschaft, des Dachverbandes der völkischen Fraktion des burschenschaftlichen Spektrums. (↪ Sächsische, 22.02.)

AfD rundherum

Der völkisch-nationalistische „Flügel“ besetzt längst nicht alle Schlüsselposten in der AfD. Er dominiert die Partei trotzdem: Während Björn Höckes Pegida-Rede am vergangenen Montag, in der er Umsturzphantasien formulierte, auf scharfe Kritik anderer Parteien stieß, ist die extremn rechte Strömung innerparteilich fester verankert denn je. Vor allem das Kemmerich-Manöver in Thüringen hat dazu beigetragen, Höckes Ansehen als politischer Stratege so weit aufzuwerten, dass auch langjährige Kontrahent*innen ihren Respekt ausdrücken: So sagte Alice Weidel, die am vergangenen Wochenende zur neuen Landesvorsitzenden der AfD in Baden-Württemberg gewählt wurde: „Ich muss sagen, dass Herr Höcke einen sehr guten Job in Thüringen gemacht hat. Das, was er letzte Woche geschafft hat, das hat noch keiner vor ihm geschafft, und dafür gebührt ihm der höchste Respekt.“ AfD-Bundeschef Jörg Meuthen sagte, er kenne „viele vernünftige Leute, die sich dem Flügel zugehörig fühlen, mit denen man sehr wohl vernünftig sich austauschen kann“. Ein „Aufbäumen der Vernünftigen“ gegen Höckes Truppe wird es dagegen nicht geben – auch nicht nach Hanau. (↪ ZDF, 16.02., ↪ Welt, 16.02., ↪ Berliner Zeitung, 18.02., ↪ Tagesschau, 22.02.)


Bei Geld hört die Parteifreundschaft auf, jedenfalls in der AfD. Nachdem in der vergangenen Woche bekannt geworden ist, dass der Partei durch einen Ingenieur aus Bückeburg (Landkreis Schaumburg) mehr als sieben Millionen Euro vererbt worden sind, erhebt jetzt der örtliche Kreisverband Nienburg-Schaumburg Ansprüche auf einen Teil der Summe und fordert rund 150.000 Euro ein. Die Bundes-AfD verweist dagegen darauf, dass mit der Erbschaft ausdrücklich die Bundespartei bedacht wurde. (↪ RND, 19.02.)


Die AfD verschärft ihr Vorgehen gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Weil sie sich durch kritische Berichterstattung verunglimpft sieht, fordert die Bundestagsfraktion nun die Schaffung einer „Stiftung Medientest“, die Inhalte kontrollieren soll. Zudem will die Fraktion die Sendeanstalten in einer eigenen Kommission überprüfen und „Alternativen zur bestehenden Ordnung“ entwickeln. Diese Alternative besteht aus Sicht der Partei in der Privatisierung und damit der Abschaffung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Gegen ihn agitiert die AfD bereits seit Jahren. Neuester Anlass ist die geplante Erhöhung der Rundfunkgebühren. In Sachsen sammelt ein AfD-eigener Verein („Volksinitiative Sachsen genug GEZahlt“), hinter dem die ehemalige Abgeordnete Karin Wilke steht, seit einer Weile Unterschriften gegen „die pauschalen Rundfunkzwangsbeiträge“. Nach Wilkes Anhgaben hätten bereits rund 20.000 Menschen unterzeichnet. Es geht aber nicht nur um die Beitragshöhe. Vielmehr bildet die Partei inzwischen eine regelrechte Filmstrategie aus. Sie setzt auf den Aufbau einer Drohkulisse gegen kritische Berichterstattung. Möglich machen das gezielte Beschwerden, denn die AfD hat dank ihrer Stärke Vertreter*innen in die Aufsichtsgremien von sechs öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten entsenden können. Darüber hinaus droht die AfD, deutschsprachige Film- und Serienproduktionen, die mit öffentlichen Mitteln gefördert werden, komplett zum Erliegen bringen. (↪ Welt, 18.02., ↪ Sächsische, 20.02., ↪ Spiegel, 21.02.)


Der bayrische AfD-Bundestagsabgeordnete Hansjörg Müller will einen Mitgliederentscheid in seiner Partei durchsetzen. Damit möchte der Politiker erreichen, dass Bundesparteitage künftig nicht mehr nur Delegiertenversammlungen sind, sondern allen Mitgliedern offenstehen. So war es in der Anfangszeit der Partei gewesen, aufgrund ihres Wachstums gilt das aber nicht mehr als praktikabel. Müller kritisiert dagegen, dass es vielen Delegierten eher um den „Machterhalt der Führungskaste“ gehe als um die Belange das Basis. Für das Anliegen, sie wieder stärker zu beteiligen, hat Müller inzwischen genügend Unterschriften gesammelt. Die Parteisatzung verlangt die Zustimmung von drei Prozent aller Mitglieder. Weil das Quorum erfüllt ist, wird es voraussichtlich im Mai oder Juni – erstmals in der Geschichte der AfD – zum Mitgliederentscheid kommen. (↪ Welt, 21.02.)

Blauzone

Der CDU-Politiker Sven Eppinger, der zugleich Vize-Landeschef der WerteUnion (WU) in Sachsen ist, hat sich zu einer Spendenzahlung erklärt, die von ihm an die AfD geflossen ist. Der Vorgang war in der vergangenen Woche bekannt geworden. Demnach gehört Eppinger zu einer ganzen Reihe von WU-Funktionären, die aus den Unionsparteien heraus der AfD verschiedene Unterstützungen gewährt haben, obwohl die Gruppe behauptet, mit dieser Partei keineswegs zusammenarbeiten zu wollen. Eppinger räumte nun ein, dass Ende des Jahres 2016 von seinem Konto 30 Euro an die AfD überwiesen wurden. Das habe allerdings nicht er selbst, sondern seine Ehefrau veranlasst: „Sie ist unpolitisch, aber mag starke Frauen. Sie wollte Frauke Petry unterstützen“, so Eppinger. (↪ TAG24, 17.02.)


Beiträge der WerteUnion (WU) werden im sozialen Netzwerk Twitter besonders stark von Personen rezipiert und weiterverbreitet, die der AfD nahestehen. Das ist das Ergebnis einer Datenanalyse. Sie zeigt unter anderem, dass rund 42 Prozent der Retweets von Inhalten des bisherigen WU-Sprechers Ralf Höcker auf Profile zurückzuführen sind, die zugleich Inhalte von Björn Höcke teilen. Im Falle von Beiträgen des früheren Verfassungsschutz-Präsidenten Hans-Georg Maaßen, der das aktuell prominenteste WU-Mitglied ist, liegt der Wert sogar bei 56 Prozent. Insgesamt zeige Maaßen „eine größere Überschneidung mit Höcke als mit Konten von CDU und FDP“, heißt es. Die Auswertung bestätigt frühere Analysen, wonach insbesondere Maaßen „eine rechte bis rechtsextreme Followerschaft hat, die fast nie Accounts aus der CDU retweetet.“ (↪ Tagesschau, 17.02.)

Hintergründe

Die CDU-Bundesspitze will nach wie vor gleichermaßen Abstand zur AfD und zur Partei DIE LINKE halten – eine Position, mit der die AfD verharmlost wird und die sich im Lichte der Kemmerich-Affäre in Thüringen kaum mehr aufrecht erhalten lässt. Der Sozialwissenschaftler Michael Lühmann zeigt, dass die Abgrenzung gegenüber der LINKEN, die mit der DDR-Vergangenheit begründet wird, obendrein unehrlich ist: In der Ost-CDU steckt mehr Blockpartei, als der Union lieb ist. (↪ Freitag, 17.02.)


Die AfD geißelt regelmäßig eine angebliche „politische Korrektheit“, die vorschreibe, was man sagen dürfe und was nicht. Doch eine Analyse des Sprachgebrauchs der Partei zeigt, dass sie selbst eine aggressive Sprachpolitik betreibt und dadurch Sprachregeln ausprägt, die man als „politischen Korrektheit von Rechts“ bezeichnen kann. (↪ Hassrede, 19.02., ↪ FR, 23.02.)


Wer macht im Netz Stimmung für die AfD? Eine Recherche zeigt, wie rechte „Influencer“ im Sinne der Partei agieren. Einige von ihnen haben einschlägige Verbindungen zur Neuen Rechten und zur verfassungsfeindlichen Identitären Bewegung. (↪ Correctiv, 21.02.)

Rechtsterrorismus (I): „Gruppe Somogyi“

Mehrere mutmaßliche Mitglieder der rechtsterroristischen „Gruppe Somogyi“, die kürzlich ausgehoben wurde, standen in Kontakt mit der AfD. So war der Beschuldigte Tony Ebel aus Uelzen bei Facebook mit mehreren AfD-Mitgliedern befreundet. Der Namensgeber und mutmaßliche Anführer der Gruppe Werner Somogyi (alias „Teutonico“) soll mit einem Funktionär des AfD-Kreisverbandes Börde in Verbindung gestanden haben. Die AfD bestätigte inzwischen, dass Somogyi „kurzfristig auf einer unserer E-Mail-Adressen-Listen auftauchte“, auf der er sich vermutlich selbst als Interessent eingetragen hatte. Der AfD-Bundesverband gibt dazu an, dass die Partei ansonsten „in keinerlei Verbindung“ mit dieser Person stehe. Aussagen zu möglichen lokalen Verknüpfungen machte die AfD indes nicht. Weitere Beschuldigte teilten AfD-Inhalte auf verschiedenen Internet-Profilen.

Die Gruppe war am Freitag vor einer Woche durch eine Serie von Razzien zerschlagen worden. Ausgangspunkt waren Ermittlungen des Generalbundesanwalts gegen zunächst fünf bekannte Beschuldigte, die im Verdacht stehen, eine rechtsterroristische Vereinigung gegründet zu haben. Im Ergebnis der Durchsuchungen erhärtete sich der Verdacht, inzwischen sitzen zwölf mutmaßliche Mitglieder und Unterstützer in Untersuchungshaft. Sie sollen zuvor teils Vereinigungen angehört haben, die als „Bürgerwehren“ auftraten, teils auch der Reichsbürger- und Prepper-Szene nahestehen. Gemeinsam, so die Annahme der Ermittlungsbehörden, soll sich die Gruppe auf einen „Tag X“ vorbereitet und beabsichtigt haben, durch Anschläge „bürgerkriegsähnliche Zustände“ hervorzurufen. Unter anderem habe man Attentate gegen Asylsuchende, Muslime und Politiker*innen beabsichtigt.

Es ist nicht der erste Fall von Rechtsterrorismus, in dem sich Bezüge zur AfD abzeichnen: Stephan Ernst, der mutmaßliche Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, hatte die Partei sogar als Wahlkampfhelfer unterstützt. (↪ RND, 17.02., ↪ FP, 17.02., ↪ TAZ, 17.02., ↪ Zeit, 17.02.)

Rechtsterrorismus (II): Mordanschläge in Hanau

Nach den rassistischen Mordanschlägen in Hanau (Hessen) haben etliche AfD-Politiker*innen die Tat relativiert. Am Mittwochabend hatte der 43-jährige Tobias Rathjen in zwei Shisha-Bars um sich geschossen und neun Menschen – Ferhat Unvar, Gökhan Gültekin, Hamza Kurtović, Said Nessar El Hashemi, Mercedes Kierpacz, Sedat Gürbüz, Kaloyan Velkov, Fatih Saraçoğlu und Vili Viorel Păun – getötet sowie weitere teils schwer verletzt. Später erschoss er seine Mutter und richtete sich selbst. Noch in der Nacht zum Donnerstag übernahm der Generalbundesanwalt die Ermittlungen, da Texte und Videoaufzeichnungen des Täters einen rechtsterroristischen Hintergrund nahelegen.

Die AfD sieht das völlig anders. Der Parteivorsitzende Jörg Meuthen sprach bei Twitter von der „wahnhaften Tat eines Irren“, die mit Terror nichts zu tun habe. Tino Chrupalla, ebenfalls Parteichef, geht von der „Tat eines Geisteskranken“ aus. Weitere Spitzenpolitiker*innen der AfD versuchen, das Verbrechen zu entpolitisieren: Alexander Gauland, Ehrenvorsitzender der Partei und Fraktionschef im Bundestag, sagte, es handle sich um die „Tat eines völlig geistig Verwirrten“, der kein politisches Ziel gehabt habe. Auch er mahnte an, nicht von Terror zu reden. Beatrix von Storch geht von der „Wahnsinnstat“ eines „psychotischen Amokläufers“ aus. Björn Höcke schrieb in dem Zusammenhang von einem „Wahnsinn“, der „sich in diesem Land immer mehr auszubreiten“ scheine. Das Verbrechen zeige, dass es „schlimme, schreckliche Zustände in unserem Land“ gebe, meint Höckes „Flügel“-Kollege Stephan Brandner. Der Berliner AfD-Vorsitzende Georg Pazderski gab daran der Migrations- und Flüchtlingspolitik der Kanzlerin die Schuld. Der Bundestagsabgeordnete Gottfried Curio sprach von einem „psychisch gestörten Einzeltäter“, dessen Vorgehen nun durch „Regierungskreise“ und „linke Parteien“ benutzt würden, um der AfD zu schaden. All diese Äußerungen stellen die rechte Tatmotivation und die rassistische Orientierung des Täters in Frage.

Noch unverblümter fiel ein Facebook-Beitrag des AfD-Kreisverbandes Augsbug aus. „Deutschland auf dem Weg zum Multikulti-Drecksloch“, war dort am Donnerstagmorgen – kurz nach der Tat – zu lesen. Der Eintrag wurde bald wieder gelöscht. Über den offiziellen Twitter-Account der Bundes-AfD wurde zwischenzeitlich sogar das „Manifest“ des Mörders verlinkt – um zu belegen, dass dessen Motive mit Politik und insbesondere mit der AfD nichts zu tun hätten. In Wirklichkeit weisen Statements des Täters jedoch deutliche Schnittmengen mit Positionen der AfD auf. „Dieser Tätertyp muss nur ausführen, was bereits formuliert ist. Er findet das ‚Wissen‘, die Atmosphäre, die Weltanschauung, die er braucht, bereits vor“, kommentiert dazu der Historiker Volker Weiß. Er erinnert an die Umsturz-Phantasien, die Björn Höcke erst vor wenigen Tagen auf der Pegida-Bühne äußerte.

Vertreter*innen der Partei hatten in der Vergangenheit auch immer wieder gegen Shisha-Bars als angebliche Horte von „Ausländerkriminalität“ gehetzt. Rainer Rahn, der als Spitzenkandidat der AfD in den Landtag von Hessen eingezogen ist, bekräftigte dies nun sogar: „Shisha-Bars sind Orte, die vielen missfallen, mir übrigens auch.“ Sie hätten „ein erhebliches Störpotential“, sagte er. Noch rauer ist der Ton derzeit in AfD-nahen Facebook-Gruppen. Dort werden die Opfer mit hämischen Kommentaren überzogen, hinzu kommen Fake News und Verschwörungstheorien.

Infolge der rassistischen Morde in Hanau verliert die AfD unterdessen bundesweit an Zuspruch und sackt in der Gunst der Wähler*innen messbar ab. Die AfD in Hamburg, wo heute eine neue Bürgerschaft gewählt wird, hat ihre Wahlkampfabschluss-Veranstaltung kurzfristig abgesagt. Zur Begründung hieß es, man wolle sich nicht vorwerfen lassen, „dass man pietätlos gehandelt habe“. (↪ FAZ, 20.02., ↪ DLF, 20.02., ↪ n-tv, 20.02., ↪ Augsburger Allgemeine, 20.02., ↪ Euronews, 20.02., ↪ Stern, 20.02., ↪ t-online.de, 21.02., ↪ Welt, 21.02., ↪ FAZ, 21.02., ↪ ZDF, 21.02., ↪ n-tv, 22.02., ↪ Spiegel, 23.02.)