AfD-Landesspitze will im Amt bleiben

In knapp drei Wochen trifft sich die sächsische AfD zum Landesparteitag. Wichtigste Aufgabe wird die Neuwahl des Vorstandes sein. Die Doppelspitze von Jörg Urban und Jan Zwerg will weitermachen wie bisher – aber hinter den Kulissen läuft nicht alles glatt. idas erklärt, wo es knirscht.

Es sieht nach einer Routineaufgabe aus: Um die 400 Delegierte der sächsischen AfD werden sich am 29. Februar und 1. März im Landkreis Meißen treffen. Der Landesparteitag steht an, der fünfzehnte ist es bereits. Wie schon bei mehreren früheren Tagungen tritt das oberste Gremium des Landesverbandes im großen Ballsaal des Zentralgasthofs in Weinböhla zusammen. Die Geschäftsführerin ist im Vorstand der örtlichen CDU-Gruppe aktiv. Proteste fürchtet man vor Ort erfahrungsgemäß nicht, es wird keine geben.

Änderungen im Landesvorstand

Auf der offiziellen Tagesordnung, die idas vorliegt, stehen etliche Pflichtpunkte. Es geht unter anderem um den Finanzplan des Landesverbandes, um Satzungsfragen und um Neubesetzungen im Schiedsgericht. Der Hauptpunkt wird die Wahl eines neuen Landesvorstandes sein, über den laut Parteiordnung alle zwei Jahre neu abgestimmt werden muss. Die aktuelle Landesspitze will im Amt bleiben – Jörg Urban kandidiert erneut als Vorsitzender, Jan Zwerg wieder als Generalsekretär. Mögliche Gegenkandidaturen wurden noch nicht bekannt. Dennoch wird es nicht ohne Veränderungen in dem zwölfköpfigen Leitungsgremium abgehen. So will sich der langjährige Schatzmeister Carsten Hütter, der zugleich die AfD-Landesgeschäftsstelle leitet, nicht erneut zur Wahl stellen.

Nach eigenen Angaben verzichtet der Landtagsabgeordnete auf den Posten, um sich ganz auf die Finanzen des Bundesverbandes zu konzentrieren. Dafür ist er seit kurzem kommissarisch zuständig, weil der gewählte Bundesschatzmeister Klaus-Günther Fohrmann überraschend zurückgetreten ist. Um den vakanten Spitzenposten will sich Hütter beim nächsten Bundesparteitag offiziell bewerben. Allerdings gibt es für seinen freiwilligen Rückzug aus dem Landesvorstand einen weiteren Grund: In Weinböhla müsste er eine Niederlage einplanen. Zwar ist der 55-Jährige bereits seit Oktober 2013 Mitglied im Landesvorstand, länger als niemand sonst.

Doch die langjährige Erfahrung gereicht ihm heute zum Nachteil, denn er sammelte sie unter Frauke Petry, was in der Partei als schwerer Makel gilt. Das bekam Hütter schon vor einem Jahr zu spüren. Für die Landtagswahl wollte er auf dem sicheren dritten Listenplatz kandidieren, gleich hinter dem Spitzenduo Urban und Zwerg. Doch die versammelten Mitglieder ließen ihn prompt durchfallen und dann Wahlgang um Wahlgang wieder auflaufen. Erst auf Platz 15 kam der Gebrauchtwagenhändler zum Zug, mit lediglich 61 Prozent der Stimmen – obwohl er in dem Moment keine Gegenkandidat*in hatte.

Ämterhäufung an der Spitze

Der aktuelle Landesvorstand ist im Februar 2018 ins Amt gekommen, nachdem die AfD eine tiefe Zäsur erlitten hat. Grund ist der Rückzug Frauke Petrys, die sich im September 2017 von der Partei abgewandt hatte. Ein Notvorstand übernahm für einige Monate das Ruder in Sachsen. Bis dahin war alles auf Petry zugeschnitten gewesen, sie war zugleich Landeschefin und Fraktionsvorsitzende im Landtag. Die parlamentarische Leitung übernahm danach Jörg Urban, und er nutzte seinen plötzlichen Aufstieg als Sprungbrett an die Landesspitze. Das wichtigste Thema, mit dem er für sich selber warb, war eine offene Kooperation mit Pegida. Das zog bei der Parteibasis. Vor zwei Jahren wurde Urban mit gut 91 Prozent der Stimmen zum neuen Landesvorsitzenden gewählt. Fast genauso viel Zuspruch erhielt Jan Zwerg, seither die Nummer zwei der Sachsen-AfD und die rechte Hand Urbans.

Dass es nach de Ära Petry gelang, eine Spaltung zu vermeiden und den Landesverband zu konsolidieren, verdankt sich dieser Doppelspitze. Urban positioniert sich als Realpolitiker, der sich inhaltlich selten festlegt, dadurch kaum aneckt. Zwerg ist für die radikaleren Töne zuständig, er tritt nach außen als Scharfmacher auf und nach innen als autoritäre Respektsperson, der die eigenen Leute auf Linie hält. Es ist freilich die Linie des verfassungsfeindlichen „Flügels“ gemeint, dem trotz anderslautender Beteuerungen Urban und Zwerg angehören. Die völkisch-nationalistische Strömung hat in Sachsen kaum noch Widersacher*innen.

Dass die Führungsstellungen im System Urban nicht wackeln, liegt zudem an schnöder Ämterhäufung. Von den zwölf aktuellen Mitgliedern des Landesvorstandes sind acht zugleich Landtagsabgeordnete, zwei weitere arbeiten für die Landtagsfraktion, der Urban ebenfalls vorsteht. Nicht nur über den Landesvorstand, sondern auch über die Fraktion kann er das Parteileben kontrollieren. Fast jedes zweite Fraktionsmitglied ist zugleich Funktionär*in des Landesverbandes, mehr als die Hälfte der sächsischen AfD-Abgeordneten sitzt in den Vorständen der Kreisverbände. Eine Trennung von Amt und Mandat gibt es nicht einmal theoretisch. Erstaunlich für eine Partei, die in ihrer Anfangszeit oft mit „direkter Demokratie“ warb.

Durchwachsene Bilanz der Urban-AfD

Neben den Vorstandswahlen gibt es einen anderen wichtigen Punkt auf der Tagesordnung, der für Diskussionen sorgen wird und Personalfragen entscheidend beeinflussen könnte. Gleich zu Beginn des Parteitages will der Vorstand einen „politischen Rechenschaftsbericht“ über die vergangenen zwei Jahre ablegen. Dabei kann Urban klotzen statt kleckern, auf der Haben-Seite steht die Aufwärtsentwicklung des Landesverbandes. Er verzeichnet weiterhin Zustrom, hat jetzt mehr als 2.600 Mitglieder, tausend mehr als noch vor drei Jahren. Urban führt damit den stärksten Ost-Verband der AfD an. Auch die Wahlkämpfe im vergangenen Jahr liefen für die Partei erfreulich, im Sächsischen Landtag sitzt jetzt ihre bundesweit stimmgewichtigste Fraktion.

Allerdings gibt es einige Haken, und sie trüben die Bilanz erheblich. Urban hat sein Versprechen, mit Pegida ganz offiziell zu kooperieren, gar gemeinsam Wahlkämpfe zu bestreiten, nicht eingelöst. Zur Landtagswahl hatte er zudem ehrgeizige Ziele gesetzt, seine Partei sollte stärker werden als die CDU und sogar die Regierung bilden. Doch so kam es nicht. Trotz Top-Ergebnis errang die AfD weniger Direktmandate als erwartet. Sie kann sich in Sachsen, anders als der Höcke-Verband in Thüringen, nicht als „Königsmacherin“ aufspielen. Vor der Wahl hatte sich die sächsische AfD außerdem selbst geschwächt, wegen erheblicher Fehler bei der Aufstellung der Kandidat*innen wurde nur die Hälfte der Landesliste zugelassen. Das Listendebakel kostete die Partei ein Landtagsmandat. Niemand in der Partei war bislang bereit, dafür die Verantwortung zu übernehmen – schon gar nicht Urban.

Auch der Zustrom neuer Mitglieder erlahmt in letzter Zeit, wie ein genauerer Blick zeigt. Zwar verzeichnete die sächsische AfD im Jahr 2018, als Urban an die Landesspitze aufrückte, fast 600 Neueintritte. Aber das gilt als ein Effekt der erfolgreichen Bundestagswahl, für die noch Frauke Petry die Spitzenkandidatin gewesen war. Auch frühere Wahlerfolge hatten zu vermehrten Eintritten geführt. Dagegen fällt die Bilanz für das Superwahljahr 2019, die sich Urban zurechnen kann, mager aus. Unterm Strich hat die Partei seitdem nur noch rund 250 neue Mitglieder angelockt.

Inhalte sind Mangelware

Längst ahnt man, dass die erfolgsverwöhnte Partei ihren Zenit erreicht hat. Dass alles Kommende kein Selbstläufer sein wird. Dass die AfD ein halbes Jahrzehnt nach der „Migrationskrise“ neue zugkräftige Themen braucht, die auf der parlamentarischen Bühne zünden, in den Medien durchschlagen und das eigene Milieu mobilisieren. Der große Wurf ist aber nicht in Sicht. Es gibt eine Anti-GEZ-Initiative, die völlig unter dem Radar läuft. Und die Versuche, geplante Dieselfahrverbote zu skandalisieren und auf Bauernproteste aufzuspringen, haben nicht die erhoffte Gelbwesten-Dynamik entfesselt.

Am zufriedensten ist man da noch mit der aktuellen Kampagne gegen die sächsische Justizministerin Katja Meier, die von den Grünen kommt. Man hält ihr Punk-Songtexte vor, zu der sie Bass gespielt hat, als sie Jugendliche war – die AfD fordert deshalb ihren Rücktritt. Doch der Plan, bei der CDU Unmut gegen den grünen Koalitionspartner zu stiften, ist nicht aufgegangen. Noch eine ganze Weile wird die AfD versuchen, die vermeintlich „linksextreme“ Ministerin anzuprangern und ihren Rausschmiss aus der Regierung zu fordern: Wie idas aus Parteikreisen erfuhr, wollen AfD-Anhänger*innen Anfang März mit einem Demonstrationszug durch Riesa (Landkreis Meißen) marschieren. In der Region hatte die Ministerin ihren Wahlkreis. Intern wird bereits mobilisiert, angemeldet wurde die Versammlung noch nicht.

Die Kampagnen-Politik wird inhaltliche Fehlstellen nicht dauerhaft überdecken können. Man sieht das an der aktuellen Rentendiskussion in der AfD. Nach langem Vorlauf will sich die Bundespartei bald auf ein Konzept festlegen und damit eine bedeutsame Weichenstellung für ihr sozialpolitische Profil vornehmen. Doch gerade bei der Klärung dieser Grundsatzfrage ist die sächsische AfD nur Zaungast. Urban ist zwar Mitunterzeichner einer gemeinsamen Erklärung der ostdeutschen Fraktionsvorsitzenden. Hauptbotschaft: „Wir stehen zur Deutschen Rentenversicherung.“ Aber das allein ist kein Konzept. Wer sich zu dem Thema belesen möchte, findet auf der Website von Urbans AfD-Landesverband gar nichts. Und auf der Website seiner Landtagsfraktion? Eine leere Seite.