Presseschau, 4. Kalenderwoche 2021

Partei schrumpft, Beobachtung unter Vorbehalt, Geldstrafe für Kumpf, Ermittlungen gegen Figula, Abgang in Pirna, erneute Corona-Klage, Vorfeld-Verein in Kamenz, Kontrollen beim Landesparteitag, Kalbitz-Nachfolger gesucht, weitere Vorwürfe gegen Prenzler, Mitgründer Bohne tritt aus, Neonazi kandidiert in Kassel, Seifert war JN-Mitglied, Raue infiziert, Lüth weiter aktiv, LKR, Hayek-Gesellschaft, Verschwörungsmentalität. Das war diese Woche wichtig:


In der Presseschau informiert idas jeden Sonntag über lesenswerte Medienberichte und Recherchen rund um die AfD, die im Laufe der Woche erschienen sind.


Top Stories

Im vergangenen Jahr hat die AfD erstmals seit fünf Jahren zahlreiche Mitglieder verloren. So gehörten der Partei Anfang 2021 „etwa 32.000“ Personen an, konkrete Angaben belaufen sich auf 31.932. Anfang 2020 waren es noch 34.750 Mitglieder gewesen. Wie ein Parteisprecher erklärte, seien im Jahresverlauf rund 1.400 bisherige Mitglieder gestrichen wurden, weil sie keine Beiträge zahlten. Es habe sich um die „erste richtige Flurbereinigung“ seit der Gründung gehandelt. (↪ Tagesschau, 25.01., ↪ BNR, 27.01.)


Im Rechtsstreit mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) um die drohende Einstufung der AfD und deren Beobachtung mit nachrichtendienstlichen Mitteln hat die Partei am Mittwochabend eine weitere Niederlage hinnehmen müssen. Bereits am Dienstag hatte es das Verwaltungsgericht Köln in einem durch den AfD-Bundesverband angestrengten Verfahren abgelehnt, dem BfV zu verbieten, die mutmaßliche Zahl früherer oder aktueller Flügel-Mitgliedern öffentlich zu nennen. Trotz formaler Auflösung dieser Strömung im vergangenen Frühjahr werden ihr unverändert rund 7.000 Personen zugerechnet. Das gleiche Gericht hat nunmehr auch den Antrag der AfD abgelehnt, im anhängigen Eilverfahren eine Zwischenregelung – einen sogenannten Hängebeschluss – zu erlassen, mit dem es der Behörde vorläufig untersagt werden sollte, die Einstufung der Gesamtpartei als rechtsextremistischer Verdachtsfall vorzunehmen.

Eine solche Regelung erachtet das Gericht als unnötig, da das BfV eine „Stillhaltezusage“ abgab. Die inzwischen bekannten Details dieser Vereinbarung besagen, dass das BfV bis zum Abschluss des Eilverfahrens darauf verzichten wird, über eine eventuelle Einstufung öffentlich zu informieren und in der Folge nachrichtendienstliche Mittel gegen Funktionär*innen und Mandatsträger*innen auf Europa-, Bundes- und Landesebene sowie gegen Kandidat*innen für solche Mandate anzuwenden. Nicht von der Zusage umfasst sind einfache Mitglieder der Partei sowie solche Politiker*innen der AfD, die im Zusammenhang mit der Beobachtung des Flügels und der Jungen Alternative als rechtsextremistisch gelten. Unberührt bleiben offenbar auch bereits laufende Beobachtungsvorgänge mehrerer Verfassungsschutz-Landesämter.

Die AfD kann Beschwerde gegen den Beschluss vor dem Oberverwaltungsgericht Münster einlegen, das eigentliche Eilverfahren wird unverändert fortgesetzt. Erst nach dem Abschluss könnte das BfV seine Entscheidung öffentlich machen, die für diese Woche erwartet worden war. Die Behörde stützt sich auf ein umfangreiches Gutachten, das zuletzt dem vorgesetzten Bundesinnenministerium zur juristischen Prüfung vorlag. Innenminister Horst Seehofer betonte in dieser Woche, dass dabei eine „rein fachliche Beurteilung“ vorgenommen werde und es keine politischen Vorgaben zum Ergebnis gebe. Die Prüfung sollte ihm zufolge in einer „überschaubare Zeitspanne“ abgeschlossen sein, binnen weniger Tage. Nicht auszuschließen ist damit, dass das BfV bereits eine Entscheidung getroffen hat oder in Kürze treffen wird. (↪ Tagesschau, 27.01., ↪ SZ, 27.01., ↪ RND, 27.01., ↪ TAZ, 27.01., ↪ RND, 28.01.)

AfD in Sachsen

Wegen eines Verstoßes gegen die Corona-Schutzverordnung soll der sächsische AfD-Landtagsabgeordnete Mario Kumpf eine Geldstrafe über insgesamt 178,50 Euro zahlen. Den Vorgang machte der Parlamentarier selbst öffentlich. Demnach hatte er sich mit vier weiteren, durch ihn eingeladenen Personen am 15. November vergangenen Jahres am Kriegerdenkmal am Schlechteberg in Ebersbach-Neugersdorf (Landkreis Görlitz) getroffen, um einen Kranz zum Volkstrauertag niederzulegen. Nachdem er Bilder davon auf seiner Facebook-Seite zeigte, leitete das Ordnungsamt des Landkreises ein Ordnungswidrigkeitenverfahren ein und stellte einen Bußgeldbescheid zu. Demnach war das Treffen nicht angemeldet, es lag kein Hygienekonzept vor und die Beteiligten trugen keine Masken. Gegenüber der Sächsischen Zeitung sagte Kumpf, er fühle sich „drangsaliert“, der Vorgang sei „undemokratisch“. Er habe Widerspruch gegen den Bescheid eingelegt und sei bereit, vor Gericht zu ziehen. (↪ Sächsische, 25.01.)


Weil er gegen das Versammlungsgesetz verstoßen haben soll ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft gegen ein Mitglied der AfD-Fraktion im Stadtrat von Zittau (Landkreis Görlitz). Dort hatte Mitte Oktober eine Gruppe von Pandemie-Leugner*innen einen „Totenzug“ inszeniert – vorgeblich eine Satire-Aktion, bei der angezweifelt wurde, dass Menschen an der Covid-19-Erkrankung versterben. Im Nachgang gab sich der AfD-Kommunalpolitiker Frank Figula als Beteiligter zu erkennen, die Ermittlungen gelten offenbar ihm. (↪ Sächsische, 25.01.)


Im Stadtrat von Pirna wird die bislang sechsköpfige AfD-Fraktion einen Sitz verlieren. Grund ist das Ausscheiden von Liane Roy, die 2019 für die Partei in das Kommunalgremium eingezogen war. Nun teilte sie mit, ihr Ehrenamt aus gesundheitlichen Gründen nicht länger ausüben zu können. Der beabsichtigten Niederlegung des Mandats muss der Stadtrat noch zustimmen. Neu besetzt werden kann ihr Platz nicht: Die beiden einzigen Nachrücker*innen, Heide Bonn und Horst-Dieter Bonn, stehen nicht zur Verfügung. Nach eigenen Angaben sind sie im Juni 2020 aus der AfD ausgetreten, da man in der Partei und auch in der Stadtratsfraktion eine basisdemokratische Arbeit „nur in eingeschränkter Form“ praktiziere, berichtet die Sächsische Zeitung. (↪ Sächsische, 26.01., ↪ Sächsische, 28.01.)


Mit einer weiteren Normenkontrollklage will die sächsische AfD-Landtagsfraktion vor dem Verfassungsgerichtshof des Freistaats gegen aktuell geltende Corona-Einschränkungen vorgehen. Das kündigte der Fraktionsvorsitzende Jörg Urban am Donnerstag an. Ihm zufolge habe seine Fraktion diesen Schritt gegen die Schutzverordnung einstimmig beschlossen. Bereits im November vergangenen Jahres hatte die Fraktion eine ähnliche Klage gegen den damaligen „Lockdown Light“ eingereicht, eine Entscheidung dazu steht aus. Offenbar nimmt die AfD eine jüngst in Bayern gefallene Gerichtsentscheidung gegen die 15-Kilometer-Regel zum Anlass für einen erneuten Anlauf. (↪ FP, 28.01., ↪ Bild, 28.01.)


Der Leipziger Stadtrat muss einen Teil seines Jugendhilfeausschusses neu besetzen. Das hat das Sächsischen Oberverwaltungsgericht in Bautzen beschlossen und damit in einem sogenannten Kommunalverfassungsstreit einer Beschwerde der AfD-Fraktion stattgegeben. Nach der Konstituierung des Stadtrats 2019 sollte für die AfD Christian Kriegel in das Gremium einziehen, er wurde aber nicht gewählt. Die Fraktion verfügt seither mit Marius Beyer lediglich über ein stellvertretendes Mitglied. Nach der Entscheidung des Gerichts, das sich auf das Ortsrecht der Stadt Leipzig stützt und zugleich eine anderweitige Entscheidung des Verwaltungsgerichts Leipzig verwarf, steht der AfD mindestens ein Platz im Ausschuss zu. (↪ LVZ, 28.01.)


Der in Kamenz ansässige „Verein zur Förderung politischer Bildung“, der seit 2019 existiert, ist offenbar eine Vorfeldorganisation der AfD. Darauf deuten Recherchen der Sächsischen Zeitung hin. Mitglieder und Referent*innen bei Vereinsveranstaltungen sind demnach regelmäßig mit der Partei verbunden. Mehrfacher Teilnehmer von Vereinstreffen war zudem der parteilose Kamenzer Oberbürgermeister Roland Dantz. Ihm zufolge sei es „völlig legitim, dass sich konservative und rechtskonservativ denkende Menschen austauschen“. Die Diskussionen, die er erlebt habe, seien „durchaus interessant“ gewesen. Das Wirken des Vereins vergleicht er mit den Aktivitäten parteinaher Stiftungen. (↪ Sächsische, 28.01.)


Die sächsische AfD muss bei ihrem Landesparteitag, der am kommenden Wochenende auf dem Gelände der Messe Dresden stattfindet, mit Kontrollen der Hygienevorschriften rechnen. Das kündigte Kulturbürgermeisterin Annekatrin Klepsch bei einer Stadtratssitzung am Donnerstag an. Demnach habe die Partei dem Ordnungsamt ein Hygienekonzept vorlegt, gegen das bislang keine Einwände erhoben wurden. Vor Ort werde der Gemeindliche Vollzugsdienst die Einhaltung prüfen und mögliche Verstöße ahnden. Zudem seien Sicherheitskräfte im Einsatz, um eine räumliche Trennung zum benachbarten Impfzentrum sicherzustellen. (↪ Sächsische, 28.01., ↪ TAG24, 29.01.)


Mit großer Mehrheit hat der Stadtrat von Dresden am Donnerstag Kulturfördermittel in Höhe von 5,3 Millionen Euro freigegeben, die rund 70 Vereinen und Initiativen in der Landeshauptstadt zugute kommen. Das hätte deutlich früher passieren können: Der Kulturausschuss des Stadtrats sollte die Auszahlung der im städtischen Haushalt vorgesehenen Gelder bereits im Dezember beschließen, wie es bislang üblich war. Im Ausschuss nutzten allerdings AfD und Freie Wähler ein Minderheitenrecht, um das Thema an den Stadtrat zu verweisen und einen Beschluss so um rund fünf Wochen zu verzögern. (↪ DNN, 29.01., ↪ Sächsische, 29.01.)

AfD rundherum

Der ehemalige sachsen-anhaltische Landes- und Fraktionsvorsitzende André Poggenburg ist am Sonntag der Vorwoche endgültig mit dem Versuch gescheitert, als parteiloser Kandidat für die kommende Landtagswahl nominiert zu werden. Bei der Aufstellung der AfD-Landesliste bewarb sich Poggenburg für die Listenplätze 15 und 19, unterlag aber deutlich. Insgesamt wurden während des Landesparteitags in Magdeburg 35 Kandidierende gewählt. (↪ MZ, 24.01.)


Voraussichtlich im März will die brandenburgische AfD den freien Posten an der Spitze des Landesverbands neu besetzen. Darum bewirbt sich nach eigenen Angaben Steffen Kubitzki. Er ist stellvertretender Fraktionschef im Landtag und hatte dem Landesvorstand bis 2019 als Beisitzer angehört. Vorsitzender war zuletzt der Neonazi Andreas Kalbitz, der Posten wurde seit seinem Parteiausschluss nicht neu besetzt. In der Vorwoche hatte das Berliner Kammergericht einen Berufungsantrag zurückgewiesen, mit dem Kalbitz erreichen wollte, seine Mitgliedsrechte zurückzuerhalten. In dem Falle wäre er automatisch wieder Landesvorsitzender geworden. (↪ Zeit, 25.01.)


Ein 35-Jähriger, der kurz vor dem Jahreswechsel in Cottbus einen Polizisten angegriffen und verletzt haben soll, ist offenbar Mitglied der AfD. Darauf deuten Recherchen des Neuen Deutschland hin. Gegen den Mann wird infolge einer Geburtstagsfeier ermittelt, die in der Wohnung der Cottbuser AfD-Stadtverordneten Monique Buder stattfand. Bei dem Versuch der Polizei, die illegale Party zu räumen, kam es zu dem gewaltsamen Zwischenfall. Wenig später wurde Buder aus der örtlichen AfD-Fraktion ausgeschlossen. Ermittlungen richten sich auch gegen den Landtagsabgeordneten Daniel Freiherr von Lützow, der entgegen eigenen Behauptungen ebenfalls zu Gast war und Polizisten bedroht haben soll. (↪ ND, 25.01.)


Die Staatsanwaltschaft Hamburg weitet ihre Ermittlungen im Kreise der AfD-Bürgerschaftsfraktion aus. In einer Strafanzeige wird Fraktionsgeschäftsführer Thorsten Prenzler bezichtigt, Radmuttern am Auto der AfD-Abgeordneten Olga Petersen gelockert zu haben. Er wird zudem bezichtigt, einer 19-jährigen Mitarbeiterin auf die Toilette gefolgt zu sein. Erst kürzlich war bekannt geworden, dass gegen Prenzler wegen des Vorwurfs der Urkundenfälschung ermittelt wird. (↪ Bild, 25.01.)


Der AfD-Mitgründer Martin Bohne ist aus der AfD ausgetreten. Seine Mitgliedschaft beendete er am Montag mit einem Schreiben an die Bundesgeschäftsstelle der Partei. Diese hatte er Anfang 2013 im hessischen Oberursel mitgegründet und wenig später den Landesverband Sachsen-Anhalt aufgebaut. Dort war er anfangs stellvertretender Landesvorsitzender. „Sowohl inhaltlich als auch durch die handelnden Personen entspricht die AfD nicht mehr dem, was ich am 6. Februar 2013 mit gegründet habe“, sagte Bohne der Zeit. Er war zwischenzeitlich schon einmal aus-, aber 2019 erneut eingetreten. Es sei für ihn „nicht mehr erquicklich in der Partei“, sagte er weiter. „Ich kann nicht erkennen, was die AfD bisher geleistet hat – außer Skandale.“ Damit sind heute von den einst 18 Gründungsmitgliedern nur noch drei Personen in der AfD. (↪ Zeit, 25.01.)


Der für das kommende Wochenende geplante Landesparteitag der AfD in Mecklenburg-Vorpommern fällt aus. Für die Aufstellung der Kandidierenden zur Landtags- und Bundestagswahl wollte sich die AfD im Neubrandenburger Jahnsportforum treffen. Die zuständige Verwaltungsgesellschaft, eine Tochterfirma der Stadt, verweigerte aber unter Verweis auf bestehende Corona-Restriktionen eine Vermietung und war damit im Recht, entschied nun das Verwaltungsgericht Greifswald. Dorthin war die AfD gezogen, um sich im Zuge eines einstweilige Rechtsschutzverfahrens einzuklagen. Inzwischen ist ein neuer Termin am selben Ort in Aussicht: 20. und 21. März. (↪ Nordkurier, 25.01., ↪ Zeit, 29.01.)


Ein bekannter Neonazi kandidiert für die AfD zur Kreistagswahl im Landkreis Kassel (Hessen). Es handelt sich um Christian Wenzel, der AfD-Kreisverband Kassel-Land hat ihn für den Listenplatz 15 ihres Wahlvorschlags nominiert. In der Vergangenheit war Wenzel für das im Jahr 2000 verbotene „Blood & Honour“-Netzwerk sowie bei der „Kameradschaft Kassel“ aktiv. Er gilt zudem als enge Bezugsperson von Stephan Ernst, des soeben verurteilten Mörders des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke. Wenzels Kandidatur wurde durch antifaschistische Recherchen bekannt. Die Partei teilte inzwischen mit, dass man seine Mitgliedschaft annulliere, da er über seine frühere Betätigung keine wahrheitsgemäßen Angaben gemacht habe. Wenzel selbst behauptet, dass seine Vorgeschichte in der AfD bekannt gewesen sei. Der zuständige Kreisvorsitzende Florian Kohlweg habe ihm sogar angeboten, dass er später erneut beitreten könne, „wenn Gras über die Sache gewachsen“ ist. Kandidat für die Kommunalwahl, die am 14. März stattfindet, bleibt er unabhängig davon – die Wahlscheine sind bereits gedruckt. (↪ Hessenschau, 25.01., ↪ FAZ, 25.01., ↪ FR, 26.01., ↪ Spiegel, 26.01., ↪ HNA, 28.01., ↪ HNA, 30.01.)


Dario Seifert, designierter Bundestags-Direktkandidat für den Wahlkreis Vorpommern-Rügen, war Mitglied der Junge Nationalisten (JN). Das berichtet der Nordkurier, Seifert bestätigte das. Seinen Angaben zufolge habe er seinen Vorlauf in der NPD-Jugendorganisation offengelegt, als er 2015 der AfD beitrat. Damit ist seine Parteimitgliedschaft nicht in Gefahr. Nach Angaben der Zeitung soll er darüber hinaus auch in Kontakt mit der Neonazi-Kameradschaft „Nationale Sozialisten Rostock“ gestanden und an Szeneveranstaltungen teilgenommen haben, etwa an einem „Trauermarsch“ 2014 in Stralsund. Erst kürzlich war bekannt geworden, dass der zuständige AfD-Kreisverband Seifert als Bundestagskandidaten aufstellen will – und nicht den AfD-Landesvorsitzenden Leif-Erik Holm, der einen Direktantritt im gleichen Wahlkreis plant. (↪ Nordkurier, 26.01.)


Das Berliner Arbeitsgericht hat die fristlose Kündigung von Andreas Einfinger, vormals Fraktionsgeschäftsführer der AfD im Abgeordnetenhaus der Bundeshauptstadt, für unwirksam erklärt. Seine Anstellung hatte er im Zuge eines weitreichenden Streits in der Fraktion verloren, zudem wurde ihm ein Hausverbot erteilt. Einfinger war zuvor vorgeworfen worden, ein Gutachten über die Fraktionsfinanzen manipuliert zu haben. Für das Gericht gilt das aber nicht als erwiesen, die Entlassung war damit unbegründet. Vermutlich steht ihm nun eine Abfindung zu, und zwar „im hohen fünfstelligen Bereich – mindestens“, wie der Tagesspiegel berichtet. Sein alter Posten wurde bereits neu besetzt. Der Fraktionsvorsitzende Georg Pazderski, der die Kündigung forciert hatte, äußerte sich nicht zum Urteil. (↪ Tagesspiegel, 27.01.)


Abermals hat die baden-württembergische AfD ihren Landesparteitag, der am kommenden Wochenende auf der Messe Stuttgart stattfinden sollte, abgesagt. Grund sind nach Angaben der Landesspitze strikte Hygieneauflagen des Gesundheitsamts, die eine Beschränkung der Teilnehmendenzahl nach sich ziehen würden. Den Klageweg will die Partei, die ihre Landesliste zur Bundestagswahl aufstellen will, nicht einschlagen. Überlegungen, einen Online-Parteitag abzuhalten oder die Nominierungen in einem Briefwahlverfahren vorzunehmen, widersprach der Parteivorsitzende Jörg Meuthen, der Mitglied des Landesverbands ist. Weiter ungeklärt ist derzeit auch, mit welcher Spitzenkandidat*in die Südwest-AfD zur Landtagswahl antritt, die bereits am 14. März stattfinden wird. Die Mitglieder haben über verschiedene Konstellationen online abgestimmt, niemand erreichte bisher die erforderliche Mehrheit. Als Anwärter gelten Bernd Gögel, der aktuelle Fraktionsvorsitzende im Landtag, und sein Stellvertreter Emil Sänze. (↪ StZ, 27.01., ↪ Stimme, 27.01., ↪ StN, 29.01., ↪ SWP, 29.01.)


Die AfD-Fraktion ist nach wie vor nicht Teil der Parlamentarischen Kontrollkommission des brandenburgischen Landtags, die für den Verfassungsschutz in dem Bundesland zuständig ist. In dieser Woche fand der AfD-Abgeordnete Felix Teichner nicht die erforderliche Mehrheit, um als Mitglied in das Gremium aufgenommen zu werden. Teichner war kurzfristig vorgeschlagen worden. Zunächst wollte die AfD den Neonazi Andreas Kalbitz zur Wahl stellen, nahm davon aber nach breiter Kritik aus den demokratischen Fraktionen wieder Abstand. (↪ MAZ, 28.01.)


Der sachsen-anhaltische AfD-Landtagsabgeordnete Alexander Raue hat sich mit dem Corona-Virus infiziert und wird stationär im Krankenhaus behandelt. Darüber berichtete zuerst die Mitteldeutsche Zeitung. Die Fraktion bestätigte inzwischen die positive Testung. Raue selbst behauptet, dass es ihm gut gehe und er aus anderen Gründen in der Klinik sei. Details nannte er nicht. In der Vergangenheit hatte er die Gefahr von Covid-19 bestritten und unter anderem behauptet, die Krankheit sei für den „weit überwiegenden Teil der Bevölkerung“ keine besondere Gefahr. Im Landtag wird derzeit diskutiert, vor der Plenarsitzung in der kommenden Woche verpflichtende Schnelltests durchzuführen, die es bislang nur auf freiwilliger Basis gibt. Grund der Sorge: Am vergangenen Wochenende hatte Raue noch am AfD-Landesparteitag in Magdeburg teilgenommen, gemeinsam mit mehr als 400 Mitgliedern und etlichen Abgeordneten seiner Partei. (↪ MZ, 28.01., ↪ MZ, 29.01.)


Während einer Plenarsitzung des brandenburgischen Landtags hat der AfD-Abgeordnete Andreas Galau, der zu dieser Zeit die Sitzung als amtierender Vizepräsident leitete, die Linken-Abgeordnete Andrea Johlige des Saals verwiesen. Johlige, die eine Rede zum Tätigkeitsbericht der Datenschutzbeauftragten halten wollte, hatte es eingangs unterlassen, Galau als „Herr Vizepräsident“ anzusprechen. Nach einem Ordnungsruf weigerte sie sich weiterhin und begründete das damit, sie könne einem Mann keine Ehre erweisen, der in Kontakt mit Rechtsextremisten stehe und dem das Verfassungsgericht bescheinigt habe, dass er sein Amt nicht neutral ausübe. Galau entzog Johlige aufgrund ihrer „Respektlosigkeit“ das Wort und forderte sie auf, den Raum zu verlassen. Er berief sich auf die Geschäftsordnung, die einen Sitzungsausschluss bei einer „gröblichen Verletzung der parlamentarischen Würde“ ermöglicht. Um eine weitere Eskalation zu vermeiden, beantragte die CDU eine Unterbrechung der Sitzung für rund eine Stunde. In dieser Zeit entschied das Landtagspräsidium einstimmig, den Ausschluss zurückzunehmen. Johlige konnte anschließend ihre Rede halten – samt Grußformel an Galau. Darauf hatten in der Vergangenheit weitere Abgeordnete verzichtet, ohne dass dies beanstandet wurde. (↪ RBB, 28.01., ↪ ND, 30.01.)


Im Vorfeld der wahrscheinlichen Einstufung der AfD als Beobachtungsobjekt der Verfassungsschutzbehörden mehren sich auch auf Landesebene die Anzeichen für Absetzbewegungen. So ist Recherchen der Zeit zufolge der Landesverband Baden-Württemberg in kurzer Zeit deutlich geschrumpft, auf nun noch 4.200 Mitglieder. Offiziell begründet wird das hauptsächlich mit Streichungen von Personen, die keine Beiträge gezahlt haben. Doch allein in den vergangenen sechs Wochen hat die Landespartei 500 Mitglieder verloren. (↪ Zeit, 29.01.)


Nach Angaben des bayerischen AfD-Landtagsabgeordnete Christoph Maier soll eine Verfassungsschutzbehörde mehrfach versucht haben, Mitglieder der Partei als Quellen anzuwerben. Eine Bestätigung dafür gibt es nicht. Das zuständige bayerische Landesamt für Verfassungsschutz behandelt die AfD im Freistaat derzeit noch als Prüffall. Man wolle sich künftig an einer noch ausstehenden Entscheidung des Bundesamtes für Verfassungsschutz zum Umgang mit der Gesamtpartei orientieren, erklärte die Behörde auf Anfrage des Bayerischen Rundfunks. Bereits im November war bekannt geworden, dass der brandenburgische Verfassungsschutz begonnen hat, V-Leute im dortigen Landesverband zu gewinnen. Damals berichteten auch die AfD Baden-Württemberg und die Junge Alternative, dass es in ihren Reihen zu Anwerbeversuchen gekommen sei. (↪ Frankenpost, 28.01., ↪ BR, 29.01.)


Die Enquete-Kommission zum Thema „Linksextremismus“, die 2017 auf Verlagen der AfD-Fraktion mit Zustimmung von Teilen der CDU im sachsen-anhaltischen Landtag eingerichtet wurde, wird voraussichtlich in der kommenden Woche vorzeitig aufgelöst. Grund ist ein Rechtsgutachten von Parlamentsjurist*innen, dem zufolge das Gremium rechtswidrig ist. Es war eingesetzt worden, nachdem es eine Mehrheit des Landtags abgelehnt hatte, einen von der AfD geforderten und mit noch weiterreichenden Rechten ausgestatteten Untersuchungsausschuss zum gleichen Thema einzurichten. Dagegen klagte die AfD vor dem Landesverfassungsgericht – und verlor im Dezember. Dem Urteil zufolge hätte der Auftrag des Untersuchungsausschusses die Befugnisse des Parlaments deutlich überschritten. Sinngemäß gilt das wohl auch für die Enquete-Kommission. (↪ MZ, 29.01.)


Michael Frisch, Spitzenkandidat der AfD zur kommenden Landtagswahl in Rheinland-Pfalz, hat einen polizeibekannten Neonazi beschäftigt. Das ergeben Recherchen des SWR-Magazins „Report Mainz“. Demnach war Benjamin S. 2019 zunächst für den AfD-Kreisverband Tier und anschließend für die dortige AfD-Stadtratsfraktion als Minijobber tätig. Frisch war damals Vorsitzender von Verband und Fraktion. In der Vergangenheit war S. für die NPD aktiv, unter anderem als Kandidat bei einer Landtagswahl. Auch in jüngster Zeit soll er sich noch in der rechten Szene betätigt haben, etwa im Umfeld der Identitären Bewegung. Unklar blieb, ob er AfD-Mitglied ist. (↪ Tagesschau, 29.01., ↪ SWR, 29.01., ↪ Report Mainz, 29.01.)


Der im vergangenen Jahr nach mehreren Naziskandalen geschasste langjährige AfD-Fraktionssprecher Christian Lüth ist weiterhin im Umfeld der Partei aktiv. Darauf weisen Recherchen des Redaktionsnetzwerk Deutschland hin. Demnach soll Lüth in den vergangenen Wochen mehrere baden-württembergische AfD-Politiker*innen kontaktiert und um eine Unterstützung Alice Weidels für eine Spitzenkandidatur zur Bundestagswahl geworben haben. Lüth bestätigte das. Er habe dabei „aus eigener Initiative“ gehandelt, über die geplante Kandidatur Weidels allerdings auch mit Alexander Gauland gesprochen. Der AfD-Ehrenvorsitzende ist derzeit gemeinsam mit Weidel Vorsitzender der Bundestagsfraktion. Hinweise, wonach Lüth durch Gauland beauftragt worden sein könnte, werden durch dessen Büro bestritten. (↪ RND, 29.01.)

Blauzone

Der 19-jährige David Drechsel aus Muldenhammer (Vogtlandkreis) ist von der CDU zu den „Liberal-Konservativen Reformern“ (LKR) gewechselt und will für die AfD-Abspaltung zur Bundestagswahl antreten. Das berichtet die Freie Presse. Zuvor hatte Drechsel erfolglos versucht, sich als CDU-Kandidat aufstellen zu lassen. Neuerdings ist er stellvertretender LKR-Landesvorsitzender in Sachsen. Die Kleinpartei hat im Freistaat bislang 19 Mitglieder. Für einen Wahlantritt muss Drechsel 200 Unterstützungsunterschriften sammeln. (↪ FP, 26.01.)


Der ehemalige Bremer AfD-Landesvorsitzende Peter Beck, der am Dienstag aus der Partei ausgetreten ist, will sein Mandat in der Bremischen Bürgerschaft künftig für die Liberal-Konservativen Reformer (LKR) ausüben. Das teilte Beck bei einer Pressekonferenz mit. Zu seiner Abwendung von der AfD sagte er, dass diese „immer weiter in die rechtsextreme Ecke“ rutsche. Die LKR haben zuletzt mehrere frühere AfD-Abgeordnete aus dem Bundestag sowie den Landtagen Niedersachsens und Schleswig-Holsteins aufgenommen. (↪ Weser-Kurier, 29.01., ↪ RND, 29.01.)


Der Umgang mit der AfD sorgt erneut für Streit in den Reihen der national- und neoliberalen Hayek-Gesellschaft und der eng verbundenen Berliner „Friedrich-August-von-Hayek-Stiftung für eine freie Gesellschaft“. Die für die Finanzierung der Hayek-Gesellschaft maßgebliche Stiftung fasste nun einen Beschluss, der eine Mitgliedschaft in der AfD und eine Tätigkeit für die Partei oder deren Fraktionen „für unvereinbar mit den Anliegen, dem Werk und der Person Friedrich August von Hayek“ erklärt. Die Stiftung will insbesondere keine Veranstaltungen und Projekte mehr fördern, an denen AfD-Mitglieder beteiligt sind. Grund für diesen Schritt ist die bevorstehende Einstufung der AfD als Verdachtsfall der Verfassungsschutzbehörden. Der Vorsitzende der Hayek-Gesellschaft, der Kieler Volkswirt Stefan Kooths, kritisiert den Kurs der Stiftung und will sich nicht fügen. Bereits 2015 hatte es wegen der AfD Auseinandersetzungen in der Hayek-Gesellschaft gegeben, namhafte Personen aus Politik und Wirtschaft verließen damals die Gruppe, der heute unter anderem Alice Weidel angehört. Ende vergangenen Jahres brach diese Diskussion wieder auf, als bekannt wurde, dass der umstrittene ehemalige Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen beitreten will. (↪ FAZ, 31.01.)

Stimme & Haltung

Mit deutlichen Worten hat sich Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und ehemalige Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, in ihrer Rede bei der Bundestags-Gedenkstunde zum 27. Januar, dem Jahrestag der Auschwitz-Befreiung, von der AfD abgegrenzt. Knobloch wandte sich, ohne die AfD namentlich zu erwähnen, an die „ganz rechte Seite des Plenums“. Sie könne nicht so tun, „als kümmerte es mich nicht, dass Sie hier sitzen“, fuhr sie fort. „Ich sage Ihnen: Sie haben Ihren Kampf vor 76 Jahren verloren!“ (↪ RND, 27.01., ↪ Tagesspiegel, 27.01.)

Hintergrund

Anhänger*innen der AfD sind weit empfänglicher für Verschwörungserzählungen als die Wähler*innen aller anderen Parteien. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie des Else-Frenkel-Brunswik-Instituts (EFBI) an der Universität Leipzig, für die Daten der im November 2020 vorgelegten Leipziger Autoritarismus-Studie vertieft ausgewertet wurden. Den repräsentativen Ergebnissen zufolge weisen 74 Prozent aller AfD-Anhänger*innen eine Verschwörungsmentalität auf, zwei Drittel von ihnen halten gängige Verschwörungserzählungen über die Corona-Pandemie für wahr. Die Auswertung belegt zudem „einen eindeutigen Zusammenhang zwischen antisemitischen Aussagen und Verschwörungserzählungen, auch jenen, die den Corona-Virus thematisieren“. (↪ RND, 27.01., ↪ Sächsische, 27.01., ↪ MDR, 27.01.)