Presseschau, 43. Kalenderwoche 2020

Auto als Waffe, Vorstandswahl beim Sozialparteitag, Direktkandidatinnen für Meißen und Mittelsachsen, menschenverachtende Aktion in Zittau, Verfassungsschutz-Klage bleibt aus, Chrupalla gibt Malerbetrieb auf, Brodehl und Adam kritisieren Partei, Aserbaidschan protestiert, Kahnt ausgeschlossen, Ärztekammer ermittelt gegen Schlund, Schäuble besteht auf Maskenpflicht, Berliner Parteitag geplatzt, AfD und NPD gegen Paritätsgesetz, Werbefilm mit Bundeswehrsoldaten. Das war diese Woche wichtig:


In der Presseschau informiert idas jeden Sonntag über lesenswerte Medienberichte und Recherchen rund um die AfD, die im Laufe der Woche erschienen sind.


Top Stories

Nach einer AfD-Veranstaltung in Henstedt-Ulzburg (Schleswig-Holstein) ist es am Samstag der Vorwoche zu einem schwerwiegenden Angriff mit mehreren Verletzten gekommen. Der örtliche Kreisverband Bad Segeberg hatte zu einer Vortragsveranstaltung eingeladen, bei der unter anderem der Bundesvorsitzende Jörg Meuthen, der Bundestagsabgeordnete Uwe Witt und der Landtagsabgeordneten Jörg Nobis über wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie sprachen. Dagegen protestierten mehrere hundert Menschen friedlich. Unmittelbar nach dem Ende der AfD-Veranstaltung steuerte ein Auto auf eine Gruppe zu, die sich zuvor am Protest beteiligt hatte, und rammte auf einem Gehweg vier Personen. Drei von ihnen wurden verletzt, eine 21-Jährige musste im Krankenhas behandelt werden. Der 19-jährige Fahrer hatte zunächst gemeinsam mit drei weiteren Männern versucht, zur Anti-AfD-Kundgebung zu gelangen, wurde dort aber abgewiesen. Beim Weggehen verklebten sie Aufkleber der neofaschistischen Initiative „Ein Prozent“ an Laternenpfähle. Zwei der Männer sollen dann in das Auto gestiegen und gezielt auf die Geschädigten zugerast sein. Im Anschluss gab es einen Tumult, die Polizei war in dieser Situation offenbar nicht vor Ort, ein hinzugeeilter Polizist gab ohne Vorwarnung einen Warnschuss in die Luft ab.

Danach hatte die Polizei lediglich von einem „Verkehrsunfall“ und „Aggressionsdelikten“ gesprochen, der Fahrer wurde zur Dienststelle verbracht und wieder entlassen, nachdem er keine Angaben machen wollte. Die zuständige Staatsanwaltschaft in Kiel leitete zunächst ein Verfahren wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr ein. Später übernahm der polizeiliche Staatsschutz die Ermittlungen, die sich inzwischen auch auf den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung erstrecken. Nach aktuellen Polizeiangaben habe der Fahrer die Betroffenen „offenbar nur erschrecken“ wollen, dafür spreche, „dass die Verletzungen nicht schwerwiegend sind“. Nach Medienangaben soll der Beschuldigte der rechten Szene angehören. Die AfD bestreitet, dass er und seine Begleiter vor der Tat die Parteiveranstaltung besucht hatten. (↪ KN, 17.10., ↪ NDR, 18.10., ↪ TAZ, 18.10., ↪ RND, 19.10., ↪ Tagesspiegel, 19.10., ↪ Spiegel, 19.10., ↪ Abendblatt, 21.10., ↪ KN, 21.10., ↪ Abendblatt, 22.10.)


Die AfD will bei ihrem „Sozialparteitag“, der am 28. und 29. November in einem Freizeitpark im nordrhein-westfälischen Kalkar stattfinden soll, auch zwei Posten im Bundesvorstand neu besetzen. Wie der Blick nach rechts berichtet, soll am ersten Tag des Treffens, zu dem rund 600 Delegierte erwartet werden, ein neuer Schatzmeister gewählt werden. Seit dem freiwilligen Ausscheiden des Finanzchefs Klaus Fohrmann übernimmt sein Stellvertreter diese Aufgabe kommissarisch, der sächsische Landtagsabgeordnete Carsten Hütter. Er gehört dadurch dem Bundesvorstand an, ohne gewählt worden zu sein – erwägt aber nach eigenen Angaben eine Kandidatur. Ebenfalls vakant ist ein Beisitzerposten, den bis zu seinem Ausschluss aus der AfD der Neonazi Andreas Kalbitz einnahm. Es soll mehrere Kandidaturen aus dem Flügel-Spektrum geben, je nach Ausgang der Abstimmung könnte die Stellung des Parteivorsitzenden Jörg Meuthen gestärkt oder geschwächt werden. Die Durchführung des Parteitags steht allerdings Corona-bedingt bereits auf der Kippe. (↪ BNR, 21.10., ↪ SZ, 23.10.)

AfD in Sachsen

Der AfD-Kreisverband Meißen hat Barbara Lenk als Direktkandidatin zur Bundestagswahl im kommenden Jahr nominiert. Sie setzte sich am Samstag der Vorwoche bei einem Kreisparteitag in Thiendorf (bei Großenhain) gegen mehrere Mitbewerber*innen durch, knapp 90 Mitglieder beteiligten sich an der Abstimmung. Gegen Lenk hatte es bereits im vergangenen Jahr Proteste gegeben, als sie für die AfD – damals noch partei- und letztlich erfolglos – zur Kreistagswahl antrat. Hauptberuflich ist sie Bibliotheksleiterin der Hochschule für Bildende Künste (HfBK) in Dresden, hunderte Studierende kritisierten ihr Engagement für die Partei, der sie inzwischen beigetreten ist. Zur vergangenen Bundestagswahl war im Wahlkreis der Landtagsabgeordnete Carsten Hütter angetreten, mit 31 Prozent der Erststimmen entging ihm das Direktmandat. (↪ Sächsische, 18.10.)


Der AfD-Kreisverband Mittelsachsen hat Carolin Bachmann als Direktkandidatin zur Bundestagswahl im kommenden Jahr nominiert. Bei einem Kreisparteitag in Niederbobritzsch am Samstag der Vorwoche setzte sich die Buchhalterin gegen mehrere Mitbewerber*innen durch. Bereits in der ersten Runde hatten der AfD-Kreisrat Jörg Bretschneider und der Frankenberger Stadtrat Thomas Goebel das Nachsehen, in der Stichwahl hatte überraschend Heiko Heßenkemper das Nachsehen. Er sitzt derzeit im Bundestag, in den er 2017 als Listenkandidat eingezogen war. Als Wahlkreisbewerber hatte er mit 31,5 Prozent der Stimmen das Direktmandat verfehlt. Mit 31,2 Prozent der Zweitstimmen fuhr die Partei im Kreisgebiet jedoch ihr damals sachsenweit bestes Ergebnis ein. (↪ Sächsische, 18.10., ↪ FP, 18.10., ↪ LVZ, 19.10.)


Mit einer menschenverachtenden Aktion hat am Samstag der Vorwoche in Zittau (Landkreis Görlitz) ein „Bürgerkomitee Oberlausitz“ auf sich aufmerksam gemacht, das einen „Totenzug“ inszenierte. „Mit einem Trommler vorneweg zieht eine Gruppe von Männern und Frauen in überwiegend schwarzen Kutten und verhüllten Gesichtern eine Sarg-Karre durch die Stadt“, notiert dazu die Sächsische Zeitung. „Immer wieder rufen sie ‚Bringt die Toten aus dem Haus‘ und ‚Ihr habt uns 25.000 Tote versprochen. Nur: Wo sind die Toten, wo sind die Kranken, wo habt Ihr sie versteckt?‘ Die Krankenhäuser seien leer, das Land liege im Chaos.“ Der Umzug schloss sich einer Versammlung von Pandemie-Leugner*innen an, die wöchentlich am Herkulesbrunnen stattfindet. An dem „Totenzug“ beteiligt war unter anderem der örtliche AfD-Stadtrat Frank Figula. Zu den Hintergründen der Aktion wollte er sich auf Nachfrage nicht äußern. (↪ Sächsische, 19.10.)


Entgegen wiederholten Ankündigungen hat die AfD-Fraktion im Sächsischen Landtag bislang keine Klage gegen die Speicherung von Daten zu einzelnen Abgeordneten durch das Landesamt für Verfassungsschutz eingereicht. Eine Anfrage der TAZ zu den Gründen der Verzögerung ließ die Fraktion unbeantwortet. Sie hatte in der Vergangenheit behauptet, dass Mandatsträger*innen bereits mit nachrichtendienstlichen Mitteln ausgespäht worden seien. Dieser Vorwurf hat sich als unwahr erwiesen. (↪ TAZ, 20.10.)


Der sächsische AfD-Bundestagsabgeordnete Tino Chrupalla, der auch Co-Vorsitzender der Partei ist, hat seinen Malerbetrieb in Gablenz (Landkreis Görlitz) aufgegeben. Vier Mitarbeiter*innen der 2003 gegründeten Firma seien bereits im Mai zu einem Tochterunternehmen der Wohnungsbaugenossenschaft Weißwasser gewechselt, berichtet die Sächsische Zeitung. Die Firmenwebsite wurde inzwischen abgeschaltet. Bislang hatte Chrupalla durch seinen Betrieb monatliche Nebeneinkünfte in fünfstelliger Höhe eingestrichen. Zuletzt wurden diese Einnahmen, die dem Bundestag gemeldet werden müssen, im Juni verzeichnet. (↪ Sächsische, 22.10.)

AfD rundherum

Der fraktionslose schleswig-holsteinische Landtagsabgeordnete Frank Brodehl hat die AfD, der er bis vor kurzem angehörte, scharf kritisiert. Er hege „massive Zweifel, dass es mit der AfD noch etwas werden könnte“, sagte er im Interview mit der Welt, sein früherer Landesverband werde „nichts Produktives“ mehr erarbeiten können. Grund sei eine Verschiebung der Mitgliedschaft: Es „kamen Leute, die abstrus redeten und wirkten, als hätten sie nichts mehr zu verlieren.“ Ende September hatte Brodehl überraschend in einer Plenarrede bekanntgegeben, dass er die Fraktion und die Partei verlässt. Daraufhin verlor die AfD ihren Fraktionsstatus, da sie nicht mehr über genügend eigene Abgeordnete verfügt. Brodehl begründete diesen Schritt mit der Rechtsentwicklung der Partei. Diese Sicht bekräftigt er nun: „Die AfD besteht ja aus zwei Parteien“, in Schleswig-Holstein hätten sich die Flügel-Kräfte durchgesetzt und die „liberal-konservativen Kräfte“ verdrängt. Ein Wendepunkt sei für ihn bereits im vergangenen Jahr erreicht worden. Damals war Doris von Sayn-Wittgenstein wegen Verbindungen in extrem rechte Kreise erst aus der Fraktion und danach auch aus der Partei ausgeschlossen worden – kurz zuvor wurde sie dennoch als Landesvorsitzende wiedergewählt. „Auf dem Landesparteitag gab es nach ihrem Wahlsieg ein Grölen und Johlen, das an übelste Versammlungen erinnerte“, berichtet Brodehl. Obwohl sie der AfD nicht mehr angehört, habe sie weiter viele Anhänger*innen und sei „massiv präsent“. Es würden „eindeutige Sympathisanten Sayn-Wittgensteins jetzt zu Direktkandidaten für die Bundestagswahl“ aufgestellt. (↪ Welt, 19.10.)


Das Außenministerium von Aserbaidschan hat den Besuch einer AfD-Delegation im armenisch kontrollierten Kriegsgebiet Bergkarabach kritisiert. Die Reisegruppe agitiere für Armenien, die Einreise nach Aserbaidschan werde den Beteiligten künftig verboten sein, heißt es in einer offiziellen Protestnote an den Bundestag und den Brandenburger Landtag. In der Vorwoche waren die Bundestagsabgeordneten Steffen Kotré und Stefan Keuter sowie die Landtagsabgeordneten Andreas Galau und Andreas Kalbitz in die Region aufgebrochen. Sie täten sich „durch nazistische und antisemitische Äußerungen hervor“, heißt dazu aus Aserbaidschan. Kotré und Keuter verteidigten unterdessen die Reise: Man wolle so darauf aufmerksam machen, dass hinter dem bewaffneten Konflikt der „Versuch des Strebens nach einem neo-osmanischen Reich“ stehe. Ihren Angaben zufolge gingen die Kontakte nach Bergkarabach auf Kalbitz zurück. Dieser erklärte kürzlich auf Facebook seine „Solidarität“ mit Armenien – dessen „tapfere Verteidiger“ stünden „stellvertretend für den Kampf christlicher Kulturräume gegen die islamische Expansion“. Armeniens Schutzmacht wiederum ist Russland, die Reise reiht sich damit ein in eine Serie von „mehr als 100 Reisebewegungen“ der AfD in umkämpfte Gebiete seit 2015, wie eine Auswertung der Welt ergibt. Die Partei positioniert sich dabei regelmäßig auf der pro-russischen Seite. Wie die Zeitung weiter berichtet, gehörten der jüngsten Delegation nicht nur Abgeordnete an, sondern auch ein junger Mann, der „bereits für vom Verfassungsschutz beobachtete Organisationen tätig“ gewesen sei. (↪ Welt, 19.10., ↪ n-tv, 23.10., ↪ Welt, 23.10.)


Die AfD-Fraktion im hessischen Landtag hat mit dem Abgeordneten Rolf Kahnt den früheren Landessprecher der Partei und amtierenden Alterspräsidenten des Parlaments aus ihren Reihen ausgeschlossen. Am Dienstag fiel die Entscheidung in einer mehrstündigen Beratungssitzung. Der Antrag, sich von Kahnt zu trennen, fand dabei eine knappe Mehrheit. Gründe gab die Fraktion, die fortan nur noch über 17 Mitglieder verfügt, nicht bekannt, die Rede ist von „unkollegialem Verhalten“. Bereits vor mehreren Monaten war bekannt geworden, dass die Fraktionsspitze Dossiers über Kahnt und einen weiteren Abgeordneten, den früheren Spitzenkandidaten Rainer Rahn, angelegt hat und belastendes Material sammelt, etwa über Fehlzeiten bei Sitzungen und Alleingänge in Ausschüssen. Auch Rahns Ausschluss stand nun zur Debatte, die dafür notwendige Zweidrittel-Mehrheit wurde mit einer Stimme nur knapp verfehlt. Kahnt, ab sofort fraktionsloser Abgeordneter, gab nach dem Ausschluss an, er sei ausgebootet worden, weil er als „zu gemäßigt“ gelte. „Es ist die Handschrift derjenigen in der Fraktion, die nach wie vor mit dem Flügel sympathisieren. Das ist eindeutig“, sagte er. Gegen die Entscheidung will er juristisch vorgehen, der AfD gehört er weiterhin an. (↪ FAZ, 20.10., ↪ Hessenschau, 20.10., ↪ Hessenschau, 20.10.)


Die Thüringer Ärztekammer hat ein berufsrechtliches Ermittlungsverfahren gegen den AfD-Bundestagsabgeordneten Robby Schlund eingeleitet, der von Beruf Arzt ist und in Gera eine Privatpraxis betreibt. Nach Angaben der Kammer ist die Einleitung des Verfahrens in der Vorwoche beschlossen worden, weil Anhaltspunkte für einen berufsrechtlichen Verstoß vorliegen. Anlass ist eine Corona-Demonstration am 29. August in Berlin. Dort hielt Schlund Plakate, auf denen der Virologe Christian Drosten und der Bundestagsabgeordnete Karl Lauterbach (SPD), der ebenfalls Mediziner ist, in Sträflingskleidung und mit der Aufschrift „Schuldig“ abgebildet sind. Ein Foto der Aktion hatte der aus Sachsen stammende AfD-Abgeordnete Karsten Hilse bei Facebook verbreitet, nach öffentlicher Kritik sprach Schlund von „Satire“. Die ärztliche Berufsordnung untersagt herabsetzende Äußerungen über Kolleg*innen, bei Verstößen sind Rügen und Geldstrafen, aber auch der Entzug der Approbation möglich. In frühestens drei Monaten wird eine Entscheidung erwartet. (↪ LVZ, 21.10., ↪ RND, 21.10., ↪ MDR, 21.10.)


Teile der AfD-Bundestagsfraktion haben den Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble (CDU) abgemahnt und zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert, nach der die Maskenpflicht im Parlament aufgehoben werden soll. Eine Frist zur Abgabe der Erklärung ließ Schäuble jedoch am Freitag verstreichen, nach Auffassung der Bundestagsverwaltung sind die Regelungen rechtmäßig. Anfang Oktober war für Bundestagsräume eine verschärfte Maskenpflicht angeordnet worden, Verstöße können seither mit Zwangsgeldern geahndet werden. Die AfD-Fraktion hatte zeitnah erklärt, dagegen juristisch vorzugehen. Hinter dem jüngsten Vorstoß stehen insgesamt 19 Abgeordnete der AfD, unter ihnen die Fraktionsvorsitzende Alice Weidel, sowie neun Mitarbeiter*innen. Sie hatten in ihrem Schriftsatz angekündigt, ab der kommenden Woche keinen Mund-Nase-Schutz mehr zu tragen. Aus ihrer Sicht habe Schäuble zwar das Hausrecht, es erstrecke sich aber nicht auf die Bekleidung von Abgeordneten. (↪ Tagesschau, 21.10., ↪ Welt, 23.10.)


Die Berliner AfD konnte ihren seit langem geplanten Landesparteitag auch an diesem Sonntag nicht durchführen. Das Treffen wurde kurzfristig abgesagt, weil in dem angemieteten Festsaal in Kaulsdorf Mängel beim Brandschutz vorliegen. Zudem legte die Partei auch nach mehrfachen Aufforderungen kein Hygienekonzept vor. Am Donnerstag zog der Landesverband die Reißleine und strich den Termin. „Bislang dachten wir, dass Hauptproblem liege bei der Antifa und beim Coronavirus“, erklärte der kommissarische Landesvorsitzende Nicolaus Fest. „Offensichtlich ist unser Problem aber eine fehlende Genehmigung“. Als neuer Termin wurde der 7. und 8. November bekanntgegeben, am gleichen Ort. Doch das ist unwahrscheinlich: Inzwischen wurde die Nutzung des Treffpunkts komplett untersagt, denn die Bauaufsicht schritt ein, nachdem die Betreiberin andere Veranstaltungen durchgeführt hatte, ohne dass dies erlaubt war. Der Saal ist zudem nur für 200 Personen geeignet, die Einladung der AfD richtet sich hingegen an 287 Delegierte. Seit inzwischen mehr als einem Jahr gelingt es der Berliner AfD nicht, einen Landesparteitag durchzuführen, sie verfügt daher über keinen regulären Vorstand. Der Europaabgeordnete Nicolaus Fest fungiert als „Notvorsitzender“, bislang beabsichtigte er, sich bei nächster Gelegenheit wählen zu lassen. Nach der neuerlichen Absage erklärte er hingegen in einer Rundmail an Mitglieder, dass er die Verantwortung übernehme – und bereit sei, sein Amt „jederzeit zur Verfügung“ zu stellen. (↪ RBB, 22.10., ↪ TAZ, 22.10., ↪ Tagesspiegel, 23.10., ↪ RBB, 23.10.)


Der AfD-Mitgründer Konrad Adam, der kürzlich seinen Austritt angekündigt und sich von der Spitze der Desiderius-Erasmus-Stiftung zurückgezogen hat, erneuert seine Kritik an der Entwicklung der Partei. „Viele, die es anderswo nicht geschafft haben, sind zur AfD geströmt“ in der Erwartung, „ein gut bezahltes Mandat“ zu erhalten, sagte er im Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung. Solche Personen „prägen das Binnenklima“, hinzu komme die anhaltende Radikalisierung. Ausschlaggebend für seinen Ausstieg seien letztlich „einige unerfreuliche Erfahrungen im Rahmen des Erasmus-Vereins“ gewesen. „Ich habe den Ehrenvorsitz niedergelegt, nachdem er keine Ehre mehr brachte.“ Jedoch pflege er weiter Kontakte zur AfD, erklärte Adam. Er müsse nicht „alle Brücken abbrechen“. (↪ NZZ, 23.10.)


Das Brandenburger Verfassungsgericht hat das Paritätsgesetz in dem Bundesland für nichtig erklärt. Die vorgesehene Quotierung von Landeslisten für Landtagswahlen sei verfassungswidrig, weil damit unter anderem gegen die Wahlvorschlagsfreiheit und Chancengleichheit der Parteien verstoßen werde, urteilte das Gericht am Freitag in Potsdam. Es gab damit zwei Klagen statt, die durch AfD und NPD eingereicht worden waren, zudem hatten vier AfD-Landtagsabgeordnete entsprechende Verfassungsbeschwerden eingelegt. Das nun gekippte Gesetz war bereits 2019 beschlossen worden und Ende Juni 2020 in Kraft getreten, erstmals angewandt werden sollte es bei der Aufstellung von Bewerber*innen für die Landtagswahl 2024. Demnach hätten auf den Landeslisten aller Parteien Frauen und Männer abwechselnd und damit gleichermaßen berücksichtigt werden müssen. Mit diesem Ansatz war Brandenburg bundesweit ein Vorreiter. Das Scheitern vor Gericht war zuletzt aber absehbar, nachdem bereits im Juli der Thüringer Verfassungsgerichtshof eine ähnliche Regelung kassiert hatte. Dort war die AfD-Landtagsfraktion mit einer Normenkontrollklage vorgegangen. (↪ RND, 23.10., ↪ SZ, 23.10., ↪ FAZ, 23.10., ↪ Tagesspiegel, 23.10.)


Nach der Produktion eines Werbefilms der AfD-Bundestagsfraktion verschärft die Bundeswehr ihre Regelungen für die Fertigung von Bildaufnahmen. Am Dienstag will der „Arbeitskreis Verteidigung“ der Fraktion den einstündigen Beitrag vorstellen, Titel: „Die Bundeswehr-Misere – Warum Deutschland sich nicht mehr verteidigen kann“. Darin wird nach Angaben der Welt am Sonntag unter anderem zu sehen sein, wie der Abgeordnete Rüdiger Lucassen, zugleich verteidigungspolitischer Sprecher der Fraktion, eine Kaserne in Rheine besucht und dort Soldaten trifft. Diese Aufnahmen seien „ohne Billigung der Bundeswehr für parteipolitische Werbezwecke genutzt worden“, erklärte Peter Tauber (CDU), Staatssekretär des Verteidigungsministeriums, in einem Schreiben an den Verteidigungsausschuss des Bundestags. Beim Dreh sei zudem gegen die Auflage verstoßen worden, „keine Aufnahmen von Soldaten ohne deren vorherige Einwilligung“ zu fertigen. Der Film könne den falschen Eindruck erwecken, die Bundeswehr befürworte „entsprechende politische Ausrichtungen“. Ein einschlägiger Erlass regelt bereits, dass Bundeswehrangehörige „nicht Bestandteil der parteipolitischen Presse- und Öffentlichkeitsarbeit“ sein können. Künftig soll darüber hinaus eine „Besuchsdokumentation von Politikern mittels Bild- und Tonaufnahmen“ generell untersagt werden. (↪ WamS, 25.10.)