Der Machtkampf in der AfD ist voll entbrannt und weitet sich aus. Jetzt werden schwere Vorwürfe gegen den sächsische Landtagsabgeordneten und Bundesschatzmeister Carsten Hütter laut: Er soll ohne Absprache Geld aus der Berliner Parteikasse locker gemacht und sich damit womöglich der Untreue strafbar gemacht haben.
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Überrascheds Geldangebot
Die Vorwürfe ergeben sich aus einem Beitrag, den der ehemalige AfD-Funktionär Denis Deppe am Freitagnachmittag auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht hat. Kern der dort ausgebreiteten Erzählung ist ein Dokument, auf das sich Deppe stützt und das mit einigen Schwärzungen versehen ist. Es handelt sich um eine eidesstattliche Versicherung, die von einem Sicherheitsdienstleister aus Baden-Württemberg stammen soll. Dieser war offenbar durch die Bundesgeschäftsstelle der AfD beauftragt worden, für den Sozialparteitag der AfD vorzuplanen, der Ende April stattfinden sollte. Pandemiebedingt wurde das lang erwartete Treffen jedoch abgesagt.
Der Mann, mutmaßlich ein Sympathisant der AfD, soll daraufhin bereit gewesen sein, auf ein mögliches Ausfallhonorar zu verzichten. Dann jedoch, so wird es in dem Dokument weiter geschildert, habe ihn der Bundesschatzmeister Hütter angerufen und 20.000 Euro angeboten, etwa die Hälfte des ursprünglich vereinbarten Auftragsvolumens. Hütter habe „die absolute Vertraulichkeit dieses Vorschlags“ zur Bedingung gemacht: „Ich sollte in keinem Fall mit irgendeiner dritten Person darüber reden“, die Details habe der Finanzchef mit der Bundespartei selbst klären wollen. Geld floss am Ende nicht, jedenfalls nicht in diesem Fall.
Es ist unklar, in welchem Zusammenhang und auf wessen Anforderung die eidesstattliche Erklärung abgegeben wurde. Glaubt man Deppe, dann wird hier ein unmoralisches Angebot bezeugt, womöglich mit strafbarem Hintergrund: Der Sicherheitsdienstleister soll kurz vor Hütters Anruf erfahren haben, dass einem „Sicherheitsmenschen aus Berlin“ mehrere tausend Euro für eine andere ausgefallene Veranstaltung ausgezahlt worden sind – und zwar durch Hütter, ohne vertragliche Grundlage, ohne Beschluss und Kenntnis des Bundesvorstands. Statt darüber die Parteigremien zu informieren, soll Hütter versucht haben, „den Typen zu schmieren, der es mitbekommen hat.“
Verheerendes Echo
Hütter hat sich zu den Vorwürfen noch nicht geäußert. Doch die ersten Reaktionen auf den Beitrag sind für ihn verheerend. Vom möglichen „Ende seiner politischen Laufbahn“ spricht einer der Kommentatoren, der Bundestagsabgeordnete Jens Maier, der bis 2017 Richter am Landgericht Dresden war. „Ich bin entsetzt“, schreibt Maier weiter, und „wenn das alles wahr ist, dann muss sich Herr Hütter strafrechtlich verantworten“. Deppe, der aus Braunschweig stammt und vor einigen Jahren in der niedersächsischen AfD engagiert war, verbreitet immer wieder Parteiinterna, immerzu solche, die den Flügel-Kräften nutzen. Seine Beiträge sind zumeist polemisch und beleidigend, haben aber oft einen wahren Kern.
Um ihn zu bekräftigen schildert Deppe derzeit eine weitere Episode, die Hütter betrifft. Dieser ist als Schatzmeister auch zuständig für die Abwicklung einer Millionen-Erbschaft, die der Partei demnächst zufließen wird und die auch Sachwerte umfasst, darunter hochklassige Fahrzeuge. Eines davon soll bei der Bundesgeschäftsstelle der AfD geparkt gewesen sein, bevor der Porsche plötzlich verschwand. Als das bei einer Sitzung des Bundesvorstands zur Sprache kam, wurde erwogen, die Polizei einzuschalten.
Der Verdacht: Diebstahl. In dem Moment soll sich jedoch Hütter gemeldet und eingeräumt haben, dass der Wagen nicht gestohlen, sondern neuerdings „in meiner Garage zuhause“ steht, angeblich in der Absicht, ihn mit neuen Teilen aufzuwerten und den Verkaufswert zu steigern. Teile dieser Anekdote, die Deppe mit weiteren Details ausschmückt, sind im Umfeld der Partei bereits bekannt; dort ist allerdings auch von einem „Missverständnis“ die Rede. Tatsächlich handelt Hütter vom erzgebirgischen Marienberg aus mit Gebrauchtwagen und Ersatzteilen.
Bröckelnde Basis in Sachsen
Hütter war im vergangenen Jahr mit knapper Parteitags-Mehrheit zum stellvertretenden Finanzchef der AfD gewählt worden. Anfang 2020 rückte er unerwartet auf, als der Amtsinhaber Klaus-Günther Fohrmann zurücktrat. Seitdem hat Hütter auch einen Platz im Bundesvorstand der Partei. Er hatte sich zuvor jahrelang um die Kasse der Sachsen-AfD gekümmert, spielt aber als ehemaliger Gefolgsmann von Frauke Petry keine bedeutsame Rolle im Landesverband mehr, zuletzt schied er aus dem Landesvorstand aus. Das Spitzenamt in der Bundes-AfD füllt er nur kommissarisch aus, bei nächster Gelegenheit muss der Schatzmeisterposten neu gewählt werden.
Hütter ließ bereits erkennen, dass er antreten will. Doch mit seinem Agieren sorgte der 56-Jährige, der ursprünglich aus Unna in Nordrhein-Westfalen stammt, zuletzt mehrfach für Unmut bei seinen sächsischen Parteifreund*innen. Grund: Er stimmte im Bundesvorstand für die Auflösung des völkisch-nationalistischen Flügels. Bei der umkämpften Entscheidung, die Mitgliedschaft des Neonazis Andreas Kalbitz zu annullieren, enthielt er sich. Dafür musste er sich hinterher rechtfertigen – in einer Sitzung der sächsischen AfD-Landtagsfraktion, der er dafür keine Erklärung schuldet. Ambitionen, zur Landratswahl im Kreis Meißen anzutreten, musste er kürzlich aufgeben und seinem Landtagskollegen Thomas Kirste den Vortritt lassen.
Im aktuellen Koordinatensystem der Rechtspartei gilt Hütter als vergleichsweise gemäßigt. Er gehört zwar nicht zum engen Kreis der Vertrauten des Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen, trägt dessen Vorgehen aber in vielen Abstimmungen mit. So verwundert es nicht, dass die Einschläge im Führungsstreit auch auf ihn niedergehen. Hütter ist das schwächste Glied in Meuthens Kette.