Amtlich! Sachsen-AfD ist Verdachtsfall

Der gesamte AfD-Landesverband gilt als rechtsextrem und steht ab sofort unter Beobachtung. Die maßgebliche Entscheidung des Dresdner Innenministeriums war nur noch eine Formalie – schon im Dezember kam der sächsische Verfassungsschutz zu einer eindeutigen Bewertung. Künftig dürfen auch V-Leute eingesetzt werden.


Beitrag vom 01.02.2021, 19:20 Uhr │


Einstufung als Verdachtsfall

Ab sofort steht der gesamte sächsische Landesverband der AfD unter Beobachtung des Verfassungsschutzes. Das hat Informationen des MDR zufolge das Innenministerium in Dresden entschieden. Es folgt damit wie erwartet einem bereits Anfang Dezember bekannt gewordenen Votum des Landesamtes für Verfassungsschutz (LfV), die Partei im Freistaat komplett zum rechtsextremistischen Verdachtsfall zu erklären (idas berichtete). Dadurch können künftig systematisch Informationen gesammelt werden, auch mittels verdeckter Maßnahmen, etwa durch den Einsatz von V-Leuten und das Mitschneiden von Telefonaten und E-Mails.

Vorausgegangen war eine rund zwei Jahre anhaltende Prüfung anhand frei zugänglicher Quellen. Für Schlagzeilen hatte im vergangenen Jahr die zeitweise umstrittene Speicherung der Daten sächsischer AfD-Abgeordneter gesorgt. Im Sommer war in dem Zusammenhang der langjährige LfV-Präsident Gordian Meyer-Platz überraschend abgesetzt worden. Er hatte die Landespartei schon früher einstufen wollen, die Zuarbeit seiner Behörde genügte den Vorgaben des Ministeriums aber nicht. Das hat sich unter dem neuen Amtschef Dirk-Martin Christian offensichtlich geändert. Zur Causa darf auch er sich nicht öffentlich äußern, das Verfassungsschutzgesetz des Freistaats ermöglicht eine Bekanntgabe von Verdachtsfällen nicht.

Die Dresdner Regionalausgabe der Bild hatte am Montagmorgen zuerst über die Einstufung berichtet und sich auf das Umfeld des LfV und eine kurzfristig anberaumte Sitzung der Parlamentarischen Kontrollkommission des Landtags berufen. Dieses Gremium, dem auch der AfD-Abgeordnete Carsten Hütter angehört, traf sich dem Vernehmen nach heute Nachmittag in Dresden. Innenminister Roland Wöller (CDU) soll persönlich teilgenommen und die Abgeordneten vertraulich informiert haben. Nach Thüringen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt ist Sachsen das vierte Bundesland, das einen kompletten AfD-Verband ins Visier nimmt. Zusammengerechnet ist davon mehr als ein Fünftel aller Parteimitglieder betroffen.

Hängepartei im Bund

Die sächsische Entscheidung erfolgte unabhängig vom aktuellen juristischen Tauziehen um die Einstufung der Gesamtpartei durch das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), die zunächst in der vergangenen Woche erwartet worden war. Diesem Schritt kam der Bundesverband der AfD mit einem Eilverfahren am Verwaltungsgericht Köln zuvor. Derzeit gibt es dort einen Patt: Der Antrag der AfD, der Behörde mit einem sogenannten Hängebeschluss vorläufig die Hände ganz zu binden, wurde zwar abgelehnt. Doch im Gegenzug hat das BfV eine Stillhaltezusage abgegeben.

Demnach wird man über eine eventuelle Einstufung zunächst nicht öffentlich informieren, obwohl das gesetzlich möglich ist. Zudem verzichtet man auf die Anwendung nachrichtendienstlicher Mittel gegen Kandidierende sowie Mandatsträger*innen auf Europa-, Bundes- und Landesebene, bis das erstinstanzliche Eilverfahren abgeschlossen sein wird. Einen Termin dafür gibt es nicht, es könnten Wochen oder gar Monate vergehen, der Vorgang damit das ganze Superwahljahr hindurch aktuell bleiben. Von alledem unberührt bleibt die Beobachtung einfacher Mitglieder und von Funktionär*innen ohne Mandat und Kandidatur. Fortgesetzt werden kann außerdem die bereits länger laufende Ausforschung des Flügels und der Jungen Alternative sowie der dort maßgeblichen Personen durch das BfV.

Von der gerichtlichen Klärung der Beobachtung „von oben“ ebenfalls nicht betroffen sind die Beobachtungsvorgänge „von unten“, also nun auch in Sachsen. Partei und Fraktion im Freistaat haben Rechtextremismus-Vorwürfe bislang verschiedentlich zurückgewiesen, ohne sich inhaltlich zu distanzieren. Landeschef Jörg Urban kündigte vor mehreren Wochen eine „juristische Auseinandersetzung“ an, passiert ist bislang nichts. In Brandenburg hingegen wurden bereits Klagen eingereicht.


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