Feindbeobachtung

Seit Jahren nutzt die sächsische AfD parlamentarische Instrumente, um vermeintliche und tatsächliche Gegner*innen zu durchleuchten. Inzwischen werden weite Teile der nicht-rechten Zivilgesellschaft systematisch ausgeforscht. Hunderte Vereine sind davon betroffen, bisher fielen zweieinhalbtausend Seiten mit Datenmaterial an. Wozu?


Beitrag vom 05.01.2021 │ 15:45 Uhr


Am Anfang war Connewitz

Sebastian Wippel mag die Antwort enttäuscht haben, die er im Sommer 2015 erhielt. Der Abgeordnete, ein Bereitschaftspolizist aus Görlitz, war erst wenige Monate zuvor für die AfD in den Sächsischen Landtag eingezogen und unversehens innenpolitischer Sprecher der neuen Fraktion geworden. Seitdem verlangte er Auskunft über verschiedene Themen, die mehr oder weniger in seinen Fachbereich fallen. Es ging ihm zum Beispiel um Krankmeldungen bei der Polizei und grenzüberschreitende Streifengänge, um kommerziellen Kupferabbau in einer winzigen Gemeinde am östlichsten Rand des Landes und um getrübtes Brunnenwasser in der Lausitz, um Crystal Meth im Freistaat und eventuelle Wirtschaftsspionage gegen sächsische Unternehmen durch die amerikanische NSA.

Mit sogenannten Kleinen Anfragen können Abgeordnete jederzeit Auskünfte einholen, auch wenn die Anliegen abwegig klingen. Das dient der Kontrolle der Regierung. Für Politiker*innen der Opposition ist es das wichtigste Werkzeug, um Informationen für ihre parlamentarische Arbeit zu erhalten.

Wippels fünfunddreißigste Anfrage führte nach Leipzig, zum Conne Island, einem soziokulturellen Zentrum am südlichen Stadtrand. Er fragte, was Polizei und Verfassungsschutz über das Conne Island wissen, ob es in Straf- und Gewalttaten „verstrickt“ ist und sich dort womöglich „Linksextremisten“ tummeln. Nach genau vier Wochen antwortete das Innenministerium. Grob zusammengefasst: Die Polizei weiß nichts Näheres, der Verfassungsschutz beobachtet das Conne Island und dessen Trägerverein nicht, denn er vertritt „keine extremistischen Positionen“. Und Verstrickungen mit solchen Kreisen? „Hierzu liegen der Staatsregierung keine Erkenntnisse vor.“

Weit weg von den Fakten

Ein paar Mal überwies das Land Fördermittel in den Leipziger Süden, etwa für die Sanierung einer Skate-Anlage auf dem Hof des Conne Island, überschaubare Summen, auf den Cent genau aufgelistet. Anhaltspunkte, dass solches Geld in Kanäle abfließen würde, für die sie nicht gedacht sind, gibt es ausdrücklich nicht. Weder in diesem, noch in einem anderen Fall. Das bekam Wippel schwarz auf weiß. Wer will, kann das nachschlagen, Anfrage und Antworttext sind eine offizielle Parlamentsdrucksache geworden. Sie heißt 6/2155, für die AfD eine ziemlich wichtige Nummer.

Seither ist sie nämlich immer wieder auf das Conne Island zu sprechen gekommen, wenn auch selten auf die Fakten. Carsten Hütter, ein Landtagskollege Wippels, nannte das Kulturzentrum 2016 einen „linksextremistischen Leipziger Club“. Im gleichen Jahr sandte die Fraktion eine Pressemitteilung aus, nannte darin auch den Trägerverein „linksextremistisch“. In den beiden Folgejahren war dann mehrfach die Rede von einem „linksextremistischen Zentrum“, 2019 von einem „linksextremen Biotop“ mit gewissen Verbindungen zu Gewalttaten und 2020 von einem „linksextremen Sumpf“, in dem linke Gewalttäter „Polizisten und Sachwerte brutal attackieren“.

Inzwischen erwähnten Fraktion und Partei das Conne Island wiederholt im Zusammenhang mit „linkem Terror“. Erst kürzlich monierte Carsten Hütter, dass die sächsische Regierung „Clubhäuser von Linksextremisten“ fördern würde, und nannte als Beispiel wieder das Conne Island. Als Beweisstück präsentierte er eine AfD-Anfrage. Es war die Jahre alte Drucksache 6/2155 – in der all die schweren Vorwürfe ausgeräumt werden.

Bisher 475 Anfragen

Das Vorgehen, nah an einer Verleumdung, ist kein Einzelfall. Die AfD hat sich im Laufe der Jahre auf offiziellem Weg nach einer ganzen Reihe soziokultureller Zentren erkundigt und dabei stets erfolglos nach vermeintlichen Verbindungen an den linken Rand gefragt – um anschließend trotzdem über diese Verbindungen zu spekulieren, öffentlich und versehen mit Drucksachen-Nummern, als wäre der Verdacht höchst amtlich. Während das meist ohne Folgen bleibt, hätte diese Rufmord-Strategie Ende 2019 beinahe das Aus für den Verein „Treibhaus“ in Döbeln mit seinem „Café Courage“ bedeutet, einer offenen Begegnungs- und Veranstaltungsstätte, in dieser Form einmalig im Landkreis Mittelsachsen. Oder für die AfD: ein klarer Fall von „Linksextremismus“.

Allein zu diesem Verein haben Abgeordnete der Landtagsfraktion in nur anderthalb Jahren zehn Kleine Anfragen gestellt und dabei immer neue Vorwürfe aufgetürmt, von der angeblichen Zweckentfremdung von Fördermitteln bis hin zu möglichen Verbindungen mit einem Sprengstoffanschlag. Das alles hat sich nicht erhärtet, doch aufgegeben hat man das Thema nicht. Die neueste AfD-Anfrage zum „Treibhaus“ ist so jung, dass noch keine Antwort vorliegt.

Der Eindruck besonderen Eifers trügt nicht. Denn seit den ersten Erkundigungen zum Conne Island haben AfD-Abgeordnete in Sachsen insgesamt 475 Kleine Anfragen über Demokratievereine, Bildungsinitiativen, Jugendgruppen, sozialpädagogische Projekte und Kulturstätten gestellt. Das ergibt eine aufwändige Datenauswertung, die idas vorgenommen hat. In mehr als zwei Dritteln aller Fälle geht es um klassische Zivilgesellschafts-Vereine. Gruppierungen aus der linken Politszene spielen dagegen eine nachgeordnete Rolle, nach ihnen erkundigt sich die AfD nicht häufiger als etwa nach Stiftungen, Parteien, Hochschulen und selbst nach weltbekannten Spielstätten wie der Dresdner Semperoper.

2.500 Seiten Papier

Von solchen Anfragen direkt betroffen sind 386 verschiedene Organisationen, zumeist eingetragene Vereine, aber unter andere auch Gewerkschaften und karitative Verbände, sogar private Wohnprojekte sind darunter. Viele von ihnen wissen von der Aufmerksamkeit der AfD vermutlich nichts. Und kaum jemand könnte die Fülle des Materials erahnen, das dabei angefallen ist.

Es handelt sich um eine Art Feindbeobachtung, die Rechten nehmen gezielt in den Blick, was nicht rechts ist. Ansätze dazu hat es früher bereits gegeben, als die neonazistische NPD im Landtag saß und von dort aus szenetypische „Anti-Anifa“-Arbeit betrieb. Doch die AfD stellt alles Bekannte in den Schatten. Wer die relevanten Drucksachen samt der Antworttexte auf Papier sehen will, sitzt auf einem Berg von fast genau 2.500 eng bedruckten Seiten. An deren Erzeugung beteiligte sich bislang die Hälfte aller ehemaligen und aktuellen AfD-Landtagsabgeordneten. Mehr als 80 Prozent der Anfragen geht jedoch auf ein kleines Grüppchen von nur vier Parlamentsmitgliedern zurück: Carsten Hütter, Rolf Weigand, André Barth und Martina Jost.

Wachsender Datenhunger: Kleine Anfragen der sächsischen AfD-Fraktion zur nicht-rechten Zivilgesellschaft.

Die Bedeutung des Themas wächst dabei unaufhörlich. Gab es 2015 für die AfD nur das Conne Island, kamen 2016 fünf ähnliche Kleine Anfragen zu weiteren Projekten hinzu, 2017 waren es 58, 2018 dann 75, 2019 bereits 92. Im abgelaufenen Jahr 2020 waren es 244. Bei dieser großen Zahl verliert die Fraktion bisweilen selbst den Überblick, einige Anfragen wurden wiederholt eingereicht und liegen damit doppelt vor. Erst kürzlich wollte man Näheres erfahren über den Studierendenrat der „TU Leipzig“. Doch eine Hochschule mit diesem Namen gibt es nicht.

Sammelwut ohne klares Ziel

Im vergangenen Jahr dienten rund zwölf Prozent sämtlicher AfD-Anfragen der Ausforschung kultureller, sozialer und politischer Spektren, die der AfD nicht nahestehen, auch jüdische Kulturvereine fallen darunter. Zu diesem großen Feld wurden 2020 sogar mehr Anfragen gestellt als zu Pandemie. Doch während Corona zuletzt ein zentrales parlamentarisches Thema der AfD war, wird aus der großen Datensammlung über die Zivilgesellschaft kaum etwas verwertet. Nur sehr wenig daraus taucht in Plenarreden, Pressemitteilungen oder Werbeflyern wieder auf.

Das Ziel der Sammelwut ist völlig offen, doch Muster zeichnen sich ab. Ungefähr zwei Drittel der Antworttexte sind umfangreiche Tabellen, lange Zahlenreihen und ausführliche Projektbeschreibungen. Es geht dabei zumeist um Trägervereine, die vom Land aus verschiedenen Töpfen Fördermittel beantragt und teils auch erhalten haben. Wer diese Angaben auswertet, erhält einen detaillierten Überblick darüber, welche Bereiche der Freistaat bezuschusst, welche kleinen und großen Player es im vorstaatlichen Bereich gibt und was sie leisten.

Geheim sind diese Informationen nicht und die Empfänger*innen von Fördermitteln keineswegs anrüchig. Der Kinderschutzbund ist etwa darunter, aber auch verschiedene Ableger der Johanniter-Unfallhilfe, der Arbeiterwohlfahrt und des Deutschen Roten Kreuzes, auch Betreiber*innen von Frauenhäusern. Viele dieser Verbände, für die sich die AfD interessiert, haben Gemeinsamkeiten. Sie erhielten zum Beispiele Zuschüsse für integrative Projekte, also für die Arbeit mit Geflüchteten.

Auf Kriegsfuß mit dem „Weltoffenen Sachsen“

Dutzende weitere Vereine, die in den Anfragen auftauchen, werden zudem über das Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz“ (WOS) unterstützt. Es ist ein zentrales Instrument für die Stärkung demokratischer Werte und gegen Diskriminierung. Teile der hiesigen Zivilgesellschaft sind auf die WOS-Förderung angewiesen. Damit hat die AfD schon immer gefremdelt.

Aber seit zwei Jahren steht sie mit dem „Weltoffenen Sachsen“ gänzlich auf Kriegsfuß. Es gibt dazu eine Vorgeschichte, die tief blicken lässt. Im Jahr 2018 hatte ein erst kurz zuvor gegründeter „Verein für ein extremismusfreies Sachsen“, kurz ExFreiSa genannt, rund 33.000 Euro aus dem WOS-Topf beantragt. Die beiden Abgeordneten Carsten Hütter und Sebastian Wippel sowie ein Mitarbeiter der Fraktion, der frühe Pegida-Organisator Achim Exner, bilden den Vereinsvorstand. Einer der Mitgründer war der neurechte Publizist Felix Menzel, der inzwischen in der Presseabteilung der Fraktion arbeitet. Das Geld, das diese Leute gern bekommen hätten, war zumindest auf dem Papier gedacht für ein Projekt mit Kindern und Jugendlichen, die lernen sollten, „Zeichen und Symbole extremistischer Gruppen zu erkennen“.

Doch ExFreiSa ging leer aus. Das lag, wie man hört, nicht etwa an der politischen Verortung des AfD-Vereins, sondern an der minderen Qualität des eingereichten Antrags und daran, dass es Handreichungen zu dem Thema bereits reichlich gibt. Paradox genug ist, dass der Vereinschef Carsten Hütter schon 2016 erklärt hatte, das WOS-Programm am liebsten komplett zu kippen. Gleich nachdem er mit ExFreiSa abgeblitzt war, sprach er von einem „Missbrauch von Steuergeld“ für „einseitige politische Propaganda“, von einem „Gehirnwäscheprogramm“. Anfang 2019 setzte Jörg Urban, der Landes- und Fraktionschef der AfD, noch eins drauf. Die WOS-Gelder würden an „Linksextreme“ fließen, „die vor Gewalt gegen politische Gegner nicht zurückschrecken“, behauptete er.

Schwere Vorwürfe, keine Belege

Ist da etwas dran? Die AfD weiß es genau. Denn in der Folgezeit stellte sie augenscheinlich ins Blaue hinein Anfragen zu etlichen Vereinen und danach, wie viele Fördermittel ihnen zufließen. Mitunter ging es um Initiativen, die noch nie Geld des Freistaates empfangen haben. Reihum knöpfte man sich aber auch fast alle Vereine vor, die erfolgreiche WOS-Anträge gestellt hatten – ein Versuch der Revanche, wenn auch kein besonders tauglicher. Die Bilanz ist nämlich eindeutig, Unstimmigkeiten bei der Abrechnung solcher Projekten gab es nie. Auch keine Hinweise auf die Zweckentfremdung von Fördergeldern. Oder darauf, dass Staatsmittel bei „Linksextremen“ gelandet wären.

Man weiß das so genau, weil die AfD immer wieder nachfragt, ganz gezielt. Doch fündig wurde sie auch nach mehreren Jahren nicht, nicht einmal Indizien hat sie aufgetan. Ein Kilogramm Anfragen später weiß man sicher: Jörg Urban lügt, wenn er etwas anderes behauptet. Doch das ist für ihn und seine Truppe kein Grund, den Missbrauch von Landesmitteln nicht trotzdem zu unterstellen, so wie es beim „Treibhaus“ versucht wurde. Zu weiteren Vereinen wollte die AfD etwa Ergebnisse von Steuerprüfungen erfahren und ob es andere, vielleicht verdeckte Finanzierungsquellen gibt.

Besonders den Sächsischen Flüchtlingsrat nahm man immer wieder Visier, er tauchte bislang in fünf AfD-Anfragen auf. In einer davon wurde dem Flüchtlingsrat schon im Titel ein Verstoß „gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung“ zur Last gelegt – und zwar zu Unrecht, wie die Antwort zeigt. Zu einem weiteren Verein, der zum Thema Integration tätig ist, wollte ein Abgeordneter die genaue Adresse der Geschäftsräume wissen, warum auch immer. In einem anderen Fall, wieder ging es um Integrationsprojekte, verweigerte das Sozialministerium die Antwort auf eine Teilfrage, die missbräuchlich ist, weil es „nur um die Sammlung von Informationen geht“.

Nachhaltige Kriminalisierung

Doch meistens erfährt die AfD, was sie wissen will. Sachfragen, die ihre eigene Tätigkeit betreffen, muss die Regierung beantworten, nur Bewertungen braucht sie nicht vorzunehmen. Trotzdem versucht die AfD immer wieder, ministerielle Meinungsäußerungen zu provozieren. Das war etwa bei einer Anfrage aus dem Juni 2019 der Fall. Anlass war ein interkulturelles Zuckerfest, das Vereine und Initiativen im Chemnitzer Stadtzentrum veranstalteten und zu dem die AfD-Abgeordnete Karin Wilke unter anderem folgende Frage hatte: „Wie steht die Staatsregierung zu der Tatsache, dass öffentlich ein Fest einer Religion in einer Stadt zelebriert wird, der die Tatverdächtigen angehören, die im vergangenen Jahr einen deutschen Staatsbürger in ebendieser Stadt getötet hatten?“

Das war eine Anspielung auf den gewaltsamen Tod von Daniel H., der im August 2018 erstochen worden war. Später wurde Alaa S., der aus Syrien stammt, am Landgericht Chemnitz wegen Totschlags zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, ein mutmaßlicher Mittäter ist auf der Flucht. „Von einer Beantwortung wird abgesehen“, schrieb Sozialministerin Petra Köpping (SPD) an die AfD-Abgeordnete und parierte so den Versuch einer billigen Provokation. Denn Hinweise auf einen religiösen Tathintergrund ergaben sich weder bei den Ermittlungen, noch im Prozess. Dass Alaa S. ein Muslim sei, das hatte Karin Wilke bloß geraten, es passte ihr ins Bild.

Doch es gibt andere Wege für die AfD, ihre Sicht der Dinge darzulegen, sie müssen nur geschickt eingeflochten werden. Als sich Sebastian Wippel im Sommer 2018 nach einem Klimacamp erkundigte, stellte er seinen Fragen die persönliche Bemerkung voran, dass es „bei Anti-Braunkohle-Protesten immer wieder zu Straftaten“ komme und es „Verstrickungen ins linksextreme Milieu der selbsternannten Klimaaktivisten“ gebe. Wirklich? Mit der eigentlichen Anfrage hatte das nicht viel zu tun, die Antworten bestätigten die suggestiven Annahmen auch nicht. Im Herbst 2019 nahm sich Wippel erneut des Themas an, der Titel diesmal: „Unterwanderung von Fridays for Future durch Linksextremisten“. Erneut gab es eine Vorbemerkung, ihr zufolge sollen „Querverbindungen von Linksextremisten zu Klima-Aktivisten“ aufgedeckt werden. Ganz so, als gäbe es etwas aufzudecken, als sei irgendetwas unter Verschluss. Dem Innenministerium sind die unterstellten Unterwanderungsversuche und Querverbindungen erklärtermaßen nicht bekannt. Wippel hatte sie aus der Luft gegriffen und dann zum Teil einer offiziellen Drucksache gemacht – eine besonders nachhaltige Form der Kriminalisierung, weil die Drucksachen nachträglich nicht mehr verändert werden. Selbst Stuss wird nicht gestrichen.

Anfragen als Pranger und Strafe

Mit dem gleichen Kniff wurde für alle Zeiten aus der Versammlung eines zivilgesellschaftlichen Bündnisses für das Asylrecht schon in der Überschrift einer Anfrage, die sich die AfD einfallen ließ, eine „linksextremistische Demonstration“. Mit ähnlichen Kunstgriffen reichte man Anfragen ein, in denen Beteiligte einer großen Wohnprojekt-Initiative mit vollen Anschriften verzeichnet wurden, in denen man zahlreichen Sponsoren eines interkulturellen Fests aufzählte oder Privatpersonen, die eine Anti-Rechts-Kampagne unterstützen, beim vollen Namen nannte. Dieses Namedropping war für die jeweils gestellten Fragen nicht erforderlich, doch eine Pranger-Wirkung vielleicht gewollt.

So widmete Carsten Hütter einem mit vollem Namen benannten wissenschaftlichen Mitarbeiter einer sächsischen Hochschule eine eigene Anfrage, weil der junge Forscher in seiner Freizeit über den Klimawandel einen Vortrag hielt und eine linke Gruppe dafür warb. Hütter sah das „Neutralitätsgebot“ der Hochschule gebrochen und es geboten, „Maßnahmen zu ergreifen“. Das zuständige Wissenschaftsministerium allerdings nicht. Es informierte den Abgeordneten stattdessen über das Grundrecht auf freie Meinungsäußerung.

Es gibt weitere Fälle, in denen die AfD vor allem Kritik an der AfD zum Anlass nahm, regelrecht abstrafende Fragen zu Initiativen und Institutionen zu stellen. Dazu gehören längst nicht nur politische Gruppen oder Zivilgesellschafts-Vereine, sondern unter anderem auch Studierendenvertretungen, die es sich herausnahmen, keine Wahlprüfsteine an die AfD verschicken. Oder eben die Dresdner Semperoper, in deren Programmheft man „Hetze“ gefunden haben will, die „Erklärung der Vielen“.

Munition für neue Klagen?

Auch „die Antifa“ darf nicht fehlen, seit Jahren spukt sie durch die Anfragen der AfD. Sie gelten mitunter linken Gruppen, von denen schon seit Jahren keine Aktivitäten mehr ausgehen. Selbst das konservative sächsische Innenministerium wird nicht müde, gelegentlich darüber zu belehren, dass es sich bei „der Antifa“ bloß um eine Sammelbezeichnung und bei der Antifaschistische Aktion um eine heterogene politische Bewegung handelt. AfD-Abgeordnete gebrauchen inzwischen eine alternative Definition, „Antifa“ ist für sie identisch mit der gesamten „gewaltorientierten linksextremen Szene“.

Doch auch nach mehreren Jahren und rund drei Dutzend Anfragen zu diesem Bereich hat die Fraktion keine einzige antifaschistische Gruppe in Sachsen gefunden, der auch nur eine einzelne Straftat angelastet wird, geschweige denn Gewalthandlungen – nachzulesen in den amtlichen Antworten. Das hielt die AfD nicht davon ab, im Landtag zu fordern, „die Antifa“ zu verbieten und sie als terroristische Vereinigung einzustufen.

Doch vielleicht dient die Anfragenflut im Parlament am Ende überhaupt keinen parlamentarischen Zwecken. Gegen die Finanzierung parteinaher Stiftungen und von Jugendorganisationen geht die AfD in Sachsen inzwischen mit Verfassungsklagen vor. Die Klageschriften stützen sich auch auf frühere Landtagsanfragen. Womöglich häuft man längst neuen Stoff für kommende Rechts-Kämpfe an, dafür finden sich Anhaltspunkte. Denn ein besonderes Augenmerk richtet die Fraktion mit ihren Anfragen seit langem nicht nur auf das Landesprogramm „Weltoffenes Sachsen“, sondern auch auf regelmäßige Zuschüsse an kommunalpolitische Vereinigungen. Hinzu kommen seit 2019 Initiativen, die an Schulen sexualpädagogische Projekte anbieten. Und seit neuestem interessiert man sich, noch ganz frisch, für die Gelder der Studierendenräte an allen sächsischen Hochschulen – auch an der „TU Leipzig“.