AfD-Fraktion giftet gegen Stiftungen

Die sächsische AfD hat den Plan aufgegeben, eine eigene Landesstiftung zu schaffen. Mit einer Klage vor dem Sächsischen Verfassungsgericht will die Landtagsfraktion stattdessen dafür sorgen, dass alle anderen parteinahen Vereinigungen keine Fördermittel mehr erhalten. Die Fraktion spielt dabei gezielt mit Halb- und Unwahrheiten – Medien machen bisweilen mit.

„Sie brauchen nicht den Kopf zu schütteln!“

Wenn im Dresdner Landtag der Name Michael Elicker fällt, werden Augen geleiert. Seit gut andertalb Jahren berät der streitlustige Juraprofessor aus dem Saarland die sächsische AfD-Fraktion. In dieser kurzen Zeit hat er sich den Ruf erworben, noch etwas direkter unter die Gürtellinie zu zielen als die meisten rechten Abgeordneten. Das konnte man Ende Juni erleben, als der Wahlprüfungsausschuss erstmals öffentlich über die Landtagswahl im vergangenen Jahr verhandelte. Neun damalige Kandidierende der AfD und der Landesverband haben Beschwerden gegen das Ergebnis eingelegt, weil im Vorfeld die Landesliste gekürzt worden war – zunächst auf 18 Personen, dann mit Hilfe des Sächsischen Verfassungsgerichts auf 30. Die AfD wollte aber ursprünglich mit doppelt so vielen Personen ins Rennen gehen. Gravierende Fehler bei der Listenaufstellung vereitelten das, am Ende blieb ein Sitz im Landtag frei.

Bis heute fühlt sich die AfD ungerechnet behandelt, hat deshalb sogar einen Untersuchungsausschuss eingesetzt, um eine große Verschwörung aufzudecken, für die es bisher keinen Beweis gibt. Im Wahlprüfungsausschuss fordert die Partei trotzdem ein zusätzliches Mandat ein, das ihr entgangen ist, zudem die Zulassung von Nachrücker*innen oder, wenn alles nichts hilft, eine Neuwahl. Knappe fünf Stunden wurde zuletzt darüber gestritten, unter anderem mit Michael Elicker. Er hat eine doppelte Funktion: Die Fraktion setzt ihn im Ausschuss als Berater ein, der alle Interna der nicht-öffentlichen Sitzungen kennt. Er weiß daher bereits, dass die AfD-Einsprüche höchstwahrscheinlich ins Leere gehen werden. Und er ist zugleich Verfahrensbevollmächtigter des AfD-Landesverbandes, der trotzdem darauf besteht, Recht zu haben, vor allem vor Publikum.

So geriet die fünfstündige Verhandlung zur großen Michael-Elicker-Show. Als er gebeten wurde, die Sicht der Partei vorzutragen, verweigerte er das zunächst und forderte stattdessen ein „Rechtsgespräch“ mit den Ausschussmitgliedern ein, ganz so, als ließe sich da etwas ausdealen. Die Abgeordneten belehrten ihn, dass sie ihn befragen und nicht umgekehrt. Nach einem aufbrausenden Wortwechsel ließ sich Elicker darauf nur „unter Protest“ ein und teilte fortan munter aus. Er warf den Ausschussmitgliedern – unter ihnen mehrere Volljurist*innen – vor, sie hätten keinen „Begriff von Rechtsstaatlichkeit“ und würden hier nur „Luftnummern abziehen“. Auf leicht entgeisterte Blicke antwortete er, sie seien „der Beweis, dass Sie sich keine Gedanken gemacht haben“. Dann zählte er einige Paragrafen auf und zog daraus das Fazit, es sei natürlich „klar, dass Sie den juristischen Ausführungen vielleicht nicht ganz folgen können“. Als das nicht gut ankam, rüffelte er die Abgeordneten erneut: „Ja, Sie brauchen nicht den Kopf zu schütteln!“

Neues Ziel: parteinahe Stiftungen austrocknen

An diesem Dienstag hatte Elicker wieder einen großen Auftritt, diesmal vor Journalist*innen. Die Fraktion hatte sie in die Landespressekonferenz neben dem Plenarsaal eingeladen. Im Auftrag der AfD-Abgeordneten, so trug es Elicker vor, sei am Vortag eine Klage beim Sächsischen Verfassungsgerichtshof eingereicht worden, die er ausgearbeitet hat. Ziel sei, die weitere Finanzierung parteinaher Stiftungen im Freistaat zu stoppen. Es handelt sich bei diesem Schritt um eine sogenannte abstrakte Normenkontrolle, bei der das Gericht prüfen soll, ob landesrechtliche Regelungen mit der Landesverfassung vereinbar sind. Für den Antrag braucht es ein Viertel der Landtagsabgeordneten, die AfD ist dafür ganz alleine stark genug und kostet diese Macht aus. Die Fraktion kämpft jetzt also gegen die bislang übliche Praxis, nach der parteinahen Stiftungen jährlich insgesamt knapp 1,7 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt ausgezahlt werden.

Mit einer Entscheidung des Verfassungsgerichts, die das stoppen soll, rechnet die Fraktion in einem halben bis dreiviertel Jahr. Berichte darüber finden sich heute in den drei großen Regionalzeitungen, der Sächsischen Zeitung, der Freien Presse und der Leipziger Volkszeitung, auch der MDR vermeldet das. Kritische Einordnungen fehlen in allen Fällen, und was vor allem nicht berichtet wird: Wenn ein Urteil kommt, wird es die künftige Finanzierung parteinaher Stiftungen nicht verhindern, wie die AfD behauptet. Das Gericht könnte allenfalls feststellen, dass eine neue Rechtsgrundlage geschaffen werden muss. Die AfD greift in ihrer Klage auch gar nicht direkt die Förderung an, nimmt eine lange bekannte Kritik auf, wonach ein besonderes Gesetz fehlt. Bislang wird die Förderung mit jedem Haushaltsgesetz, zumeist also alle zwei Jahre, neu festgeschrieben – beziehungsweise dort „versteckt“, wie Elicker sagte.

Die Haushaltspläne sind voluminös, doch wer danach sucht, kann die entscheidenden Abschnitte leicht finden, es gibt dazu ein eigenes Kapitel. Davon, dass etwas „versteckt“ wird, kann also nicht die Rede sein. Doch die trockenen Tatsachen überspielte Elicker mit gänzlich unjuristischer Rhetorik. Er geißelte die „wilde Politikfinanzierung“, bei der es sich um „Schmarotzertum auf Kosten des Steuerzahlers“ handle. Es sei „abartig“, dass sich Parteien über „Indoktrinierungsgesellschaften“ selbst Geld zuschanzen, so etwas gehöre „nicht in einen demokratischen Verfassungsstaat“, meint er. Die Rechtslage ist jedoch anders. Mit einem Grundsatzbeschluss von 1986 urteilte das Bundesverfassungsgericht, dass es gegen die staatliche Förderung parteinaher Stiftungen keine grundsätzlichen Bedenken gibt, so lange sie personell und organisatorisch von ihrer jeweiligen Mutterpartei unabhängig sind. Das ist bis heute die Richtschnur, im Bund und in den Ländern.

Sachsen-AfD will auf eigene Stiftung verzichten

Die eigentliche Nachricht überbrachte bei der Pressekonferenz nicht Michael Elicker, sondern Fraktionsvize Jan Zwerg. Die sächsische AfD wird ihm zufolge darauf verzichten, eine eigene Landesstiftung aufzubauen und Geld zu beantragen, obwohl auf diesem Weg jedes Jahr mehrere hunderttausend Euro fließen könnten. Der freiwillige Verzicht kommt überraschend. Noch vor rund zwei Jahren hatte die Landespartei einen Anlauf unternommen, eine Stiftung zu schaffen, kurz nachdem die Desiderius-Erasmus-Stiftung durch die AfD-Bundespartei anerkannt worden ist. Für den vorgesehenen Sachsen-Ableger gab es sogar schon einen Namen, der nationalistische Dichter Theodor Körner sollte herhalten. Doch das Projekt fuhr gegen die Wand, bevor es richtig in Fahrt kommen konnte. Der Landespartei gelang es damals nicht, einen Stiftungsverein ins Leben zu rufen, der so unabhängig ist, wie es das Bundesverfassungsgericht fordert.

Was aus der Gründungszeit übrig blieb, ist der „Verein für ein extremismusfreies Sachsen“, kurz „ExFreiSa“ genannt, initiiert und geleitet durch Personen, die der Partei durch Ämter, Mandate und Arbeitsverträge allzu eng verbunden sind. Daher sind die Bedenken nicht ganz von der Hand zu weisen, die der Abgeordnete Zwerg am Dienstag äußerte: dass sich Parteien mitunter „Propagandamaschinerien“ schaffen und gegen die Verfassung verstoßen würden, wenn sie dafür auch noch Geld einstreichen wollten. Genau diesen Weg hatte die sächsische AfD eingeschlagen. Ein neuer Anlauf, der die alten Fehler vermeidet, ist jederzeit möglich. Eine von zwei wichtigen Bedingungen für eine Förderung wäre nach der kommenden Bundestagswahl automatisch erfüllt, dass nämlich die Mutterpartei zwei Mal in den Landtag und in die Bundestag einzieht. Das Problem ist die andere Bedingung. Sie lautet, dass die Stiftung „ein gewisses Maß an zeitlicher und inhaltlicher Präsenz“ nachweisen und mindestens drei Jahre vor Inkrafttreten des nächsten Landeshaushalts „regelmäßige Aktivitäten der politischen Bildung im Freistaat Sachsen entfaltet“ haben muss. Erst dann kann Geld fließen.

Eine neue AfD-nahe Stiftung in Sachsen müsste folglich noch jahrelang warten, bevor sie Ansprüche anmelden kann. Sie müsste sich bis dahin auf anderen Wegen finanzieren und womöglich überwiegend ehrenamtlich tätig sein, um die geforderte Unabhängigkeit nicht zu verspielen. Man ahnt es schon, bei der Pressekonferenz der Fraktion wurde dieser Knackpunkt umschifft. Elicker war stattdessen in seinem Element und übte weiter vulgäre Politikschelte. Man wolle nicht, „dass Leute in die Politik gehen, um irgendwo Schmarotzertum zu betreiben“. Politik sei eher etwas für Leute, „die schon mal irgendwas in ihrem Leben geleistet haben, die möglicherweise auch bereit sind, Einkommensverzicht hinzunehmen“. Diesem Maßstab genügen die meisten sächsischen AfD-Abgeordneten nicht. Und auch die Landespartei macht keine Anstalten, sich eine Stiftung zuzulegen, die eine ganze Weile auf Geld verzichten müsste.

Allerhand Halbwahrheiten

Dass die AfD sich nicht mit einer eigenen, sondern mit den Stiftungen der anderen Parteien auseinandersetzt, könnte einen banalen Grund haben: Medien springen auf. So war es schon vor einem Monat gewesen, als die Politikseite der Sächsischen Zeitung mit einem Beitrag aufmachte, der sich ausschließlich auf eine Landtagsanfrage des AfD-Abgeordneten André Barth stützte und von einem unheimlichen „Geldsegen“ berichtete, der aktuell sechs Stiftungen zuteil wird. Sie erhalten unterm Strich pro Jahr 1,69 Millionen Euro aus dem Landeshaushalt, wie die Staatskanzlei „jetzt“ auf eine Anfrage Barths bekannt gegeben habe. Der Text war ein PR-Coup, jedenfalls nach den Maßstäben der AfD, der es nur selten gelingt, eigene landespolitische Themen groß zu platzieren.

Die Fraktion versuchte sofort, die Geschichte weiterzudrehen und veröffentlichte eine Pressemitteilung, in der sie sich darüber beklagt, dass alle anderen etwas bekommen, aber die AfD leer ausgeht. Das sei „eine klare Benachteiligung“, so die Kritik. Sie stützt sich auf die Zahlen, die der Abgeordnete Barth „herausbekommen“ habe und aus denen sich außerdem ergebe, dass die Landeszuschüsse „explodierten“, seitdem die AfD im Jahr 2014 erstmals in den Landtag eingezogen ist. Was stimmt: Die Gesamtsumme, die in Sachsen auf parteinahe Stiftungen aufgeteilt wird, hat sich in den vergangenen Jahren ungefährt verdoppelt. Alle anderen Angaben sind dagegen nicht besonders akkurat, teils irreführend oder sogar falsch. So ist die Fördersumme weder „jetzt“ bekannt geworden, noch hat sie Barth erst „herausbekommen“. Sondern sie steht im offen einsehbaren Landeshaushalt. Der AfD-Fraktion ist der Landeshaushalt geläufig, denn sie nahm an den Verhandlungen zum aktuellen Doppelhaushalt für 2019 und 2020 teil. Das erledigte unter anderem der haushaltspolitische Sprecher der Fraktion namens André Barth.

Im vergangenen Jahr hatte sich die Fraktion sogar schon einmal öffentlich auf die „jetzt“ bekannt gewordene Summe bezogen, als sie einen alternativen Haushaltsplan vorlegte. Darin setzte sie die Mittel für parteinahe Stiftungen auf Null, eine Forderung, die bereits seit langem erhoben wird. Obwohl die Zahlen stets frei zugänglich sind, erkundigen sich AfD-Abgeordnete seit 2016 regelmäßig mit gesonderten Anfragen danach. Das war jenes Jahr gewesen, in dem die Gesamtfördersumme den größten Sprung nach oben gemacht hat. Der Grund dafür wurde auf eine AfD-Anfrage hin auch mitgeteilt, obwohl er nie geheim war. Die Landesregierung initiierte damals das „Maßnahmepaket für ein starkes Sachsen“. Damit sollten die politische Bildungsarbeit und deren Online-Vermittlung gestärkt werden. Anders, als es die AfD heute unterstellt, hatte das nichts damit zu tun, dass die Partei inzwischen in den Landtag eingezogen war. Das Maßnahmepaket war vielmehr eine Reaktion auf die rassistischen Übergriffe in Clausnitz und Bautzen Anfang 2016.

Weitere Klage angekündigt

Weniger bekannt sein dürfte, dass die regelmäßigen Anfragen zur Stiftungsfinanzierung nicht einmal eine Idee der AfD-Fraktion ist. Sehr ähnliche Anfragen hatte es bereits ab 2007 gegeben. Dahinter stand die NPD, die von 2004 bis 2014 im Landtag saß. In dieser Zeit versuchte sie, ähnlich wie später die AfD, eine parteinahe Stiftung aufzubauen und Fördermittel einzustreichen. So wurde 2005 das „Bildungswerk für Heimat und nationale Identität“ gegründet. Doch Geld aus dem Landeshaushalt floss nie, dem designierten NPD-Stiftungsverein fehlte es an verschiedenen Voraussetzungen, unter anderem an der Unabhängigkeit gegenüber der Mutterpartei. Auch die NPD zog in dieser Sache vor das Sächsische Verfassungsgericht. Die Beschwerde wurde 2012 zurückgewiesen, danach starb das Projekt.

Ähnlichkeiten zu späteren Versuchen einer anderen Partei, sich eine Landesstiftung zuzulegen, sind möglicherweise rein zufällig. Bei der AfD kennt man aber dadurch den steinigen Weg, den man gehen müsste, um eine Förderung beanspruchen zu können: Der AfD-Fraktionsmitarbeiter Felix Menzel nahm im Jahr 2010 an mindestens einer Veranstaltung des NPD-„Bildungswerks“ teil. Er ist heute für die Öffentlichkeitsarbeit mitzuständig, und die läuft – was das Stiftungsthema anbelangt – offenbar recht erfolgreich. Die AfD-Fraktion braucht solche Erfolge, die sie im parlamentarischen Betrieb, zunehmend isoliert, kaum noch erzielen kann. Daher ist jetzt auch der Jurist Michael Elicker gefragter denn je. Derzeit bereitet er eine weitere Klage vor, gegen die Finanzierung von Jugendorganisationen der Parteien.

Bereits im Frühjahr hatte er für die AfD-Fraktion eine Klage gegen das sächsische Wahlgesetz ausgearbeitet und ebenfalls beim Verfassungsgericht in Leipzig eingereicht. Darüber berichtete idas als einziges Medium. In der Klageschrift hatte Elicker den Eindruck erweckt, dass Neuwahlen anstehen, weil sich, wie er voraussagte, die AfD im Wahlprüfungsausschuss durchsetzen werde. Das weiß er inzwischen besser. So weit es bekannt ist, hat das Verfassungsgericht bisher ohnehin nur ein Mal auf ihn gehört. Das war vor einem Jahr, als er für den AfD-Landesverband gegen die Kürzung der Wahlliste vorgegangen ist. Wenn bei der Aufstellung der AfD-Kandidierenden etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen sein sollte, so argumentierte er damals, „würde dies eine Streichung der Kandidaten erst ab Platz 31 rechtfertigen.“ Genau so urteilte das Gericht.