Presseschau, 36. Kalenderwoche 2020

Oehme verweigert Test, Zocher jubelt für Höcke, parteinahe Neonazis in Dresden, Lässig rausgeführt, Hilse rechtfertigt sich, Anzeige gegen Hütter, Chrupalla erneut Direktkandidat, vier Landesparteitage, Berndt will Kalbitz beerben, Urteile in Rostock und Hamburg, Rassist kommt aus der JA, Fälschung von Wahlunterlagen, Streit um Laudenbachs Stasi-Verbindung, Bublies-Leifert ausgeschlossen, LKR im Bundestag, Feuerwehr contra AfD, Populismus auf dem Rückzug, verschwörungsgläubige Partei. Das war diese Woche wichtig:


In der Presseschau informiert idas jeden Sonntag über lesenswerte Medienberichte und Recherchen rund um die AfD, die im Laufe der Woche erschienen sind.


AfD in Sachsen

Die AfD im Erzgebirgskreis will Mitte Oktober bei einem Kreisparteitag ihre Direktkandidat*innen für die beiden dortigen Bundestagswahlkreise bestimmen. Der Kreisvorsitzende Thomas Dietz erwägt eine Kandidatur im Wahlkreis 164, weitere Bewerber*innen sind noch nicht bekannt. (↪ FP, 31.08.)


Der Bundestagsabgeordnete Ulrich Oehme, der derzeit zur Oberbürgermeister*innenwahl in Chemnitz kandidiert, hat Forderungen zurückgewiesen, sich einem Corona-Test zu unterziehen. Dazu hatte ihn der örtliche Grünen-Kreisverband aufgefordert. Grund: Am Samstag der Vorwoche war Oehme in Berlin, wo zahlreiche Gegner*innen der Pandemieeindämmung demonstrierten, überwiegend ohne Abstand und Masken. Oehme erklärte dazu, zwar in Berlin gewesen zu sein und dort auch ein Fernsehinterview gegeben zu haben. Allerdings habe er nicht demonstriert, sondern seine Ehefrau abholen wollen. Bei dem Interview war Oehme allerdings in Begleitung seines Mitarbeiters Arthur Österle. Dieser tauchte wenig später bei den Ausschreitungen vor dem Reichstagsgebäude auf. (↪ TAG24, 01.09., ↪ FP, 01.09.)


Unter den Teilnehmer*innen einer AfD-Kundgebung am Freitag der Vorwoche in Grimma (Landkreis Leipzig), bei der unter anderem Björn Höcke auftrat, befand sich mit Volker Zocher auch der ehemalige Bürgermeister der nahe gelegenen Stadt Naunhof. Zocher war 2013 zum parteilosen Stadtchef gewählt worden, seine Amtszeit endete in diesem März. Kürzlich gab er bekannt, dass er der AfD beitreten will, mit der er offenbar schon länger sympathisiert. (↪ LVZ, 02.09.)


Eine seit kurzem in Dresden aktive Neonazi-Kameradschaft namens „Werra Elbflorenz“ (WE) verfügt offenbar über Kontakte zur AfD und deren Nachwuchsorganisation Junge Alternative (JA). Das berichtet das Antifa-Rechercheteam Dresden. Mitglieder der Gruppe legten demnach am sogenannten Volkstrauertag einen Kranz auf einem Friedhof ab, gemeinsam mit der Dresdner JA-Ortsgruppe. Bei einer früheren Kranzniederlegung am 13. Februar 2019 trug Fabian Rösner, der sich später „Werra Elbflorenz“ angeschlossen haben soll, ein Gebinde der AfD-Ortsgruppe Hoyerswerda. (↪ ART, 02.09.)


Barbara Lässig, Mitarbeiterin der AfD-Fraktion im Stadtrat von Dresden, ist am Dienstag durch den Sicherheitsdienst aus Räumen der SPD-Fraktion geleitet worden. Dorthin war der Fernsehturmverein eingeladen gewesen, der sich dafür einsetzt, das Bauwerk öffentlich zugänglich zu machen und durch eine Seilbahn an das Stadtgebiet anzubinden. Lässig ist Pressesprecherin des Vereins. Sie war im Vorfeld sowohl durch die SPD, als auch durch ihren Verein gebeten worden, nicht an der Besprechung teilzunehmen, erschien aber trotzdem. Als sie aufgefordert wurde, den Saal zu verlassen, folgte sie dem zunächst nicht. Der Vereinsvorsitzende Eberhard Mittag erklärte danach, dass Lässig durch ihr Verhalten den Anliegen der Initiative geschadet und gegen die Satzung verstoßen habe. Er deutete an, dass sich der Vereinsvorstand mit dem Vorfall befassen wird. (↪ DNN, 02.09., ↪ DNN, 05.09.)


Der sächsische AfD-Bundestagsabgeordnete Karsten Hilse hat seine Beteiligung an Protesten gegen die Pandemieeindämmung am Samstag der Vorwoche in Berlin verteidigt. Der Parlamentarier war dort unter anderem vor Plakaten zu sehen, die bekannte Politiker*innen und den Virologen Christian Drosten in Sträflingskleidung und mit der Aufschrift „schuldig“ zeigen. „Die Bilder sind überzeichnet und sollen provozieren“, erklärte Hilse dazu. Auch zu der Besetzung der Treppen des Reichstagsgebäudes äußerte er sich: Das Geschehen kenne er von Bildern und Videos, anhand dessen könne er nicht einschätzen, ob die Beteiligten – bis zu 400 Personen – unfriedlich waren „oder ob sie auf Aktionen der Polizei reagiert“ hätten. Hilse ist von Beruf Polizeibeamter. Bei der Plakataktion ließ er sich gemeinsam mit dem thüringischen Bundestagsabgeordneten Robby Schlund ablichten, der auch selbst eines der Motive hochhielt – und von Beruf Arzt ist. Der Ärztepräsident Klaus Reinhardt kündigte in dem Zusammenhang berufsrechtliche Schritte an: Es sei „eine unerträgliche Entgleisung, wenn Ärzte, noch dazu Bundestagsabgeordnete, Transparente tragen, auf denen sie ihre ärztlichen Kollegen in Sträflingskleidung darstellen und als Verbrecher verunglimpfen“, sagte er. (↪ Sächsische, 02.09., ↪ Sächsische, 04.09.)


Der Staatsanwaltschaft Dresden liegt eine Strafanzeige gegen den sächsischen AfD-Landtagsabgeordneten Carsten Hütter wegen des Verdachts der Untreue vor. Hintergrund sind Berichte, nach denen Hütter in seiner Funktion als amtierender Bundesschatzmeister der Partei einen Porsche, den die AfD aus einer Erbschaft erhalten hat, an sich genommen und privat verwahrt haben soll. Zudem soll er eigenmächtig und ohne erforderlichen Beschluss der Parteispitze einem Sicherheitsdienstleister Geld aus der Parteikasse gezahlt und einem weiteren Geld geboten haben, damit dieser den Vorgang für sich behält. Hütter weist die Vorwürfe zurück und bezeichnet sie als „Unsinn“. Der Bundesvorstand hat inzwischen beschlossen, juristisch gegen entsprechende Behauptungen vorzugehen. Sie waren zuerst durch das Ex-Parteimitglied Denis Deppe aufgestellt worden, der an seiner Darstellung festhält. (↪ TAG24, 03.09.)


Die AfD erhält in Sachsen wieder verstärkte Zustimmung und könnte bei einer Landtagswahl mit rund 27,5 Prozent der Stimmen rechnen. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Erhebung des Onlineportals Wahlkreisprognose.de. Bei der Landtagswahl im vergangenen Jahr hatte die Partei exakt diesen Zweitstimmenanteil erhalten, schwächelte aber in den vergangenen Monaten. Auch in einigen Wahlkreisen steht die AfD wieder etwas besser da und könnte im Raum Meißen, Sächsischen-Schweiz-Osterzgebirge, Görlitz und Bautzen insgesamt acht Direktmandate erringen. In den Landtag waren 2019 insgesamt 15 AfD-Direktbewerber*innen eingezogen. Insgesamt obenauf bleibt die Union. Eine Koalition aus CDU und Grünen hätte derzeit eine deutliche Mehrheit, auch ohne die aktuell mitregierende SPD. (↪ LVZ, 04.09.)


Der AfD-Bundestagsabgeordnete Tino Chrupalla, der auch Bundesvorsitzender der Partei ist, wird im kommenden Jahr erneut als Direktkandidat in seinem Görlitzer Wahlkreis antreten. Der AfD-Kreisverband, der über rund 260 Mitglieder verfügt, nominierte den 45-Jährigen am Samstag bei einem Kreisparteitag in Löbau (Landkreis Görlitz). Er erhielt 37 von 49 Stimmen, das sind 76 Prozent – mehr als vor vier Jahren, als Chrupalla 70 Prozent erhalten hatte. Damals musste er sich allerdings gegen drei innerparteiliche Gegenkandidaten durchsetzen, diesmal trat niemand gegen ihn an. Zur Bundestagswahl 2017 hatte der damals noch recht unbekannte Politiker das Direktmandat überraschend gewonnen und dabei den heutigen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer (CDU) besiegt. (↪ Sächsische, 05.09.)

AfD rundherum

Die Berliner AfD will in absehbarer Zeit einen Landesparteitag durchführen, um einen neuen Vorstand zu wählen. Weil das wegen fehlender Räume über lange Zeit nicht gelungen ist, wird der Verband derzeit durch einen Notvorstand verwaltet. Das soll sich ändern, für die Neuwahl sind die Sonntage am 25. Oktober und am 8. November eingeplant. Erstmals wird der AfD-Landesverband dabei seinen Parteitag als Delegiertentreffen ausrichten, nicht mehr als Mitgliederparteitag, an dem alle der rund 1.500 Mitglieder teilnehmen könnten. Grund sind der Mangel an größeren Tagungsräumen sowie Abstandsregeln, so dass nicht mehr als 320 Personen eingeladen werden können. Bereits im Frühjahr hatte die Landesspitze eine Abkehr von Mitgliederparteitagen vorgeschlagen und war damit auf erhebliche innerparteiliche Kritik gestoßen. Eine Rolle beim kommenden Parteitag dürfte auch die tiefe Spaltung der AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus spielen: Die verfeindeten Lager kommunizieren mitunter nur noch über Anwält*innen und drohen einander mit juristischen Schritten. (↪ Tagesspiegel, 01.09., ↪ Süddeutsche, 04.09.)


Der brandenburgische Landtagsabgeordnete Christoph Berndt will neuer Vorsitzender der AfD-Fraktion werden. Das wurde Anfang der Woche aus Parteikreisen bekannt. Berndt äußerte sich zunächst nicht dazu, bestätigte inzwischen aber seine Ambitionen: „Ich stehe – nach reichlichem Überlegen und vielen Gesprächen – für den Fraktionsvorsitz zur Verfügung“, heißt es in einer schriftlichen Erklärung. „Sollte ich mit hinreichendem Vertrauen gewählt werden, werde ich mich nicht verweigern.“ Die Wahl könnte bereits in der kommenden Woche stattfinden. Sollte der 63-Jährige gewählt werden, wäre er direkter Nachfolger des Neonazis Andreas Kalbitz, der nur noch einfaches Fraktionsmitglied ist. Zuletzt hatte es geheißen, dass es mit der Neubesetzung der Spitzenposition nicht eilig sei. Als Anwärter auf den Posten galt bislang der parlamentarische Geschäftsführer Dennis Hohloch. Er hatte Kalbitz zuletzt vertreten und war dann durch diesen schwer verletzt worden („Milzriss-Affäre“). Berndt wird dem verfassungsfeindlichen Flügel zugerechnet. Er leitet zudem den Verein „Zukunft Heimat“, der ebenfalls als „rechtsextremistisches“ eingestuft wurde und offizielles Beobachtungsobjekt des brandenburgischen Verfassungsschutzes ist. Grund sind klare Verbindungen in die Neonaziszene. (↪ RBB, 31.08., ↪ Tagesspiegel, 31.08., ↪ FAZ, 01.09., ↪ BNR, 02.09., ↪ Tagesspiegel, 05.09.)


Bei Protesten gegen die Pandemieeindämmung am Samstag der Vorwoche in Berlin waren Anhänger*innen der extremen Rechten präsenter als angenommen. So gab es nach Einschätzung des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) „eine starke rechtsextremistische Komponente, die aggressiv und gewalttätig durch Störaktionen auftrat“. Das erklärte BfV-Präsident Thomas Haldenwang gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Im Vorfeld war die Behörde noch davon ausgegangen, dass verfassungsfeindliche Strömungen im Protestgeschehen keine bestimmende Rolle spielen würden. Dann sei es jedoch „Rechtsextremisten und Reichsbürgern“ gelungen, „einen Resonanzraum zu besetzen, wirkmächtige Bilder zu erzeugen und so das heterogene Protestgeschehen zu instrumentalisieren“. Beteiligt gewesen seien Personenzusammenhänge „aus rechtsextremistischen Parteien und Organisationen“, insbesondere auch aus „den AfD-Teilorganisationen Junge Alternative und Flügel“. (↪ Spiegel, 01.09.)


Die saarländische AfD will bei einem Landesparteitag, der am 3. und 4. Oktober in Saarbrücken stattfinden soll, einen neuen Landesvorstand wählen. Der letzte regulär gewählte Vorstand um den Landeschef Josef Dörr war Ende März auf Beschluss der AfD-Spitze wegen „schwerwiegender Verstöße“ gegen die Grundsätze und Ordnung der Partei seines Amtes enthoben worden. Danach wurde ein Notvorstand eingesetzt, dem unter anderem der sächsische Landtagsabgeordnete Carsten Hütter angehört. Um den Landesvorsitz wollen sich bislang zwei Kandidaten bewerben. Offen ist, ob Dörr selbst wieder antreten wird. (↪ Saarbrücker Zeitung, 01.09.)


Wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ist der Rostocker AfD-Kommunalpolitiker Heinrich Berkel zu einer Geldstrafe in Höhe von 30 Tagessätzen à 80 Euro verurteilt worden. Die Verhandlung am örtlichen Amtsgericht fand bereits vor gut drei Wochen statt, das Urteil wurde erst jetzt bekannt. Berkel, der als Anwalt tätig ist, soll Beiträge auf seiner Website unter anderem mit „Sieg Heil“ betitelt haben. Nachdem die Vorwürfe bekannt geworden sind, ist er als Mitglied des Ortsbeirats Rostock-Stadtmitte abgewählt worden. Zu der Verhandlung war es gekommen, weil der Angeklagte einen Strafbefehl nicht akzeptiert hat. Gegen das nun ergangene Urteil legte er bereits Berufung ein. Der Fall wird in nächster Instanz am Landgericht Rostock verhandelt werden, voraussichtlich aber nicht vor Anfang nächsten Jahres. (↪ NNN, 01.09.)


Bei einem 35-Jährigen Mann, der kürzlich im Zentrum des hessischen Darmstadt zwei Schwarze rassistisch beleidigt und körperlich attackiert hat, handelt es sich um ein früheres Mitglied der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA). Der Übergriff wurde durch ein Video bekannt, das ein Passant aufgenommen hat und auf dem auch zu hören ist, wie der Angreifer „Heil Hitler“ ruft. Durch die Aufnahmen konnte der mutmaßliche Täter als Stefan Heym identifiziert werden. Die JA Hessen bestätigte inzwischen, dass Heym Mitglied des Verbandes war. Man habe ihn jedoch bereits im April „wegen des Teilens extremistischer und strafrechtlich relevanter Inhalte“ ausgeschlossen. Auch mit der neonazistischen NPD soll Heym in Verbindung stehen. (↪ Gießener Anzeiger, 01.09.)


Kurz vor den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen prüft der polizeiliche Staatsschutz wegen möglicher Fälschung von Wahlunterlagen mehrere Vorgänge, bei denen Personen ohne ihr Wissen oder ohne ausdrückliche Zustimmung als Kandidierende aufgestellt worden sein sollen. Solche Vorgänge sind bei zwei Parteien bekannt, neben der NPD handelt es sich um die AfD. Möglicherweise unrechtmäßig zustande gekommene AfD-Listen sind bislang aus vier Orten bekannt. (↪ n-tv.de, 01.09.)


Rund 80 Prozent der Anhänger*innen der AfD haben nach eigenen Angaben „auf jeden Fall“ oder „eher“ Verständnis für die jüngsten Proteste gegen die Corona-Politik der Bundesregierung in Berlin. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag des Spiegels. Die Zustimmung im Umfeld der Partei ist damit im Vergleich zu einer Umfrage im Vormonat deutlich gestiegen, damals lag der Wert noch bei 67 Prozent. Weitgehend unverändert ist dagegen die starke Abgrenzung durch die übrige Bevölkerung: 76 Prozent der Bundesbürger*innen lehnen die Proteste ganz oder überwiegend ab, nur knapp 21 Prozent sind dafür, der Rest ist unentschieden. (↪ Spiegel, 01.09.)


Der Streit um die Frage, wie eng der thüringische AfD-Landtagsabgeordnete Dieter Laudenbach mit dem DDR-Ministerium für Staatssicherheit zusammengearbeitet hat, geht weiter. Im Juli hatte der MDR Dokumente der Stasi-Unterlagenbehörde veröffentlicht. Sie zeigen, dass der Geheimdienst Mitte der 1980er Jahre eine Anwerbung Laudenbachs beabsichtigte, ihm einen Decknamen („Klaus“) zuordnete und unter diesem Tarnnamen auch einen Spitzelbericht entgegennahm. In der Akte heißt es auch, dass eine Anwerbung als Inoffizieller Mitarbeiter schließlich gelungen sei. Laudenbach bestreitet jedoch eine „wissentliche“ Zusammenarbeit. In seinem Auftrag fertigte der ehemalige thüringische Landesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Jürgen Haschke, ein Kurzgutachten an. Darin wird geurteilt, dass Laudenbach kein IM gewesen sei. Grund: Eine formelle Verpflichtungserklärung ist nicht auffindbar. Haschke kritisiert darüber hinaus die Veröffentlichung des Vorgangs, ihm zufolge hätte die Stasi-Unterlagenbehörde keine Dokumente an die Medien herausgeben dürfen, zumal der MDR keinen obligatorischen Antrag auf Akteneinsicht gestellt habe. Der Sender kann jedoch belegen, dass ein solcher Antrag vorlag. Die Behörde beharrt zudem darauf, dass die Herausgabe rechtmäßig war – denn aus dortiger Sicht lag sehr wohl eine Spitzeltätigkeit vor. (↪ MDR, 02.09.)


Die rheinland-pfälzische Landtagsabgeordnete Gabriele Bublies-Leifert ist endgültig aus der AfD ausgeschlossen worden. Der zuständige Landesverband hatte ein Ausschlussverfahren unter anderem deshalb angestrengt, weil die Abgeordnete die sogenannte Mandatsträgerabgabe nicht entrichtet hat. Die ausstehenden rund 30.000 Euro fordert die Partei weiterhin ein. Zunächst hatte das Landesschiedsgericht gegen Bublies-Leifert entschieden, die dagegen Rechtsmittel einlegte, jedoch Fristen nicht einhielt. Damit ist der Ausschluss rechtskräftig, urteilte nun das Bundesschiedsgericht. Bereits vor einem Jahr war sie freiwillig aus der AfD-Landtagsfraktion ausgetreten. (↪ SWR, 02.09.)


Das Landgericht Berlin hat eine schriftliche Begründung zu seinem Urteil vom 21. August vorgelegt, mit dem es einen Eilantrag des Neonazis Andreas Kalbitz zurückgewiesen hatte, der sich auf diesem Weg vorläufig in die Partei zurückklagen wollte. In der Begründung bekräftigt die Zivilkammer, dass der Beschluss des AfD-Bundesvorstands, die Mitgliedschaft zu beenden, jedenfalls nicht „evident rechtswidrig“ war und weitere Fragen daher erst in einem späteren Hauptsacheverfahren geklärt werden können. Das Gericht nimmt auch Stellung zu dem durch Kalbitz erhobenen Vorwurf, wonach durch seinen Rauswurf gegen das Parteiengesetz verstoßen werde, weil ein obligatorisches Ausschlussverfahren nicht durchlaufen worden ist. Diese Sicht könne aber „so nicht geteilt werden“, heißt es. (↪ Welt, 03.09.)


Die AfD-Fraktion im Bundestag beharrt darauf, den Vorsitz im Untersuchungsausschuss zum Wirecard-Skandal zu übernehmen, der demnächst eingesetzt werden soll. Der AfD-Abgeordnete Kay Gottschalk sagte, seine Fraktion „beansprucht natürlich den Vorsitz des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, denn dies steht ihr nach parlamentarischer Tradition zu.“ In der Regel wird der Vorsitz nach der Größe der Fraktionen verteilt, Gottschalk selbst wird bereits für diesen Posten gehandelt. Einen Anspruch, dass eine bestimmte Person gewählt wird, gibt es jedoch nicht. Die Einsetzung des Gremiums wird durch die Oppositionsfraktionen von Grünen, Linken und FDP gefordert, die dafür genügend Stimmen aufbringen und voraussichtlich einen gemeinsamen Einsetzungsantrag vorgelegen werden. Auch die AfD unterstützt die Forderung, bleibt bei der Vorbereitung aber außen vor. Über die Einsetzung wird das Bundestagsplenum abstimmen, der AfD-Stimmen bedarf es dafür nicht. (↪ Tagesschau, 03.09., ↪ Welt, 03.09.)


Wegen Vortäuschens einer Straftat und Missbrauchs von Notrufen hat das Amtsgericht Harburg ein ehemaliges Mitglied der Hamburger AfD verurteilt. Der 26-Jährige hatte im September vergangenen Jahres mehrfach die Polizei alarmiert und behauptet, Unbekannte hätten ihn überfallen, vor seiner Wohnung Schüsse abgegeben sowie Flugblätter einer Antifa-Gruppe und Zettel mit Morddrohungen verteilt. Bei den Ermittlungen stellte sich aber heraus, dass der Mann den Angriff erfunden, die Schüsse mit seiner eigenen Schreckschusswaffe abgefeuert und die Flyer selbst ausgedruckt hat. Weil er die Höhe der Geldstrafe, die zunächst per Strafbefehl verhangen worden ist, nicht akzeptierte, ging der Fall nun vor Gericht. Urteil: 70 Tagessätze à 10 Euro und damit weniger als vorher, da laut Gericht nicht auszuschließen sei, dass die Schuldfähigkeit des geständigen Angeklagten durch einen Rauschzustand eingeschränkt war. Nicht eindeutig geklärt werden konnte das Motiv. Der Mann hatte unter anderem behauptet, dass seine Ex-Freundin „die Antifa“ auf ihn angesetzt habe. Aus der AfD ist er inzwischen ausgetreten. (↪ TAZ, 03.09., ↪ Mopo, 03.09.)


Die rheinland-pfälzische AfD trifft sich seit Freitag zu einem mehrtägigen Landesparteitag in Idar-Oberstein. Auf der Tagesordnung stehen Vorbereitungen zur Landtagswahl, die am 14. März stattfinden wird. Die Mitglieder berieten zunächst über ein Wahlprogramm und begannen am Samstag mit der Abstimmung über die Landesliste. Als Spitzenkandidat mit knapp 76 Prozent der Stimmen wurde Michael Frisch gewählt. In seiner Bewerbungsrede beklagte er einen „fortschreitenden Identitätsverlust“ in Deutschland, stellte sich im innerparteilichen Machtkampf allerdings hinter den Parteivorsitzenden Jörg Meuthen und rief dazu auf, sich im Wahlkampf um die „bürgerliche Mitte“ zu bemühen. Auf den weiteren Listenplätzen folgen unter anderem Jan Bollinger, Joachim Paul, Matthias Joa sowie Damian Lohr, der scheidende Bundesvorsitzende der AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative. Bei der letzten Landtagswahl 2016 war die AfD mit damals 12,6 Prozent drittstärkste Kraft geworden. Zuletzt stand sie in Umfragen nur noch bei acht Prozent. Der Parteitag, der am Sonntag noch anhielt, findet als Mitgliedertreffen statt, das allen rund 2.100 Mitgliedern offensteht. Am Freitag waren zunächst nur einige Dutzend Mitglieder erschienen, deren Zahl stieg im Verlauf des Wochenendes auf rund 300 an. (↪ Volksfreund, 04.09., ↪ Süddeutsche, 04.09., ↪ SWR, 05.09.)


Die niedersächsische AfD wird sich am kommenden Samstag in Braunschweig zu einem Landesparteitag versammeln und dabei eine neue Vorsitzende Wählen. Dana Guth, die vor zweieinhalb Jahren an die Spitze gekommen war, bewirbt sich erneut um das Amt. Sie muss es allerdings mit gleich vier Gegenkandidaten aufnehmen: die Bundestagsabgeordneten Jens Kestner und Dietmar Friedhoff sowie die Landtagsabgeordneten Christopher Emden und Stefan Wirtz. Ein Wechsel ist denkbar: Zwar gelang es Guth, die Machtkämpfe in der Landespartei weitgehend zu befrieden. Vielen in der Partei gilt sie aber als zu blass, der Verband als wenig erfolgreich. (↪ Süddeutsche, 06.09.)

Blauzone

Der Bundestagsabgeordnete Uwe Kamann, der Ende 2018 wegen einer zunehmenden Radikalisierung aus der AfD und deren Fraktion ausgetreten ist, hat sich der Kleinpartei „Liberal-Konservativen Reformern“ (LKR) angeschlossen, die damit erstmals im Parlament vertreten ist. Er verbinde mit seiner neuen Partei ein „konservativ-wirtschaftsliberales Politikangebot“, sagte Kamann dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die LKR sei eine „nicht toxisch besetzte Alternative“ und könne als „Brandmauer“ nach rechtsaußen fungieren, ergänzte er gegenüber der Welt. Die LKR war 2015 zunächst unter dem Namen ALFA (Allianz für Fortschritt und Aufbruch) durch den geschassten AfD-Vorsitzenden Bernd Lucke gegründet worden. Ihm folgten rund 4.000 Mitglieder, darunter auch fünf der sieben damaligen AfD-Europaabgeordneten. Lucke ist heute einfaches Parteimitglied ohne Funktion. Der aktuelle LKR-Vorsitzende Jürgen Joost begrüßte Kamanns Beitritt. Ihm zufolge stehe man „in aussichtsreichen Gesprächen“, die dazu führen könnten, dass sich weitere Bundestags- und Landtagsabgeordnete anschließen. Bundesweit verfügt die Partei derzeit über rund 800 Mitglieder, überwiegend ohne AfD-Vergangenheit. Zur Bundestagswahl im kommenden Jahr sind Kandidaturen in allen Bundesländern vorgesehen. (↪ RND, 04.09., ↪ Welt, 04.09., ↪ FAZ, 04.09.)


Auf kommunaler Ebene kommt es weiterhin zu Kooperationen von CDU und AfD, obwohl das laut offiziellem Unionsbeschluss tabu sein sollte. Aktuelle Beispiele aus der Bezirksverordnetenversammlung Berlin-Reinickendorf nennt der Focus. Demnach wurde in dem Gremium ein Kopftuchverbot für Schülerinnen bis zur 6. Klassenstufe beschlossen. Der Antrag dafür kam von der AfD, die für eine Mehrheit nötigen Stimmen steuerte die CDU bei. Sie hat in den vergangenen Monaten in Reinickendorf sieben ihrer insgesamt 42 eigenen Anträge mit Hilfe von AfD-Stimmen durchgesetzt. Besonders bedenklich: Während Teile der Berliner AfD im eher „moderaten“ Meuthen-Lager stehen, gehört zur Reinickendorfer AfD auch Thorsten Weiß, der im Berliner Abgeordnetenhaus sitzt. Weiß gilt als Vertrauter des Flügel-Anführers Björn Höcke und als einer der Köpfe der verfassungsfeindlichen Parteiströmung in der Bundeshauptstadt. (↪ Focus, 04.09.)

Stimme & Haltung

Der aus Brandenburg stammende Frank Kliem, der im Oktober neuer Vorsitzender des Deutschen Feuerwehrverbandes (DFV) werden will, hat sich im Vorfeld der kommenden Verbandssitzung klar gegen die AfD positioniert. Das hatte bereits der vorherige Präsident Hartmut Ziebs getan und damit Streit ausgelöst, letztlich trat er zurück. Dessen Grundeinstellung teile er jedoch „absolut“, sagte Kliem. Es sei „erklärtes Ziel“ der AfD, die Feuerwehren und andere Institutionen zu unterwandern. Die Mitgliedsverbände müssten das Thema daher „mit besonderer Aufmerksamkeit betrachten“. Die Feuerwehr lebe „humanistische Werte, die sich im rechten Spektrum nicht finden lassen. Schon in den Jugendfeuerwehren vermitteln wir unsere Ideale einer bunten und vielfältigen Welt und zeigen im Deutschen Feuerwehrverband, der Deutschen Jugendfeuerwehr und in den Landesfeuerwehrverbänden ganz deutlich unsere Einstellung.“ Sollte Kliem gewählt werden, wäre er der erste ostdeutsche Feuerwehrpräsident. (↪ RND, 04.09.)

Hintergrund

Populistische Einstellungen in der deutschen Bevölkerung sind rückläufig. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Studie des Wissenschaftszentrums Berlin, die durch die Bertelsmann-Stiftung veröffentlicht wurde. Dem „Populismusbarometer“ zufolge gelten 20 Prozent aller Befragten als populistisch, bei einer früheren Erhebung vor knapp zwei Jahren waren es noch rund 33 Prozent gewesen. Ein knappes Drittel weist weiterhin teilweise populistische Einstellungen auf. Stark gewachsen ist der Anteil der durchweg „unpopulistischen“ Wahlberechtigten, von 31 auf nunmehr 47 Prozent. Ein Erklärungsansatz der Autor*innen: Andere Parteien haben den Versuch aufgegeben, der AfD nachzueifern, damit verlieren populistische Strategien insgesamt an Relevanz. Eine gegenläufige Radikalisierung ist im überwiegend rechtspopulistisch ausgerichteten Spektrum der AfD-Unterstützer*innen zu beobachten: Die Anhänger*innen der Partei weisen eine immer deutlichere „rechtsextreme“ Prägung auf. Solche Einstellungen sind dort bei 27 Prozent latent und bei 29 Prozent sogar manifest vorhanden. (↪ RND, 03.09., ↪ Zeit, 03.09., ↪ FAZ, 04.09., ↪ Welt, 04.09., ↪ Tagesspiegel, 06.09.)


Der Glaube an Verschwörungstheorien ist unter Anhänger*innen der AfD besonders stark ausgeprägt. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Studie, die durch die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung veröffentlich worden ist. Demnach halten in diesem Spektrum 56 Prozent der Befragten die Aussage für „sicher“ oder „wahrscheinlich richtig“, es gäbe „geheime Mächte, die die Welt steuern“. In der Gesamtbevölkerung liegt die Zustimmung dazu mit 30 Prozent weit niedriger. Bei der AfD ist zudem die Akzeptanz von belegtem Wissen besonders schwach ausgeprägt. So halten 29 Prozent die Annahme, dass der Klimawandel durch Menschen beeinfluss wird, für „sicher falsch“ oder „wahrscheinlich falsch“. Insgesamt meinen das nur acht Prozent. Zudem halten 21 Prozent der AfD-Anhänger*innen die Masernimpfung für „gefährlicher als die Krankheit selbst“. In der Gesamtbevölkerung meinen das nur 15 Prozent. Die nunmehr ausgewerteten Daten wurden zwischen Oktober 2019 und Februar 2020 erhoben, also noch vor der Pandemiezeit, in der Verschwörungsideologien augenscheinlich weiteren Auftrieb erhielten. (↪ RND, 06.09.)