Die Lausitz gilt als blaue Modellregion, in der die AfD besonders stark verankert ist. Auch in Hoyerswerda erzielte sie in den vergangenen Jahren überdurchschnittliche Ergebnisse. Doch in der ersten Runde der Oberbürgermeister*innenwahl landete Marco Gbureck am Sonntag nur auf dem dritten Platz. Damit dürfte der neueste Versuch der Partei geplatzt sein, erstmals ein Stadtoberhaupt zu stellen.
Beitrag vom 07.09.2020 │ Im Bild: Marco Gbureck (2. v.l.) unter Rechtsextremen, hier bei einer Parteiveranstaltung im Sommer 2019 mit AfD-Landeschef Jörg Urban, dem Indentitären-Anhänger Toni Schneider und dem Neonazi Andreas Kalbitz.
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Erfolgsserie abgebrochen
Mit einem unerwartet schlechten Ergebnis für den AfD-Kandidaten Marco Gbureck endete am Sonntag der erste Wahlgang der Oberbürgermeister*innenwahl in Hoyerswerda (Landkreis Bautzen). Der 43-Jährige erreichte nach dem vorläufigen Ergebnis 18,5 Prozent der Stimmen und landete damit auf dem dritten Platz – deutlich abgeschlagen hinter dem Spitzenreiter Torsten Ruban-Zeh (SPD) mit 31,8 Prozent und Dorit Baumeister, die für ein Wahlbündnis von Linken, Grünen und „Aktives Hoyerswerda“ antrat und 27,8 Prozent erhielt. Auf den weiteren Plätzen folgen Claudia Florian (CDU) mit 11,7 Prozent und Dirk Nasdala mit 10,2 Prozent, ein Kommunalpolitiker der Freien Wähler, der als Einzelbewerber antrat. Nicht auf die Wahlzettel schaffte es Engelbert Merz von der extrem rechten „Bürgerinitiative Sachsen“. Er war daran gescheitert, die erforderlichen 100 Unterstützungsunterschriften vorzuweisen. Insgesamt gab es rund 27.600 Wahlberechtigte, die Beteiligung lag bei knapp 53 Prozent.
Da keine der Kandidierenden die absolute Mehrheit erreichte, wird am 20. September ein zweiter Wahlgang folgen, bei dem eine einfache Mehrheit genügt. Ein Machtwechsel an der Stadtspitze deutet sich bereits an: Stefan Skora (CDU), der seit 2006 Oberbürgermeister ist, scheidet aus dem Amt, seine Parteifreundin Claudia Florian liegt in der Gunst der Wähler*innen jedoch weit zurück. Gbureck hat sich zu seinem Abschneiden bisher nicht geäußert, war bislang für Medienanfragen nicht zu erreichen. Es gilt jedoch als wahrscheinlich, dass er im Rennen bleiben will: „Im zweiten Wahlgang zählt es“, schreibt heute die AfD-Regionalgruppe Hoyerswerda, der er vorsteht, in einem knappen Statement. Schon vor dem Wahltermin wurde für einer Veranstaltung geworben, die an diesem Mittwoch in der Lausitzhalle stattfinden soll. Gbureck wird dafür unverändert als OBM-Kandidat angekündigt, zudem die Bundestagsabgeordneten Karsten Hilse und Alice Weidel. Hilse ist zugleich Vorsitzender des AfD-Kreisverbands. Er hatte sich persönlich dafür stark gemacht, dass Gbureck als offizieller Parteikandidat aufgestellt wird.
Auf Gbureck lasteten damit große Hoffnungen der Partei, sein Antritt galt als der aussichtsreichste Versuch der AfD, erstmals einen Oberbürgermeister zu stellen, nachdem das im vergangenen Jahr in Görlitz, gut 60 Kilometer entfernt, knapp misslungen war. Belastbare Prognosen gab es nicht, doch ein Kopf-an-Kopf-Rennen erschien denkbar, mit Gbureck in vorderer Position. Denn in der Region konnte die AfD bislang auf Spitzenwerte bauen: Zur Bundestagswahl 2017 lag sie mit 27,9 Prozent der Zweitstimmen in Führung, das Direktmandat errang Karsten Hilse. Zur Europawahl im vergangenen Jahr war die AfD im Stadtgebiet erneut Spitzenreiter (29,3 Prozent), ebenfalls zur Kreistagswahl (29,4 Prozent), bei der Gbureck ein Mandat erlangte. Bei der Stadtratswahl erhielt er mit mehr als 3.100 Einzelstimmen sogar das zweitbeste Ergebnis, erneut war seine Partei obenauf (26,4 Prozent), stellt seitdem mit acht von 30 Sitzen die stärkste Fraktion. Vorläufiger Höhepunkt war die Landtagswahl. Zwar lag die AfD mit 30,5 Prozent hinter der CDU. Das Direktmandat erhielt jedoch dank besserem Erststimmenergebnis die AfD-Kandidatin Doreen Schwietzer – obwohl sie vorher kaum bekannt war.
Gbureck will die Braunkohle behalten
An diese Erfolgsserie konnte Gbureck jedoch nicht anknüpfen, trotz nur minimal geringerer Wahlbeteiligung verlor er persönlich hunderte Stimmen. Nur in einem der 26 Wahlbezirke ging er in Führung (28,1 Prozent), in einem zweiten Bezirk teilt er sich den Spitzenplatz. Kommunalpolitisch ist er schon länger engagiert, saß bis 2018 für die CDU im Stadtrat, wechselte dann die Partei. Das kam nicht überraschend, schon Jahre zuvor hatte er sich nach rechtsaußen orientiert, nahm frühzeitig an Pegida-Versammlungen teil. Im Wahlkampf der vergangenen Wochen zeigte er sich dann auffällig häufig gemeinsam mit Toni Schneider, der ebenfalls für die AfD im Stadtrat sitzt und außerdem der verfassungsfeindlichen Identitären Bewegung nahesteht.
Gbureck und Schneider waren zu Beginn der Pandemiezeit mit einer umstrittenen Aktion aufgefallen, als sie mit einigen Parteifreunden vor das Lausitzer Seenlandklinikum zogen. Dort wurde im Foyerbereich ein Blumenstrauß für das Personal übergeben, gegen das ausdrückliche Anraten der Klinik, zum Schutz vor Infektionen unnötige Besuche zu vermeiden. Der Chefarzt konterte damals mit einem Schreiben, in dem er der AfD vorwarf, „sich selbst, unsere Patienten und unsere Mitarbeiter unnötig in Gefahr“ gebracht zu haben. Kurios: Der Stadtrat wählte Gbureck wenig später in den Aufsichtsrat des Klinikums. Der Vor-Ort-Auftritt samt Fototermin galt als ein eher unbeholfener Versuch, sich ins Gespräch zu bringen.
In seinem Wahlkampf warb Gbureck mit Slogans wie „Besser Hoy-te als morgen!“ und „Ein Weiter so wird es mit mir nicht geben“. Tatsächlich ist er aber der einzige Bewerber, der am Braunkohleabbau in der Region festhalten will. Eine zentrale Forderung seines Wahlprogramms ist zudem die Idee, für die Stadt eine Smartphone-App zu entwickeln. Als probate Antwort auf die Probleme der Region, in der sich ein tiefgreifender Strukturwandel vollzieht, ist das offenbar nicht verstanden worden. Seit der Wende verlor Hoyerswerda zwei Drittel der einstigen Bevölkerung, vor allem junge Menschen zogen weg, das Durchschnittsalter stieg dadurch um ein Vierteljahrhundert an. Gbureck, der aus der Stadt stammt, ist geblieben und war nun der jüngste Kandidat. Er ist ausgebildeter Bäcker und Orthopädietechniker, leitete einige Jahre ein Sanitätshaus. Heute arbeitet er als freiberuflicher Immobilienmanager und lebt von Einnahmen aus der Vermietung von Wohnungen.