Presseschau, 47. Kalenderwoche 2020

Strafe für illegale Parteispenden, Verfahren gegen Kumpf, Protestaktionen in Sachsen, LKA lädt angegriffenen Journalisten vor, Pasemann weiter Fraktionsmitglied, Ghostwriter Beckamp, Probleme mit Parteitagen, Maskenpflicht im Bundestag bleibt, Höcke wiedergewählt, Volksverhetzung in Salzgitter, Funktionär nutzt SA-Parole, Ahrends zu LKR übergelaufen, CDU und AfD gegen Rundfunkbeitrag, rechte Jurist*innen, Evangelikale. Das war diese Woche wichtig:


In der Presseschau informiert idas jeden Sonntag über lesenswerte Medienberichte und Recherchen rund um die AfD, die im Laufe der Woche erschienen sind.


Top Stories

Ihre illegalen Parteispenden kommen die AfD teuer zu stehen. In drei Fällen verlangt die Bundestagsverwaltung nun die Zahlung von mehr als einer halben Million Euro, wie in dieser Woche bekannt geworden ist. Ein Sanktionsbescheid über allein 396.016,56 Euro betrifft mit Alice Weidel die aktuelle Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion. Zu ihren Gunsten war im Bundestagswahlkampf 2017 Geld aus der Schweiz an ihren Kreisverband am Bodensee geflossen. Die Partei hatte danach versucht, die tatsächliche Herkunft der Mittel zu verschleiern. Die Bundestagsverwaltung geht – wie Medienrecherchen bereits nahelegten – davon aus, dass es sich bei dem Spender um den Duisburger Immobilienmilliardär Henning Conle handelte. Der AfD-Bundesvorstand will am Montag beraten, ob gegen die nunmehr fällige Strafzahlung geklagt werden soll. Unverändert ermittelt die Staatsanwaltschaft Konstanz gegen Weidel.

In einem zweiten Fall geht es um die Ausrichtung des Kongresses „Europäische Visionen – Visionen für Europa“ im Februar 2016, organisiert durch Marcus Pretzell, den damaligen NRW-Landesvorsitzenden, der nicht mehr der AfD angehört. Teile der Veranstaltungskosten waren wiederum aus der Schweiz finanziert worden. Laut Strafbescheid werden dafür 108.412 Euro fällig. Weitere 72.363 Euro kostet es die Partei, in den Jahren 2017 und 2018 in Wahlkämpfen in Bayern und Hessen die Werbezeitung „Deutschland-Kurier“ verteilt zu haben, die der „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten“ bereitgestellt hatte. Eine Zusammenarbeit mit dem Verein wurde durch die AfD lange bestritten, die geldwerte Unterstützung nicht in Rechenschaftsberichten verbucht. (↪ Tagesschau, 19.11., ↪ SZ, 19.11., ↪ Spiegel, 19.11., ↪ Tagesschau, 20.11., ↪ Spiegel, 20.11.)

AfD in Sachsen

Gegen den AfD-Landtagsabgeordneten Mario Kumpf ermittelt die Staatsanwaltschaft Görlitz wegen des Verdachts des Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Kumpf hatte im Juli eine Kundgebung in Löbau (Landkreis Görlitz) geleitet, Anlass war eine Körperverletzung unter Schülern, der mutmaßliche Täter war türkischer Herkunft. Vorwurf nun: Kumpf sei seiner Pflicht nicht nachgekommen, Auflagen durchzusetzen, insbesondere das Abstandsgebot. Das hatte das Ordnungsamts des Landkreises bereits kurz danach beanstandet. Der Abgeordnete bestreitet den Vorwurf und stört sich daran, dass angeblich „willkürlich eine Strafanzeige gestellt“ worden sei. Das Ermittlungsverfahren wird nicht vor Beginn des nächsten Jahres abgeschlossen sein. Der Landtag wurde bereits informiert, eine formelle Aufhebung der parlamentarischen Immunität erfolgte bisher nicht. (↪ Sächsische, 16.11.)


Gegen die Eindämmung der Corona-Pandemie hat die mittelsächsische AfD am Samstag der Vorwoche in Döbeln demonstriert. Die Versammlung im Wohngebiet Döbeln-Ost war Teil einer Kundgebungstour unter dem Motto „Grundrechte und Freiheit verteidigen“. Zuvor hatten ähnliche Treffen in Mittweida, Flöha und Freiberg stattgefunden. Jeweils beteiligt waren die Landtagsabgeordneten Rolf Weigand, Romy Penz, Lars Kuppi sowie die Bundestagskandidatin Carolin Bachmann. Der Zuspruch bei der jüngsten Station hielt sich in Grenzen, es waren „anfangs nicht mehr als 25“ Teilnehmende, notierte die Sächsische Zeitung. (↪ Sächsische, 16.11.)


In Großenhain (Landkreis Meißen) hat die AfD in dieser Woche mehrere Protestaktionen gegen die Eindämmung der Corona-Pandemie abgehalten. Am Montag- und Dienstagabend fanden „stille Proteste“ auf dem Hauptmarkt statt, nachträglich bekannte sich die örtliche AfD-Stadtratsfraktion dazu. Anmeldungen für diese beiden Versammlungen lagen nicht vor, die Polizei griff jedoch nicht ein. Ebenfalls unangemeldet demonstrierten Mitglieder und Sympathisant*innen der Partei am Dienstag mit Plakaten an einer Straßenkreuzung. Nach Angaben des AfD-Landtagsabgeordneten Mario Beger habe es sich um eine „spontan organisierte Aktion“ gehandelt – was ein Widerspruch in sich ist. Vorab genehmigt wurde indes eine vierte Aktion: Am Freitag protestierte die Partei an drei Stellen entlang der Bundesstraße 101, dabei wurden auch AfD-Transparente vorgezeigt. (↪ Sächsische, 20.11.)


Ein Fotojournalist, der im Juli am Rande einer AfD-Veranstaltung im vogtländischen Plauen durch Parteimitglieder „festgenommen“ wurde und durch die Polizei befreit werden musste, ist durch das Landeskriminalamt Sachsen vorgeladen worden – als Beschuldigter. Ihm werden nach Angaben der Freien Presse Körperverletzung, Sachbeschädigung und Verstoß gegen das Urhebergesetz vorgeworfen. Mutmaßlich basieren die Vorwürfe auf Gegenanzeigen aus den Reihen der AfD. Unverändert wird gegen fünf Mitglieder ermittelt, die sich an dem 28-Jährigen vergriffen hatten, wie Videoaufnahmen belegen. Zudem sind bei der Staatsanwaltschaft Zwickau Vorermittlungen gegen den damals anwesenden AfD-Landtagsabgeordneten Frank Schaufel wegen unterlassener Hilfeleistung anhängig. Eine Aufhebung der parlamentarischen Immunität wurde bislang nicht beantragt. (↪ FP, 20.11.)


Die AfD im Erzgebirgskreis hat die Nominierung von Thomas Dietz als Direktkandidat für die kommende Bundestagswahl bestätigt. Bei einem Kreisparteitag setzte er sich mit 72 Prozent der Stimmen gegen Manfred Körner durch. Dietz war kürzlich schon einmal als Kandidat aufgestellt worden, die Wahl musste nun aber wegen formaler Mängel wiederholt werden. Er ist Mitarbeiter im Lugauer Wahlkreisbüro des AfD-Bundestagsabgeordneten Ulrich Oehme. (↪ FP, 21.11.)


In Leipzig haben sich am Samstag erneut bekannte Mitglieder und Mandatsträger*innen der AfD an „Querdenken“-Protesten beteiligt, darunter der sächsische Bundestagsabgeordnete Jens Maier und das sachsen-anhaltische Landtagsmitglied Hans-Thomas Tillschneider, der auch Mitglied des dortigen Landesvorstands ist. (↪ Kreuzer, 22.11.)

AfD rundherum

Der aus der AfD ausgeschlossene Abgeordnete Frank Pasemann ist offenbar unverändert Mitglied der Bundestagsfraktion. Laut Satzung scheidet aus der Fraktion aus, wer sein Parteibuch verliert. Doch das ist im vorliegenden Fall bislang nicht geschehen. Zur Begründung wird nach Informationen des Tagesspiegel angeführt, dass der Ausschluss „nicht unbedingt endgültig“ sei. Am Samstag der Vorwoche hatte das Bundesschiedsgericht der AfD entschieden, dass Pasemann, ein bekannter Anhänger des verfassungsfeindlichen Flügels, kein Mitglied mehr ist. Der Beschluss ist unanfechtbar, der 60-Jährige könnte allenfalls vor ein staatliches Zivilgericht ziehen. Über „breite Rückendeckung“ verfügt er nach Recherchen der Mitteldeutschen Zeitung in seinem Landesverband Sachsen-Anhalt. Dort war er im Oktober für den Wahlkreis Magdeburg als Direktkandidat für die Bundestagswahl aufgestellt worden, obwohl das Landesschiedsgericht bereits gegen ihn entschieden hatte. Nach Angaben von Landesgeschäftsführer Matthias Kleiser ändere sich an der Nominierung nichts, Pasemann könne sich „auch für die Landesliste bewerben“. Den Ausschluss bezeichnete Oliver Kirchner, AfD-Fraktionsvorsitzender im Landtag von Sachsen-Anhalt, als „zu hart“. Der Bundesvorstand um Jörg Meuthen will sich zu dem Fall „zurzeit“ nicht äußern. (↪ SZ, 15.11., ↪ Tagesspiegel, 16.11., ↪ MZ, 17.11.)


Die Hamburger AfD hat bei einem Landesparteitag am Sonntag der Vorwoche den Parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion Bernd Baumann zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl 2021 gewählt. Gut 100 Mitglieder trafen sich für die Nominierung in der Berufsbildenden Schule für Medien und Kommunikation in Dulsberg. Auf den weiteren Plätzen folgen Olga Petersen, Nicole Jordan, Dietmar Wagner und Benjamin Mennerich. Am Rand der Veranstaltung kam es zu einem schweren Zwischenfall: Ein Mann, der den Parteitag verlassen hatte, fuhr mit seinem Auto durch eine Gruppe von Gegendemonstrant*innen. Dabei wurden mindestens zwei Personen verletzt und mussten durch den Rettungsdienst behandelt werden. Der Täter konnte seine Fahrt zunächst fortsetzen. Bei ihm soll es sich um einen Sicherheitsmitarbeiter der Partei handeln. Die Polizei ermittelt gegen ihn wegen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr. (↪ NDR, 15.11., ↪ News-Photo, 15.11., ↪ TAZ, 17.11.)


Der Landesparteitag der bayrischen AfD, der an diesem Samstag im mittelfränkischen Greding stattfinden sollte, ist ausgefallen. Kurzfristig wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof eine Beschwerde der Partei zurück, sprach damit ein Verbot aus und bestätigte ein Urteil der Vorinstanz: Nach Ansicht des Verwaltungsgerichts Ansbach ist das Infektionsrisiko auch bei Einhaltung obligatorischer Hygienemaßnahmen zu hoch. Im September hatte das Landratsamt Roth die Präsenzveranstaltung für bis zu 750 Teilnehmende noch unter Vorbehalt genehmigt, inzwischen gelten aber strengere Bestimmungen, Anfang der Woche wurde die Durchführung behördlich untersagt. Nach Angaben des Landratsamts könne derzeit generell keine Ausnahmegenehmigung erteilt werden, jeder Partei stehe es aber frei, Online-Formate, Briefwahlen oder dezentrale Urnenwahlen zu nutzen. Die AfD lehnt das ab und beruft sich auf die die Satzung des bayrischen Landesverbands, die Mitgliederparteitage vorschreibt. Vorgesehen war die Aufstellung der Landesliste zur Bundestagswahl im kommenden Jahr. (↪ Sächsische, 16.11., ↪ nordbayern.de, 16.11., ↪ SZ, 18.11., ↪ BR, 19.11., ↪ BR, 20.11.)


Oliver Kirchner, Vorsitzender der AfD-Fraktion im sachsen-anhaltischen Landtag, will Spitzenkandidat seiner Partei für die Landtagswahl im kommenden Jahr werden. Am Mittwoch erklärte der 54-Jährige, dass zehn der 14 Kreisverbände ihn gebeten hätten, anzutreten. Dem wolle er nachkommen, von anderen Interessent*innen wisse er nichts. Die Landesliste soll bei einem Parteitag am 19. und 20. Dezember in Magdeburg aufgestellt werden, bei der gleichen Gelegenheit auch die Kandidierenden zur Bundestagswahl. Kirchner gilt als Anhänger des verfassungsfeindlichen Flügels. Darauf angesprochen sagte er der Mitteldeutschen Zeitung: „Ob der Verfassungsschutz jemanden als rechtsextrem einschätzt, ist mir egal.“ (↪ MZ, 17.11.)


Seit Dienstag verhandelt das sachsen-anhaltische Landesverfassungsgericht in Dessau-Roßlau über eine Organklage der AfD-Fraktion gegen den dortigen Landtag. Die Fraktion geht gegen einen Parlamentsbeschluss vom Juni 2019 vor, mit dem die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum Thema „Linksextremismus“ abgelehnt wurde. Nach AfD-Ansicht war das rechtswidrig, weil man – inklusive André Poggenburg – genügend Stimmen beisammen hatte, um von einem speziellen Minderheitenrecht Gebrauch zu machen. Die anderen Fraktionen spielten aber nicht mit, warfen der rechten Fraktion vielmehr vor, ihre Rechte zu missbrauchen, um „mutmaßliche politische Gegner der AfD innerhalb der Zivilgesellschaft auszuspähen“, wie es in einer Stellungnahme heißt. Statt konkrete Missstände aufzuklären, mit denen sich ein Untersuchungsausschuss üblicherweise befasst, wolle die AfD „ins Blaue hinein“ Informationen sammeln. Vor Gericht wird sie durch den Staatsrechtler Karl Albrecht Schachtschneider vertreten. Mit einer Entscheidung wird am 8. Dezember gerechnet. (↪ Volksstimme, 17.11., ↪ MZ, 17.11., ↪ MDR, 17.11.)


Die AfD in Schleswig-Holstein hat ihren zweitätigen Parteitag abgesagt, der gestern und am heutigen Sonntag in Neumünster stattfinden sollte. Ursprünglich wollte die Landespartei eine neue Landesspitze wählen sowie Kandidierende für die Bundestagswahl im kommenden Jahr aufstellen. Nach aktueller Rechtslage in dem Bundesland wäre der erste Teil nur mit höchstens 100 Teilnehmenden möglich gewesen, der zweite Teil unbeschränkt. Gegen die Begrenzung zog die AfD in einem Eilverfahren erfolglos vor das Verwaltungsgericht Schleswig. Daraufhin sagte sie auch das Sonntagsprogramm aufgrund der „unverhältnismäßig hohen Kosten“ ab. Einen Nachholtermin gibt es noch nicht. (↪ KN, 17.11., ↪ LN, 17.11., ↪ NDR, 17.11.)


Vor dem Hessischen Staatsgerichtshof hat am Mittwoch die mündliche Verhandlung über eine Wahlprüfungsbeschwerde der dortigen AfD-Landtagsfraktion begonnen. Sie will auf Grundlage eigener Berechnungen erreichen, dass das hessische Landesparlament aus 138 Abgeordneten bestehen muss, nicht wie aktuell aus 137. Dadurch würde die AfD ein zusätzliches Mandat erhalten, die Koalition von CDU und Grünen hingegen ihre Ein-Stimmen-Mehrheit – das entspricht hessenweit rund 1.000 Stimmen – verlieren. Die AfD wird vor Gericht durch Michael Elicker vertreten, der für die sächsische AfD-Landtagsfraktion arbeitet. Ein Urteil wird für den 11. Januar erwartet. (↪ FR, 18.11., ↪ FAZ, 18.11.)


Der nordrhein-westfälische AfD-Landtagsabgeordnete Roger Beckamp war als Ghostwriter für die ehemalige rechte Youtuberin „Lisa Licentia“ tätig. Nach Recherchen des Kölner Stadt-Anzeigers sandte der Parlamentarier im Mai vergangenen Jahres ein Manuskript an die Frau. Sie übernahm daraufhin die Vorschläge, die Beckamp über seine dienstliche Landtags-Mailadresse übermittelt und als „mögliche Orientierung“ bezeichnet hat, fast wortgleich in einem ihrer Videos – ohne den Urheber zu nennen oder die AfD-Verbindung offenzulegen. Beckamp soll zudem Unterstützung seiner Landtagsfraktion beim Schnitt des Videos angeboten haben, das als Antwort auf das seinerzeit populäre Rezo-Video „Die Zerstörung der CDU“ gedacht war. Auf Nachfrage der Zeitung bestritt der Abgeordnete, gewusst zu haben, dass die Youtuberin seinerzeit mit der verfassungsfeindlichen „Identitären Bewegung“ zusammenarbeitete, gegen die ein Unvereinbarkeitsbeschluss der Partei besteht. (↪ KStA, 18.11., S. 1)


Im Vorfeld des AfD-Bundesparteitags am kommenden Wochenende im nordrhein-westfälischen Kalkar klagt die Partei gegen die Auflage, wonach alle der rund 600 Delegierten auch an ihrem Sitzplatz einen Mund-Nasen-Schutz tragen müssen. Am Mittwoch ist ein entsprechender Eilantrag beim Oberverwaltungsgericht Münster eingegangen. Zugrunde liegt eine 58-seitige Klageschrift, ausgearbeitet durch die Anwaltskanzlei Gero Höcker. Die Maskenpflicht greife demnach zu tief in die „ureigensten Selbstbestimmungsregelungen zur Organisation und Gestaltung einer Partei ein“, heißt es nach Angaben des Spiegel. Verstöße zögen einen Ausschluss nach sich, Delegierten würden damit ihrer Mitgliedsrechte beraubt. Mit einer Entscheidung wird in den kommenden Tagen gerechnet. Zuvor hatte das Ordnungsamt der Stadt Kalkar die Durchführung prinzipiell gestattet und sich damit einer Einschätzung des NRW-Gesundheitsministeriums angeschlossen. Demnach fallen Parteitage unter eine Sonderregelung der in dem Bundesland geltenden Corona-Schutzverordnung. Aus dieser Vorschrift leitet die Stadt die durchgehende Maskenpflicht ab, die auch bei Einhaltung der Mindestabstände gilt. Auf die ursprünglich geplante Anreise von rund 100 Gästen verzichtet die Partei freiwillig. Über die Delegierten hinaus ist aber Platz für weitere 170 Personen vorgesehen, darunter „Organisationsmitarbeiter“ sowie Journalist*innen. (↪ RP, 18.11., ↪ n-tv, 19.11.)


Gegen den niedersächsischen AfD-Kreisverband Salzgitter ermittelt die Polizei wegen des Verdachts der Volksverhetzung. Auf einem Telegram-Kanal des Verbandes war eine Fotomontage verbreitet worden, darauf zu sehen: Das Eingangstor eines Konzentrationslagers, versehen mit dem Spruch „Impfung macht frei“. Der vielfach durch Corona-Leugner*innen geteilte Beitrag wurde inzwischen gelöscht. Nach Angaben des Verbandes verstand man das Bild als „mahnendes Zeichen gegen die zunehmenden Freiheitsbeschränkungen“. (↪ SZ, 19.11.)


Die Vorbereitung mehrerer Landesparteitage sorgt für Chaos in der baden-württembergischen AfD. Zunächst war ein Treffen am 12. und 13. Dezember in der Stuttgarter Messe vorgesehen, um die Landesliste für die Bundestagswahl 2021 aufzustellen. Wegen Formfehlern wird das nicht möglich sein: Einladungen, die per E-Mail versandt wurden, erreichten aufgrund „technischer Probleme“ nicht alle Mitglieder fristgerecht. Daraufhin wurde der Termin ganz gestrichen, er soll erst im Februar nachgeholt werden. Noch offen ist, ob ein zweiter Parteitag stattfinden kann, der nach ursprünglicher Planung am 5. und 6. Dezember in der EWS-Arena in Göppingen stattfinden sollte. Bei dem sogenannten Programmparteitag soll das Wahlprogramm für die kommende Landtagswahl verabschiedet werden. Doch aufgrund aktueller Corona-Auflagen wurde die Durchführung am Wunschort nicht gestattet. Dagegen zog die Landespartei vor das Verwaltungsgericht Stuttgart. Dort wurde entschieden, dass noch in diesem Jahr ein Parteitag mit bis zu 1.200 Teilnehmenden stattfinden darf, allerdings in einem Zelt auf der Theresienwiese in Heilbronn. Ein Datum steht noch nicht fest. Ursprünglich hatte die AfD erwogen, ihren Programmparteitag als Online-Format durchzuführen. Davon nahm man wieder Abstand: Nach Angaben des Verbandes wäre eine Software-Lösung ähnlich teuer geworden wie ein Präsenztreffen. (↪ Schwäbische, 18.11., ↪ StZ, 18.11., ↪ StZ, 19.11., ↪ SWR, 20.11.)


Das Verwaltungsgericht Berlin hat eine Beschwerde von neun Mitarbeiter*innen der AfD-Bundestagsfraktion gegen die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung in Parlamentsgebäuden zurückgewiesen. Der am Donnerstag getroffenen Eilentscheidung zufolge ist nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage die Anordnung, die Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) Anfang Oktober in Ausübung seines Hausrechts getroffen hatte, nicht zu beanstanden. Die Maskenpflicht ist laut Gericht vielmehr eine verhältnismäßige Maßnahme. Einspruch zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ist möglich. Parallel sind mehrere AfD-Abgeordnete vor das Bundesverfassungsgericht gezogen. Sie streben dort ein sogenanntes Hauptsacheverfahren an, das langwieriger ist. (↪ Spiegel, 20.11., ↪ RND, 20.11., ↪ RBB, 20.11.)


Bei einem Landesparteitag in Pfiffelbach (Kreis Weimarer Land) ist der amtsbekannte Rechtsextremist Björn Höcke am Samstag mit 83,6 Prozent der Stimmen erneut zum Vorsitzenden der thüringischen AfD gewählt worden. Auch Stefan Möller, gleichberechtigter zweiter Landesprecher, wurde mit 86 Prozent in seinem Amt bestätigt. Mit Norbert Nolze gab es einen Gegenkandidaten für Höcke, der die eigene Kandidatur aber nicht ernst nahm („Ihr müsst mich nicht unbedingt wählen“). Zu Stellvertreter*innen wurden Möllers persönliche Referentin Birgit Noll und der Landtagsabgeordnete Torben Braga gewählt. An dem Treffen, das als Mitgliederparteitag stattfand, nahmen 230 der insgesamt rund 1.300 thüringischen AfD-Mitglieder teil. Journalist*innen waren unter Verweis auf den Infektionsschutz nicht zugelassen, ihnen stand ein Livestream zur Verfügung. Während der Finanzberichte wurde er unterbrochen. (↪ RND, 20.11., ↪ MDR, 21.11., ↪ RND, 21.11.)


Der stellvertretende sachsen-anhaltische AfD-Landesvorsitzende Kay-Uwe Ziegler hat in einer Rede eine verbotene nationalsozialistische Parole genutzt. Ausgerechnet am 9. November schloss er eine Ansprache am Grenzdenkmal Hötensleben (Landkreis Börde), wohin die Landesvorstände der AfD Niedersachsens und Sachsen-Anhalts für eine Gedenkveranstaltung eingeladen hatten, mit dem SA-Wahlspruch „Alles für Deutschland“ ab. Offenbar aufgrund einer öffentlich zugänglichen Videoaufzeichnung, die inzwischen gelöscht wurde, ist Strafanzeige gegen Ziegler erstattet worden. Das bestätigte die Polizeiinspektion Magdeburg dem Spiegel. Ziegler bestreitet, den „historischen Hintergrund“ der Parole gekannt zu haben. Für die Strafbarkeit ist das nicht unbedingt ausschlaggebend. Der AfD-Mann ist Direktkandidat für die Bundestagswahl im Wahlkreis Anhalt. (↪ Spiegel, 21.11.)


Die rheinland-pfälzische AfD hat am Samstag bei einem Parteitag auf dem Messegelände in Idar-Oberstein ihre Landesliste zur Bundestagswahl im kommenden Jahr aufgestellt. Auf die ersten drei Plätze wurden durch die rund 330 anwesenden Mitglieder Sebastian Münzenmaier, Nicole Höchst und Andreas Bleck gewählt. Ursprünglich sollte das Treffen an diesem Sonntag fortgesetzt werden. Die Mitglieder entschieden sich jedoch kurzfristig dagegen. Die Landesliste umfasst dadurch nur zehn statt 15 Plätze. (↪ SWR, 21.11.)

Blauzone

Wie angekündigt ist Jens Ahrends, der zuvor der inzwischen aufgelösten AfD-Fraktion im Landtag von Niedersachsen angehört hatte, den Liberal-Konservativen Reformern (LKR) beigetreten. Die Kleinpartei, gegründet durch den einstigen AfD-Vorsitzenden Bernd Lucke, ist damit erstmals in einem Landesparlament vertreten. Auch im Bundestag ist die Partei präsent, die sich als moderate Alternative anbietet: Nach Uwe Kamann ist kürzlich Mario Mieruch beigetreten, der sich ebenfalls von der AfD losgesagt hatte. (↪ RND, 17.11.)


Die sachsen-anhaltische CDU-Landtagsfraktion hat ihre Ankündigung erneuert, gegen die Erhöhung des Rundfunkbeitrags auf monatlich 18,36 Euro pro Haushalt zu stimmen. Mitte Dezember findet die entscheidende Abstimmung statt. Bei einem Veto im Magdeburger Parlament würde die Erhöhung, die ab 1. Januar 2021 gelten sollte, bundesweit ausfallen. Bemerkenswert: CDU-Ministerpräsident Reiner Haseloff hat den entscheidenden Staatsvertrag bereits unterschrieben. Doch die ausstehende Zustimmung im Parlament will die CDU-Fraktion verweigern und damit von der Unions-Linie in allen anderen Bundesländern abweichen. Sie muss sich zur Durchsetzung ihrer Position jenseits der Koalitionspartnerinnen von SPD und Grünen dann auf die AfD stützen. Deren Fraktionen wenden sich generell gegen die Gebührenerhöhung, die erste seit zwölf Jahren. Es geht um einen Zusatzbetrag von 86 Cent. Ohne ihn entsteht den öffentlich-rechtlichen Sendern eine Finanzierungslücke von 1,5 Milliarden Euro. In der Bundes-CDU verfolgt man die Vorgänge derzeit genau, dort setzt man offiziell auf eine strikte Abgrenzung gegenüber der AfD. (↪ TAZ, 15.11., ↪ n-tv, 18.11., ↪ Spiegel, 22.11.)

Hintergrund

In den Reihen der AfD finden sich auffällig viele Jurist*innen im Staatsdienst. „Bekannt geworden sind bisher zehn AfD-affine Richter und Staatsanwälte“, schreibt die Welt. „Fünf von ihnen sind durch soziale Medien, Wahlkampfvideos und -auftritte oder eine rechtslastige Amtsführung negativ aufgefallen. Unter anderem durch Milde gegen rechte Gesinnungsgenossen und Schärfe gegen linke Gegner.“ Mit Sanktionen tun sich die Dienstherrn schwer, wie der Fall der Meißner Amtsrichterin Gritt Kutscher zeigt, die der Partei nahesteht. In zwei zurückliegenden Disziplinarverfahren wurden wegen Hetzbeiträgen auf ihrer Facebookseite und damit verbundenen Verletzungen des Mäßigungsgebots sogenannte Verweise ausgesprochen, die mildeste Sanktion. Derzeit ist ein drittes Verfahren anhängig. Der zuständige Dresdner Landgerichtspräsident Martin Uebele strebt nun gemeinsam mit dem sächsischen Justizministerium eine schärfere Sanktion an. (↪ Welt, 19.11.)


„Zusammenstehen ist jetzt erste Bürgerpflicht“, sagte Alexander Gauland noch im März. Seine Partei stimmte damals den Versuchen, die Pandemie einzudämmen, ausdrücklich zu. Heute bietet die AfD das Kontrastprogramm zu sich selbst. Was irritierend klingt, ist bei näherem Hinsehen konsequent, meint der Politikwissenschaftler Michael Lühmann: Die Partei sei offenbar bereit, „sich jedem Protest anzuschließen, der das demokratische System an sich“ infrage stellt. (↪ n-tv, 20.11.)


Schon in ihrer Anfangszeit suchte die AfD die Nähe zu evangelikalen Gemeinden und deren Anhänger*innen aus den deutschen „Bible Belts“, vor allem im Erzgebirge und dem Stuttgarter Umland. Der Einfluss dieser klerikalen Kreise wird derzeit besonders deutlich – bei den Protesten gegen die Eindämmung der Corona-Pandemie und der dort gepflegten „Kreuzzugsmentalität“. (↪ Spiegel, 18.11., ↪ Dlf, 20.11., ↪ Tagesspiegel, 21.11.)