In der vergangenen Woche sind AfD-Mitglieder gewaltsam gegen einen Journalisten vorgegangen. Videoaufnahmen dokumentieren das Geschehen und belegen, dass mehrere Mandatsträger der Partei beteiligt waren. Auch der Landtagsabgeordnete Frank Schaufel war am Tatort, pöbelte mit – und ging nicht dazwischen. Jetzt wird ermittelt.
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Bedrängen einen Journalisten: Frank Schaufel, Stephan Schulze, Werner Schaller, Steffen Arlt (v.l.) sowie verdeckt im Hintergrund Silvio Häberer.
„Festnahme“ durch die AfD
Bei einer offiziellen AfD-Veranstaltung in Plauen (Vogtlandkreis) haben Anhänger*innen der Partei in der vergangenen Woche einen Journalisten angegriffen, festgehalten und verletzt. Der Vorfall ereignete sich am Donnerstag in der Ausflugsgaststätte „Zum Lochbauer“. Dort sollte am frühen Abend der rechtsextreme Europaabgeordnete Maximilian Krah zur Corona-Pandemie vortragen. Gastgeber war der sächsische Landtagsabgeordnete Frank Schaufel. Der 63-Jährige hat seinen Wahlkreis in der Region.
Rund 30 Gäste folgten der öffentlich verbreiteten Einladung, auch Medien sollten demnach ausdrücklich willkommen sein. Doch der einzige Journalist vor Ort war es nicht: Videoaufnahmen zeigen, wie der junge Mann am Arbeiten gehindert, wiederholt beleidigt („ganz krank“, „Dreckbein“), mit Gewalt bedroht („Sonst drücke ich dir eine ins Gesicht!“), zu Boden gerungen, unter Zwang fixiert und weiter gegen seinen Willen festgehalten wird. Einer der Beteiligten erklärte, es handle sich um eine „Festnahme“, so ist es im Video zu hören. Bei der Aktion wurde der Betroffene am Arm verletzt.
Die herbeigerufene Polizei aus dem Plauener Revier ging schließlich dazwischen, befreite den Journalisten und nahm mehrere Strafanzeigen auf. Inzwischen wurden Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der gefährlichen Körperverletzung und der Nötigung eingeleitet. Sie richten sich gegen vier Männer und eine Frau im Alter von 48 bis 65 Jahren. Alle Verdächtigen gehören Polizeiangaben zufolge der AfD an. Und nicht nur das: Offenbar waren auch mehrere Mandatsträger der Partei unmittelbar beteiligt.
Akteure aus Stadtrat und Kreistag
Eine Auswertung der bislang auszugsweise veröffentlichten Videoaufnahmen bestätigt, wovon auch die Polizei ausgeht: Dem Journalisten ist kein Vorwurf zu machen. Er befand sich auf öffentlichem Grund, außerhalb des „Lochbauer“-Areals, das durch ein Geländer abgegrenzt ist. Der Betreiber des Lokals, der auch selbst vor Ort war, heißt Marcel Poser und steht der AfD zumindest sehr nahe. So warb er 2017 offen für die Partei, und zwar auf Speisekarten seines Restaurants. Auf der zugehörigen Facebookseite bezeichnete der Rassist später eine Krankenkasse, mit der er im Clinch lag, als „flüchtlingsverseucht“.
Vor Posers Gaststätte, so beginnt das Video, bauen sich einige Männer auf und versuchen, den Journalisten zurückzudrängen. Gut zu erkennen und eindeutig zu identifizieren sind bereits in dieser Szene der Landtagsabgeordnete Frank Schaufel, sein Büroleiter und AfD-Kreistagschef Steffen Arlt, das Kreistagsmitglied Werner Schaller und das Plauener Stadtratsmitglied Stephan Schulze. Ebenfalls klar zu erkennen ist Silvio Häberer, ein altbekanntes AfD-Gesicht. Sein Name stand im vergangenen Jahr auf der Wahlliste der nationalsozialistischen Abspaltung „Aufbruch deutscher Patrioten“ um André Poggenburg, wurde dort aber wieder gestrichen. Im Verlauf der Aufnahmen sind ungefähr ein Dutzend Personen zu sehen. Aktiv in Erscheinung treten aber vor allem diejenigen, die von Anbeginn involviert sind.
So greift Schaller dem Journalisten mehrfach in die Linse und schlägt gegen das Kameraobjektiv. Arlt – ein ehemaliger DDR-Volkspolizist – will verbieten, weitere Aufnahmen anzufertigen, und verlangt die Löschung des bereits gespeicherten Materials. Schulze wird kurz darauf handgreiflich. Der Betroffene wird in dieser Situation zu Boden gerungen, danach die Kamera weggeschleudert. Arlt setzt dem Journalisten wenig später nach, geht ihn erneut an und fordert ihn auf, einen Presseausweis vorzuzeigen. Augenscheinlich wird ihm dann ein Dokument entrissen. Fast durchgängig zu sehen und damit Zeuge der mutmaßlichen Straftaten seiner Parteifreunde ist der Landtagsabgeordnete Schaufel. Nach Angaben der Polizei wird gegen ihn bislang nicht ermittelt.
Partei verteidigt das Vorgehen
Mäßigend eingegriffen hatte Schaufel allerdings auch nicht. Gegenüber der Freien Presse sprach er von „Störaktivitäten“ und verteidigte das Vorgehen. Man habe „höflich versucht“, den Journalisten „vom Fotografieren abzubringen“. Da er dem nicht Folge geleistet habe, sei er „festgesetzt“ worden – angeblich im Rahmen des Hausrechts, meint Schaufel, der kein Jurist, sondern Augenoptiker ist.
In einem Onlinekommentar unter einem Artikel der Freien Presse meldete sich auch die vogtländische AfD-Kreistagsfraktion zu Wort, die von Arlt angeführt wird, einen der mutmaßlichen Täter. Der Journalist wird als „vermummt“ und „aggressiv“ beschrieben. Er sei versehentlich „gestürzt“ und habe sich dabei selbst verletzt, so die Behauptung. Anhand der Videoaufnahmen ist diese Darstellung allerdings nicht besonders wahrscheinlich. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) Sachsen kritisierte das Vorgehen der Partei als eine klare „Missachtung der Presse- und Berichterstattungsfreiheit“.
Eine offizielle Stellungnahme des zuständigen AfD-Kreisverbandes im Vogtlandkreis liegt nicht vor, er reagierte bislang nicht auf Medienanfragen. Das liegt schlicht daran, dass der Verband brach liegt und seit mehr als einem Jahr keine ordentlich gewählte Leitung mehr hat. Er wird ersatzweise verwaltet durch einen „Betreuer“, den der Landesvorstand eingesetzt hat: Torsten Gahler, der inzwischen im Landtag sitzt.
Vogtland-AfD schon länger in Verruf
Grund für die Fernsteuerung sind bis heute anhaltende Grabenkämpfe, einige Rücktritte und nicht zuletzt ein handfester Neonaziskandal bei der Vogtland-AfD. Mitglieder des Verbandes, unter ihnen Silvio Häberer, hatten sich Ende 2017 und Anfang 2018 in einer Whatsapp-Chatgruppe ausgetauscht und dabei eindeutige NS-Parolen sowie rassistische und antisemitische Inhalte verbreitet. Zwei heutige AfD-Abgeordnete waren Mitglieder dieser Chatgruppe, darunter Frank Schaufel. Er hat sich dazu nie öffentlich geäußert.
Intern jedoch riet er den Beteiligten damals zur Vorsicht, weil die braunen Inhalte „gegen uns verwendet werden“ könnten. Am Chat beteiligt war mit Steve Lochmann sogar der damalige AfD-Kreisvorsitzende. Er bewarb auf diesem Weg beispielsweise einen Aufmarsch der Neonazipartei „Der III. Weg“, bat aber darum, im Falle einer Teilnahme auf eigene Parteisymbole zu verzichten. Zu Lochmanns Vorstand gehörten seinerzeit unter anderem Frank Schaufel und Stephan Schulze.
Als Teile des Chats publik wurden, kündigte die Landespartei ein hartes Durchgreifen an – das dann aber ausfiel. Lochmann ist heute stellvertretender Fraktionsvorsitzender im Plauener Stadtrat. Er und die weiteren Rechtsaußen-Kräfte von einst bilden heute die AfD-Regionalgruppe Plauen. Sie steht hinter der Veranstaltung am vergangenen Donnerstag.