Presseschau, 9. Kalenderwoche 2020

Abordnung für Lehrer Engler, Zukunft für Lehrer Höcke, Aus für AfD-Rat Eberhard Hänsch, Petition für Steimle, Rettung für Thälmann, Stadträte in Borna und Sebnitz, Wahlen in Ottendorf-Okrilla und Neißeaue, Proteste in Weinböhla und Rochlitz, Zusammenarbeit in Bautzen, kein Wahlrecht für Arme, Poggenburg in Hanau, nächster Finanzskandal, Lügen von Höcker, CDU bei Pegida, FDP gegen Abgrenzung, Verschwörungsmentalität, Anti-Kulturpolitik, Mäßigung ohne Folgen. Das war diese Woche wichtig:



AfD in Sachsen

Die Abordnung des Lehrers Gordon Engler an ein Gymnasium in Riesa (Landkreis Meißen) hat für Kritik gesorgt. In der vergangenen Woche war bekannt geworden, dass Engler, der in Dresden seit mehreren Jahren als AfD-Politiker aktiv ist, künftig unter anderem Geschichtsunterricht geben soll. Das Landesamt für Schule und Bildung traf die umstrittene Entscheidung und macht nun aus datenschutzrechtlichen Gründen keine weiteren Angaben. Auch das zuständige Kultusministerium äußerte sich bislang verhalten und verwies darauf, dass Lehrkräfte nach verbindlichen Lehrplänen unterrichten müssen. Allerdings könne von einigen Vorgaben „nach pädagogischem Ermessen“ abgewichen werden. Engler ist nicht nur bei der Partei aktiv, sondern auch Burschenschafter. Wie nun bekannt wurde, gehört er der einschlägigen Burschenschaft Cheruscia nicht mehr an, sondern wurde dort bereits vor fünf Jahren ausgeschlossen. Als Grund gab die Verbindung „unehrenhaftes Verhalten“ an. Nach Recherchen der Sächsischen Zeitung gehört Engler inzwischen dem Dresdner Ablegers der Burschenschaft Arminia zu Leipzig an. (↪ Sächsische, 23.02., Sächsische, 24.02., ↪ Sächsische, 26.02.)


Mit einer Online-Petition fordern AfD-Anhänger*innen, den rechten Kabarettisten Uwe Steimle mit der Ehrenmedaille der Stadt Dresden auszuzeichnen. Initiatorin der Unterschriftensammlung ist Barbara Lässig. Sie ist in Dresden Stadtbezirksbeirätin für die Freien Wähler und zugleich Mitarbeiterin der AfD-Stadtratsfraktion. Diese hatte den Vorschlag, der als wenig aussichtsreich gilt, ursprünglich unterbreitet und unterstützt nun die Petition. Über die Zuerkennung der Ehrenmedaille, der zweithöchsten Auszeichnung der Landeshauptstadt, muss der Stadtrat mit einer Zweidrittelmehrheit entscheiden. Die Petition hat darauf keinen direkten Einfluss. Steimle ging inzwischen auf Distanz zum AfD-Vorschlag. Er werde „benutzt, um eine bestimmte Partei ins Spiel zu bringen“, sagte er der Sächsischen Zeitung. Sollte man ihm die Medaille zusprechen, würde er sie aber annehmen, so Steimle weiter. (↪ Sächsische, 24.02., ↪ Sächsische, 25.02., ↪ Sächsische, 28.02.)


Der Stadtrat von Heidenau (Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) hat am Donnerstagabend einen früheren Beschluss aufgehoben, die örtliche Ernst-Thälmann-Straße umzubenennen. Im Oktober vergangenen Jahres war die Änderung des Straßennamens im selben Gremium beschlossen worden. Die Initiative war von der AfD ausgegangen. Eine Mehrheit hatte sie gefunden, weil zwei FDP-Ratsmiglieder zugestimmt und sich die CDU-Mitglieder enthalten haben. Daraufhin kam es zu Protesten von Bürger*innen, die zahlreiche Unterschriften für ein Bürgerbegehren sammelten. Der Beschluss wurde deshalb nicht umgesetzt, sondern nun erneut zur Abstimmung gestellt. Zwischenzeitlich war bekannt geworden, dass der AfD-Kommunalpolitiker Daniel Barthel, der den Anstoß für die Umbenennung gegeben hatte, früher in der Neonaziszene aktiv war, unter anderem im Umfeld der verbotenen „Skinheads Sächsische Schweiz“. Barthel bestätigte die Vorwürfe nunmehr auf Mediennachfragen: Er habe in „jungen Jahren“ zum Teil „falsche Freunde und somit den falschen Umgang“ gehabt und „an einigen Demonstrationen teilgenommen, für die ich mich heute in Grund und Boden schäme.“ Der Kontakt zur rechten Szene sei ab 2005 „endgültig“ vorüber gewesen. Allerdings liegen Hinweise vor, dass sein Engagement in diesem Spektrum deutlich länger anhielt. (↪ Tag24, 24.02., ↪ Sächsische, dass 26.02., ↪ Sächsische, 28.02., ↪ MDR, 28.02.)


Der Görlitzer AfD-Stadtrat Jens Jäschke hat einen umstrittenen Aufkleber auf dem LKW einer Möbelspedition aus Niesky (Landkreis Görlitz) gerechtfertigt. Mehrere Medien hatten über das Fahrzeug berichtet, auf dem in Frakturschrift die Worte „Führerhaus – Besatzung spricht deutsch“ angebracht sind. „Es handelt sich offensichtlich um ein ‚Führerhaus‘ eines Lkws und die Fahrer, weil Nationalität und Sprache deutsch sind, sprechen logischerweise deutsch“, erklärte Jäschke. Weiter fragte er: „Weil ein Unternehmen auf die Nationalität hinweist und auf die Sprache, die die Fahrer sprechen, ist man ein dummer Faschist?“ Die Firma erklärte sich bislang nicht dazu. (↪ Sächsische, 26.02.)


Reinhard Jöricke, der für die AfD in den Stadtrat von Borna (Landkreis Leipzig) eingezogen ist, darf Mitglied des Gremiums bleiben. Zuvor war der CDU-Fraktionschef vor das Verwaltungsgericht Leipzig gezogen um feststellen zu lassen, dass die Aufstellung der AfD-Kandidierenden zur Kommunalwahl im vergangenen Jahr unrechtmäßig war. So hatte Jöricke angegeben, in Borna zu wohnen, woran Zweifel bestehen. Auch dem Verwaltungsgericht gelang es nicht, Jöricke unter seiner angeblichen Bornaer Anschrift zu erreichen. Das bleibt nun aber aufgrund einer Formalie folgenlos – denn der Kläger war nicht klagebefugt. Jöricke gehört der AfD-Fraktion im Stadtrat inzwischen nicht mehr an. Er wurde ausgeschlossen, nachdem er ein Drohschreiben an den Leipziger Bezirksverband des DGB geschickt hatte. (↪ LVZ, 26.02.)


Ein AfD-Anhänger ist neuer Vorsitzender des Handels- und Gewerbevereines in Limbach-Oberfrohna (Landkreis Zwickau). Es handelt sich um Robert Zschäbitz, den Innhaber eines Druckunternehmes („Limbacher Druck“), der auch dem örtlichen Feuerwehrförderverein Limbach vorsteht. Im vergangenen Jahr war er als Parteiloser für die AfD zur Stadtratswahl angetreten, zog aber nicht in das Gremium ein. Der Gewerbeverein ist ein Zusammenschluss von Gewerbetreibenden und vertritt deren Interessen gegenüber der Kommune. (↪ FP, 26.02.)


Etwa 40 Menschen haben am Donnerstagabend in Rochlitz (Mittelsachsen) gegen eine Veranstaltung der AfD protestiert. Die Partei traf sich im örtlichen Bürgerhaus. Dort referierte Maximilian Krah, der für die AfD im Europäischen Parlament sitzt. Rund 70 Besucher*innen hörten ihm zu. (↪ FP, 27.02.)


Eberhard Hänsch hat den Kreistag des Landkreises Görlitz und den Gemeinderat von Oderwitz verlassen. In beide Gremien war er für die AfD eingezogen. Die Partei verließ der Polizeibeamte bereits Ende 2019. Kurz zuvor hatte er gemeinsam mit zwei weiteren Männern eine Mitarbeiterin des Zittauer Landratsamts so sehr bedrängt, dass sie die Polizei rief. Offenbar handelt es sich bei Hänsch und seinen Begleitern um Reichsbürger, einer von ihnen forderte einen in der Szene bedeutsamen „Staatsangehörigkeitsausweis“ ein. Für seinen Rückzug aus dem Kommunalgremien gab Hänsch indes „gesundheitliche Gründe“ an. In den Kreistag rückt für ihn das AfD-Mitglied Karsten Starke nach. (↪ Sächsische, 27.02.)


Bei der Aschermittwochs-Veranstaltung der sächsischen AfD in Lommatzsch ist die extrem rechte „Volksliedertafel Dresden“ aufgetreten. Die Gruppe, an der sich mindestens ein AfD-Mitglied beteiligt, hatte in der Vergangenheit unter anderem bei Pegida, bei Veranstaltungen der verfassungsfeindlichen Identitären Bewegung und der neonazistischen NPD sowie gemeinsam mit Holocaust-Leugnern gespielt. Bekanntester Gast beim diesjährigen Politischen Aschermittwoch der sächsischen AfD war Parteichef Tino Chrupalla. (↪ Tag24, 28.02.)


Mitglieder der AfD haben sich an einem Neonaziaufmarsch in Dresden beteiligt. Nachdem antifaschistische Recherchen dies bereits frühzeitig nahegelegt hatten, bestätigen Medieninformationen nun, dass sich am 15. Februar zumindest ein Mitglied des Dresdner Kreisverbandes dem geschichtsrevisionistischen Aufzug angeschlossen hatte. Anlass war der Jahrestag der Bombardierung der Stadt. „Derselbe Mann war auch Ordner der AfD-Veranstaltung am 13. Februar auf dem Altmarkt, fiel dort mit Schutzhandschuhen und einem sogenannten Selbstverteidigungsschirm auf“, heißt es. Beim Neonaziaufmarsch dabei war außerdem Sebastian A. Zwei Tage zuvor hatte er einen Kranz der Dresdner AfD-Stadtratsfraktion getragen, als dieser auf dem Heidefriedhof niedergelegt wurde. (↪ Tag24, 28.02.)


Die AfD im Stadtrat von Sebnitz (Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) hat einer gemeinsamen Erklärung nicht zugestimmt, die sich für „Freiheit, Toleranz und Achtung der Menschenwürde“ ausspricht. Mit der sogenannten Sebnitzer Erklärung bekennen sich die Ratsmitglieder – mit Ausnahme der AfD – „zu einem demokratischen und zivilisierten Umgang miteinander, der auf gegenseitiger Akzeptanz beruht.“ (↪ Sächsische, 28.02.)


In Ottendorf-Okrilla (Landkreis Bautzen) will Carsten Rybicki für die AfD zur Oberbürgermeister*innen-Wahl antreten. Ungewöhnlich: Der Kandidat kommt nicht aus dem Ort und lebt dort auch nicht, ist vielmehr Stadtratsmitglied in Königsbrück. Der erste Wahlgang wird am 8. März stattfinden. (↪ Sächsische, 28.02.die)


Zur Bürgermeister*innenwahl in Neißeaue (Landkreis Görlitz) am 26. April wird die AfD wider Erwarten nicht antreten. Bei mehreren Wahlen im vergangenen Jahr hatte fast die Hälfte der örtlichen Wähler*innen für die AfD gestimmt, der Ort galt seitdem als die östlichste Hochburg der Partei. (↪ Sächsische, 28.02.)


Im Begleitausschuss der „Partnerschaft für Demokratie“ im Vogtlandkreis wird künftig die AfD vertreten sein. Das hat Landrat Rolf Keil (CDU) entschieden. Das Gremium verteilt Fördermittel, die das Bundesfamilienministerium im Rahmen des Programms „Demokratie leben!“ bereitstellt, an zivilgesellschaftliche Initiativen. Dem Ausschuss gehörten bisher unter anderem die Gewerkschaft Ver.di, das Fanprojekt Plauen und der NS-Opferverband VVN-BdA an. Künftig werden sie nicht mehr beteiligt sein. Ihre Plätze werden unter anderem drei CDU-Mitglieder einnehmen – sowie der AfD-Landtagsabgeordnete Ulrich Lupart. Er hatte sich offenbar selbst auf einen Sitz beworben. (↪ FP, 29.02.)


Die mehrtätigen Girbigsdorfer Dorffestspiele in Schöpstal (Landkreis Görlitz) sollen künftig von Lars Wehlt veranstaltet werden. Der ortsansässige Instandhaltungsmechaniker verbreitet auf seiner Facebook-Seite rassistische Inhalte, die unter anderem von der NPD stammen. Auf Anfrage erklärte Wehl, dass er sich davon nicht distanziere. Er stehe allerdings der AfD näher als der NPD, sagte er. (↪ Sächsische, 29.02.)


Es ist ein besonders verstörendes Statement des sächsischen AfD-Chefs Jörg Urban, das erst jetzt bekannt wurde. Von sich gegeben hat er es bereits am 13. Januar, als auf Einladung der AfD-Landtagsfraktion der Unternehmer und Publizist Markus Krall in Olbernhau (Erzgebirgskreis) zum Thema „Wer rettet Europa?“ referierte und dort eine Reform des Wahlrechts vorschlug. Demnach sollen alle, die staatliche Leistungen empfangen, nicht wählen dürfen. Urban sagte zu Kralls Idee, dass „wir als Partei auch noch dran arbeiten müssen, das Wahlrecht nur für die Leistungsträger und nicht für die Transferempfänger“ zu gewähren. Das Thema sei aber „gerade hier bei uns im Osten“ schwer zu vermitteln, setzte er nach. Was Urban nicht erwähnt (oder nicht weiß): Der Vorschlag ist schlicht verfassungswidrig. Auf Presseanfrage erklärte ein AfD-Fraktionssprecher, dass Urbans Bemerkung nur „ironisch“ gemeint gewesen sei. (↪ Tag24, 29.02., ↪ FR, 29.02.)

AfD rundherum

Der neofaschistische AfD-Politiker Björn Höcke wird in Hessen nach wie vor als Beamter geführt und könnte zukünftig wieder als Lehrer arbeiten. Bevor er 2014 erstmals in den thüringischen Landtag eingezogen ist, hatte er an einer Gesamtschule in Bad Sooden-Allendorf die Fächer Sport und Geschichte unterrichtet. Diese Tätigkeit ruht, solange er Abgeordneter ist. Zwar gilt für Beamt*innen eine Neutralitäts- und Mäßigungspflicht, disziplinarrechtlich belangt werden kann Höcke für seine Aktivitäten als Parlamentarier aber nicht. Derzeit können Mitglieder und Funktionäre der AfD auch dann nicht ohne Weiteres aus dem Beamtenverhältnis ausscheiden, wenn sie etwa aufgrund ihres Engagements für den verfassungsfeindlichen „Flügel“ durch Verfassungsschutz-Behörden beobachtet werden. Die Innenminister mehrerer Länder beraten daher aktuell darüber, ob das Disziplinarrecht verschärft werden kann. Zuletzt hatten Vertreter*innen anderer Parteien Staatsbediensteten, die der AfD angehören, den Parteiaustritt nahegelegt. (↪ Tagesspiegel, 23.02., ↪ FR, 25.02., ↪ MDR, 25.02.)


Zu einem makaberen „Gedenken“ ist am Mittwoch der ehemalige AfD-Politiker André Poggenburg in Hanau eingetroffen. In Begleitung des „Pro NRW“-Politikers Markus Beisicht und des Leipziger Neonazis Alexander Kurth legte er am Tatort des rassistischen Anschlags am Kurt-Schumacher-Platz einen Kranz nieder. Das Ordnungsamt der Stadt Hanau hatte er vorab über seinen geplanten „Kondolenzbesuch“ informiert und um „Sicherheitsmaßnahmen“ gebeten, das er in Form eines größeren Polizeiaufgebots auch erhielt. Der Hanauer Oberbürgermeister hatte Poggenburg indes schriftlich mitgeteilt, dass er in der Stadt nicht willkommen ist: „Es erfüllt mich mit Abscheu, dass Sie hierher kommen wollen, um das Andenken an ermordete Bürger meiner Stadt mit Füßen zu treten“, heißt es in dem Schreiben. Poggenburg versucht derzeit, eine nationalistische Bürgerbewegung namens „Aufbruch Deutschland“ aufzubauen. Seine Splitterpartei „Aufbruch deutscher Patrioten“, eine Rechtsabspaltung der AfD, ist bereits gescheitert. (↪ HA, 26.02.)


Mögliche Entspannung im Rentenstreit der AfD: Wie der Parteichef Tino Chrupalla in einem Interview erklärte, verfolgen die Ost-Verbände der Partei und der völkisch-nationalistische „Flügel“ nicht mehr das Ziel, Zuschläge bei der Alterssicherung nur „Deutschen“ zu gewähren. „Diese Vorschläge sind vom Tisch. Alle, auch Ausländer, die in dieses System einzahlen, sollen die jeweils gleichen Rentenansprüche haben und auch die gleichen Rentenzuschläge bekommen“, sagte Chrupalla. Dieses derzeit in der Partei diskutierte Modell unterscheidet sich damit nicht mehr wesentlich von Plänen der Regierungskoalition für ein Grundrenten-System. Am anderen Pol der innerparteilichen Debatte steht Jörg Meuthen, ebenfalls Parteichef. Er will das Rentensystem auf private Vorsorge umstellen, vertritt damit aber eine Minderheitenposition. Bisher sind mehrere Versuche gescheitert, einen Kompromiss zu schließen. Im April will sich die AfD bei einem Bundesparteitag auf ein Rentenkonzept und damit ein sozialpolitisches Profil festlegen. (↪ Welt, 26.02., ↪ Zeit, 27.02.)


Wegen mutmaßlich illegaler Wahlkampfunterstützung drohen der AfD erneut empfindliche Geldstrafen. Hintergrund diesmal: Die Partei soll die rechte Wochenzeitung „Deutschland Kurier“ in den Jahren 2017 und 2018 als Wahlkampfmaterial genutzt haben. Das ergibt sich aus dem Rechenschaftsbericht der AfD, der kürzlich vorgelegt wurde. Allein in Bayern sollen demnach mehr als 120.000 Gratisexemplare in einem Gegenwert von rund 36.000 Euro zur Verfügung gestanden haben. Anders als vorgeschrieben deklarierte die Partei dies nicht als Sachspende. Eingefädelt hatte die verdeckte Unterstützung der „Verein zur Erhaltung der Rechtsstaatlichkeit und der bürgerlichen Freiheiten“. Er ist formal unabhängig von der AfD, hat ihr aber mithilfe der Schweizer Werbeagentur Goal AG jahrelang unter die Arme gegriffen. Woher das investierte Kapital stammt, ist nach wie vor offen. Aus dem neuen Rechenschaftsbericht ergeben sich indes die Namen weiterer Großspender. Unter anderem flossen der AfD 50.000 Euro aus Thailand zu, Absender war ein Mortimer von Zitzewitz. Bei ihm soll es sich nach Medienberichten um einen „früheren Waffenhändler mit BND-Kontakten“ handeln. (↪ Spiegel, 28.02., ↪ Panorama, 29.02.)

Blauzone

Gemeinsam mit der AfD haben die Fraktionen von CDU, FDP und Bürgerbündnis im Stadtrat von Bautzen am Mittwoch einen gemeinsamen Antrag eingebracht. Die Fraktionen fordern Änderungen im Haushaltsplan der Stadt. Das Vorgehen beruht auf gemeinsamen Gesprächen mit der AfD – und widerspricht jüngsten Versicherungen der CDU, keineswegs mit dieser Partei zu kooperieren. (↪ Sächsische, 25.02., ↪ Sächsische, 25.02., ↪ DLF, 28.02.)


Der umstrittene Kölner Medienanwalt Ralf Höcker hat möglicherweise unwahre Angaben zu den Gründen seines Rückzugs aus der WerteUnion gemacht. Er war bis vor kurzem Sprecher der Gruppe gewesen, die sich innerhalb der Unionsparteien für eine Öffnung in Richtung der AfD einsetzt. Zwar bestreitet das die WerteUnion. Kürzlich war aber bekannt geworden, dass eine ganze Reihe ihrer Funktionäre die AfD unterstützt hat, unter anderem durch Spenden. Höcker selbst hatte im Mai 2019 bei einer „Medienkonferenz“ referiert, zu der AfD-Bundestagsabgeordnete eingeladen hatten. Nach der Kemmerich-Wahl in Thüringen entbrannte eine Debatte über die Rolle der WerteUnion – und Höcker zog die Reißleine. Nachdem berichtet worden ist, dass er in einem illegalen Online-Shop eine Schusswaffe bestellt haben soll, erklärte er überraschend seinen Rückzug aus der WerteUnion und trat aus der CDU aus. Offizieller Grund: Er sei „auf krasse Weise“ bedroht worden. Recherchen des Spiegel wecken Zweifel daran. So soll sich Höcker nicht an die Polizei gewandt haben. Als die sich bei ihm erkundigte, soll er die Frage, ob er Polizeischutz wünsche, verneint haben. Den Beamt*innen soll er zudem gesagt haben, dass er nicht bedroht worden sei. (↪ Spiegel, 25.02.)


Wolfgang Jacobi, CDU-Stadtrat in Radebeul (Landkreis Meißen), hat in der vorvergangenen Woche an einer Pegida-Versammlung in Dresden teilgenommen. Videoaufnahmen zeigen ihn als Teilnehmer des Aufzuges, der durch die Dresdner Altstadt führte. Im Anschluss hielt Björn Höcke eine Rede, bei der er zum Umsturz aufrief. Die Dresdner CDU hat am selben Tag, an dem Höcke sprach, gegen Pegida demonstriert, Ministerpräsident Kretschmer hatte den Aufruf mitunterzeichnet. Auf Medienanfragen zu seinen Beweggründen reagierte Jacobi nicht. Er hatte bereits früher an Pegida teilgenommen, war unter anderem auch bei einer Versammlung zugegen, bei der Martin Sellner sprach – bis vor kurzem Führungsfigur der verfassungsfeindlichen Identitären Bewegung. Der örtliche CDU-Fraktionsvorsitzende Ulrich Reusch nannte das Verhalten Jacobis „äußerst problematisch“. Werner Glowka, Chef des Radebeuler CDU-Stadtverbandes, betonte zudem, dass man Pegida „entschieden“ ablehne. Sanktionen gegen seinen Partei- und Pegida-Freund Jacobi sollen aber nicht verhangen werden, insbesondere werde kein Parteiausschluss angestrebt, sagte er der Sächsischen Zeitung. Stattdessen veröffentlichte der Stadtvorstand der Radebeuler CDU ein Positionspapier, in dem Pegida und auch die AfD kritisiert werden. Ergänzend heißt es: „Die unterschiedlichen Haltungen und Denkrichtungen innerhalb der CDU waren und bleiben das Erfolgsrezept der Volkspartei CDU.“ Ein Ratskollege Jacobis ist Sven Eppinger, der zugleich stellvertretender Landesvorsitzender der nationalkonservativen WerteUnion ist. Kürzlich war bekannt geworden, dass von Eppingers Konto eine Spende an die AfD geflossen ist. (↪ Spiegel, 26.02., ↪ Tagesspiegel, 27.02., ↪ Sächsische, 27.02., ↪ Sächsische, 27.02., ↪ DNN, 28.02., ↪ Tagesspiegel, 01.03.)


Marcel Schmidt, parteiloser Oberbürgermeister von Stollberg (Erzgebirgskreis), hat seine Sympathie für die Wahl des thüringischen Ministerpräsidenten Kemmerich ausgedrückt, der mit Stimmen der AfD ins Amt gekommen war. In der aktuellen Ausgabe des „Stollberger Anzeiger“, bei dem es sich um das offizielle städtische Amtsblatt handelt, beruft er sich in einer Glosse auf „Respekt vor dem Anderen“ als der „Grundlage unserer Gemeinschaft.“ Es sei nicht respektvoll, wenn „unsere neuen medialen Helden demokratisch gewählten Ministerpräsidenten die Blumen öffentlich vor die Füße werfen“, heißt es in Anspielung auf die Erfurter Ereignisse. Dies sei ein Fall von Diskriminierung und Ausgrenzung. „Letzte Konsequenz“ seien Zustände wie im Zuchthaus Hoheneck, einer Strafvollzugseinrichtung der DDR. Schmidt nimmt in seinem Beitrag nicht nur die FDP, sondern offenkundig auch die AfD („Andersdenkende“) gegen Kritik in Schutz. Schon früher war Schmidt vorgeworfen worden, das Amtsblatt für private Meinungsäußerungen zu nutzen und damit gegen das Neutralitätsgebot zu verstoßen. (↪ FP, 26.02.)


Maximilian König, Vorsitzender des FDP-Ortsverbandes Leipzig-Nord, hat für eine Zusammenarbeit mit der AfD plädiert. Eine Unvereinbarkeit mit der AfD zu postulieren sei „angesichts der realen Verhältnisse völlig bedeutungslos“, erklärte König in einem Beitrag für das Magazin Cicero. „Denn sich mit AfD-Stimmen wählen zu lassen, mit ihnen Anträge zu stellen, mit ihnen gar Fraktionen zu bilden – das findet doch bereits statt“, sagte er zur Begründung und nennt als Beispiel Leipzig, wo man „als SPD, CDU und AfD gemeinsame Anträge in den Stadtrat trägt“. Sich daran zu gewöhnen sei „zukunftsfähig und pragmatisch“. Die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerichs zum thüringischen Ministerpäsidenten, die nur mithilfe von AfD-Stimmen gelang, sei für ihn ein „Tag des Freudentaumels“ gewesen, so König. (↪ Cicero, 27.02.)

Stimme & Haltung

Knapp 65 Prozent der wahlberechtigten Bundesbürger*innen geben der AfD eine „Mitschuld an rechtsextremer Gewalt in Deutschland“. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey. Weniger als 30 Prozent der Befragten lehnt diese Aussage ab. Aufgeschlüsselt nach Parteien sind es neben den Anhänger*innen der AfD nur die der FDP, die der AfD überwiegend keine Mitverantwortung zusprechen. (↪ t-online.de, 27.02.)

Hintergründe

Anhänger*innen der AfD neigen stärker als andere zu einer „Verschwörungsmentalität“. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Studie (hier abrufbar) des Kompetenzzentrums für Rechtsextremismus- und Demokratieforschung an der Universität Leipzig. So stimmten rund 60 Prozent aller Befragten, die angaben, die AfD wählen zu wollen, dem Satz zu: „Politiker und andere Führungspersönlichkeiten sind nur Marionetten der dahinterstehenden Mächte“. In der Gesamtbevölkerung ist der Zustimmungswert nur halb so hoch. Überdurchschnittlich viele AfD-Anhänger*innen glauben auch, dass es „geheime Organisationen“ gibt, „die großen Einfluss auf politische Entscheidungen haben“. Die Auswertung bestätigt zudem, was bereits frühere Erhebungen gezeigt hatten: dass unter AfD-Anhänger*innen extrem rechte Einstellungen weit verbreitet sind. Dazu gehören auch muslimfeindliche und antisemitische Orientierungen, die in keiner anderen Wähler*innengruppe derart stark ausgeprägt sind. Jeder Fünfte, der die AfD wählt, gesteht zudem ein, zur Anwendung körperlicher Gewalt bereit zu sein, um eigene Interessen durchzusetzen. (↪ Zeit, 25.02., ↪ MDR, 25.02., ↪ FAZ, 25.02., ↪ LVZ, 25.02.)


Die AfD geht gegen unliebsame Kultureinrichtungen vor, auch in Sachsen. Besonders trifft es Projekte, die sich gegen die extreme Rechte positionieren und sich kritisch über die Partei äußern. Die antwortet rasch mit einem „Linksextremismus“-Vorwurf. Im Grunde ist der AfD der gesamte Kulturbetrieb ein Dorn in Auge. Der Schriftsteller Stephan Zwerenz analysiert, wie die Partei vorgeht. (↪ Flurfunk, 25.02.)


Die AfD behauptet, für hohe Kulturwerte einzustehen und sie gegen zeitgeistige Verflachung zu schützen. Am Beispiel des AfD-Beraters Michael Klonovsky, einer sogenannten „Edelfeder“ der konservativen Publizistik, zeigt Peter Hintz, was dabei herauskommt, wenn die Partei-Rechten selber zum Stift greifen: eine neurechte Kitschästhetik. Sie ist die angemessen Form eines in Wirklichkeit ziemlich profanen „klassistischen, sexistischen und rassistischen Programms“. (↪ 54books, 26.02.)

Fokus: „Mäßigung“ der AfD nach Hanau?

Die AfD-Parteispitze hat nach den rassistischen Mordanschlägen von Hanau Versuche aus den eigenen Reihen zurückgewiesen, die Tat zu entpolitisieren, und zu einer Mäßigung im Tonfall aufgerufen. „Um es ganz deutlich zu sagen: Die Tat von Hanau ist ein rassistisches Verbrechen. Ihr Motiv war Ausländerhass“, erklärten die beiden Parteivorsitzenden Jörg Meuthen und Tino Chrupalla am vergangenen Sonntag in einem Brief an die Parteimitglieder. „Wer sich rassistisch und verächtlich über Ausländer und fremde Kulturen äußert, handelt ehrlos und unanständig und damit gegen Deutschland und gegen die AfD“, heißt es weiter. Versuche, die AfD für die Tat mitverantwortlich zu machen, seien zwar haltlos. „Allerdings müssen wir uns auch fragen, warum es unserem politischen Gegnern gelingt, uns überhaupt mit solch einem Verbrechen in Verbindung zu bringen. Dieser Frage müssen wir uns stellen, auch wenn es schwerfällt.“ Eine Antwort darauf gibt die Partei freilich nicht.

Bemerkenswert ist das Schreiben schon deshalb, weil es das erste Mal ist, dass Chrupalla, der aus Sachsen stammt, versucht, einen eigenen Akzent zu setzen – und dann auch noch gegen den Mainstream seiner Partei. Bemerkenswert ist auch die Entstehung des Textes: Meuthen musste erst überredet werden, dafür seinen Namen herzugeben. Er soll insbesondere Bedenken geäußert haben, von einem „rassistischen“ Verbrechen zu reden. Noch kurz zuvor hatte er selbst öffentlich behauptet, der Anschlag sei „weder rechter noch linker Terror“, sondern „die wahnhafte Tat eines Irren” gewesen. Kaum war der Brief in der Welt, soll Meuthen sich nach Angaben des Spiegel in einer Telefonkonferenz des Bundesvorstands vom Inhalt wieder distanziert haben.

Chrupalla erklärte dagegen auf Nachfrage, er habe mit dem Brief eine „Selbstreflexion“ anstoßen wollen. Als Zeichen dafür wird auch ein Statement des Vorsitzenden der AfD-Bundestagsfraktion Alexander Gauland gewertet. Er sagte Anfang der Woche, dass alle Parteien verbal abrüsten sollten, und „auch wir haben uns manchmal in der Wortwahl vergriffen“. Man wolle weiter eine „deutliche Sprache sprechen“, aber auf radikale Rhetorik verzichten, die „unsere politischen Gegner gegen uns instrumentalisieren können“. Auch Gauland hatte eine politische Motivation im Hanauer Fall zunächst bestritten, inzwischen korrigierte er sich: „Auch ein krankes Hirn kann eine rassistische Motivation haben.“

Steht der Brief also für einen Gesinnungswandel – oder eher für ein taktisches Manöver, um einen bleibenden Imageschaden von der Partei abzuwenden? Fakt ist: Das Medienecho nach Hanau war für die AfD verheerend. Selbst konservative Journalist*innen und Blätter wie die FAZ, die lange zurückhaltend bei der Bewertung der Partei waren, finden neuerdings klare und harte Worte, fordern mitunter eine Verfassungsschutz-Beobachtung der Gesamtpartei. Aus der Angst davor erwächst ein Distanzierungsdruck. Er kommt auch daher, als sich die öffentliche Stimmung bei der Hamburg-Wahl am vergangenen Sonntag niederschlug, bei der die Partei nur knapp den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde schaffte. In der AfD-nahen Wochenzeitung Junge Freiheit erklärte Alexander Wolf, Fraktionsvorsitzender in der Hamburgischen Bürgerschaft, es sei „wegen des Narrensaums, wegen der Krakeeler“ in der AfD nicht gelungen, neuen Wähler*innen zu gewinnen. Wolf forderte „rote Linien nach Rechtsaußen“. Die will auch Chrupalla ziehen, nicht zufällig erschien der Brief am Tag der Hamburg-Wahl.

In einem Interview mit der Tageszeitung Die Welt sagte Chrupalla, es gäbe zwar keine Rechtsextremisten in der AfD, aber in „Einzelfällen“ würde der Eindruck erweckt. Als Beispiel nannte er ein rassistisches Ausmalbuch für Kinder, das kürzlich von der AfD-Landtagsfraktion in Nordrhein-Westfalen herausgegeben wurde und für Empörung sorgte. Den Urheber*innen drohte Chrupalla mit einem Parteiausschluss. Solche deutlichen Worte sind innerhalb der AfD ungewohnt, und sie stoßen nicht in allen Teilen der Partei auf Verständnis. Der „Flügel“ um Björn Höcke kritisierte den Brief der Parteispitze, der auf die völkisch-nationalistische Strömung allerdings gar nicht eingeht. Chrupalla versicherte sogar öffentlich, dass er etwa mit Höckes neulichem Pegida-Auftritt „kein Problem gehabt“ habe. Nach Medienrecherchen soll sich Höcke dennoch persönlich bei anderen AfD-Spitzen über die Veröffentlichung beschwert haben. Andreas Kalbitz, „Flügel“-Anführer neben Höcke und Parteichef in Brandenburg, stört sich zudem an Begrifflichkeiten, „die ein politischer Gegner definiert hat“. Der rassistische Blog PI-News, der oft AfD-freundliche Stellungnahmen abgibt, sprach anhand des Briefes von einer „Selbstdemütigung der Parteiführer vor dem Feind“. Ähnlich argumentiert die die neurechte Zeitschrift Sezession, die ohnehin auf Höckes Seite steht.

In Sachsen will man das Rundschreiben ganz ignorieren. Der hiesige Landes- und Fraktionsvorsitzende Jörg Urban ließ auf Medienanfragen erklären, er wolle zu dem Brief nichts sagen. Grund für eine Mäßigung im Tonfall sehe er nicht, man werde sich nicht den Mund verbieten lassen: „Gezielte Provokationen gehören für mich zum normalen politischen Geschäft dazu“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Angriffe unter die Gürtellinie“ habe man „von uns in der politischen Auseinandersetzung noch nicht gehört“, behauptet Urban zudem. (↪ RND, 23.02., ↪ FAZ, 24.02., ↪ t-online.de, 24.02., ↪ RND, 24.02., ↪ Spiegel, 24.02., ↪ FP, 24.02., ↪ MDR, 25.02., ↪ FP, 26.02., ↪ Welt, 26.02., ↪ Spiegel, 28.02., ↪ Tagesschau, 29.02., ↪ BR, 29.02.)