Narrt der Pegida-Gründer die AfD?

Lutz Bachmann will Mitglied in der AfD werden. In den Machtkampf der Partei greift er schon jetzt ein, stellt sich hinter Andreas Kalbitz und wettert gegen Parteichef Jörg Meuthen. Der hat prompt ein Veto gegen die Aufnahme angekündigt. Dem Flügel-treuen sächsischen Landesverband könnte Bachmann als neuer Zankapfel dienen.

Kalbitz „sehr geschätzt“

Der Pegida-Gründer Lutz Bachmann will der AfD beitreten. Das gab der 47-Jährige am Donnerstag in einem Beitrag auf seinem Facebook-Profil bekannt. Er zeigt dort einen ausgefüllten Mitgliedsantrag, den er per E-Mail dem sächsischen AfD-Landesverband zugeschickt haben will. Den Eingang der Unterlagen bestätigte die Partei bisher nicht. Zu seinen Beweggründen gibt Bachmann an, er stelle sich hinter die „‚Geraden‘ in der AfD“, gefolgt von den Namen Andreas Kalbitz, Björn Höcke, Jens Maier und Heiko Heßenkemper. Sie alle haben bereits an Pegida-Versammlungen teilgenommen und dort, mit Ausnahme von Kalbitz, Reden gehalten. Höcke sprach zuletzt im Februar bei Pegida, Maier erst am vergangenen Montag.

Mit seinem Schritt greift Bachmann in den eskalierenden Machtkampf der Partei ein. So bezeichnet er in einem aktuellen Videobeitrag den kürzlich aus der AfD ausgeschlossenen Neonazi Andreas Kalbitz als einen „wirklich sehr geschätzen Mann“. Den AfD-Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen und die Stellvertreterin Beatrix von Storch nennt er hingegen „U-Boote“. Beide hatten gemeinsam mit weiteren Vorstandsmitgliedern den Kalbitz-Ausschluss vorangetrieben. Bachmann kritisiert, dass solche „Besserwessis“ den ostdeutschen Parteiverbänden Vorschriften machen würden. Jetzt müsse es darum gehen, den „Halben“ nicht das Feld zu überlassen. Sollte er in der AfD aufgenommen werden, sei er bereit, sich von seinem Posten als Pegida-Vorsitzender zurückzuziehen, behauptet Bachmann weiter. In seinem Mitgliedsantrag hat er zutreffend angegeben, Vorsitzender zweier Vereine des rassistischen Protestbündnisses zu sein.

Dieses solle weiter „überparteilich“ bleiben. Seine Position als Vorsitzender habe er daher „ruhend gestellt“, andere Beteiligte müssten nun entscheiden, ob er künftig „bei Pegida raus“ sei. Veränderungen in den einschlägigen Vereinsregister-Unterlagen wurden nach idas-Informationen noch nicht veranlasst, von Pegida spricht Bachmann unverändert in der „Wir“-Form. Zu seiner möglichen künftigen Rolle in der Partei gibt er lediglich an, keine „Maulhure“ zu sei, er wolle nicht „irgendeinem“ Vorsitzenden blind folgen. Konkreter wird er nicht. Was aber auffällt: Er ruft AfD-Mitglieder auf, nicht wegen des Kalbitz-Falls auszutreten. Genau diese Botschaft, in der Partei zu verbleiben, sendet das Flügel-Spektrum seit Tagen aus. Es will stattdessen um die Vorherrschaft in der AfD streiten und bestenfalls den Bundesvorsitzenden Meuthen entmachten.

Es geht um Provokation

Bachmann setzt offensichtlich auf Provokation. So zeigt sein Facebook-Profil seit gestern ein Foto, auf dem er gemeinsam mit seinem Pegida-Stellvertreter Siegfried Däbritz zu sehen ist – ausgerechnet neben Jörg Meuthen. Das Bild ist nicht aktuell, sondern Anfang August 2017 in Dresden bei einer Wahlkampfveranstaltung kurz vor der Bundestagswahl entstanden, organisiert durch die Junge Alternative. Einer der Veranstalter ist ebenfalls auf dem Foto zu sehen: Sören Oltersdorf, der zurückliegend an Neonazi-Events teilgenommen hat. Bei der Dresdner Wahlkampfveranstaltung sorgten Pegida-Kräfte für Sicherheit, Bachmann und Däbritz tragen augenscheinlich Schilder mit der Aufschrift „Ordner“.

Hauptredner war Meuthen, der damals bereits AfD-Vorsitzender war, allerdings noch an der Seite der bekannteren Frauke Petry. Sie war zu dieser Zeit schon in Ungnade gefallen und wurde auch bei Pegida teils drastisch angefeindet. Das nützte Meuthen, der sich für eine stärkere Öffnung der AfD für Pegida-Anliegen einsetzte. Noch bis Anfang 2018 waren AfD-Auftritte bei Pegida untersagt, das änderte sich erst, nachdem Petry die Partei verlassen hatte. Höhepunkt der Annäherung war ein gemeinsamer „Trauermarsch“ am 1. September 2018 in Chemnitz, danach kühlte das Verhältnis wieder ab. Immer noch gültig ist ein Parteibeschluss, wonach Reden von Pegida-Vertreter*innen bei der AfD unerwünscht sind, „solange Lutz Bachmann im Vorstand des ‚PEGIDA Förderverein e.V.‘ vertreten ist.“ Den Eindruck eines offenen Schulterschlusses versucht man so bis heute zu vermeiden.

Das spannungsreiche Verhältnis der 2013 gegründeten Partei und der 2014 gestarteten Bewegung hat viel mit Bachmann und dessen Vergangenheit zu tun: Er ist mehrfach vorbestraft und saß in Haft, wurde unter anderem wegen Volksverhetzung rechtskräftig verurteilt und gilt als rechtsmotivierter Straftäter. Mit einer eigenen Kandidatin zur OBM-Wahl in Dresden vor fünf Jahren trat Pegida zudem in offene Konkurrenz zur AfD. In den Folgejahren kündigte Bachmann mehrfach an, er wolle eine eigene Partei gründen. Sein Stellvertreter Däbritz wollte schon vor mehreren Jahren AfD-Mitglied werden, zog seinen Antrag aber auf Wunsch der sächsischen AfD wieder zurück. Später war mehrfach im Gespräch, Däbritz als Parteilosen für die AfD kandidieren zu lassen, zuletzt im Vorfeld der Landtagswahl 2019. Doch dazu kam es nicht – im Gegenzug gab Pegida keine Wahlempfehlung ab.

Meuthen kündigt Veto an

Die jetzt aufgeflammten Machtkämpfe in der AfD könnten die Voraussetzungen aber ändern. Für die Bearbeitung des Mitgliedsantrags ist zunächst der AfD-freundliche Kreisverband Dresden zuständig, den der Landtagsabgeordnete André Wendt leitet. Im Stadtgebiet hat Bachmann nach wie vor einen Wohnsitz, obwohl er seit gut vier Jahren auch auf der spanischen Insel Teneriffa lebt. Aufnahmevoraussetzung ist zunächst ein persönliches Gespräch, so schreibt es die Satzung vor. Entscheidet sich der Kreisverband dann für eine Aufnahme, könnte zunächst der Landesverband widersprechen. Das gilt als unwahrscheinlich, denn der jetzige Landesvorsitzende Jörg Urban hatte sich gegenüber seiner Vorgängerin Frauke Petry gerade durch ein demonstrativ enges Verhältnis zu Pegida profiliert.

Das letzte Wort hat jedoch die Bundesspitze, die binnen Monatsfrist ein Veto einlegen kann. Genau das beabsichtigt Parteichef Meuthen: Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte er, dass er einem Vorstandsbeschluss zwar nicht vorgreifen könne. „Ich weiß allerdings, wie ich votieren werde, sollte es tatsächlich dazu kommen. Und ich glaube nicht, dass eine Mehrheit des Bundesvorstands da anders votierte.“ Seine abfälligen Bemerkungen über Meuthen werden Bachmann freilich nicht helfen. Ein Ablehnungsgrund müsste ihm gegenüber auch nicht genannt werden.

Allerdings wäre seine Zugehörigkeit zu Pegida allein kein Grund, eine Aufnahme zu versagen, denn auf der Unvereinbarkeitsliste der Partei steht das Protestbündnis nicht. Auch Bachmanns kriminelle Karriere ist kein Hinderungsgrund, mit Daniel Zabel sitzt ein anderer rechtsmotivierter Straftäter sogar im sächsischen Landesvorstand. Ebenso ist die Tatsache, dass Bachmann inzwischen als „Rechtsextremist“ eingestuft wurde, nicht automatisch eine Hürde. Für den Versuch, eine Beobachtung der Gesamtpartei durch die Verfassungsschutzbehörden abzuwenden, wäre das aber auch nicht hilfreich.