Presseschau, 21. Kalenderwoche 2020

Rückläufige Proteste gegen die Pandemie-Eindämmung, Wahltermin in Chemnitz, Rechtsstreit mit Lars Herrmann, neues Ratsmitglied in Lossatal, Macht in Pirna, Neubesetzung in Auerbach, Rostocker Kreisvorstand abgesetzt, weniger Befugnisse in Berlin, Abwahlantrag in Bayern, IfS wieder gemeinnützig, sächsische CDU gegen Rundfunkgebühren-Erhöhung, Bürgermeister dank AfD-Stimme. Das war diese Woche wichtig:


In der Presseschau informiert idas jeden Sonntag über lesenswerte Medienberichte und Recherchen rund um die AfD, die im Laufe der Woche erschienen sind.


AfD in Sachsen

Die sächsische AfD hat sich wie bereits in den Vorwochen an verschiedenen Protestveranstaltungen gegen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie beteiligt und sie zum Teil selbst organisiert. Langsam ist die Luft raus, denn die Zahl der Versammlungen und auch der Teilnehmenden ist rückläufig:

    • Am Montag führte die AfD einen Aufzug in Eilenburg (Landkreis Nordsachsen) durch. In Döbeln (Landkreis Mittelsachsen) nahmen AfD-Anhänger*innen an einem Demonstrationszug teil, an dem sich auch die NPD beteiligte. In der Landeshauptstadt Dresden formierte sich im Anschluss an eine Pegida-Kundgebung ein unangemeldeter Protestzug durch die Innenstadt, auch AfD-Stadtratsmitglieder liefen mit. In Riesa (Landkreis Meißen) fand eine Kundgebung statt, die durch den Landtagsabgeordneten Carsten Hütter beworben und durch Enrico Barth angemeldet worden ist, der für die Partei als Bürgermeister im nahe gelegenen Stauchitz kandidiert. Einer Kundgebung in Großenhain (Landkreis Meißen) schloss sich unter anderem der AfD-Landtagsabgeordnete Mario Beger an. Zu einem kleinen Aufzug kam es schließlich in Oelsnitz (Vogtlandkreis). Das Ende war skurril, wie die Freie Presse notiert: „Zum Schluss gab es auf dem Marktplatz ein gemeinsames Ständchen zum 50. Geburtstag des Oelsnitzer Fahrradhändlers und AfD-Stadtrats Frieder Jäckel.“

    • Am Mittwoch wurde ein Infostand des örtlichen AfD-Kreisverbandes zum Anlaufpunkt in Penig (Landkreis Mittelsachsen).

    • Am Freitag fand in Kamenz (Landkreis Bautzen) eine AfD-Kundgebung statt, der Bundestagsabgeordnete Karsten Hilse hielt dort eine Rede. Eine Kundgebung gab es auch in Aue (Erzgebirgskreis), angemeldet durch die NPD. Als Redner traten unter anderem das örtliche Stadtratsmitglied Lars Bochmann sowie Matthias Henke auf, der im Lößnitzer Stadtrat sitzt. Beide sind nach eigenen Angaben parteilos, waren bei der Kommunalwahl aber auf AfD-Listen angetreten.

    • Am Samstag folgte eine AfD-Kundgebung in der Kreisstadt Bautzen, auch dort war Hilse anwesend, außerdem der Landesvorsitzende Jörg Urban. In Plauen (Vogtlandkreis) fand ein unangemeldeter „Spaziergang“ statt, an dem unter anderem der AfD-Landtagsabgeordnete Frank Schaufel teilnahm. Vor Ort waren außerdem Anhänger*innen der Neonazipartei „Der III. Weg“.

    • Für den heutigen Sonntag ist eine AfD-Versammlung in Löbau geplant, organisiert wird sie durch die Regionalgruppe der Partei.

(↪ Sächsische, 18.05., ↪ Sächsische, 18.05., ↪ Sächsische, 18.05., ↪ LVZ, 19.05., ↪ DNN, 19.05., ↪ Sächsische, 19.05., ↪ FP, 19.05., ↪ FP, 20.05., ↪ Sächsische, 22.05., ↪ FP, 22.05., ↪ Sächsische, 23.05., ↪ FP, 23.05.)


Für die Wahl einer Oberbürgermeister*in in Chemnitz wurde der 20. September als neuer Termin des ersten Wahlgangs festgelegt. Da der ursprünglich geplante Termin pandemiebedingt nicht zu halten war, musste der Stadtrat ein anderes Datum finden. Ein womöglich erforderlicher zweiter Wahlgang wird demnach am 11. Oktober erfolgen. Für die AfD kandidiert der Bundestagsabgeordnete Ulrich Oehme. (↪ FP, 19.05.)


Der Bundestagsabgeordnete Lars Herrmann, der im Dezember 2019 aus der AfD ausgetreten ist, streitet sich mit seinem ehemaligen Kreisverband vor Gericht. Am Dienstag fand ein erster Verhandlungstermin am Amtsgericht Borna statt. Der Kreisverband Landkreis Leipzig fordert von Herrmann insgesamt 4.500 Euro ein, die sogenannte Mandatsträgerabgabe, die der Abgeordnete von April bis Dezember 2019 nicht an den Verband abgeführt hatte. Die Klage kommt von Herrmann selbst: Er meint, dass das Geld dem Landesverband zusteht, nicht dem Kreisverband. Ihn hatte er einst selbst angeleitet, mit der neuen Führung lag er dann über Kreuz. Seinen Austritt aus Partei und Fraktion begründete der Bundespolizist letztlich mit der Machtstellung des verfassungsfeindlichen Flügels. Das Gericht will bis 26. Juni eine Entscheidung finden. (↪ LVZ, 19.05.)


Im Gemeinderat von Lossatal (Landkreis Leipzig) ist René Falk als neues Mitglied verpflichtet worden. Falk ist Nachrücker für Jens Zaunick, der sein Mandat kürzlich niedergelegt hat, da er in einen Rechtsstreit mit dem kommunalen Wirtschaftsbetrieb verwickelt ist. Bei mehreren Ratsversammlungen hatte Zaunick zudem unentschuldigt gefehlt. (↪ LVZ, 20.05.)


Im Stadtrat von Pirna (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) hat die AfD gemeinsam mit den Freien Wählern eine Mehrheit. Die rechte Vormacht hat konkrete Folgen, das sah man zuletzt, als auf AfD-Initiative Fördermittel für den Zivilgesellschafts-Verein „Aktion Zivilcourage“ gekürzt wurden. Selbst die CDU bedauert diese Entscheidung. Weitere Reibungen sind schon vorprogrammiert, wenn der Stadtrat in diesem Jahr den nächsten Doppelhaushalt beschließt – hier sind erneut Streichungen nach Wunsch der AfD zu befürchten. So viel Einfluss hat die Partei nicht überall: In Chemnitz beispielsweise versucht sie ebenfalls, den Rotstift bei Fördermitteln anzusetzen, kann dort aber keine Mehrheiten organisieren. (↪ MDR, 21.05.)


Nach dem Ausscheiden des bisherigen AfD-Ratsmitglieds Frank Schröter aus dem Stadtrat von Auerbach (Vogtlandkreis) sind mehrere Ausschüsse des Gremiums neu besetzt worden. So wird künftig Tilman Matheja für die AfD im Ausschuss für Bildung, Kultur, Sport und Tourismus sitzen, sein Parteifreiund Jens Bunzel wird in den Aufsichtsrat der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft einziehen. Zur Kommunalwahl im vergangen Jahr hatte die AfD vier Sitze im Stadtrat errungen, der einzige mögliche Nachrücker ist jedoch erkrankt, sodass die Fraktion auf nur noch drei Mitglieder geschrumpft ist. (↪ FP, 22.05.)

AfD rundherum

Der AfD-Landesvorstand in Mecklenburg-Vorpommern hat den gesamten Rostocker Kreisvorstand abgesetzt. Dem Stadtverband wird vorgeworfen, gegen Beschlüsse der Landespartei verstoßen, eine „willkürliche Praxis bei der Mitgliederaufnahme“ betrieben und zahlreiche Aufnahmeanträge gar nicht bearbeitet zu haben. Insbesondere soll man Neumitglieder bevorzugt haben, die sich gegen den aktuellen Landesvorsitzenden Leif-Erik Holm stellen. Dieser gehört nicht zum Rechtsaußen-Flügel der Partei. Die Rostocker AfD wirft Holm nun vor, „unliebsame parteiinterne Kritiker kaltzustellen“ und eine „Säuberungswelle“ zu betreiben. Aus Rostocker Sicht hänge das mit einer Positionierung des Kreisverbandes zugunsten von Andreas Kalbitz zusammen. Tatsächlich sind die Verwerfungen in der MV-AfD aber schon etwas älter, seit Wochen fordern die Kreisverbände Rostock, Vorpommern-Rügen und Südwestmecklenburg die Einberufung eines Sonderparteitag, um verschiedene Entscheidungen des Landesvorstands zu kassieren. In den drei Verbänden ist knapp die Hälfte aller Mitglieder der Landespartei organisiert – Holm widersteht den Forderungen bisher. (↪ OZ, 22.05., ↪ Nordkurier, 22.05.)


Die AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus von Berlin hat ihrem Parlamentarischen Geschäftsführer Frank-Christian Hansel die Zuständigkeit für sämtliche Finanz- und Personalangelegenheiten entzogen. Am vergangenen Dienstag traf eine knappe Mehrheit der Abgeordneten die Entscheidung. Abgewählt wird Hansel demnach nicht, jedoch sind seine Kompetenzen damit stark beschnitten. Hintergrund soll der intransparente Umgang mit Fraktionsgeldern sein. Hansel gilt als enger Vertrauter des Fraktionschefs Georg Pazderski, der einer der wichtigsten Unterstützer des Parteivorsitzenden Jörg Meuthen ist. (↪ Berliner Morgenpost, 23.05.)


Die AfD-Landtagsfraktion in Bayern will einen Teil ihres Fraktionsvorstands abwählen. Derzeit wird ein entsprechender Antrag vorbereitet, der sich gegen die beiden Fraktionsvorsitzenden Katrin Ebner-Steiner und Ingo Hahn sowie den stellvertretenden Parlamentarischen Geschäftsführer Ferdinand Mang richtet. Bislang haben zwölf der insgesamt 20 AfD-Abgeordneten den Antrag unterzeichnet, damit entzieht mehr als die Hälfte der Fraktion ihrer eigenen Spitze das Vertrauen. Bei einer Fraktionssitzung am kommenden Mittwoch soll abgestimmt werden. Eine offizielle Verlautbarung zu den Gründen des aktuellen Zwists gibt es nicht, Ebner-Steiners Führungsstil wird intern aber schon länger kritisiert. Sie gilt als Flügel-Anhängerin und Vertraute Björn Höckes. Anscheinend gibt es nunmehr auch Friktionen im eigenen Lager: Einige der Abgeordneten, die den Abwahlantrag mittragen, galten bislang selbst als Flügel-nah. (↪ BR, 23.05., ↪ BR, 23.05., ↪ Merkur, 24.05.)

Blauzone

Der Trägerverein des neurechten Institut für Staatspolitik (IfS) ist wieder gemeinnützig. Zurückliegend hatte das örtlich zuständige Finanzamt Merserburg dem IfS, das durch das Bundesamt für Verfassungsschutz als „rechtsextremistischer Verdachtsfall“ eingestuft wurde, die Gemeinnützigkeit entzogen. Dagegen klagte der Verein vor dem Finanzgericht des Landes Sachsen-Anhalt und erhielt Recht. Die Entscheidung war bislang nicht öffentlich bekannt. Der Verein gibt die Zeitschrift Sezession des neurechten Publizisten Götz Kubitschek heraus, an der gleichen Adresse ist auch dessen Antaios-Verlag ansässig. Kubitschek ist eine zentrale Bezugsperson der völkisch-nationalistischen Kräfte in der AfD. (↪ Zeit, 14.05.)


Noch in diesem Jahr soll die Rundfunkgebühr, die jeder Haushalt entrichten muss, steigen – von 17,50 Euro auf 18,36 Euro pro Monat. Es wäre die erste Erhöhung seit rund zehn Jahren, vorausgesetzt, dass alle Bundesländer zustimmen. Bisher galt es als sicher, dass es so kommen wird; lediglich die AfD opponiert grundsätzlich gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk, sie kann die Erhöhung aber alleine nicht verhindern. Nun werden jedoch Stimmen in der sächsischen Union laut, die sich ebenfalls gegen die Erhöhung richten. Vorgeprescht ist der medienpolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion Andreas Nowak: Das Thema sei „intensiv bei uns in den Wahlkreisbüros präsent“, dies habe mit der Positionierung der AfD aber angeblich nichts zu tun. Nowak stört sich nach eigenen Angaben an inhaltlichen Äußerungen einzelner ARD-Journalist*innen, etwa des Monitor-Chefredakteurs Georg Restle. Auch die pandemiebedingte Wirtschaftsflaute spiele eine Rolle bei der Meinungsbildung der CDU-Fraktion, so Nowak. Mitglied der Fraktion ist auch Michael Kretschmer, der sächsische Ministerpräsident. Kretschmer hatte sich bereits für die Erhöhung ausgesprochen, seine Staatskanzlei koordiniert zudem die Medienpolitik der unionsgeführten Bundesländer. (↪ Dlf, 19.05.)


Im mittelfränkischen Höchstadt an der Aisch (Landkreis Erlangen-Höchstadt) ist am Montag vor einer Woche der SPD-Kommnunalpolitiker Günter Schulz mit Hilfe der AfD zum Zweiten Bürgermeister der Stadt gewählt worden. Bei der geheimen Abstimmung im Stadtrat erhielt er eine Stimme mehr, als erwartet, uns sie war wahlentscheidend. Inzwischen offenbarte sich Christian Beßler, der einzige AfD-Vertreter im Gremium, dass er den SPD-Mann gewählt habe. Auch beim Dritten Bürgermeister, Axel Rogner von der Jungen Liste (JL), die zu den Freien Wählern gehört, war das Abstimmungsergebnis das gleiche – und offenbar war auch hier die AfD-Stimme ausschlaggebend. Die beiden Gewählten haben es abgelehnt, ihre Ämter wieder abzugeben. Die bayrische SPD bereitet jetzt ein Ordnungsverfahren gegen ihr Mitglied Schulz vor, Ziel ist der Parteiausschluss. Rogner erfährt dagegen keine vergleichbare Kritik aus seiner Partei. (↪ SZ, 19.05., ↪ BR, 19.05., ↪ BSZ, 19.05., ↪ Welt, 20.05., ↪ RND, 21.05.)