Presseschau, 20. Kalenderwoche 2020

Erneut Proteste gegen die Pandemie-Eindämmung, Kritik am Innenminister, krimineller Sachverständiger, AfD begrüßt Parteineugründung, AfD-Ratsfrau bei NPD-Kundgebung, AfD will Geld von Bautzner*innen, Diesel soll „rehabilitiert“ werden, Bildungsbürgermeister-Kandidat, erfundene ICE-Strecke, Ermittlungsfortschritt zu Weidels Spendenaffäre, Austritt in Bayern, Verstoß im Bundestag, Kritik von Ex-Fraktionskollegin. Das war diese Woche wichtig:


In der Presseschau informiert idas jeden Sonntag über lesenswerte Medienberichte und Recherchen rund um die AfD, die im Laufe der Woche erschienen sind.


AfD in Sachsen

Die sächsische AfD hat sich wie bereits in der Vorwoche an verschiedenen Protestveranstaltungen gegen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie beteiligt und sie zum Teil selbst organisiert.

    • Bereits am vergangenen Sonntag beteiligten sich hunderte Menschen an einem „stillen Protest“ entlang der Bundesstraße 96 zwischen Zittau (Landkreis Görlitz) und der Kreisstadt Bautzen. Das Protestformat geht auf eine Facebookgruppe zurück. Einer der bisherigen Organisator*innen gibt an, dass die Aktionen „zunehmend von AfD und anderen rechten Gruppen unterwandert“ werden.

    • Am Montag kam es zu einer unangemeldeten Versammlung in Olbernhau (Erzgebirgskreis). Dort hatte zuvor ein AfD-Stadtratsmitglied eine Anmeldung vornehmen wollen. In Frankenberg (Landkreis Mittelsachsen) organisierte die örtliche AfD-Stadtratsfraktion um Fraktionschef Frank Urbanek eine Kundgebung. In Döbeln (Landkreis Mittelsachsen) beteiligten sich mehrere AfD-Stadtratsmitglieder an einem Aufzug, zu dem ursprünglich die NPD aufgerufen hatte. In Eilenburg (Landkreis Nordsachsen) fand eine Kundgebung des örtlichen AfD-Kreisverbandes statt. In Radeberg (Landkreis Bautzen) nahmen mehrere AfD-Stadtratsmitglieder an einem Aufzug teil. In Riesa (Landkreis Meißen) hatte die AfD zu einer Kundgebung aufgerufen, Treffpunkt war das Büro des Landtagsabgeordneten Carsten Hütter. In der Kreisstadt Görlitz liefen AfD-Anhänger*innen bei einem unangemeldeten Aufzug mit, darunter das Stadtratsmitglied Jens Jäschke. In der Kreisstadt Meißen waren Mitglieder und Mandatsträger der Partei an einem „Spaziergang“ beteiligt.

    • Am Dienstag begann eine regelrechte Kundgebungstour der AfD in Weißenborn, Lichtenberg (beide Erzgebirgskreis) und Mulda (Landkreis Mittelsachsen).

    • Sie wurde am Mittwoch in den mittelsächsischen Orten Eppendorf, Brand-Erbisdorf, Oederan und Flöha fortgesetzt. Hier gab es allerdings jeweils wenig Zulauf. Anders in Pirna (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge), wo es anlässlich eines nicht angemeldeten Aufzugs wie bereits früher zu Angriffen auf die Polizei kam. Die dortige Protestserie war durch die AfD lanciert worden.

    • Am Freitag demonstrierte die AfD in Dresden, anwesend war unter anderem der Landes- und Fraktionschef Jörg Urban. In den mittelsächsischen Orten Sayda, Rechenberg-Bienenmühle und Frauenstein kam es wiederum zu einer Kundgebungsserie, die durch die beiden Landtagsabgeordneten Romy Penz und Rolf Weigand organisiert wurde. Zu einer Kundgebung in Roßwein im gleichen Landkreis hatte unterdessen das AfD-Stadtratsmitglied Jens Tamke aufgerufen.

    • Am Sonnabend nahmen schließlich in der Kreisstadt Bautzen zahlreiche AfD-Anhänger*innen an einer Kundgebung teil, vor Ort war unter anderem der Bundestagsabgeordnete Karsten Hilse.

(↪ Sächsische, 10.05., ↪ FP, 11.05., ↪ Sächsische, 11.05., ↪ FP, 13.05., ↪ Sächsische, 12.05., ↪ LVZ, 12.05., ↪ Sächsische, 12.05., ↪ Sächsische, 12.05., ↪ Sächsische, 12.05., ↪ FP, 12.05., ↪ FP, 14.05., ↪ Sächsische, 14.05., ↪ Sächsische, 15.05., ↪ FP, 15.05., ↪ Sächsische, 15.05., ↪ Sächsische, 16.05.)


Die sächsische AfD hat Teilnehmer*innen von Protesten gegen Anti-Corona-Maßnahen gegen die Kritik des Innenministers Roland Wöller (CDU) in Schutz genommen. Es sei „absurd und bösartig“, die Beteiligten „als Extremisten zu beschimpfen“, sagte der Landes- und Fraktionschef Jörg Urban. Er reagierte damit auf ein Interview Wöllers, das keine Beleidigungen enthielt. Vielmehr hatte er darauf hingewiesen, dass sich an den Protestaktionen auch Persinen aus dem „extremistischen Bereich“ beteiligen. (↪ FP, 12.05.)


Die AfD-Landtagsfraktion in Bayern hat den sächsischen AfD-Politiker Daniel Zabel als Sachverständigen für Arbeitsbedingungen im Justizvollzug benannt und am Donnerstag in München in einer Sitzung des Justizausschusses angehört. Zabel, von Beruf Justizvollzugsbediensteter, machte 2018 von sich reden, weil er einen Haftbefehl gegen einen tatverdächtigen Geflüchteten in Umlauf gebracht hatte. Dafür wurde er zu einer Bewährungsstrafe verurteilt und ist seitdem vom Dienst suspendiert. Damals trat er in der AfD ein und ist heute Mitglied im sächsischen Landesvorstand. Gegen Zabel ist ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Körperverletzung im Amt anhängig. Ihm wird vorgeworfen, gemeinsam mit anderen sächsischen Justizbeamten Strafgefangene misshandelt zu haben. (↪ Merkur, 12.05., ↪ SZ, 14.05.)


Die sächsische AfD hat sich erstmals offiziell zur Parteineugründung „Widerstand 2020“ geäußert. Eine mögliche Zusammenarbeit sei „derzeit kein Thema“, sagte Andreas Harlaß, Pressesprecher des AfD-Landesverbands. Man begrüße jedoch „jede neue politische und demokratische Initiative in Sachsen, die geeignet ist, die verkrusteten Strukturen der Altparteien weiter aufzubrechen“, sagte er. (↪ Sächsische, 13.05.)


Die AfD-Kommunalpolitikerin Sylvia Vodel, Mitglied des Stadtrats von Thalheim (Erzgebirgskreis), wirft der Polizei unverhältnismäßigen Gewalteinsatz vor. Sie und ihr Ehemann seien am 1. Mai in Aue Opfer von Polizeiübergriffen geworden, behauptet sie. Dort war eine größere Ansammlung von Personen eingekesselt worden, die versucht hatten, sich Zugang zu einer nahegelegenen Versammlung zu erzwingen. Nach Darstellung der Polizei war die Gruppe uneinsichtig und reagierte nicht auf Ansprachen, daher wurden Personalien festgestellt und Anzeigen wegen Verstoßes gegen die Corona-Schutz-Verordnung aufgenommen. Die Versammlung, an der die AfD-Ratsfrau teilnehmen wollte, war von der NPD angemeldet worden. (↪ FP, 13.05.)


Offiziell wendet sich die AfD gegen die Erhöhung von Steuern und Abgaben aller Art. Die Stadtratsfraktion in Bautzen schlägt nun eine Zahlung vor, die Einwohner*innen der Stadt „freiwillig“ leisten sollen. Von „patriotischer Solidarität“ ist in einem entsprechenden Antrag die Rede . Es bleibt unklar, wofür das eingesammelte Geld eingesetzt werden soll. Darüber hinaus will die Fraktion auch Mittel aus dem Programm „Partnerschaft für Demokratie“ umleiten, um es für Tourismus, Gastronomie und Handelsgewerbe einzusetzen. (↪ Sächsische, 13.05.)


Im Stadtrat der Landeshauptstadt Dresden fordert die AfD-Fraktion, „dass alle Beschränkungen, die zur Bekämpfung des Corona-Virus erlassen wurden, sofort beendet werden“. Damit würden sämtliche Hygienevorgaben ersatzlos entfallen. Weitere Vorschläge sind in einem 12-Punkte-Papier der Fraktion enthalten, die mit der Pandemie und der Bewältigung ihrer Folgen teils wenig zu tun haben. So wird unter anderem gefordert, dass Diesel-Fahrzeuge „rehabilitiert“ und Flächen für Parkplätze erhalten werden müssen. Ferner sollen die Russlandsanktionen beendet werden. (↪ Sächsische, 13.05.)


Die AfD-Stadtratsfraktion in Dresden hat einen eigenen Kandidaten für das Amt der Bildungsbürgermeister*in der Landeshauptstadt vorgeschlagen. Dabei handelt es sich um Boris Hollas. An der örtlichen Hochschule für Technik und Wirtschaft besetzt er die Professur für Künstliche Intelligenz und Theoretische Informatik. Für die AfD sitzt er im Beirat der parteinahen Desiderius-Eraismus-Stiftung. Ernsthafte Chancen auf den hauptamtlichen Kommunalposten hat Hollas jedoch nicht, das Vorschlagsrecht liegt bei der CDU. (↪ DNN, 14.05.)


Der AfD-Landtagsabgeordnete Sebastian Wippel hat die geplante ICE-Verbindung von Berlin über Weißwasser, Görlitz und Zittau nach Polen kritisiert. Es handle sich um ein Beispiel für „teure Protz-Projekte“ und „Geldverbrennen“. Allerdings: Eine durch Wippel insbesondere angegriffene ICE-Verbindung zwischen Görlitz und Zittau plant derzeit niemand, die von ihm aufgeführte zusammenhängende Verbindung wird es so nicht geben. Tatsächlich werden einzelne Streckenabschnitte zwischen Cottbus und Görlitz sowie von Dresden über Bautzen und Görlitz bis an die polnische Grenze elektrifiziert. Finanziert werden soll das mithilfe von Fördermitteln für den Kohleausstieg. (↪ Sächsische, 14.05.)

AfD rundherum

Bei den Ermittlungen zur Parteispendenaffäre um die heutige Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion Alice Weidel gibt es eine neue Spur. So sollen Kontodaten, die in der Schweiz sichergestellt wurden, den Verdacht auf den Duisburger Immobilienmilliardär Henning Conle als geheimen Gönner lenken. Das hatten bereits frühere Medienrecherchen nahegelegt. Im Bundestagswahlkampf 2017 waren aus der Schweiz heraus gestückelte Beträge in einer Gesamthöhe von rund 132.000 Euro an Weidels Kreisverband geflossen. Transferiert wurde das Geld durch zwei Schweizer Pharmafirmen, angebliche Gönner*innen hinter der Zuwendung erwiesen sich später als Strohleute. Inzwischen hat die Schweizer Justiz nach einem längeren Rechtsstreit einem Rechtshilfeersuchen der Staatsanwaltschaft Konstanz nachgegeben und Unterlagen übermittelt. Ihnen zufolge waren den Spenden tatsächlich Überweisungen durch Conle vorausgegangen. (↪ Spiegel, 11.05., ↪ Report Mainz, 11.05., ↪ Tagesschau, 11.05.)


Der bayrische AfD-Politiker Jürgen Steinhäuser hat alle Parteiämter niergelegt und ist aus der Partei ausgetreten. Er war im Kreisverband Dachau organisiert und seit Herbst vergangenen Jahres zudem Beisitzer im AfD-Landesvorstand. In seiner Austrittserklärung beklagt er sich über „Machtkämpfe und Intrigen“. Die Vorstandsarbeit bezeichnet er als „peinlich“, die AfD insgesamt als eine Partei der „Besserwisser, Querulanten und Nörgler, Karriere- und Postengeilen“. (↪ SZ, 12.05.)


Mitglieder der AfD-Bundestagsfraktion haben Abstandsregeln, die im Plenarsaal gelten, erneut demonstrativ missachten. Während der Plenarsitzung am Donnerstag standen bis zu 15 Abgeordnete dicht beineinander, teils auch im Eingangsbereich. Sie ignorierten dabei mehrmalige Aufforderungen, das zu unterlassen. Der Verabredung der Bundestagsfraktionen, gekennzeichnete Plätze einzunehmen, Abstand zu halten und Saalzugänge freizuhalten, hatte vormals auch die AfD zugestimmt. (↪ t-online.de, 14.05.)


Die fraktionslose sächsische Bundestagsabgeordnete Verena Hartmann, die Anfang des Jahres aus der AfD-Fraktion und der Partei ausgetreten ist, hat die vorgebliche Auflösung des Flügels als „nichts anderes als Augenwischerei“ bezeichnet. „Denn was passiert denn, wenn ich etwas Braunes in klarem Wasser auflöse? Es bleibt eine trübe Brühe“, sagte sie. Der Flügel strebe unverändert die „totale Machtübernahme“ in der Partei an. Mit ähnlichen Bemerkungen hatte sie zuvor bereits ihre Abwendung von der AfD begründet. (↪ BR, 15.05.)