Glückwunsch an Holocaust-Leugnerin: Jäschke fliegt aus Görlitzer Fraktion

Die Stadtratsfraktion der AfD in Görlitz hat ihren stellvertretenden Vorsitzenden Jens Jäschke ausgeschlossen. Kürzlich gratulierte er der verurteilten Holocaust-Leugnerin und bekennenden Nationalsozialistin Ursula Haverbeck zu Freilassung aus der Strafhaft. Jäschke hat sich entschuldigt – aber nicht distanziert. An der Fraktionsspitze steht unverändert das Ex-NPD-Mitglied Lutz Jankus.


Beitrag vom 10.11.2020, 14:40 Uhr │ Im Bild: Jens Jäschke, hier gemeinsam mit Alice Weidel, Vorsitzende der AfD-Bundestagsfraktion.


Entschuldigung für „vermeintlichen Fehler“

Die AfD-Fraktion im Stadtrat von Görlitz trennt sich von Jens Jäschke. Man habe ihn „mit sofortiger Wirkung aus der Fraktion ausgeschlossen“, informierte der Fraktionsvorsitzende Lutz Jankus gestern Abend in einer kurzen Erklärung, die nur einen Satz umfasst. Als Grund werden darin „Glückwünsche an U. Haverveck“ angegeben. Gemeint ist die bundesweit bekannte Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck, eine Ikone der Neonaziszene. Die 91-Jährige, die sich offen zum Nationalsozialismus bekennt, ist erst vor wenigen Tagen auf freien Fuß gesetzt worden, nachdem sie seit Mai 2018 eine Haftstrafe wegen Volksverhetzung in insgesamt zehn Fällen verbüßt hatte. Die rechte Szene widmet ihr eine ausgedehnte Solidaritäts-Kampagne, auch am Rand von Pegida-Kundgebungen wird immer wieder einschlägiges Material verteilt. Gegen die Seniorin sind bereits weitere Verfahren anhängig.

Offenbar hatte Jens Jäschke die Haftentlassung auf seiner persönlichen Facebook-Seite begrüßt, ein entsprechender Beitrag ist dort inzwischen nicht mehr auffindbar. Stattdessen veröffentlichte der 53-Jährige am Samstag eine Entschuldigung für sein „fehlerhaftes Verhalten“, durch das die Stadtratsfraktion „in Mithaftung“ gekommen sei. Er habe sich „mit der Quelle dazu nicht ausführlich beschäftigt“. Damit schien der Vorgang zunächst erledigt zu sein. Unter den wenigen Kommentatoren war mit Jan-Oliver Zwerg der Generalsekretär der sächsischen AfD: „Gut so. Fehler eingestanden und entschuldigt“. Die Stadtratsfraktion beriet den Fall jedoch am Montag und zog daraus Konsequenzen. Jäschke kommentierte seinen Ausschluss daraufhin mit den Worten, er werde „abgestraft“ für einen „vermeintlichen Fehler“.

Seine „unüberlegte Handlung“ habe darin bestanden, einen Beitrag geteilt zu haben „ohne ihn zu lesen“ – von Haverbeck und ihrem Gedankengut hat sich Jäschke demnach nicht ausdrücklich distanziert. Dem Stadtrat will er weiter angehören, nach eigenen Worten als fraktionsloser „Einzelkämpfer“. Die Görlitzer AfD-Fraktion schrumpft damit auf zwölf Mitglieder, bleibt aber stärkste Kraft im Stadtrat. Bekanntestes Mitglied ist der Landtagsabgeordnete Sebastian Wippel, der sich erst kürzlich für „Internierungslager“ aussprach. Jäschke hatte für das Gremium erstmals 2014 kandidiert, damals für eine örtliche Wählervereinigung. Erfolg hatte er erst bei der Kommunalwahl im vergangenen Jahr, auf der Liste der AfD. Seither fungierte der Antiquitätenhändler, der auch Ferienwohnungen vermietet, sogar als stellvertretender Fraktionschef. Unklar ist, ob er auch Parteimitglied wurde. Fest steht, dass er an einer ganzen Reihe von AfD-Veranstaltungen teilnahm.

Für krude Äußerungen bekannt

Ungelenke Äußerungen hatten Jäschke wiederholt Kritik eingebracht, ohne dass Partei oder Fraktion einschritten. So verteidigte er kurz vor der Stadtratswahl den geringen Frauenanteil unter den Kandidierenden: „Die Frauen in der AfD haben einen familiär ausgeprägten Sinn und unterstützen ihre Männer auf diese Art und Weise.“ Eine stärkere Beteiligung zu fordern laufe darauf hinaus, „Frauen aus der Familie zu entfernen und in der Politik zu verheizen“. Anfang 2020 reagierte er auf Medienberichte über den Lastwagen eine Möbelspedition, der mit dem Fraktur-Schriftzug „Führerhaus – Besatzung spricht deutsch“ versehen war. „Weil ein Unternehmen auf die Nationalität hinweist und auf die Sprache, die die Fahrer sprechen, ist man ein dummer Faschist?“, fragte er dazu in einem Facebook-Kommentar.

Zum Jahrestag der Bombardierung Dresdens am 13. Februar äußerte er sich dann eindeutig geschichtsrevisionistisch, schrieb von einem „willkürlichen“ und dem „unfairsten ‚Kriegseinsatz‘ der sogenannten ‚Alliierten Großmächte‘ an der deutschen, unschuldigen zivilen Bevölkerung“. Wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse, wonach dabei maximal 25.000 Menschen ums Leben kamen, seien untertriebene Angaben aus „volksfremden Medien“. Im März machte er sich über das Corona-Virus lustig und beteiligte sich danach an mehreren teils unangemeldeten Versammlungen gegen die Eindämmung der Pandemie. Dennoch entsandte ihn der Stadtrat in den Vorstand des Städtischen Klinikums Görlitz, diesen Posten besetzt er nach wie vor. Sein Facebook-Profil schmückte zuletzt der Schriftzug „White Lives Matter“.

Die Fall Jäschke dürfte der AfD einigermaßen unangenehm sein, erinnert er doch an eine andere Personalie. Erst im August war bekannt geworden, dass mit Lutz Jankus der Vorsitzende der gleichen Stadtratsfraktion vormals bei der neonazistischen NPD aktiv war und deshalb nicht in die AfD aufgenommen worden ist. Einer Kandidatur für die Partei stand das jedoch nicht entgegen. Jankus ist auch weiterhin Fraktionschef, nur einen neuen Stellvertreter muss er sich jetzt suchen.