Schlimmer als die „Altparteien“

Die meisten sächsischen AfD-Abgeordneten sitzen noch kein Jahr im Landtag. Manche fallen dort kaum auf, haben aber schon Zuverdienste in sechsstelliger Höhe eingestrichen – zusätzlich zu ihren Diäten. In einigen Fällen scheint das Mandat nur eine ausgefallene Nebentätigkeit zu sein. Trotzdem schimpft man ausführlich über das Finanzgebaren der politischen Konkurrenz.

Gierig sind immer nur die anderen

Mit Vorwürfen an die Konkurrenz spart die AfD nicht. Schon gar nicht, wenn es ums Geld geht: Dann ist von „Schmarotzertum“ die Rede. Als Anfang des Jahres die Pläne der Sachsen-Koalition bekannt wurden, Diäten von Landtagsabgeordneten und deren Budget für persönliche Mitarbeiter*innen aufzustocken, schimpfte die AfD-Fraktion über die „Selbstbedienungsmentalität“ der „Altparteien“. Pandemiebedingt liegt dieser Plan auf Eis. Auf einen neuen Vorstoß, die Parlamentsfraktionen besser auszustatten, gab es eine vergleichbare Reaktion. „In Zeiten der Corona-Krise, in der hunderttausende Sachsen mit deutlichen Einbußen über die Runden kommen müssen, ist dieser Griff in die Staatskasse besonders geschmacklos“, hieß es kürzlich in einer Mitteilung der AfD.

Außerdem warnte die Fraktion vor Beginn der Sommerpause noch vor „schwerwiegenden Interessenskonflikten bei Politikern, wenn sie nach ihrer Amtszeit in die Wirtschaft wechseln“ – so einen „Drehtüreffekt“ müsse man verhindern. Doch die Sorge der AfD ums Geld hat gleich mehrere Haken. Was staatliche Mittel angeht, profitiert sie als zweitstärkste Fraktion besonders stark von ihnen. Weder die Partei, noch deren Abgeordnete verzichten darauf. Und was wirtschaftliche Verflechtungen im politischen Betrieb angeht, sind sie bei der sächsischen AfD-Fraktion viel stärker ausgeprägt als bei den stets gescholtenen „Altparteien“. Die Gefahr von schwerwiegenden Interessenskonflikten ist real, sie kommt allerdings auch von rechtsaußen.

Wie eine aktuelle idas-Datenauswertung zeigt, sind nämlich besonders viele AfD-Abgeordnete neben ihrem Mandat geschäftstüchtig – als Selbständige und Freiberufler*innen, als Angestellte in einem Zweitjob oder auch durch die Beteiligung an Firmen. Seit Beginn der Wahlperiode im Herbst vergangen Jahres haben 23 der 38 AfD-Landtagsmitglieder veröffentlichungspflichtige Angaben zu gewerblichen Verbindungen jenseits des Parlaments gemacht. Das sind mehr als 60 Prozent dieser Fraktion. Zum Vergleich: Bei der CDU-Fraktion betrifft das nur rund die Hälfte der Abgeordneten, inklusive dem Ministerpräsidenten und fünf Minister*innen. In den weitaus kleineren Koalitionsfraktionen von SPD und Grünen gibt es nur jeweils drei solcher Fälle, bei den Linken keinen. Bezogen auf das gesamte Landesparlament haben 44 Prozent ein zweites Standbein in der Wirtschaft, ohne die AfD wäre es sogar nur ein gutes Drittel.

AfD hat mehrere Großverdiener

Das zahlt sich in vielen Fällen aus. Zwölf der AfD-Abgeordneten – das betrifft fast jedes dritte Fraktionsmitglied – haben seit der Landtagswahl zusätzlich zu ihren Diäten bereits meldepflichtige Extra-Einnahmen generiert. Dem Landtag müssen die Nebenverdienste mitgeteilt werden, wenn sie monatlich mehr als 1.000 Euro oder jährlich mehr als 10.000 Euro brutto betragen. Genaue Summen werden dabei nicht genannt, sondern die Bezüge in grobe Stufen eingeteilt. Zusammengerechnet hat das AfD-Dutzend nach nicht einmal einem Landtags-Jahr schon einen Gesamtbetrag im oberen sechsstelligen Bereich eingestrichen, mindestens.

Dafür sind vor allem vier Großverdiener unter den Rechtsradikalen verantwortlich:

René Hein ist so ein Fall. Das 54-jährige Ex-SED-Mitglied lebt in Radebeul (Landkreis Meißen), ist Hobbyjäger und für die AfD-Fraktion der fachpolitische Sprecher für Jagd, Wald, Forst. Er sitzt im Ausschuss für Energie, Umwelt und Landwirtschaft. Einmal allerdings, das ist noch keinen Monat her, kam er in einer Plenarrede auf ein ganz anderes Thema zu sprechen und bezeichnete die Abwrackprämie für Autos als „reine Steuergeldvernichtungsmaschine“. Es gehe nach hinten los, „wenn der Staat sich zu sehr in die Marktwirtschaft einmischt“. Hein sprach dabei nicht nur aus Erfahrung, sondern offensichtlich in eigenem Interesse: Seit Anfang der 1990er Jahre handelt er mit Gebrauchtwagen. Seitdem er im Landtag sitzt, strich er damit zwischen 181.500 und 377.500 Euro ein – deutlich mehr, als er in dieser Zeit an Diäten bezog.

Gut liefen die Geschäfte bisher auch für Volker Dringenberg. Der 48-Jährige kommt ursprünglich aus Lübeck, wohnt in Chemnitz und arbeitet dort seit 2006 als Rechtsanwalt mit eigener Kanzlei. Nachdem er im vergangenen Jahr in den Landtag einzog, wurde er Sprecher der AfD-Fraktion für Recht und Verfassung, sitzt auch im Parlamentsausschuss zu diesem Themengebiet. Praktiziert er nebenbei noch selber? Als selbständiger Rechtsanwalt war er „bis 2019“ tätig, ist seiner Landtags-Profilseite zu entnehmen. Nach aktuellen Angaben der zuständigen Anwaltskammer ist er nach wie vor zugelassener Anwalt. Die nach ihm benannte Kanzlei ist problemlos zu erreichen, neben dem Hauptsitz Chemnitz an vier weiteren Standorten. Dahinter steht eine Personengesellschaft, die der Abgeordnete gemeinsam mit seiner Ehefrau führt. Den persönlichen Gewinn, den Dringenberg dadurch Ende vergangenen Jahres verbuchen konnte, bezeichnete er gegenüber dem Landtag mit „Stufe 8“ – das sind 100.000 bis 150.000 Euro. Und: Auch nachdem er Abgeordneter wurde betreut er weiterhin Mandant*innen.

Mehr handwerklich veranlagt ist Roberto Kuhnert. Der 57-Jährige aus Weißwasser (Landkreis Görlitz) gilt als einer der unauffälligsten AfD-Abgeordneten, bedeutsam dürfte er eher hinter den Kulissen sein als ein enger Unterstützer des heutigen Co-Parteichefs Tino Chrupalla. Wer in Chrupallas Büro in Weißwasser anruft, bekommt Kuhnerts Ehefrau zu sprechen, die dort angestellt ist. Kurios: Im Landtag ist Roberto Kuhnert AfD-Sprecher für Bergbau, mit dem Thema hatte er zuletzt zu DDR-Zeiten zu tun, als er einige Jahre als Monteur in der Lausitzer Braunkohleindustrie tätig war. Zudem sitzt er im Parlamentsausschuss für Haushalt und Finanzen, auch das ist nicht ganz sein Metier. Vielmehr arbeitet er seit 2012 als selbständiger Baudienstleister. Im aktuellen Jahr hat er bereits drei größere Bauaufträge für Betreiber*innen für Tankstellen erledigt – sie brachten ihm persönlich unterm Strich zwischen 80.000 und 135.000 Euro ein.

Ebenfalls ein Handwerker ist Tobias Keller aus Leipzig, auch wenn man das nicht gleich vermutet. Für die AfD-Fraktion ist der 56-Jährige nämlich verkehrspolitischer Sprecher, zudem wurde er zum stellvertretenden Vorsitzenden des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Verkehr gewählt. Eine Handvoll Anfragen hat er zu entsprechenden Themen bislang eingereicht, allerdings noch keine einzige Plenarrede gehalten. Er fristet damit das Dasein eines Hinterbänklers. Bevor er in den Landtag kam, arbeitete er als Gas-Wasser-Installateur, seit 1997 als Meister, seit 1999 mit einer eigenen Firma für Sanitär- und Heizungsarbeiten. Zwar hat Keller gegenüber dem Landtag bisher nur Nebeneinkünfte deklariert, die er in den letzten drei Monaten des vergangenen Jahres erzielte – doch in der Summe waren das zwischen 54.000 und 112.000 Euro. Nach Auskunft der Leipziger Handwerkskammer ist sein Innungsbetrieb weiterhin aktiv.

Bekanntes Muster

Alle Werte sind Momentaufnahmen und könnten im weiteren Verlauf der Wahlperiode noch deutlich steigen. Generell sind solche Zuverdienste den Landtagsmitgliedern auch nicht verboten. Für viele ist das Mandat aber ein Vollzeitjob, ihre üppigen Diäten begründen sich außerdem damit, sie möglichst unabhängig gegenüber finanziellen Verlockungen von Interessengruppen zu machen. Deswegen müssen wirtschaftliche Abhängigkeiten gemeldet, Extrabezüge in bestimmten Größenordnungen angegeben werden. So war es bereits in der vergangenen Wahlperiode gewesen, nachdem die AfD erstmals ins Landesparlament einzogen war, mit anfänglich 14 und zuletzt neun Abgeordneten. Drei von ihnen hatten damals meldepflichtige Nebeneinkünfte, also ein Drittel der Fraktion, fast der gleiche Anteil wie jetzt.

Schon damals war dieser Anteil höher als in allen anderen Landtagsfraktionen, und auch damals gab es bei der AfD Spitzenverdiener*innen. Auf dem ersten Platz stand am Ende Silke Grimm, die neben ihrem Mandat noch ein Reisebüro und einen Busbetrieb am Laufen hielt. Um beides besser vereinbaren zu können, richtete sie ihr Abgeordnetenbüro ganz in der Nähe ihrer Reiseagentur ein. Dadurch verdiente sie über fünf Jahre hinweg mindestens eine halbe Million Euro hinzu. Kreativ ging auch Carsten Hütter vor, dessen Mindesteinkünfte aus dem eigenen Autohaus mit angeschlossener Kfz-Werkstatt sich von 2014 bis 2019 auf etwa eine Viertelmillion Euro addierten. Als er sein erstes Abgeordnetenbüro einrichtete, handelte es sich um die Anschrift seiner Werkstatt. Die dort angestellte Prokuristin des Betriebs wurde zugleich seine persönliche Mitarbeiterin. Mehr Verflechtung geht kaum.

Besonderen Stress bereitete das Hütter nach eigenen Angaben nicht. Seinen Arbeitsaufwand als Geschäftsführer bezifferte er 2016 gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung mit nur einer Stunde am Tag. So blieb ihm wohl genügend Zeit, noch eine weitere Einkommensquelle zu erschließen: Ab Mitte 2018 war er ein halbes Jahr lang bei einem Bundestagsabgeordneten der AfD als Mitarbeiter angestellt, parallel zur eigenen Abgeordnetentätigkeit in Sachsen. Mit Autos handelt Hütter immer noch. Seitdem er im Herbst 2019 erneut in den Landtag eingezogen ist, hat er dadurch wiederum zwischen 11.500 und 35.000 Euro hinzuverdient.