Presseschau, 25. Kalenderwoche 2020

Verfassungsschutz schweigt, Oehme bereut, Protest in Radebeul, Austritt in Görlitz, sinkende Zustimmung, Rücktritt in Borna, separates Gedenken in Chemnitz, Hassrede in Leipzig, Ausschluss in Bayern, Mitgliederentscheid vergeigt, Rückzug in Brandenburg, Machtkampf im Landtag, Immunität aufgehoben, Burschenschafter im Bundestag, neuer Druck in Parteispendenaffäre, gespaltene Stimmung beim Konvent. Das war diese Woche wichtig:


In der Presseschau informiert idas jeden Sonntag über lesenswerte Medienberichte und Recherchen rund um die AfD, die im Laufe der Woche erschienen sind.


AfD in Sachsen

Das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) will sich nicht öffentlich dazu äußern, ob nach Thüringen und Brandenburg auch die hiesige AfD-Landespartei als rechtsextremistischer „Verdachtsfall“ eingestuft wird. Nach Angaben des Innenministers Roland Wöller (CDU) dürfte das hiesige LfV erst dann öffentlich berichten, wenn sich ein etwaiger Verdacht bereits erhärtet hätte. Das jedenfalls sei bislang nicht der Fall. Die sächsische AfD wiederum rechnet mit einer Beobachtung. Dies sei nur eine Frage der Zeit, sagte Parteichef Jörg Urban der Freien Presse. (↪ LVZ, 15.06., ↪ FP, 15.06., ↪ MDR, 15.06.)


Der sächsische AfD-Bundestagsabgeordnete Ulrich Oehme hat die Finanzierung seiner Reise auf die annektierte Krim durch die russische Duma als Fehler bezeichnet. Er habe erst im Nachhinein erfahren, wer die Kosten dafür trägt, sagte Oehme der Freien Presse. Bei seiner Visite im März 2018 fungierte der Abgeordnete als selbsternannter „Wahlbeobachter“ und attestierte der Durchführung der russischen Präsidentschaftswahl, die als völkerrechtswidrig erachtet wird, einen angeblich ordnungsgemäßen Ablauf. Spekulationen, wonach die russische Seite Einfluss auf seine Position genommen habe, weist Oehme zurück. Er hält auch an seiner Einschätzung fest, von der Wahl „angenehm überrascht“ gewesen zu sein. Der sächsische AfD-Landesvorsitzende Jörg Urban verteidigt seinen Parteifreund: „Vertreter verschiedener Länder wurden von Russland um Teilnahme an der Wahlbeobachtung gebeten. Die AfD kam dieser Bitte im Gegensatz zu anderen Parteien, wie der CDU, nach.“ Einzelheiten zu Oehmes Reise waren in der Vorwoche bekannt geworden. Derzeit bereitet er sich auf die Kandidatur zur OBM-Wahl in Chemnitz vor. (↪ FP, 15.06.)


Bei einer Sondersitzung des Stadtrats von Radebeul (Landkreis Meißen) ist am Montagabend Gabriele Lorenz zur neuen Kulturamtsleiterin gewählt worden. Auf sie entfielen 22 Stimmen der insgesamt 34 anwesenden Ratsmitglieder. Bei der Abstimmung war sie die einzige Kandidatin, da der rechtsradikale Schriftsteller Jörg Bernig seine Kandidatur zurückgezogen hat. Er hatte einen früheren Wahlgang knapp gewonnen, maßgeblich waren Stimmen von CDU und AfD gewesen. Nach öffentlicher Kritik an neurechten Positionen Bernigs legte der Oberbürgermeister die Auswahl einer Kandidat*in dann erneut zur Entscheidung vor. Vor Beginn der Ratssitzung, auf der die nunmehr endgültige Entscheidung fiel, demonstrierte die AfD. Der Meißner Landtagsabgeordnete Thomas Kirste hatte eine Kundgebung angemeldet, mehrere dutzend Menschen schlossen sich an. Gezeigt wurden Schilder mit Aufschriften wie „Droht Bernig die Deportation?“ und „Grüne Faschisten aus dem Stadtrat entfernen“. (↪ Sächsische, 15.06., ↪ LVZ, 15.06., ↪ Sächsische, 16.06.)


Der Kommunalpolitiker Hans-Gerd Hübner ist aus der AfD ausgetreten. Er war Gründungsmitglied des AfD-Kreisverbandes Görlitz und bis zuletzt Vorsitzender der Fraktion im dortigen Kreistag. Konkrete Gründe für den Austritt nannte Hübner auf Nachfrage nicht, bekannt wurde bislang nur, dass er sich zu wenig beachtet gefühlt habe. Er galt als ein Gegenspieler des heutigen Parteivorsitzenden Tino Chrupalla. Im vergangenen Jahr scheiterte Hübner daran, sich als Direktkandidat zur Landtagswahl aufstellen zu lassen. (↪ Sächsische, 16.06.)


Die AfD hat im Kreistag von Zwickau versucht, einem Zivilgesellschaftsverein die finanzielle Unterstützung durch den Landkreis streitig zu machen. Insgesamt erhalten fünf Vereine einen Zuschuss in Höhe von jeweils bis zu 5.000 Euro, vorgesehen für Projekte und Veranstaltungen, die sich gegen Diskriminierung und für Toleranz einsetzen. Die Entscheidungen fielen im Hauptausschuss des Kreistags. Dort verlangte das AfD-Mitglied Daniel Dölitzsch, den Verein „Roter Baum“ leer ausgehen zu lassen. Dölitzsch führte dazu aus, der Verein habe sich vor fünf Jahren bei einem Festival engagiert, bei dem auch eine Musikgruppe aufgetreten sei, die wiederum ein Lied im Repertoire habe, das „gewaltverherrlichende Fantasien“ enthalte. Doch mit dieser langen Argumentationskette setzte sich die AfD nicht durch, der „Rote Baum“ erhält vielmehr die volle Fördersumme. (↪ FP, 16.06.)


Baldur Blume, AfD-Gemeinderatsmitglied im Borsdorfer Ortsteil Panitzsch (Landkreis Leipzig), hat eine Bürgerinitiative gegründet, die sich unter anderem gegen die Errichtung eines Aldi-Einkaufsmarkts in dem Ort richtet. Der BI-Mitgründer an Blumes Seite heißt Gerd Fritzsche – ein ehemaliger NPD-Politiker, der für die Neonazi-Partei auch im Kreistag saß. (↪ LVZ, 16.06.)


Die AfD verliert in Sachsen an Zustimmung. Einer landesweiten Trendprognose des Internetportals Wahlkreisprognose.de zufolge könnte die Partei, wenn jetzt Landtagswahlen wären, mit 26 Prozent der Zweitstimmen rechnen, anderthalb Punkte weniger als zur Wahl im vergangenen Jahr. Noch deutlicher zeigt sich der Abschwung bei den Erststimmen: Sachsenweit würde die AfD sechs Direktmandate in den Wahlkreisen erringen, 2019 waren es 15 gewesen. In seinem Bautzner Wahlkreis würde AfD-Landeschef Jörg Urban 34,5 Prozent der Stimmen erhalten, rund zwei Punkte weniger. Grund für die Verschiebungen sind vor allem steigende Zustimmungswerte für die CDU. Umgerechnet auf die theoretische Zusammensetzung des Landesparlaments würde die AfD jetzt auf noch 36 statt bisher 38 Mandate kommen. (↪ LVZ, 17.06.)


Das AfD-Mitglied Reinhard Jöricke ist von seinem Stadtratsmandat in Borna (Landkreis Leipzig) zurückgetreten. Damit endet ein lang anhaltender Streit darüber, ob Jöricke in dem Ort lebt und im vergangenen Jahr überhaupt zur Kommunalwahl antreten durfte. Inzwischen ist klar, dass er in Wirklichkeit in Bad Lausick wohnt. Aus der AfD-Stadtratsfraktion wurde Jöricke bereits vor einer Weile ausgeschlossen, nachdem er ein Drohschreiben an den Leipziger Bezirksverband des DGB geschickt hatte. Noch nicht geklärt ist, wer für ihn in den Stadtrat nachrücken wird. (↪ LVZ, 17.06.)


Abseits offizieller Gedenkveranstaltungen hat die Chemnitzer AfD am Mittwoch an den Aufstand des 17. Juni 1953 erinnert. Am Gedenkort an der Außenmauer des ehemaligen Kaßberg-Gefängnisses versammelte sich ein knappes Dutzend Interessierter. Dazu aufgerufen hatte neben der AfD auch die verfassungsfeindliche Lokalpartei „Pro Chemnitz“. Der Trägerverein der örtlichen Gedenkstätte distanzierte sich von der Aktion und brachte ein Transparent an, das aus der „Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte“ der Vereinten Nationen zitiert. (↪ FP, 17.06., ↪ FP, 18.06.)


Das Leipziger AfD-Stadtratsmitglied Roland Ulbrich, der für die Partei auch im Landtag sitzt, hat in einer Rede die Todesopfer rechter Gewalt verhöhnt. Der Rat debattierte über einen Antrag, dieser Opfer – sechs davon sind in Leipzig offiziell anerkannt – künftig würdevoll zu gedenken. Ulbrich hielt dagegen, sprach von „moralisch höherstehenden Edeltodesopfern“ und rechnete vor, dass es sich umgerechnet „nur“ um 0,33 Todesopfer rechter Gewalt pro Jahr handle. Dem stellte er die „Opfer von Antifaterror“ sowie durch „kulturell inkompatible“ Personen getötete Menschen gegenüber. Ratsmitglieder anderer Fraktionen distanzierten sich im Anschluss deutlich von den Ausführungen Ulbrichs, für die er sich eine Strafanzeige wegen des Verdachts der Verunglimpfung des Andenkens Verstorbener einhandelte. Eine deutliche Mehrheit des Stadtrats beschloss den zugrundeliegenden Antrag, der Opfer rechter Gewalt zu gedenken – gegen die Stimmen der AfD-Fraktion. (↪ L-IZ, 18.06., ↪ BILD, 18.06., ↪ L-IZ, 18.06.)


Die AfD erwägt, zur Landratswahl in Bautzen anzutreten, die turnusmäßig im Frühjahr 2022 stattfinden wird. Die Kreistagsfraktion der Partei bestätigte, dass es bereits entsprechende Überlegungen gäbe. Mehrere Namen bringt die Sächsische Zeitung ins Spiel, etwa den Fraktionsvorsitzenden Henry Nitzsche sowie Frank Hannawald, der aktuell der vierte Stellvertreter des scheidenden Landrats Michael Harig (CDU) ist. (↪ Sächsische, 19.06.)

AfD rundherum

Die bayrische AfD hat den Kommunalpolitiker Manfred Schmidt aus der Partei ausgeschlossen. Dem Kreisratsmitglied in Ebersberg (Bezirk Oberbayen) wird vorgeworfen, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen bei mehreren Personen Blanko-Unterschriften eingeholt und sie bei Kommunalwahlen gegen ihren Willen und zunächst auch ohne deren Wissen auf Kandidierendenlisten der Partei gesetzt zu haben. (↪ SZ, 14.06.)


Die AfD muss vorerst keinen Mitgliederparteitag auf Bundesebene abhalten. Darauf zielte ein jüngst abgeschlossener Mitgliederentscheid, an dem sich mehr als ein Drittel aller Mitglieder beteiligten. Von den Teilnehmenden wiederum sprach sich zwar eine Mehrheit dafür aus, einen Parteitag zu veranstalten, der sämtlichen Mitgliedern offensteht und nicht nur gewählten Delegierten. Jedoch wurde das in der Satzung festgelegte Quorum von mindestens 20 Prozent aller Mitglieder knapp verfehlt, es mangelte an rund 500 Stimmen. Grund sollen zahlreiche für ungültig erklärte Stimmen sein. Die Befragung hatte der Bundestagsabgeordnete Hansjörg Müller initiiert, der zum rechten Parteiflügel zählt. Wegen des knappen Ausgangs fordert er nun eine erneute Auszählung. Während die Forderung nach einem Mitgliederparteitag in der Basis teils populär ist, argumentieren die AfD-Gremien beinahe geschlossen dagegen, weil die Durchführung aus praktischen Gründen kaum möglich erscheint. Der letzte Mitgliederparteitag der AfD auf Bundesebene fand vor fünf Jahren statt, damals erschienen mehr als 3.400 Anhänger*innen der Partei. (↪ Spiegel, 15.06.)


Der bisherige AfD-Fraktionsvorsitzende in der Stadtverordnetenversammlung von Schwedt (Brandenburg) Nino Pawlak ist aus der Fraktion und der Partei ausgetreten. Der Stadtverordnetenversammlung wird er künftig als fraktionsloses Mitglied angehören. Seine Abwendung von der Partei begründet er unter anderem mit der Einleitung der Beobachtung durch den brandenburgischen Verfassungsschutz. (↪ MOZ, 15.06.)


Wegen des Verdachts des „Rechtsextremismus“ und fehlender Verfassungstreue hat der Militärische Abschirmdienst (MAD) der Bundeswehr einen Zeitsoldaten aus Brandenburg unter Beobachtung gestellt und ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Bei dem betroffenen Oberfeldwebel handelt es sich um den Vorsitzenden der AfD-Fraktion im Kreistag des Landkreises Uckermark, Hannes Gnauck. Er ist zugleich Vorstandsmitglied im dortigen AfD-Kreisverband sowie Schriftführer im Landesvorstand der brandenburgischen Jungen Alternative. In einem Beitrag für das verfassungsfeindliche Compact-Magazins hatte Gnauck selbst publik gemacht, dass er durch den MAD befragt worden ist. (↪ Tagesspiegel, 15.06., ↪ Nordkurier, 16.06., ↪ B.Z., 17.06.)


Auch nach dem gescheiterten Versuch, die Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner abzusetzen, geht der Machtkampf in der bayrischen AfD-Fraktion weiter. Eine Mehrheit der Abgeordneten hat nun beschlossen, dass dem Fraktionsvorstand um Ebner-Steiner künftig keine Dienstwagen mehr zur Verfügung stehen sollen, zudem soll die Fraktion keine eigenen Fahrer mehr einsetzen. Darüber hinaus haben die Abgeordneten die Sitzordnung im Landtagsplenum geändert: Mehrere Vorstandsmitglieder müssen künftig in der hintersten Reihe sitzen. Zuletzt hatten sich strömungsübergreifend zwölf der insgesamt 20 AfD-Landtagsabgeordneten gegen den Vorstand gestellt. Ihr Stimmgewicht reichte aber nicht aus, um ihn abzuberufen. (↪ BR, 17.06., ↪ SZ, 17.06.)


Die brandenburgische AfD will juristisch gegen die Einstufung des kompletten Landesverbandes der Partei als rechtsextremistischer „Verdachtsfall“ und die Einleitung der nachrichtendienstlichen Beobachtung vorgehen. Nach Ansicht der Partei sei dieser Schritt, der Anfang der Woche bekannt gegeben wurde, parteipolitisch motiviert. Mitglieder der AfD-Landtagsfraktion verlangen zudem Einsicht in Verfassungsschutz-Akten. Für den Fall, dass der AfD Akteneinsicht gewährt wird, wollen auch die anderen Landtagsfraktionen Einblicke erhalten. Noch unklar sind derweil die Folgen der Beobachtung für Mitglieder der Landespartei, die zugleich Beamt*innen etwa bei der Polizei sind. Sie müssen nun unter Umständen mit Disziplinarverfahren und weiteren dienstrechtlichen Konsequenzen rechnen. (↪ RND, 15.06., ↪ Tagesspiegel, 17.06., ↪ MOZ, 18.06., ↪ Tagesspiegel, 20.06.)


Erneut sind im Landtag von Thüringen Kandidaten der AfD bei der Wahl von Mitgliedern der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK) durchgefallen, die sich mit der Arbeit des thüringischen Verfassungsschutzes befasst. Die beiden Abgeordneten Ringo Mühlmann und Stefan Möller erhielten – wie bereits bei zwei vorangegangenen Wahlversuchen – nicht die nötige Stimmen. Der AfD-Fraktion steht ein Sitz in der PKK zu. Das gleiche gilt für die sogenannte G-10-Kommission, die Überwachungsmaßnahmen des Verfassungsschutzes genehmigt und in die bislang ebenfalls kein AfD-Mitglied gewählt worden ist. Die Frakion kündigte an, ihren Anspruch juristisch durchzusetzen. Ein Recht, bestimmte Personen in Gremien zu entsenden, gibt es jedoch nicht. Ähnlich ist die Situation im Landtag von Brandenburg: Auch dort fiel in dieser Woche abermals ein AfD-Kandidat für die Kontrollkommission durch. (↪ MDR, 17.06., ↪ MAZ, 17.06., ↪ MDR, 19.06.)


Zum inzwischen vierzehnten Mal ist die AfD-Fraktion im Bundestag in dieser Woche mit dem Versuch gescheitert, einen Abgeordneten in das Kuratorium der Bundesstiftung Magnus Hirschfeld wählen zu lassen. Die Stiftung befasst sich mit Bildungs- und Forschungsarbeit zur Diskriminierung von sexuellen und geschlechtlichen Minderheiten. Dafür, Uwe Witt als reguläres Mitglied und Petr Bystron als Stellvertreter in das Gremium zu entsenden, stimmten ausschließlich die Abgeordneten der AfD-Fraktion. (↪ Queer.de, 18.06.)


Das Brüsseler EU-Parlament hat die Immunität des AfD-Abgeordneten Gunnar Beck aufgehoben und ermöglicht damit weitere Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf. Sie wirft Beck Titelmissbrauch vor, weil er sich auf Stimmzetteln zur Europawahl im vergangenen Jahr als „Prof. Dr. Gunnar Beck“ bezeichnen ließ. Entsprechende Titel hat er in Deutschland aber offenbar nie erlangt und darf sie daher auch nicht führen. (↪ Spiegel, 18.06., ↪ TAZ, 18.06.)


Vier neu gewählte bayrische Kommunalpolitiker*innen der AfD – zwei Kreisrats- und zwei Stadtratsmitglieder – werden durch das dortige Landesamt für Verfassungsschutz beobachtet. Grund ist in drei Fällen die Zugehörigkeit zum Flügel und zur Jungen Alternative, in einem Fall geht es um Bezüge zur Reichsbürger-Szene. (↪ RND, 19.06.)


Der aus Leipzig stammende Burschenschafter („Germania“) und Bundeswehr-Reservist Hannes Rother, der sich in der Vergangenheit an Vorbereitungen für einen „Rassenkrieg“ beteiligt haben soll (idas berichtete), hat eine Anstellung bei der AfD-Fraktion im Bundestag erhalten und ist dort dem Vernehmen nach auch aktuell noch beschäftigt. Die Fraktion äußerte sich auf Medienanfragen nicht zu Personalangelegenheiten. Auch der „Germania“-Wortführer Michael Volker Schuster, der wie Rother zuvor bei der AfD-Landtagsfraktion in Sachsen-Anhalt beschäftigt war, soll sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur um eine Anstellung im Bundestag bemüht haben, jedoch nicht nicht eingestellt worden sein. Offen bleibt, ob Schuster einen Arbeitsvertrag bei einem der AfD-Abgeordneten erhalten hat. (↪ RND, 19.06., ↪ TAZ, 19.06.)


Die AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative und der völkisch-nationalistische Flügel dürfen im kommenden Verfassungsschutzbericht des Bundes als sogenannte rechtsextremistische Verdachtsfälle aufgeführt werden. Das hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg in zwei Eilverfahren entschieden und damit Beschwerden der Partei gegen gleichlautende Entscheidungen des Berliner Verwaltungsgerichts im Vormonat zurückgewiesen. Auch die höhere Instanz kommt zu dem Schluss, dass hinreichend gewichtige Anhaltspunkte für den Verdacht verfassungsfeindlicher Bestrebungen vorliegen, wodurch eine Erwähnung im Bericht gerechtfertigt ist. Für die AfD bedeutet das eine weitere Niederlage bei ihren Versuchen, eine Beobachtung durch Verfassungsschutzbehörden abzuwehren und öffentliche Berichterstattung zu unterbinden. (↪ PNN, 19.06., ↪ RBB, 19.06., ↪ RND, 19.06.)


Der AfD-Parteivorsitzende Jörg Meuthen ist in seiner Parteispendenaffäre erneut unter Druck geraten. Der entscheidende Vorgang liegt bereits einige Jahre zurück: Im Landtagswahlkampf 2016 in Baden-Württemberg hatte es zu seinen Gunsten eine Werbekampagne mit Plakaten und Flyern im Wert von 89.800 Euro gegeben. Das Geld dafür stellte die Schweizer PR-Firma Goal AG bereit. Unklar ist bis heute, wer der eigentliche Spender war – vieles deutet auf den Duisburger Immobilienmilliardär Henning Conle hin. Aus Sicht der Bundestagsverwaltung handelte es sich um eine illegale Auslandsspende, sie verhängte daher gegen die AfD eine Strafzahlung in Höhe von 269.400 Euro. Das Verwaltungsgericht Berlin bestätigte das und ging zudem davon aus, dass Meuthen „fahrlässig“ und damit schuldhaft gehandelt hat. Meuthen bestreitet das bisher und behauptet, von den Zuwendungen im Voraus nichts gewusst zu haben. Zuletzt war offen, ob er den Rechtsstreit in der nächsten Instanz fortsetzen will oder klein beigibt – und die Partei die Strafe in voller Höhe zahlen muss. Nun jedoch hat Meuthens ehemaliger Büroleiter Ralf Özkara, der zeitweise AfD-Landesvorsitzender in Baden-Württemberg war und die Partei im vergangenen Jahr verließ, eine eidesstattliche Erklärung vorgelegt, die einige Tagen in Flügel-Kreisen zirkulierte und inzwischen öffentlich geworden ist. Demnach soll Meuthen im Vorfeld von der strittigen Unterstützung gewusst, den Chef der Goal AG Alexander Segert als „guten Bekannten“ bezeichnet und um Diskretion gebeten haben, weil die Angelegenheit „heikel“ sei. Demnach könnte sich Meuthen auch der möglichen Strafbarkeit bewusst gewesen sein. Die neuen Behauptungen bestreitet er: „Ich kann mich in keiner Weise erinnern, diese Aussagen jemals gegenüber Herrn Özkara gemacht zu haben.“ Mit der Spendenaffäre wird Meuthen bereits eine Weile vom rechten Rand der Partei her unter Druck gesetzt. (↪ Tagesschau, 20.06., ↪ ZDF, 20.06., ↪ RND, 20.06., ↪ Spiegel, 20.06.)


Beim AfD-Bundeskonvent in Lommatzsch (Landkreis Meißen) ist der Parteivorsitzende Jörg Meuthen am Samstag nur knapp einer Maßregelung der Delegierten entgangen. Dort wurde ein Antrag verhandelt, Meuthens „unverantwortliche Spaltungsversuche“ öffentlich zu missbilligen und nach Möglichkeit auch personelle Konsequenzen zu ziehen. Eine knappe Mehrheit von 27 Delegierten stimmte gegen diesen Antrag, 23 dafür. Meuthen, der selbst vor Ort war, sagte im Anschluss, dass er sich bestätigt sehe und „für den Kurs, den ich in der Partei vertrete, eine Mehrheit besteht.“ Die Konventssitzung befasste sich auch mit dem Spendenskandal Meuthens. Ein dazu vorliegender Antrag, der den Parteichef gleichfalls unter Druck setzen sollte, wurde zur weiteren Behandlung an den Bundesvorstand überwiesen. Verschiedene Konventsdelegierte, darunter auch der aus Sachsen stammende Co-Bundesvorsitzende Tino Chrupalla, Konventschef Carsten Hütter und der Landtagsabgeordnete Joachim Keiler, betonten im Anschluss unisono die „Einheit“ der Partei – trotz des offensichtlich gespaltenen Abstimmungsergebnisses zu Meuthen. Weitere Details der nicht-öffentlichen Tagung nannte die Partei nicht, offenbar sind aufgrund der aufgeheizten Stimmung weite Teile der Tagesordnung gar nicht erst zur Verhandlung gekommen. Eine Nachfolgetreffen wurde für den 18. Juli vereinbart, der Ort ist noch offen. (↪ MDR, 20.06., ↪ Spiegel, 20.06., ↪ Sächsische, 20.06., ↪ RND, 21.06.)


Die AfD in Mecklenburg-Vorpommern kann ihren für Ende August geplanten Landesparteitag nicht wie vorgesehen in der Max-Schmeling-Halle in Strasburg (Landkreis Vorpommern-Greifswald) durchführen. Die Versammlung der örtlichen Stadtvertreter*innen sprach sich mehrheitlich gegen diesen Plan aus. Die Partei hatte zuvor versichert, das Votum zu respektieren und sich in diesem Fall „anderweitig umzuschauen“. Der Parteitag wird mit Spannung erwartet, denn zuletzt eskalierte in der Landespartei der Konflikt zwischen eher moderaten Kräften im Landesvorstand und mehreren eher Flügel-nahen Kreisverbänden. Unter anderem wurde der komplette Kreisvorstand des Rostocker AfD-Verbands abgesetzt. (↪ Nordkurier 21.06.)

Blauzone

Die Fraktion „Pirna kann mehr – Pirnaer Bürgerinitiativen“ im Stadtrat von Pirna (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) ist zerfallen. Mit Bernd Köhler und Walter Matzke sind zwei bisherige Mitglieder ausgetreten, sie wollen dem Stadtrat künftig als fraktionslose Mitglieder angehören. Bereits Anfang des Jahres war André Liebscher zu den Freien Wählern gewechselt. Aus der ursprünglichen Konstellation verbleibt nur noch Thomas Mache, der sich vor einer Weile der „Blauen Wende“ – der AfD-Abspaltung der ehemaligen Parteichefin Frauke Petry – angeschlossen hatte. Köhler und Matzke begründen ihren Schritt unter anderem mit den jüngsten Protestaktionen gegen die Eindämmung der Corona-Pandemie, die unter anderem durch das AfD-Stadtratsmitglied Tim Lochner organisiert wurden. Mit solchen Aktionen sei man nicht einverstanden. Man wolle insbesondere nicht mehr „mit jenen Fraktionen gemeinsame Sache machen, die diesen Protest organisierten und forcierten“, notiert die Sächsische Zeitung. (↪ Sächsische, 15.06.)


Eine umstrittene Kundgebung, die am heutigen Sonntag auf dem Kornmarkt in Bautzen stattfinden sollte, ist ausgefallen. Organisiert und angemeldet worden war die Versammlung unter dem Motto „Miteinander statt Nebeneinander – Gegen Gewalt und Extremismus“ durch David Vandeven, der den Internet-Sender „Ostsachsen-TV“ betreibt und dort wiederholt Verschwörungsideologen, Reichsbürgern und AfD-Anhänger*innen eine Plattform geboten hat. Die Kundgebung bewarb Vandeven mit einem Logo der Bautzener „Partnerschaft für Demokratie“. Im lokalen Begleitausschuss dieses Förderprogramms ist Vandeven selbst Mitglied, es hatte der Veranstaltung eine „ideelle Unterstützung“ zugesagt. Ursprünglich kursierte das Werbematerial für die Kundgebung auch mit dem offiziellen Logo des Landkreises, das wieder entfernt werden musste. Als Redner*innen vorgesehen waren unter anderem der umstrittene Kabarettist Uwe Steimle, die bei der verschwörungsideologischen Internet-Plattform „Nuoviso“ tätige Moderatorin Julia Szarvasy sowie die ehemalige Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld, die in einem AfD-nahen Spektrum publiziert. Bautzens Oberbürgermeister Alexander Ahrens (SPD) hatte angekündigt, ein Grußwort zu halten. Doch so weit kam es nicht: Vandeven sagte die Kundgebung „aus Sicherheitsgründen und wegen Vorverurteilung“ ab und behauptete, dass es Drohungen gegeben habe. Doch offenbar ist das nicht wahr: Der Polizei wurden solche Drohunen nicht bekannt. (↪ Tag24, 16.06., ↪ Sächsische, 16.06., ↪ Tag24, 17.06., ↪ Sächsische, 17.06., ↪ Sächsische, 18.06.)

Hintergrund

Behörden mehrere Bundesländer wollen Anhänger*innen des AfD-Flügels die waffenrechtlichen Erlaubnisse zu entziehen, also Waffenbesitzkarten und Waffenscheine. Grundlage ist das novellierte Waffengesetz, wonach waffenrechtlich als „unzuverlässig“ gilt, wer einer verfassungsfeindlichen Vereinigung anhängt. Diesen Status hat der Flügel seit März bundesweit. Nun wurde ein erster Fall in Nordrhein-Westfalen bekannt, in dem ein sogenanntes Widerrufsverfahren gegen eine Flügel-Anhängerin eingeleitet wurde. (↪ t-online.de, 19.06.)