Straßenproteste, Querdenkerbommeln und jetzt eine neue Partei: In der Pandemie kommt das rechte Spektrum in Bewegung. Die AfD versucht auch in Sachsen, an der Spitze zu stehen. Ausgerechnet einige Abtrünnige wollen schneller sein. Sie haben sich der verschwörungsideologischen Initiative „Widerstand2020“ angeschlossen, die enormen Zulauf verzeichnet.
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Rabiate Impulse
Die Proteste gegen die Eindämmung der Corona-Pandemie gewinnen auch in Sachsen an Fahrt. Mal mehr, mal weniger dabei: die AfD. Am vergangenen Sonnabend hielt erneut die verfassungsfeindliche Lokalpartei „Pro Chemnitz“ eine Kundgebung ab. Als Redner trat dabei Matthias Henke auf, der für die AfD in den Stadtrat von Lößnitz (Erzgebirgskreis) eingezogen ist. Henke hatte bereits zu einer ähnlichen Versammlung am 20. April aufgerufen, bei der es zu Ausschreitungen kam. Namhafte Vertreter*innen der AfD waren vor Ort, Henke selbst wurde durch die Polizei abgeführt. Seine dadurch verhinderte Ansprache konnte er nun nachholen. Er berichtete darin von seinen Erlebnissen am Maifeiertag in Aue, wo – seiner Erinnerung zufolge – die Polzei über die Strenge geschlagen habe.
Tatsächlich hatten die Einsatzkräfte große Mühe, den Versammlungsbereich in der Erzgebirgssstadt abzusichern: Zahlreiche Neonazis waren vor Ort und versuchten teils gewaltsam, sich Zugang zu einer NPD-Kundgebung zu erzwingen. Der rechte Tumult verhinderte einen Rednerauftritt von Lars Bochmann. Er gehört nicht zur NPD, sondern ist Vorsitzender der AfD-Fraktion im Stadtrat von Aue-Bad Schlema. In einigen anderen Orten kam die AfD am gleichen Tag problemlos zum Zug, denn in einer konzertierten Aktion führte sie erstmals eigene Kundgebungen durch und forderte dabei das Ende der Pandemie-Eindämmung.
Bei #pir0305 schubsen die einen Polizisten, die anderen skandieren „Keine Gewalt“
Quelle: Privat pic.twitter.com/xwuK63G1qQ
— Eric Hofmann (@RPFDMOPO) May 3, 2020
Schon vorher wurden aus den Reihen der AfD rabiate Impulse für ein Vorgehen auf der Straße gegeben. So ist aus einer unangemeldeten Versammlung in Pirna (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge), die der AfD-Kommunalpolitiker und Polizeibeamte Steffen Janich organisiert hatte, eine Protestserie geworden, die schnell an Radikalität gewinnt. Bei einem unerlaubten „Spaziergang für Grundrechte“ am gestrigen Sonntag wurden in Pirna Polizist*innen angegriffen und verletzt. Die AfD gibt ihren Namen dafür nicht mehr her. Aber sie war offenbar vor Ort, das legen Videoaufnahmen nahe, die auf einem parteinahen Youtube-Kanal zu sehen sind. Offiziell will die AfD erst am kommenden Wochenende wieder demonstrieren. Für die Zwischenzeit kursieren in sozialen Netzwerken Aufrufe für weitere, offenbar unangemeldete Versammlungen. Sie sind teils im AfD-Look gehalten, aber ohne Parteilogo.
Pandemie-Populismus
Es ist schlicht ein Wettrennen darum entbrannt, wer sich an die Spitze der neuen, noch recht unstrukturierten Bewegung setzt, die erhebliches Mobilisierungspotential und große Medienaufmerksamkeit verspricht. Das zeigte sich am vergangenen Sonnabend bei einer Kundgebung in Stuttgart, bei der mehr als 4.000 Menschen zusammenkamen, viele ohne Mundschutz und Abstand. Es war die bisher größte Versammlung ihrer Art, eine Großveranstaltung inmitten der Pandemie, die inhaltlich schwer zu verorten ist. Vielerorts zeigt sich gerade eine obskure Allianz aus hartem Verschwörungsdenken, esoterischen Weltdeutungen und verantwortungslosem Egoismus.
In Stuttgart stand ein Jurist und Unternehmer aus Leipzig auf der Bühne, den bis dahin kaum jemand kannte: Ralf Ludwig, 47 Jahre alt, zitierte Gandhi und beschwerte sich ausführlich, dass er derzeit nicht nach Mallorca fliegen und dort seine Tochter treffen darf. Ein „Impfkritiker“, das versicherte er beiläufig, sei er nicht. Aber er glaubt trotzdem, dass die Bundesregierung alle Bürger*innen zu Versuchskaninchen machen will. Dafür erhielt er langen, anhalten Applaus – und den Respekt der heimischen AfD. „Wenn die AfD nur halbwegs ambitioniert wäre, würden in Sachsen doppelt so viele Menschen auf der Straße stehen“, kommentiert Steffen Janich ein Video der Stuttgarter Rede. Ralf Ludwig hat mit der AfD nichts zu tun, sondern gründete kürzlich eine eigene Partei, deren Geschäftsführer er jetzt ist: „Widerstand2020“ nennt sich die Gruppe, eine „Mitmachpartei“, die vor zwei Wochen aus der Taufe gehoben wurde und der es eher als der AfD gelingen könnte, dem zersplitterten Protest ein Dach zu geben.
Dafür sprechen die nackten Zahlen. Glaubt man den Eigenangaben, dann haben sich über die Parteiwebsite bereits mehr als 100.000 Mitglieder eingeschrieben. Allerdings ohne zu wissen, wofür: „Widerstand2020“ hat kein Programm. Man wirbt dort für „wahrhaftige Demokratie“ und „Neuerungen unseres Grundgesetzes“, an einer Stelle wird eine „völlig neue Gesamtstruktur“ versprochen, was immer das heißen soll, konkreter wird es nicht. Den Widerstand, den man im Namen trägt, möchte man leisten „gegen den politischen Umgang, den wir gerade erleben, gegen das Außerkraftsetzen unserer Grundgesetze und gegen die Machtausnutzung unserer Regierung“. Mit maximaler Pauschalität macht die neue Partei Politik, die ihr zufolge doch nur „der Kampf der Lobbyisten um die Fleischtöpfe in Berlin“ sei. Man spricht die klassische Sprache des Populismus.
Krude Positionen
An der Spitze von „Widerstand2020“ und der Seite von Ralf Ludwig steht Victoria Hamm, eine Psychologiestudentin und Unternehmerin aus der Nähe von Hannover, die jetzt Parteichefin ist und offenbar zum Gesicht der Bewegung avanciert. Noch etwas bekannter ist der Dritte im Bunde, Hamms Stellvertreter Dr. Bodo Schiffmann. Er ist ein baden-württembergischer Hals-Nasen-Ohren-Arzt, der einen Youtube-Kanal betreibt und vor seinen rund 127.000 Abonnent*innen ganz eigene Theorien über die Pandemie ausbreitet. Er ist einer von derzeit allzu vielen und allzu erfolgreichen Scharlatanen, die den Coronavirus zum eigenen Vorteil verharmlosen, Versuche der Eindämmung unterminieren und die komplexe Wirklichkeit in ein simples Verschwörungsszenario verwandeln. Sein nachhaltiger Beitrag zu der Bewegung, die jetzt auf die Straße tritt, ist die Erfindung der „Querdenkerbommel“, quasi ein Aluhut fürs Schlüsselband.
Wer sich näher erkundigt, stößt auf einige Ungereimtheiten in der Geschichte, die „Widerstand2020“ von sich selbst erzählt. Schiffmann etwa ist erst nachträglich als angeblicher Mitgründer auf der Parteiwebsite eingetragen worden. Ursprünglich waren dort der Name und das Bild einer Frau zu sehen, die im Internet mal als Wirtschaftsjuristin, mal als Wirtschaftspsychologin, mal als Gesundheitscoach firmiert und inzwischen gar nicht mehr erwähnt wird. Zunächst gab es auf der Website einige Links zu anderen Onlineangeboten, etwa zu Ken Jebsens „KenFM“ und zu einer Reichsbürger-Plattform namens „Freiheit für Deutschland“. Ebenfalls entfernt wurde ein Beitrag auf der Website, der sich positiv auf die extrem rechte „QAnon“-Verschwörungserzählung bezogen hat.
Immer noch nachzulesen ist dagegen Ralf Ludwigs antiparlamentarische Idee, eine „Anzahl von mündigen Bürgern/Innen“ zu berufen, die „in einer Notstandssituation anstelle der zu dieser Zeit im Parlament sitzenden Abgeordneten“ Entscheidungen treffen sollen. Offenbar möchte „Widerstand2020“ nicht bloß vermeintlich bedrohte Grundrechte einklagen, sondern die ganze Legislative entmachten. In einem anderen Text stellt Victoria Hamm die wohlstandschauvinistische Frage, „warum wir nicht mehr für die wirklich wichtigen und inländischen Probleme tun, anstatt anderen Ländern, die selbst unglaublich schlecht gewirtschaftet haben, zu helfen.“ Man weiß nicht, wem genau „Widerstand2020“ helfen wird. Bei Facebook verspricht Hamm jedenfalls, man kämpfe gegen Bill Gates „und seine Vorhaben“. Den derzeit kursierenden Verschwörungserzählungen zufolge ist der Microsoft-Gründer ein Urheber der Pandemie, der jetzt die ganze Welt zwangsimpfen will. Auch in Teilen der sächsischen AfD glaubt man das.
Landesverbände geplant
Wer sich die Satzung der neuen Partei näher anschaut, fühlt sich stellenweise erinnert an die Piraten, und tatsächlich wurde genau dort großflächig abgeschrieben. Wer über die zahlreichen Versprechungen stolpert, „absolut trandsparent“ zu sein, wird sich fragen, warum die neue Partei von drei Personen gegründet wurde, unter Ausschluss der Öffentlichkeit und unter Umständen, die nicht einmal genügen würden, um einen eingetragenen Verein zu schaffen. Fraglich ist auch, wie sich das ganze Projekt finanzieren soll: „Widerstand2020 nimmt nur anonyme Spenden an“, steht in Satzung, in einer für Parteien gänzlich ungewöhnlichen Formulierung. Die Namen von Großspender*innen sind nämlich veröffentlichungspflichtig.
Wer sich derzeit als Mitglied einschreibt, ist erst einmal kostenlos dabei. Das und die Tatsache, dass die eingegebenen Daten nicht überprüft werden, erklärt womöglich den starken Zustrom. Etwas versteckt heißt es, dass die Mitglieder ab Juni einen Beitrag zahlen müssen. Viele von ihnen werden das noch nicht wissen und auch nicht den Abschnitt in der Satzung kennen, der sie fortan verpflichtet, „sich an der politischen und organisatorischen Arbeit von Widerstand2020 zu beteiligen“. Dagegen erwachsen aus der Mitgliedschaft derzeit kaum Rechte. Denn die Partei, die sich als „wirklich innovativ“ bezeichnet, ist nach dem Top-Down-Prinzip aufgebaut, hat außer ihrem dreiköpfigen Bundesvorstand nichts vorzuweisen, es gibt weder Beteiligungsstrukturen, noch Kontrollinstanzen. Die Geschäftsstelle ist ein Briefkasten in Hannover, an einer Anschrift, an der – Zufall oder nicht — auch der Briefkasten der niedersächsischen AfD hängt.
Als nächster Schritt ist die Eröffnung eines Onlineshops angekündigt, die derzeit naheliegendste Möglichkeit, den großen Andrang der Interessent*innen umzumünzen. Eine ganze Bekleidungskollektion ist in Vorbereitung, ein Vorhaben, das offenbar Priorität hat. Erst später, so heißt es auf der Website, werde man „in die verschiedenen Bundesländer reisen und uns mit allen, die sich eingetragen haben, sowie allen anderen Mitgliedern, die können und wollen, treffen.“ Ziel sei die Schaffung von Landesverbänden. Wer allerdings sucht, findet bereits jetzt einige Initiativen, die sich als Landesverbände von „Widestand2020“ ausgeben. Auch in Sachsen.
Bekannte Initiatoren aus Sachsen
Die Spurensuche fällt nicht schwer. Am vergangenen Donnerstag wurde das „Widerstand2020-Mitglieder/Freunde Forum“ eingerichtet, eine Facebook-Gruppe mit derzeit rund 250 Mitgliedern. Hier sammelt sich eine einschlägige Klientel, aktuelle und frühere AfD-Politiker*innen sind dabei, dazu Funktionäre der NPD, der „Pro Chemnitz“-Chef Martin Kohlmann persönlich und die Pegida-Mitgründerin Kathrin Oertel. „Hier können sich alle melden, die gerne einen Landesverband in Sachsen aufbauen wollen. Wir melden das dann an die Partei weiter!“, heißt es zum Zweck der Gruppe. Hinter ihr stehen drei Personen: Arvid Samtleben, Dirk Jährling und Engelbert Merz. Inzwischen haben sie auch eine Website freigeschaltet, die sich ausdrücklich als „Landesverband Sachsen“ von „Widerstand2020“ bezeichnet. Sie enthält nicht viel, außer – man ahnt es schon – einen Spendenbutton.
Das sei „noch keine offizielle Webseite“ der Partei, wurde kürzlich ergänzt, so als stünde die Anerkennung kurz bevor. Das Impressum führt auch nicht zur Partei, sondern zu einer Adresse in Arnsdorf im Landkreis Bautzen. Dort wohnt Arvid Samtleben. Gemeinsam mit Jährling und Merz hat er bereits ein mögliches Parteiprogramm ausgearbeitet, insgesamt 44 Punkte auf 16 Seiten, die mit der Pandemie nicht das Geringste zu tun haben. Stattdessen wird dort ernstlich für einen „Säxit“ und die Reaktivierung des „sächsischen Königshauses“ geworben, man will mehr Abschiebungen und weniger Einwanderung, man mag keine „öffentliche zur Schaustellung von Sexualität“ und vor allem keinen Christopher-Street-Day mehr sehen. Arbeitslosen- und Rentenversicherung sollen abgeschafft werden. Im Kontext von Corona mag es zudem überraschen, dass die gesetzliche Krankenkasse ebenfalls entfallen soll.
Das klingt alles derb daneben und ist es auch. Verräterisch: An mehreren Stellen des Programmentwurfs ist statt „Widerstand2020“ plötzlich von einer „Bürgerinitiative Sachsen“ die Rede. Die gibt es wirklich, bereits seit Anfang 2019 und besetzt mit namhaften Protagonisten. Der Vorsitzende heißt Dirk Jährling, der Schatzmeister ist Arvid Samtleben, der Schriftführer Engelbert Merz. Auf einer Grafik erweckt die Bürgerinitiative derzeit den Eindruck, es bestehe eine Zusammenarbeit mit der Partei „Widerstand2020“. Ursprünglich war es der sächsischen Gruppe um etwas ganz anderes gegangen: Sie bot sich als eine Art Dachvereinigung für „Bürgerinitiativen und Bürgerrechtler in Sachsen“ an, für Leute aus dem Anti-Asyl-Spektrum, für die Veteranen der großen rassistischen Welle, mit denen man im vergangenen Jahr gemeinsam in den Landtag einziehen wollte. Daraus wurde nichts, den Wahlvorschlag zog man nach eigenen Angaben freiwillig zurück. In Wirklichkeit wurde die Bürgerinitiative nicht als Partei anerkannt. Doch nicht alles war umsonst, das damalige Programm hat man jetzt recyclet, um es „Widerstand2020“ unterzuschieben.
Quer durchs rechte Spektrum
Die Bürgerinitiative hat angeblich mehr als 100 Mitglieder, tatsächlich ist sie ein ziemlich bedeutungsloser Papiertiger. Ihrer Gründung unmittelbar vorangegangen war im Sommer 2018 der schon nach kurzer Zeit gescheiterte Versuch, einen Landesverband der „Republikaner“ aufzubauen. Jährling wurde damals Vorsitzender, Samtleben Geschäftsführer der totgesagten Rechtsaußen-Partei. Zur Unterstützung hatte man unter anderem den Leipziger Neonazi Alexander Kurth an Bord geholt, der vorher bei der NPD und „Die Rechte“ aktiv war und danach bei André Poggenburgs „Aufbruch deutscher Patrioten“, einer nationalsozialistischen Abspaltung aus der AfD.
Wie es scheint, ist ein sächsischer Landesverband für den „Widerstand2020“ nur der neueste Versuch unter vielen anderen Anläufen, an Bedeutung zu gewinnen. Das zeigen die politischen Biografien des Trios Engelbert Merz, Arvid Samtleben und Dirk Jährling. Merz wurde vor einigen Jahren als regelmäßiger Pegida-Teilnehmer bekannt, der dort und bei Ablegern des rassistischen Protestbündnisses Reden geschwungen hat. Als selbsternannter „Pegida-Kandidat“ versuchte er 2015 Oberbürgermeister in Bautzen zu werden, in einer Stadt, in der er nicht wohnt. Er schaffte es nicht einmal auf den Wahlzettel: Als unabhängiger Kandidat hätte er 100 Unterstützungsunterschriften vorlegen müssen, um an der Abstimmung teilnehmen zu dürfen. Er brachte es nur auf 15.
Ein gescheiterter Politiker ist auch Samtleben. Er war vor einigen Jahren einer der umtriebigsten Köpfe der jungen sächsischen AfD, leitete anfangs den Kreisverband Bautzen und stieg in den Landesvorstand auf, wo man vielleicht gehofft hatte, dass er sein Privatvermögen in die Partei stecken würde. Doch im eigenen Kreisverband hat man ihn bald wieder abgewählt, er galt als unzuverlässiger Querulant. Seine Parteifreund*innen an der Landesspitze warfen ihm „illoyales Verhalten“ vor, daraufhin trat er zurück. Sein Listenplatz für die Landtagswahl 2014 wurde unter dubiosen Umständen gestrichen, was einen langwierigen Rechtsstreit nach sich zog. Im April 2018 verließ er die AfD endgültig.
Jährling war AfD-Mitarbeiter
Auch Jährling blickt auf eine misslungene AfD-Karriere zurück. Nachdem die AfD erstmals in den sächsischen Landtag eingezogen war, wurde er Mitarbeiter des Abgeordneten André Barth und leitete dessen Freitaler AfD-Büro. Die Zusammenarbeit endete im Juni 2016 – laut Barth, weil man „menschlich nicht zusammengepasst hat“. Jährling erklärte, inhaltlich gebe es „keinerlei Differenzen zwischen mir und André Barth“. Doch tatsächlich war Jährlings Rolle als einer der zeitweise maßgeblichen Organisator*innen rassistischer Proteste zu einer Belastung für die Partei geworden. Im Frühjahr 2015 hatte er die Demonstrationsserie „Freital wehrt sich“ mitinitiiert und zu Versammlungen getrommelt, die rasch eskaliert sind. Durchbruchsversuche zu einer Asylunterkunft, Angriffe auf Polizeikräfte: Die Bilder gingen durch die Republik.
In der Ordnergruppe seiner Versammlungen und unter den Gästen seiner „Timba Bar“, einem stadtbekannten Neonazi-Treffpunkt, sammelten sich Mitglieder der berüchtigten „Gruppe Freital“. Jährling verharmloste die später verurteilten Rechtsterroristen als „Lausbuben“. Der AfD blieb er noch eine Weile treu, wenn auch nicht mehr so sichtbar: Im Herbst 2016 entstand in Freital eine AfD-Ortsgruppe, geleitet vom Flügel-Mann Norbert Meyer, der heute im Landtag sitzt und damals die „Gruppe Freital“ ebenfalls verharmlost hat, „hochgespielt“ nannte er sie. Jährling wurde Beisitzer dieser Ortsgruppe. Sie traf sich im Büro von André Barth, genau dort, wo Jährling offiziell nicht mehr arbeitete. Die Partei verließ er dann fast zeitgleich mit Samtleben. Kurz vorher war er mit einer Kandidatur für den AfD-Landesvorstand gescheitert.
Den „Widerstand2020“ bezeichnet Jährling jetzt als eine „Alternative zur AfD“. Womöglich meint er das im Hinblick auf die eigene Karriere, womöglich denkt er auch an neue Gelegenheiten, auf die Straße zu drängen und mitzumischen in einer Zeit, in der es wieder turbulent werden könnte. Aktuell ruft Jährling auf seinem privaten Facebook-Profl zu einem „Spaziergang“ in Freital auf und erinnert dabei an Pirna, an den Protest, den die AfD angezettelt hat und der nicht friedlich blieb. In dem Vorschlag, den Jährling, Samtleben und Merz für ein Parteiprogramm gemacht haben, wird übrigens auch angesprochen, wie man mit illegalen Demonstrationen umgehen sollte: „Wasserwerfer, Schlagstöcke, Tränengas“.