Beide Sitzungstage des Sächsischen Landtages in dieser Woche hätten ausfallen können. Alle Beteiligten waren sich einig, angesichts der Pandemie keine unnötigen Risiken einzugehen. Nur die AfD-Fraktion stellt sich quer – und zwingt Abgeordnete sowie zahlreiche Mitarbeiter*innen, im Parlament zu erscheinen.
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Weil die AfD darauf besteht, wird der Sächsische Landtag an diesem Mittwoch in Dresden regulär tagen. Mehr als zwei Stunden lang diskutierten heute die Fraktionsspitzen mit dem Landtagspräsidenten über das weitere Vorgehen. Das Stimmungsbild war klar: Vier der fünf Fraktionen stimmten dem Vorschlag zu, die beiden Sitzungstage am Mittwoch und Donnerstag abzusagen.
AfD will eigenen Antrag unbedingt präsentieren
Doch die AfD, vertreten durch ihren Fraktionsvorsitzenden Jörg Urban und den Parlamentarischen Geschäftsführer Jan Zwerg, sah das anders und bestand darauf, dass der Landtag zusammentritt. Eine Absage oder Verschiebung hätte des Einvernehmens aller Fraktionen bedurft. Mögliche Alternativen akzeptierte die AfD dem Vernehmen nach nicht. So war im Gespräch, nicht das gesamte Plenum mit insgesamt 119 Abgeordneten, sondern nur das sogenannte Notparlament zusammenzurufen. Es handelt sich um einen speziellen Ausschuss, der aus lediglich 21 Abgeordneten besteht und als Vorsorge für den Krisenfall geschaffen wurde.
Durch das Notparlament soll sichergestellt werden, dass die Legislative auch unter widrigen Umständen, wie sie jetzt vorherrschen, arbeitsfähig ist. Durch die Weigerung der AfD bleibt es aber bei der regulären Plenarsitzung in voller Besetzung. Da die anderen Fraktionen mehrere Anträge und Debattenthemen, die schon auf der Tagesordnung standen, freiwillig zurückzogen, entfällt jedoch der zweite Sitzungstag am Donnerstag. Durch die reduzierte Tagesordnung soll am Mittwoch nur noch das Nötigste behandelt werden. Dazu gehört hauptsächlich eine Fachregierungserklärung der Gesundheitsministerin Petra Köpping. In ihrem Ministerium arbeitet der Corona-Krisenstab.
Doch auch bei der Absetzung nicht unbedingt erforderlicher Programmpunkte war die AfD wenig kompromissbereit. Sie besteht darauf, dass ihr eigener Antrag zum Thema, der unter anderem eine „Großübung“ der Bereitschaftspolizei an den Außengrenzen und eine Zwangs-Quarantäne für Migrant*innen vorsieht, behandelt wird. Dabei gilt es bereits als sicher, dass der Zuspruch für die AfD-Pläne gering ausfällt. Sie sind teils überholt, teils vermutlich rechtswidrig.
AfD-Vorgehen gefährdet auch Mitarbeiter*innen
Die Blockadehaltung der AfD ist erstaunlich. Noch vor wenigen Tagen hatte die Fraktion in einer Pressemitteilung eingefordert, zur Corona-Pandemie „konstruktiv“ zusammenzuarbeiten, „um den größtmöglichen medizinischen Schaden abzuwenden.“ Die Möglichkeit dazu hat sie jetzt selbst ausgeschlagen. Zudem verlangt die AfD, dass in Sachsen sämtliche Veranstaltungen untersagt werden. Nun hat sie erreicht, dass eine Veranstaltung mit insgesamt rund 200 Beteiligten stattfinden muss, die zu verschieben alle anderen bereit gewesen wären.
Die CDU-Fraktion wirft der AfD deshalb „fehlendes Verantwortungsbewusstsein“ vor, die Grünen sprechen von „wahnsinnigem Verhalten“. Die LINKE weist darauf hin, dass durch das Vorgehen der AfD alle Beteiligten, nicht nur Abgeordnete, einem vermeidbaren Risiko ausgesetzt werden. Die AfD selbst erklärt ihr Handeln damit, dass auch „tausende Bürger weiter in ihren Betrieben arbeiten“ müssen, so Fraktionschef Jörg Urban, der dem verfassungsfeindlichen „Flügel“ angehört. Es wäre nicht „seriös“ und ein falsches Signal, würde sich das Parlament in dieser Situation „abducken“. Der extrem rechte Fraktionssprecher Felix Menzel sagte auf Presseanfragen, die Abgeordneten sollten erst dann „ihren Arbeitsplatz verlassen“ können, wenn die AfD-Vorschläge im Landtag eingebracht wurden. Ganz so, als würden die Abgeordneten sonst in die Ferien aufbrechen.
Das Machtspiel der AfD betrifft indes nicht nur die insgesamt 119 Abgeordneten. Diese unterliegen zwar einer Anwesenheitspflicht, doch ein Verstoß zieht es nur nach sich, dass die Kostenpauschale, die Landtagsmitglieder erhalten, geringfügig um einen zweistelligen Betrag gekürzt wird. Anders verhält es sich mit dutzenden Fraktions- und Verwaltungsmitarbeiter*innen, mit Landtagsjurist*innen, Stenograf*innen, Wachschutz und Kantinenpersonal, um nur einige Beispiele zu nennen. Sie können nicht kommen und gehen, wie es beliebt – sondern müssen nun ebenfalls am Sitzungstag erscheinen. Sie müssen sich in Gefahr begeben, weil die AfD es so will.