Presseschau, 28. Kalenderwoche 2020

Keine AfD-Landesstiftung, neue Fraktionsspitze in Meißen gesucht, Schwäche in Umfrage, krimineller Stadtrat in Freital, mehr Geld im Landtag, Moncsek kandidiert in Augustusburg, Kirste will Landrat werden, Journalist in Plauen verletzt, Oehme hat Angst, Reil will zahlen, Pazderski steht unter Druck, Austritte in Brandenburg, Kritik an Kalbitz-Interview, mit Gasmaske im Parlament, Parteimitglieder wollen spitzeln, Streit an der Saar, „Freie Wähler“-Landeschef abgesetzt, Ahrens wittert „Sachsen-Bashing“. Das war diese Woche wichtig:


In der Presseschau informiert idas jeden Sonntag über lesenswerte Medienberichte und Recherchen rund um die AfD, die im Laufe der Woche erschienen sind.


AfD in Sachsen

Bei der Ausschüttung von Landesmitteln an parteinahe Stiftungen in Sachsen geht die AfD weiterhin leer aus. Grund ist das Fehlen einer parteinahen und förderfähigen Landesstiftung im Freistaat. Zwar war vor zwei Jahren aus der Sachsen-AfD heraus die Gründung einer solchen Vereinigung unter dem Namen des Dichters Theodor Körners betrieben worden. Das Projekt gilt aber als gescheitert, offenbar war man über rechtliche Hürden gestolpert: Die sächsische AfD darf eine Stiftung nicht selbst initiieren, sondern könnte sie allenfalls nach der erfolgten Gründung anerkennen. „Sollte es zu solch einer Gründung kommen und der sächsischen AfD liegt ein Anerkennungsantrag vor, werden die entsprechenden Parteigremien, wie Landesvorstand und Senat, darüber beraten und abstimmen“, sagte der rechtsextreme Landesvorsitzende Jörg Urban. Das wäre lukrativ, allein im vergangenen Jahr wurden in Sachsen rund 1,7 Millionen Euro an parteinahe Stiftungen für Zwecke der politischen Bildung ausgereicht. (↪ Sächsische, 06.07.)


Am kommenden Montag will die AfD-Fraktion im Kreistag des Landkreises Meißen eine neue Führungsspitze wählen. Die langjährige Fraktionsvorsitzende Angelika Meyer-Overheu, die hauptberuflich für die AfD-Landtagsfraktion arbeitet, möchte nicht noch einmal für den Posten kandidieren. An ihre Stelle will der bisherige Stellvertreter Julien Wiesemann treten. Er war einst unter Frauke Petry Mitglied im Landesvorstand der Partei und hatte auch die sächsische Junge Alternative angeführt. Vor rund drei Jahren wurde ein Foto bekannt, auf dem Wiesemann den Hitlergruß zeigt. Seine Kreistagsfraktion steht unterdessen unter Druck: Einige AfD-Ratsmitglieder haben auch nach mehreren Monaten noch keine Unterlagen vorgelegt, mit deren Hilfe eine mögliche frühere Tätigkeit für die DDR-Staatssicherheit überprüft werden soll. Der Kreistag hatte Ende vergangenen Jahres beschlossen, solche Überprüfungen vorzunehmen, nachdem belastende Hinweise gegen mehrere AfD-Fraktionsmitglieder bekannt geworden waren. Im Meißener Kreistag ist die AfD mit 23 Sitzen die zweitstärkste Fraktion. (↪ Sächsische, 06.07.)


Die AfD verliert in Sachsen leicht an Zustimmung. Wäre an diesem Sonntag Landtagswahl, könnte sie mit 26 Prozent der Zweitstimmen rechnen, anderthalb Punkte weniger als zur Landtagswahl im vergangenen Jahr. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Instituts Insa im Auftrag der Leipziger Volkszeitung. Der Rückgang bei der AfD fällt demnach moderater aus, als ihn andere Institute in den vergangenen Wochen vermeldet haben, die Veränderung liegt innerhalb der Fehlertoleranz. Besonders stark ist die AfD bei männlichen Wählern, hier erzielt sie mehr als 30 Prozent und kann beinahe zur CDU aufschließen. Dagegen würden nur knapp 22 Prozent der wahlberechtigten Frauen ihr Kreuz bei der Rechtspartei machen. Überdurchschnittliche Werte erzielt sie generell bei mittleren Jahrgängen der 30- bis 59-Jährigen. Würden nur Wähler*innen im Alter von 40 bis 49 Jahren abstimmen, bekäme die AfD in Sachsen sogar 40,2 Prozent der Stimmen und wäre mit deutlichem Abstand die stärkste Partei. (↪ LVZ, 07.07.)


Thomas Prinz, AfD-Stadtratsmitglied in Freital (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge), ist am Donnerstag am Amtsgericht Dippoldiswalde zu einer Geldstrafe in einer Gesamthöhe von 3.200 Euro verurteilt worden. Anstelle eines Urteils erging ein Strafbefehl, weil Prinz – wie bereits zu früheren Verhandlungsversuchen – nicht zum Termin erschienen ist. Ihm liegen zwei ähnliche Fälle aus den Jahren 2014 und 2016 zur Last. Beide Male gab er an, durch Ausländer überfallen worden zu sein, die mal russisch, mal arabisch gesprochen und ihm jedes Mal ein Tablet geraubt hätten. Seine Lebenspartnerin gab die Verluste bei der Versicherung an und erhielt Schadensersatz. Die angeblich gestohlenen Geräte fand die Polizei jedoch später bei einer Hausdurchsuchung in Prinz‘ Wohnung. Ihm werden daher Betrug, das Vortäuschen von Straftaten und falsche Beschuldigungen vorgeworfen. Das Verfahren gegen seine Partnerin, die vor Gericht erschien, wurde nun gegen eine Geldauflage in Höhe von 600 Euro eingestellt. Gegen Prinz soll abermals verhandelt werden, der nun ergangene Strafbefehl deckt nur den ersten Fall ab. Der Kommunalpolitiker war in der Vergangenheit bereits mehrfach verurteilt worden, auch zu einer Haftstrafe. Auf sein Konto gehen unter anderem schwerer Raub, gewerbliche Steuerhinterziehung, Zuhälterei und Amtsanmaßung. Die Freitaler AfD hat sich bislang nicht von ihrem kriminellen Mandatsträger distanziert. (↪ Sächsische, 09.07.)


Die Fraktionen im sächsischen Landtag sollen ab dem kommenden Jahr mehr Geld erhalten. So beabsichtigen die Koalitionsfraktionen, sowohl den Sockelbeitrag, als auch die sogenannte Kopfpauschale für die jeweiligen Abgeordneten sowie den Oppositionszuschlag deutlich anzuheben. Das Landtagspräsidium hat dem Vorschlag in dieser Woche mehrheitlich zugestimmt – gegen die Stimmen der AfD-Fraktion. Diese wird allerdings als stärkste Oppositionsfraktion am meisten profitieren und kann künftig mit 286.000 Euro pro Monat rechnen, ein Plus von mehr als 63.000 Euro. (↪ FP, 09.07.)


Der AfD-Kommunalpolitiker Mike Moncsek will für die Partei zur Bürgermeister*innenwahl in Augustusburg (Landkreis Mittelsachsen) antreten. Der erste Wahlgang wird am 13. September stattfinden, ein eventuell erforderlicher zweiter Wahlgang soll am 27. September folgen. Moncsek ist derzeit Mitglied des mittelsächsischen Kreistages und Gemeinderatsmitglied in Oberschöna. Dort ist er aktuell Vorwürfen ausgesetzt, bei der zurückliegenden Kommunalwahl falsche Angaben zu seinem Wohnort gemacht zu haben. Dem Landratsamt und der Gemeindeverwaltung liegt ein anonymes Schreiben vor, wonach er in Wirklichkeit in Freiberg lebe. Möglicherweise hätte er dann nicht zur Gemeinderatswahl antreten dürfen. Moncsek bestreitet das. Er wird dem inneren Führungskreis der Landespartei zugerechnet. Dem Vernehmen nach beabsichtigt er eine Kandidatur zur Bundestagswahl im kommenden Jahr. (↪ FP, 07.07., ↪ FP, 10.07.)


Der AfD-Landtagsabgeordnete Thomas Kirste wird am 11. Oktober zur Landratswahl im Landkreis Meißen antreten. Bei einem Kreisparteitag wurde Kirste in dieser Woche mit 44 von 80 Stimmen zum Kandidaten gewählt. Er setzte sich damit gegen die Leipziger Pianistin Olga Gollej durch, die für die AfD-Bundestagsfraktion arbeitet, sowie gegen Kirsten Wodniok, die aus dem Rechtsaußen-Umfeld der örtlichen CDU stammt. Im Vorfeld hatte sich der Landtagsabgeordnete Carsten Hütter einen Antritt vorbehalten, er stellte sich aber letztlich nicht zur Wahl. Nach Parteiangaben habe man außerdem einem „Richter aus Dresden“ die Kandidatur angetragen, der jedoch abgelehnt habe. Sollte Kirste zum Landrat gewählt werden, müsste er sein Landtagsmandat niederlegen. Da die AfD-Fraktion keine Nachrücker hat, würde ihr Einfluss im Parlament sinken. (↪ Sächsische, 09.07., ↪ Sächsische, 11.07.)


Anhänger*innen der AfD haben am Donnerstagabend am Rand einer Parteiveranstaltung in Plauen (Vogtlandkreis) einen Journalisten bedrängt und verletzt. Der Landtagsabgeordnete Frank Schaufel hatte zu einer Informationsveranstaltung mit dem rechtsextremen Europaabgeordneten Maximilian Krah in die örtliche Gaststätte „Zum Lochbauer“ eingeladen, Thema war die Corona-Pandemie. Mehrere Teilnehmende störten sich offenbar an einem anwesenden Journalisten, der von öffentlichem Grund aus Fotos anfertigte, was grundsätzlich erlaubt ist. Sie forderten ihn auf, seine Arbeit einzustellen. Darauf folgte nach Polizeiangaben ein „Handgemenge“ mit aufgebrachten AfD-Gästen, die den Journalisten festhielten und dabei am Arm verletzten. Der Abgeordnete Schaufel beruft sich auf das Hausrecht und bestätigt, dass man den Betroffenen „festgesetzt“ habe, nachdem es nicht gelungen sei, „ihn vom Fotografieren abzubringen“. Nun ermittelt die Polizei gegen fünf beteiligte Personen, die allesamt der AfD zuzurechnen sind. Verdacht: Nötigung und gefährliche Körperverletzung. (↪ FP, 10.07., ↪ MDR, 10.07.)


In Rotschau, einem Ortsteil von Reichenbach (Vogtlandkreis), darf auch weiterhin gut sichtbar eine schwarz-weiß-rote Reichsfahne wehen. Die Flagge wurde auf einem Privatgrundstück aufgezogen, direkt neben einer Bushaltestelle, die durch Schüler*innen genutzt wird. Am gleichen Mast befindet sich ein Werbeplakat der AfD („Freiheit statt Brüssel“). Beschwerden blieben ohne Erfolg, nach Auffassung der Stadtverwaltung gäbe es keine Handhabe für eine Entfernung. (↪ FP, 10.07.)


Der AfD-Bundestagsabgeordnete Ulrich Oehme, der zur OBM-Wahl in Chemnitz kandidiert, fürchtet nach eigenen Angaben um seine Sicherheit und will daher persönliche „Sicherheitsvorkehrungen verstärken“, sagte er der Freien Presse. Angriffe auf ihn seien „nicht auszuschließen“, so Oehme. Seine Behauptung, bedroht zu sein, belegt er nicht, stellt sie aber in einen Zusammenhang mit einer neuen Kampagne des Bündnisses „Aufstehen gegen Rassismus“, die sich kritisch mit Oehmes Positionen auseinandersetzen will. Tatsächlich beschäftigt Oehme bereits seit Anfang des Jahres den extrem rechten Aktivisten Arthur Österle für seinen „persönlichen Schutz bei öffentlichen Auftritten“. (↪ FP, 11.07.)

AfD rundherum

Der Bundesvorstand der AfD hat eine Entscheidung vertagt, ob sie sich auf das Angebot ihres Europaabgeordneten Guido Reil einlässt, den Schaden des durch ihn verursachten Parteispendenskandals persönlich zu begleichen. Das Spitzengremium besteht zunächst auf einer schriftlichen Äußerung Reils. Zu seinen Gunsten hatten die Schweizer Werbeagentur Goal AG im nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf 2017 Werbemittel im Wert von rund 45.000 Euro in Umlauf gebracht. Nach Ansicht der Bundestagsverwaltung handelte es sich um eine illegale Parteispende, es wurde eine Strafzahlung in Höhe von 133.500 Euro verhangen. Kürzlich kündigte Reil in einem Videoclip an, dafür persönlich einzustehen – und baute damit Druck gegen den Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen auf, der in einen ähnlichen Fall verwickelt ist, die Kosten aber aus der Parteikasse begleichen lassen will. Problem: Reil kündigte zwar an, dass es „keine finanziellen Nachteile für die AfD geben“ werde. Er will jedoch die Kosten, die er persönlich übernimmt, mit Zuwendungen verrechnen, die er seiner Partei bereits in der Vergangenheit geleistet hat. Weder Reil, noch die AfD-Spitze haben das bisher näher beziffert. (↪ WAZ, 06.07.)


Georg Pazderski, Fraktionsvorsitzender der AfD in Berlin, will zur Abgeordnetenhauswahl im kommenden Jahr als Spitzenkandidat antreten und die Fraktion auch in der nächsten Wahlperiode anführen. Das erklärte der Landespolitiker in dieser Woche. Er geht damit in die Offensive gegen innerparteiliche Kritik, mit der er aktuell überzogen wird. So haben jüngst neun der insgesamt 22 Fraktionsmitglieder einen „Appell“ unterzeichnet, in dem von einem „Klima des Misstrauens und der Destruktivität“ die Rede ist, das unter Pazderski entstanden sei. Die „Grundlage einer konstruktiven und vertrauensvollen Zusammenarbeit“ sei nicht mehr gegeben. Pazderski weist die Vorwürfe zurück, doch offenbar wird auch eine Spaltung der Fraktion nicht mehr ausgeschlossen. Schon kürzlich hatten Teile der Fraktion dafür gesorgt, dass dem parlamentarischen Geschäftsführer Frank-Christian Hansel – einem Vertrauten Pazderskis – wichtige Kompetenzen in Personal- und Finanzfragen entzogen werden. Für die Regelung der Fraktionsfinanzen wurde bereits Anfang des Jahres der Berater Thomas Schapals angestellt, inzwischen aber wieder entlassen. Dieser Vorgang war der Anlass des Brandbriefs gegen Pazderski. Er führt die Fraktion an, seitdem die AfD 2016 erstmals in das Berliner Landesparlament eingezogen war, seine Posten als Landesvorsitzender und Vize-Bundeschef hat er inzwischen jedoch verloren. Wegen seiner bröckelnden Machtbasis gilt Pazderskis Ankündigung, als Spitzenkandidat in den nächsten Wahlkampf zu gehen, als ambitioniert. Er inszeniert sich als konservativer und damit vergleichsweise gemäßigter AfD-Politiker, zudem gilt er als Anhänger des intern umstrittenen Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen. (↪ Tagesspiegel, 06.07., ↪ RBB, 07.07., ↪ Taz, 07.07., ↪ Tagesspiegel, 08.07., ↪ Taz, 08.07., ↪ RND, 08.07.)


Die AfD-Fraktion in der Gemeindevertretung von Schönefeld in Brandenburg steht vor der Auflösung. Die zunächst vierköpfige Fraktion bestand zuletzt nur noch aus zwei Mitgliedern. Nun ist auch der Fraktionsvorsitzende Torsten Ronne aus der Partei ausgetreten. Er begründete seinen Schritt mit der politischen „falschen Richtung“, die der brandenburgische AfD-Landesverband eingeschlagen habe. „Ich bemerkte auch, dass die Ausrichtung der AfD in Brandenburg von Egomanen bestimmt wurde, welche keine parteiinterne Diskussion zuließen“, sagte Ronne. Sein Mandat will er künftig als Parteiloser wahrnehmen. Derzeit hat die brandenburgische AfD auf kommunaler Ebene etliche Austritte zu verkraften, so etwa in Cottbus, Wandlitz, Schwedt und Oranienburg. Zudem haben sich jüngst die AfD-Kreistagsfraktionen in Prignitz und Barnim gespalten. Hintergrund ist die Einleitung der Beobachtung des gesamten Landesverbandes der Partei durch den brandenburgischen Verfassungsschutz. Seit Mai, als der Landesvorsitzende Andreas Kalbitz vorübergehend aus der AfD augeschlossen wurde, verlor die Landespartei nach offiziellen Angaben 32 Mitglieder. (↪ MAZ, 07.07., ↪ BZ, 09.07.)


Nach der Ausstrahlung eines sogenannten Sommerinterviews mit dem Neonazi Andreas Kalbitz am vergangenen Sonntag ist der RBB in die Kritik geraten. In dem Beitrag aus der Reihe „Politik am See“ wurde Kalbitz in seiner Funktion als Vorsitzender der AfD-Fraktion im brandenburgischen Landtag befragt. Er konnte darin eine knappe Dreiviertelstunde lang unter anderem die Aufhebung sämtlicher Corona-Schutzmaßnahmen fordern. Zudem behauptete er unwidersprochen, dass der Verfassungsschutz auf Druck von Medien gegen den von ihm angeführten AfD-Landesverband vorgehe. Das vollständige Interview ist online abrufbar, eine Kurzfassung wurde im TV-Programm augestrahlt. Nach erster Kritik an der Auswahl des Interviewpartners verteidigte sich der Sender zunächst mit dem Hinweis, dass Kalbitz‘ Zuordnung zum Rechtsextremismus „nicht bewiesen“ sei. RBB-Chefredakteur Christoph Singelnstein bezeichnete dies später als „Fehler eines Mitarbeiters“. Das Interview und dessen Ausstrahlung verteidigte Singelnstein jedoch: Man sehe es als Verpflichtung an, „das gesamte demokratisch legitimierte Spektrum zu Wort kommen zu lassen“ und könne dabei aus Gründen der „Ausgewogenheit“ den Chef der „größten Oppositionspartei und zweitstärksten politischen Kraft im Land nicht ignorieren.“ Die Interviewreihe, bei der auch weitere brandenburgische Spitzenpolitiker*innen befragt wurden, sei zudem „nicht investigativ angelegt“. In künftigen Fällen solle jedoch dafür gesorgt werden, dass mehr „Expertise in Sachen Rechtsextremismus“ bei solchen Gesprächsformaten zum Tragen komme. Inzwischen hat auch ZDF-Intendant Thomas Bellut die Ausstrahlung im Grundsatz verteidigt und Forderungen zurückgewiesen, der AfD keine Plattform mehr zu geben. Solche Interviews müssen aber besonders gut vorbereitet werden: „Man sollte Gespräche daran messen, wie sie geführt werden“, so Bellut. (↪ watson, 07.07., ↪ Spiegel, 07.07., ↪ RBB, 08.07., ↪ Tagesspiegel, 09.07., ↪ Tagesspiegel, 10.07.)


Mit einem skurrilen Auftritt hat die AfD im bayerischen Landtag auf sich aufmerksam gemacht: Aus Protest gegen die Maskenpflicht ist am Dienstag der AfD-Abgeordneten Stefan Löwe mit einer übergezogenen Gasmaske ans Rednerpult getreten. Ihm wurde das Rederecht entzogen, nachdem er sich weigerte, die Maske abzusetzen. Unmittelbar zuvor war die AfD-Fraktion damit gescheitert, mit einem Eilantrag beim Verwaltungsgericht München die Pflicht zum Tragen eines konventionellen Mund-Nase-Schutzes im Parlament zu kippen. Seit kurzen gilt diese Pflicht nicht mehr nur für Mitarbeiter*innen und Besucher*innen, sondern auch für Abgeordnete – nachdem insbesondere Mitglieder der AfD-Fraktion die bereits vorher bestehende Empfehlung weitgehend ignoriert hatten. Seitens der AfD hält man die derzeit verpflichtende Regelung für eine unzulässige Einschränkung des freien Mandats. Der Gasmasken-Protest sorgt auch deshalb für Empörung, weil zu dieser Zeit das Landtagsplenum über einen Antrag debattierte, der es Friedhofsträgern ermöglichen soll, Gedenksteine und Denkmäler für NS-Kriegsverbrecher zu verbieten und zu entfernen. (↪ RND, 08.07., ↪ FAZ, 09.07., ↪ Merkur, 10.07.)


Infolge des verschärften Vorgehens von Verfassungsschutzbehörden gegen die AfD wollen sich offenbar etliche AfD-Mitglieder den Behörden andienen: „Seit der Einstufung der AfD in Brandenburg verzeichnet der Verfassungsschutzverbund deutschlandweit regen Zulauf von AfD-Mitgliedern, die ihre Zusammenarbeit anbieten“, sagte ein Sprecher des brandenburigschen Innenministeriums dem Tagesspiegel. Der brandenburgische Verfassungsschutz hatte kürzlich den gesamten AfD-Landesverband als Verdachtsfall im Bereich des „Rechtsextremusmus“ eingestuft. Besorgte Anhänger*innen der Partei sind nun offenbar bereit, freiwillig Informationen über extrem rechte Personen und Strukturen in der AfD beizusteuern. Es handelt sich aus behördlicher Sicht um sogenannte Selbstanbieter. Sie sind nachrichtendienstliche Quellen, werden aber nicht gezielt angeworben, sondern stellen sich aus eigenem Antrieb zur Verfügung. (↪ Tagesspiegel, 09.07.)


Fünf der sieben AfD-Kreisverbände im Saarland haben sich gegen einen Ausschluss des Abgeordneten Lutz Hecker aus der saarländischen AfD-Landtagsfraktion gewandt. Das Vorhaben der Fraktion, die der abgesetzte Landesvorsitzende Josef Dörr anführt, war in der Vorwoche bekannt geworden, eine Entscheidung steht am Montag an. Wenn Hecker gehen muss, werde man die beiden verbleibenden Fraktionsmitglieder nicht mehr als legitime AfD-Vertreter im Parlament ansehen, warnen nun die Kreisverbände. (↪ SR, 09.07.)


Die AfD ist mit dem Versuch gescheitert, gegen den Bundeswehr-General Reinhardt Zudrop vorzugehen. Der Generalmajor hatte vor gut einem Jahr gegenüber Soldat*innen geäußert, dass die AfD keine „von Soldaten wählbare Partei“ sei, da sie teilweise von Rechtsextremisten angeführt werde. Daraufhin beschwerte sich der AfD-Bundestagsabgeordnete Rüdiger Lucassen beim Verteidigungsministerium und forderte die Suspendierung Zudrops, da er gegen die Neutralitätspflicht verstoßen haben soll, die ihm das Soldatengesetz auferlegt. Die Bundeswehr hat nun die Prüfung des Vorgangs abgeschlossen. Zudrop verstieß demnach nicht gegen das Dienstrecht. (↪ Spiegel, 10.07.)

Blauzone

Der Bundesvorstand der „Freien Wähler“ (FW) hat überraschend den sächsischen Landesvorsitzenden Steffen Große seines Amtes enthoben und gegen ihn eine Ämtersperre für die nächsten drei Jahre verhangen. Die Entscheidung fiel einstimmig. Zu den Hintergründen äußern sich bisher weder der Bundesvorstand, noch Große, der bereits Widerspruch beim Schiedsgericht eingelegt hat. Eine endgültige Entscheidung wird nicht vor Herbst ewartet. Nach Presseangaben werden Große und seinem Verband „Verbindungen und Überschneidungen mit dem rechtsextremen Milieu“ vorgeworfen, die man bei den FW als „liberal-wertkonservative Kraft der Mitte“ nicht dulden könne. Bemängelt wird unter anderem, dass bei den Kommunalwahlen im vergangenen Jahr Frank Hannig für die Dresdner Freien Wähler, denen Große bisher ebenfalls vorstand, in den dortigen Stadtrat eingezogen ist. Hannig ist der Strafverteidiger des mutmaßlichen Lübcke-Mörders Stephan Ernst und verfügt, wie auch andere damalige FW-Kandidierende, über Verbindungen zu Pegida und ins neuechte Spektrum. Der Bundesvorstand wirft Große außerdem vor, in Freital Mitglieder geworben zu haben, die vor drei Jahren die Verhaftung von Mitgliedern der rechtsterroristischen Vereinigung „Gruppe Freital“ durch Spezialkräfte der GSG-9 als „überzogen“ bezeichnet haben. Im vergangenen Jahr waren die FW am Einzug in den Sächsischen Landtag gescheitert. Spitzenkandidatin war die Polizeibeamtin Cathleen Martin, die bei der Deutschen Polizei-Gewerkschaft (DPolG) aktiv ist und als AfD-nah gilt. Sie ist Mitglied im FW-Landesvorstand und stellt sich hinter Große, da die Vorwürfe aus ihrer Sicht nicht haltbar seien. Ebenfalls noch im Amt ist Großes Stellvertreter, der Pegida-Aktivist Andreas Hofmann („DJ Happy Vibes“). (↪ Sächsische, 08.07., ↪ DNN, 10.07.)


In einem Leserbrief an den Berliner Tagesspiegel hat sich der Bautzner Oberbügermeister Alexander Ahrens (SPD) über die Berichterstattung der Zeitung beschwert und ihr „Sachsen-Bashing“ vorgeworfen. Dabei handle sich „schlicht und ergreifend eine Form von Rassismus, da man einer Gruppe von Menschen kollektiv negative Eigenschaften zuschreibt.“ Ahrens nimmt Anstoß an zwei jüngst erschienenen Artikeln, die sich mit rechten Hegemonien in der Region auseinandersetzen. Dabei geht es unter anderem um Fördermittel für einen AfD-Verein („Bautzener Liedertafel“) und um die extrem rechten Corona-Proteste an der Bundesstraße 96, bei der regelmäßig Reichsflaggen und AfD-Symbole zu sehen sind. Im Tagesspiegel wird Ahrens in dem Zusammenhang eine unkritische Haltung vorgeworfen. In seinem Leserbrief bestätigt er nun, dass er auch weiterhin AfD-Wähler*innen „zurückgewinnen“ und Mandatsträger*innen der Partei in den „Diskurs“ einbeziehen will. (↪ Sächsische, 10.07.)

Stimme & Haltung

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) drängt auf eine stärkere Abgrenzung gegenüber der AfD. Man könne sich nicht gegen die Verfassung wenden und gleichzeitig schwören, sie zu verteidigen, sagte der GdP-Vizevorsitzende Jörg Radek dem Deutschlandfunk. „Da muss man sich entscheiden: Entweder AfD oder Polizist.“ (↪ Dlf, 08.07.)