Presseschau, 22. Kalenderwoche 2020

Stark rückläufige Proteste gegen die Pandemie-Eindämmung, AfD gegen Synagogen-Sanierung, stärkste Fraktion in Görlitz, Drohung in Hohenstein-Ernstthal, Österle im Jugendausschuss, keine Distanzierung in Leipzig, Nachrücker in Bautzen, abgeblitzt in Oelsnitz, Ermittlung wegen Hitlergruß, Gauland unterstützt Lehnert, Niederlage für Brandner, Sieg für Verfassungsschutz, Rücktritt in Baden-Württemberg, Showdown in Mecklenburg-Vorpommern, Austritt in Berlin, Misstrauen gegen Medien. Das war diese Woche wichtig:


In der Presseschau informiert idas jeden Sonntag über lesenswerte Medienberichte und Recherchen rund um die AfD, die im Laufe der Woche erschienen sind.


AfD in Sachsen

Die sächsische AfD hat sich wie bereits in den Vorwochen an verschiedenen Protestveranstaltungen gegen Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie beteiligt und sie zum Teil selbst organisiert. Die Zahl der Versammlungen und auch der Teilnehmenden ist inzwischen stark rückläufig:

    • Am vergangenen Sonntag fand unter dem Motto „Verteidige Deine Grundrechte!“ eine AfD-Kundgebung in Löbau (Landkreis Görlitz) statt. Als Redner vor den rund 30 Teilnehmenden traten die beiden Landtagsabgeordneten Mario Kumpf und Sebastian Wippel auf.

    • Am Montag war ein AfD-Vertreter Redner bei einer Kundgebung in Zittau (Landkreis Görlitz) mit rund 50 Teilnehmenden, die dem Pegida-Spektrum angehören. In Großenhain (Landkreis Meißen) schlossen sich neben Neonazis unter anderem Mitglieder der örtlichen AfD-Stadtratsfraktion und das Landtagsmitglied Mario Beger einem unangemeldeten „Spaziergang“ an, an dem bis zu 200 Personen teilnahmen. Im nahe gelegenen Riesa erschienen zu einer AfD-Kundgebung lediglich sechs Personen.

    • Am Mittwoch nahmen in Pirna (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) rund 150 Personen an einer Kundgebung der AfD mit anschließendem „Spaziergang“ teil.

    • Am Sonnabend sammelten sich rund 200 Personen am Palaisteich in Dresden. „Eine frühere Abgeordnete der AfD stellte eine Initiative vor, weniger oder nichts mehr an den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu zahlen“, notiert dazu die Sächsische Zeitung. Es handelt sich um Karin Wilke, die bei der Landtagsfraktion angestellt ist.

(↪ Sächsische, 24.05., ↪ Sächsische, 25.05., ↪ Sächsische, 25.05., ↪ Sächsische, 26.05., ↪ DNN, 28.05., ↪ Sächsische, 28.05., ↪ Sächsische, 30.05.)


Der Chemnitzer Stadtrat hat mehrheitlich beschlossen, die örtliche Jüdische Gemeinde mit einem Zuschuss bei der Sanierung der Synagoge in der Stadt zu unterstützen. Gegenstimmen kamen aus den Fraktionen von „Pro Chemnitz“ und AfD.
(↪ FP, 25.05.)


Die AfD wird künftig die stärkste Fraktion im Stadtrat von Görlitz sein. Grund ist ein Auseinanderbrechen der sogenannten Bündnisfraktion, in der sich Mitglieder von SPD und Grünen sowie der Wahlinitiativen „Bürger für Görlitz“ und „Motor Görlitz“ zusammengeschlossen hatten. Gemeinsam verfügten sie bisher über 13 Mitglieder, genauso viele, wie die AfD. (↪ Sächsische, 27.05.)


Im Stadtrat von Hohenstein-Ernstthal hat es eine Mehrheit der Ratsmitglieder abgelehnt, eine Gedenkstätte für die Opfer eines Außenlagers des KZ Flossenbürg zu errichten, das sich im Gebiet des Ortes befand. Ein Antrag der Linken hatte das vorgeschlagen, bisher gibt es nur eine kleine Gedenktafel, die an einen sogenannten Todesmarsch im April 1945 erinnert. Der AfD-Fraktionsvorsitzende Hartmut Pfau sagte, der Antrag sei nur ein Versuch, „wieder auf sich aufmerksam zu machen“ und „das Geld anderer Leute ausgeben zu wollen“. Weiter notiert die Freie Presse: „Schließlich schickte AfD-Chef Pfau noch eine versteckte Drohung an den Fraktionsvorsitzenden der Linkspartei, Alexander Weiß. Sinngemäß sagte Pfau, dass es durchaus zu Tumulten kommen könne, wenn er nicht aufhören würde, seine Partei beziehungsweise Fraktion anzugreifen.“ (↪ FP, 28.05.)


Im Gemeinderat von Burkhardtsdorf (Erzgebirgskreis) ist erstmals ein Kinder- und Jugendausschuss gebildet worden. Ihm gehören künftig zwei der drei AfD-Ratsmitglieder an: Konstantin Rühl und der extrem rechte Aktivist Arthur Österle. (↪ FP, 28.05.)


Der Leipziger Stadtrat hat mit großer Mehrheit die Nutzung des Areals eines ehemaligen Außenlagers des KZ Buchenwald durch Neonazis verurteilt. Auf dem Gelände in der Kamenzer Straße waren einst mehr als 5.000 Frauen in Gefangenschaft. In den vergangenen Jahren fanden genau dort mehrere Rechtsrock-Konzerte statt, zudem trainiert vor Ort eine extrem rechte Kampfsportgruppe („Imperium“). Der Antrag der Linken, das Gelände unter Denkmalschutz zu stellen und ein würdiges Gedenken zu ermöglichen, fand insgesamt acht Nein-Stimmen – alle aus der AfD-Fraktion. (↪ L-IZ, 28.05.)


Im Stadtrat der Kreisstadt Bautzen ist Uwe Herold als neues Mitglied für die AfD aufgenommen worden. Er ist Nachrücker für Peter Schulze, der zur Kommunalwahl im vergangenenn Jahr Spoitzenkandidat der Partei war, inzwischen aber sein Mandat auf eigenen Wunsch niedergelegt hat. (↪ Sächsische, 28.05.)


Die AfD ist im Stadtrat von Oelsnitz (Vogtlandkreis) mit dem Vorschlag gescheitert, eine Kommission einzurichten, die alle geplanten Ausgaben der Stadt im Hinblick auf die kostenintensiven Auswirkungen der Corona-Pandemie überprüfen sollte. Die Einrichtung einer solchen Kommission ist rechtlich nicht geregelt, sie hätte keine Entscheidungsbefugnisse. Am Ende der Ratsdebatte stimmten nur drei AfD-Vertreter*innen für den Antrag – den ursprünglich vier AfD-Ratsmitglieder eingereicht hatten. (↪ FP, 30.05.)

AfD rundherum

Gegen den Vorstandssprecher des AfD-Landesverbandes Mecklenburg-Vorpommern, Hagen Brauer, wird wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ermittelt. Brauer soll kurz vor Beginn einer Kundgebung der Partei, die am Sonnabend vor einer Woche auf dem Marktplatz von Neubrandenburg stattfand, einen Hitlergruß in Richtung eines Ordners gezeigt haben. Der Vorfall wurde durch einen Polizeibeamten beobachtet und zur Anzeige gebracht. Brauer bestreitet den Vorwurf. Bekanntester Gast unter den rund 80 Teilnehmenden bei der Kundgebung, die unter dem Motto „Freiheit statt Überwachungsstaat! Lockdown sofort beenden“ stand, war der AfD-Parteivorsitzende Tino Chrupalla. (↪ Nordkurier, 25.05., ↪ NDR, 26.05.)


Der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland hat versucht, zugunsten des neurechten Publizisten Erik Lehnert zu intervenieren, der kürzlich als Vorstandsmitglied der parteinahen Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) abgesetzt worden ist. Gauland soll sich demnach im Vorfeld der umkämpften Entscheidung telefonisch an die Stiftungsvorsitzende Erika Steinbach gewandt und vor den möglichen Folgen der Absetzung Lehnerts gewarnt haben, der zum „Institut für Staatspolitik“ gehört, das neuerdings durch den Verfassungsschutz beobachtet wird. Bei der Stiftung fürchtet man dadurch Probleme beim künftigen Zugriff auf staatliche Fördermittel, Steinbach teilt diese Bedenken. Gäbe man ihnen jedoch nach, könnte die AfD der DES den Status als parteinahe Stiftung entziehen, soll Gauland angedeutet haben. Entsprechende Drohungen waren bisher bereits aus dem Spektrum des verfassungsfeindlichen Flügels zu hören gewesen. Aufgrund der zugespitzen Situation soll zuletzt Steinbach ihren Rücktritt von der DES-Spitze erwogen haben. (↪ Welt, 27.05., ↪ Tagesschau, 28.05.)


Der AfD-Abgeordnete Stephan Brandner darf vorerst nicht wieder Vorsitzender des Rechtsausschusses im Bundestag sein. Das hat das Bundesverfassungsgericht in einem Eilverfahren entschieden. Angestrengt worden war es durch die AfD-Bundestagsfraktion. Sie wollte auf diesem Weg gegen die Abwahl Brandners im November 2019 vorgehen. Die AfD-Fraktion hat einen Anspruch auf den Ausschussvorsitz, benannte aber bisher keine neue Person, sondern hält an Brandner fest. Deswegen verneinte das Gericht die Dringlichkeit und veröffentlichte nun einen entsprechenden Beschluss. Brandner war im vergangenen Jahr durch mehrere verhetzende Äußerungen und einen antisemitischen Twitter-Beitrag in die Kritik geraten. Die daraufhin erfolgte Abwahl ist in der Geschichte des Bundestags ein bislang einmaliger Vorgang, der in der Geschäftsordnung des Parlaments nicht geregelt ist. Klagevertreter der AfD ist der Staatsrechtler Michael Elicker, der auch als Berater der sächsischen AfD-Landtagsfraktion tätig ist. In einem Hauptsacheverfahren wird sich das Gericht weiter mit der Frage auseinandersetzen, ob die Absetzung Brandners verfassungswidrig war. (↪ LTO, 28.05., ↪ Spiegel, 29.05., ↪ Zeit, 29.05.)


Das Verwaltungsgericht Berlin hat in zwei Eilverfahren entschieden, dass im künftigen Verfassungsschutzbericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) die AfD-Jugendorganisation „Junge Alternative“ (JA) und die Partei-Teilorganisation „Der Flügel“ erwähnt und im Bereich des „Rechtsextremismus“ aufgeführt werden dürfen. Der Bundesvorstand der Partei und der JA wollen das auf gerichtlichem Weg verhindern. Dem Gericht zufolge liegen aber hinreichend gewichtige Anhaltspunkte für die Auffassung des BfV vor, das im vergangenen Jahr beide Gruppierungen zu sogenannten Verdachtsfällen und den „Flügel“ zwischenzeitlich gar zum vollwertigen Beobachtungsobjekt erklärt hat. Gegen die Entscheidungen können Beschwerden zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg und später zum Bundesverfassungsgericht eingelegt werden. (↪ RND, 28.05., ↪ Tagesspiegel, 28.05.)


Die baden-württembergische AfD wird ihren einzigen Bürgermeister verlieren. Zum 1. Juni scheidet Harry Ebert, Stadtchef von Burladingen, auf eigenen Wunsch aus dem Amt aus. Ebert hatte diesen Schritt bereits Ende vergangenen Jahres angekündigt. Er war der AfD 2018 beigetreten, als er bereits Bürgermeister war. (↪ Spiegel, 30.05.)


Im aktuellen Machtkampf der AfD könnte es demnächst bereits zu einem kleinen Showdown kommen. Betroffen ist der Landesverband Mecklenburg-Vorpommern, wo sich mehrere Kreisverbände bereits seit einer Weile mit dem Landesvorstand um Jan-Erik Holm überworfen haben. Zuletzt hatte Holm den kompletten Vorstand des Kreisverbands Rostock absetzen lassen, der sich demonstrativ hinter den aus der Partei geworfenen Neonazi Andreas Kalbitz gestellt hatte. Offizieller Vorwurf: In Rostock soll man zahlreiche Mitgliedsanträge absichtlich nicht bearbeitet haben. Nun laden sowohl der Landesvorstand um Holm, als auch der abgesetzte Rostocker Kreisvorstand zu einer Mitgliederversammlung ein – unabhängig voneinander, aber für dieselbe Zeit am selben Ort. (↪ SVZ, 30.05.)


Bernd Pachal, bisher stellvertretender AfD-Fraktionsvorsitzender in der Bezirksverordnetenversammlung Berlin-Hellersdorf, ist aus der Partei ausgetreten. Damit kam er einem Ausschlussverfahren zuvor, das der AfD-Landesvorstand eingeleitet hat. Hintergrund sind Äußerungen, die Pachal vor inzwischen acht Jahren während seines Dienstes bei der Bundespolizei machte. Dabei soll er unter anderem den Holocaust geleugnet, Himmler und Goebbels als „starke Männer“ gerühmt sowie weitere antisemitische Kommentare abgegeben haben. Daraufhin wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet. Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hatte in dieser Sache inzwischen das letzte Wort und entfernte Pachal aus dem Staatsdienst. Die Berliner AfD will davon erst jetzt erfahren haben. (↪ FAS, 31.05., S. 4.)

Hintergrund

Anhänger*innen der AfD sind beim Thema Pandemie außergewöhnlich misstrauisch. Insgesamt 54 Prozent aller erklärten Anhänger*innen und Wähler*innen der Partei stimmen der Aussage zu, dass „Politik und Medien die Gefährlichkeit des Corona-Virus ganz bewusst übertreiben, um die Öffentlichkeit zu täuschen“. Nur 20 Prozent aller Wahlberechtigen stimmt dieser Aussage zu. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Instituts Infratest Dimap im Auftrag des NDR-Magazins ZAPP. Demnach vertrauen 68 Prozent bei der Berichterstattung über Corona den öffentlich-rechtlichen Medien. Anders die Anhänger*innen der AfD – unter ihnen sind es nur 27 Prozent. (↪ Tagesschau, 27.05., ↪ NDR, 27.05.)