Abstimmung in Radebeul: Kulturkampfkandidat von CDU & AfD

In Radebeul haben CDU und AfD gemeinsam Jörg Bernig zum Kulturamtsleiter gewählt. Der Schriftsteller vertritt seit Jahren extrem rechte Ansichten, verteidigt Pegida und schürt Hass gegen Ausländer*innen. Seine Wahl ist offenbar ein Coup der AfD-freundlichen WerteUnion.

Der Stadtrat in Radebeul (Landkreis Meißen) hat den rechtsradikalen Schriftsteller Jörg Bernig am Mittwoch zum neuen Leiter des kommunalen Amtes für Kultur und Tourismus gewählt. Vorgeschlagen wurde der 56-Jährige, der in der nahe Dresden gelegenen Stadt wohnt, durch den CDU-Fraktionsvorsitzenden Ulrich Reusch. Die Personalie war vorher nicht bekannt, gewählt wurde Bernig mit den Stimmen der AfD. Die Entscheidung fiel mit 17 Ja-, 15 Gegenstimmen und zwei Enthaltungen knapp aus.

Starker Einfluss der „WerteUnion“

Der parteilose Oberbürgermeister Bert Wendsche, der selbst der CDU-Fraktion angehört und zudem Präsident des Sächsischen Städte- und Gemeindetags ist, erklärte bereits sein Einverständnis mit der Wahl. Bernig wird damit in Zukunft hauptamtlich unter anderem für die städtische Kulturkonzeption und -förderung zuständig sein, für Ausstellungen und die Vergabe kommunaler Zuschüsse – und außerdem für die Verleihung des Kunstpreises der Stadt, den er 2013 selbst erhalten hat.

Es ist nicht überraschend, dass CDU und AfD vor Ort zusammenfinden und faktisch einen gemeinsamen Kandidaten ins Amt hieven. Bekanntestes AfD-Stadtratsmitglied ist Detlev Spangenberg, der ehemalige Stasi-Zuträger saß zunächst im Landtag, 2017 wechselte er in den Bundestag. Die Kreis-CDU wiederum gilt seit langem als ein vergleichsweise rechtslastiger Verband: Die stellvertretende Kreisvorsitzende Yvonne Olivier gehörte einst zum neofaschistischen „Thule-Seminar“ und heute zur AfD-freundlichen WerteUnion. Das CDU-Kreisvorstandsmitglied Sven Eppinger ist zugleich Vize-Landeschef der WerteUnion, bereits 2016 war von seinem Privatkonto eine Spende an die AfD geflossen. Im März kündigte er an, den ersten sächsischen Kreisverband der WerteUnion zu gründen.

Eppinger ist auch Mitglied im Radebeuler Stadtrat. Dort gehört mit Wolfgang Jacobi ein bekannter Pegida-Anhänger zur CDU-Fraktion. Er war beispielsweise Publikum, als vor drei Monaten Björn Höcke eine Rede bei Pegida hielt, und lief schon vor zwei Jahren mit, als Höcke und der kürzlich aus der AfD geworfene Neonazi Andreas Kalbitz in der ersten Reihe eines Pegida-Aufzugs marschierten. Folgen hatte das nicht. Mit Thomas Tallacker war sogar einer der Pegida-Gründer bis Ende 2016 Mitglied im Radebeuler CDU-Stadtverband. Auch der jetzt gewählte Jörg Bernig ist ein ausdrücklicher Fürsprecher der rassistischen Protestserie.

„Zorn“ auf Ausländer*innen

Jörg Bernig, 1964 in Wurzen geboren, ist ein freischaffender Schriftsteller, der seit 1995 in Radebeul lebt, er gehört zur Lokaprominenz, wenn man so will. Lange war er nur einem versierten Fachpublikum bekannt, ausgezeichnet mit renommierten Literaturpreisen. Er wurde ins PEN-Zentrum Deutschland gewählt, eine bedeutende Vereinigung von Schriftsteller*innen, und er ist Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste. In den vergangenen Jahren gewann Bernig einen politisch interessierten Leser*innenkreis hinzu: Seine Schriften über Stalingrad, den „Bombenkrieg“ auf Dresden und darüber, wie er sich als Nachfahre deutsch-böhmischer Vertriebener die Vertreibung vorstellt, wurden vom Ostpreußenblatt bis zur Jungen Freiheit ausführlich gelobt.

Größeres Aufsehen erregte er Ende 2015 mit einem Essay unter dem Titel „Zorn allenthalben“, der ein Kommentar zur sorgenannten Migrationskrise mit klarer Schlagseite war. Eine seiner Thesen: Straftaten, die Ausländer*innen begehen, würden vertuscht, die Polizei dürfe nicht sagen, „was tatsächlich alles vorfalle“, und er dürfe „so etwas nicht schreiben“, um es dann eben doch zu tun. Zwar hatte die FAZ den Text abgelehnt, aber die Sächsische Zeitung gab eine ganze Seite her für die lange Beschwerde des Schriftstellers über die Anwesenheit von Geflüchteten, die er eine „Gefährdung im täglichen Leben“ nannte.

Er empfinde „Zorn angesichts der Situation, die auch mit den immer zahlreicher ins Land kommenden Menschen zu tun hat“, schrieb er. Zu seinem Zorn trage bei, „dass die Bundesregierung die Souveränität des Staates beiseite wischte und zum massenhaften un- oder kaum kontrollierten Grenzübertritt einlud, ja, aufrief. Die Bundesregierung holte damit auch die Konflikte anderer Kulturen ins Land.“ Bernig wiederholte damit eine der Grunderzählungen Pegidas und den so verbreiteten wie falschen Mythos, im Spätsommer und Herbst 2015 habe eine Grenzöffnung stattgefunden. Gegen Einwände sicherte sich Bernig zugleich ab mit der Behauptung, dass Medien ständig vorschreiben würden, „wie wir zu denken haben“. Dem würden die „gebildeten Menschen“ widerstehen, jene, die bei Pegida mitmachen.

„Versuchslabor einer ethnischen Modifizierung“

Im September 2016 setzte Bernig seine Suada fort, auf der Kanzel der Klosterkirche St. Annen in Kamenz. Eingeladen hatte ihn die Arbeitsstelle für Lessing-Rezeption. Dabei behauptete er erneut, ein Konglomerat aus Politik und Medien würde dem Volk vorschreiben, „was richtig ist, was es zu denken hat“. Er sprach über das „massenhafte Hereinwinken von Menschen“, das Ziel sei letztlich eine „totale Umgestaltung. Womit ließe sich das wirkungsvoller erreichen als in der Umgestaltung dessen, was sich in einem historischen Überlieferungfeld und Sinnszusammenhang als Volk bezeichnet?“

Die Bundesrepublik nannte Bernig bei der Gelegenheit ein „Versuchslabor einer ethnischen Modifizierung“, eine elaborierte Umschreibung dessen, was bei Pegida zunächst „Überfremdung“ hieß, dann im Neonazi-Slang als „Umvolkung“ bezeichnet wurde und durch die Identitären als „großer Austausch“ umschrieben wird. Bernig war trotzdem großer Hoffnung: Sachsen sei nicht die Bundesrepublik, sondern etwas anderes, besseres: Deutschland. Als er das aussprach, nannte er sich selbst einen „Verteidiger der aufklärerischen Vernunft“. Eine Aufzeichnung der Rede strahlte später MDR Kultur aus. Da hatte das Manuskript bereits im Internet die Runde gemacht. Als wenig später der neurechte Publizist Götz Kubitschek bei Pegida in Dresden sprach, am Tag der Deutschen Einheit, zitierte er ausführlich aus Bernigs Rede und adelte den Dichter als einen „Denker“ der neurechten Bewegung.

Teile dieser Bewegung und auch Kubitschek selbst gelten inzwischen offiziell als „rechtsextremistisch“. In diesem Milieu tauchte Bernigs Name in der Folgezeit immer wieder auf. So war er 2017 einer der Erstunterzeichner*innen der „Charta 2017“, einer Petition, die davor warnte, „nicht mehr weit von einer Gesinnungsdiktatur entfernt“ zu sein. Anlass waren Proteste gegen extrem rechte Verlagsstände auf der Frankfurter Buchmesse. Noch ein Jahr später war Bernig Erstunterzeichner der nationalistischen „Erklärung 2018“, der zufolge „Deutschland durch die illegale Masseneinwanderung beschädigt wird“. Seinen Namen hat Bernig in beiden Fällen auf Einladung der Dresdner Buchhändlerin Susanne Dagen hergegeben, die in neurechten Kreisen verkehrt und zeitweise dem Kuratorium der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung angehört hat. Mit Bernig ist sie schon länger befreundet, sie ist inzwischen seine Verlegerin geworden.

Jahrelange „Tumult“-Mitarbeit

In diesem einschlägigen Spektrum musste Bernig nicht erst eingeführt werden, seine politischen Interessen formten sich schon vor der Pegida-Welle. So war er länger bekannt gewesen mit dem neurechten Publizisten Ulrich Schacht, der mal Dresdner Stadtschreiber war und sich zuletzt der AfD angenähert hat, bis er vor anderthalb Jahren verstarb. Schacht war an der neurechten Zeitschrift Tumult beteiligt, die in Dresden erscheint – und in deren Mitarbeiterstamm Bernig schon vor etlichen Jahren auftauchte. Er veröffentlicht dort vor allem Gedichte, oft als Vorabdrucke, zuletzt in der zurückliegenden Winterausgabe. Im aktuellen Heft bewirbt Susanne Dagen eines seiner Bücher.

Daneben hat sich Bernig in der Tumult auch programmatisch geäußert. Im Sommer 2017 schrieb er über die angebliche „Grenz- und Souveränitätspreisgabe durch die deutsche Bundesregierung in den Jahren 2015/16“ und die Folgen, die er erkannt haben will: „Die nach Europa gelenkte Massenmigration importiert Kulturen, die sich in Konfliktstellung zur europäischen Kultur sehen und befinden. Und Europa importiert sich fremde kulturelle Konflikte, die mit aller Entschiedenheit und Konsequenz nun auch auf europäischem Boden ausgetragen werden.“

Im gleichen Jahr erschien ein kurzer, ähnlich angelegter Aufsatz in der Zeitschrift Der Burschenschafter. Bernig klagte dort über die „Staatspreisgabe des Jahres 2015“ und über „Masseneinwanderung“ als den „Versuch eines Umbaus der Gesellschaft“, als „Austausch vorhandener Teile durch andere“. Einmal mehr schimpfte er auf den „politisch-medialen Komplex“, der ihn das, was er immer wieder sagt, angeblich nicht einmal denken lässt. Dabei ist er keinesfalls einer, der nichts sagen darf oder nur noch am rechten Rand publizieren kann. In der Zeitschrift Cicero, die an fast jedem Kiosk ausliegt, konnte er im vergangenen Jahr auf fünf Seiten einmal mehr darlegen, was ihn an Medien und Regierung, an Westdeutschen und vor allem an Ausländer*innen stört.

„Linksextreme“ Bundesrepublik?

Die größte Aufmerksamkeit erhält er allerdings von rechtsaußen, ein Spektrum, das er bewusst bedient. Im vergangenen Sommer erschien ein Bernig-Aufsatz in Götz Kubitscheks Zeitschrift Sezession, in einem Schwerpunktheft über Sachsen, das man seit Pegida und den AfD-Wahlerfolgen als großes Widerstandsnest hegt. Bernig lobte, dass „die Sachsen anders sind als so manche der anderen in Deutschland“, dass sie sich dem „altbundesrepublikanischen Konsens“ widersetzen. Er meint damit – allen Ernstes – „linkes bis linksextremes Gedankengut“, das die Bundesrepublik angeblich beherrsche. In Sachsen sei man immerhin in der „Lage, sich zu wehren“.

Wer sich für Bernigs Bücher interessiert, kann sie in der Versandsparte von Kubitscheks Antaios-Verlag beziehen. Kurz vor Weihnachten empfahl Kubitschek seinen Kund*innen diese Werke ausdrücklich zum Kauf, denn der Autor gehöre „zu den wenigen überparteilichen, gesellschaftspolitisch ‚kritischen‘ Stimmen, die unser trauriges Land noch vorzuweisen hat.“ Überparteilich, das meint in Radebeul wohl ein Bündnis aus CDU und AfD. Die Kreis-CDU kennt Bernigs Positionen übrigens ganz genau: Sie hat ihn 2018 zu einem Vortrag eingeladen. Er warnte dort vor einem „Aufeinanderprallen der Kulturen Europas mit der islamischen Welt“, wie auf der Website des CDU-Stadtverbandes nachzulesen ist.