Mit seinem Vorschlag, die AfD zu spalten, ist der Parteivorsitzende Jörg Meuthen hart aufgelaufen. Jetzt zieht er seinen Vorschlag eilig wieder zurück. Der Machtkampf ist damit nicht beendet, sondern schwelt weiter.
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Der AfD-Parteivorsitzende Jörg Meuthen hat seinen Vorschlag, eine „Teilung“ der Partei anzustreben, zurückgenommen. Für die Idee, die er am Mittwoch in einem Interview bekannt gemacht hatte, gebe es „insgesamt keine Mehrheit. Die Mehrheit wünscht ganz eindeutig ein weiteres Arbeiten als eine einheitliche Partei“, sagte Meuthen heute der parteinahen Wochenzeitung Junge Freiheit. Es sei nun an der Zeit, „einen Gang herunterschalten“. Für ihn sei „die Diskussion beendet.“
Nur ein „Denkansatz“?
Meuthen bezeichnete es als Fehler, nicht deutlicher gemacht zu haben, dass es sich bei seinen Überlegungen um einen „strategischen Denkansatz“ gehandelt habe, aber „nicht um eine konkrete Forderung“. Auch habe er kein Ultimatum gestellt. Allerdings hatte er noch vor zwei Tagen ausdrücklich bekräftigt, dass es sich bei seinem Teilungsplan, wonach der verfassungsfeindliche Flügel besser als eine eigenständige Bewegung jenseits der AfD existieren sollte, nicht nur um ein Gedankenspiel handle, sondern es bis Ende des Jahres eine Entscheidung geben soll.
Die Reaktionen innerhalb der AfD waren verheerend, die weiteren Mitglieder des Bundesvorstandes haben sich fast durchgehend und teils mit scharfen Worten distanziert. Der zweite Bundessprecher neben Meuthen, Tino Chrupalla, sagte, er sei von dem Vorstoß „überrascht und menschlich enttäuscht“. Meuthen und der aus Sachsen stammende Chrupalla hatten die Partei bislang einvernehmlich angeführt. Beide versandten gestern auch ein gemeinsames Rundschreiben, in der sie zur Pandemiekrise Stellung nehmen, für einen staatstragenden Kurs werben und zum Schluss aufrufen, „einig und gemeinsam“ vorzugehen. Doch das Vertrauensverhältnis gilt als zerrüttet.
Meuthen steht nicht nur isoliert, sondern nach seiner neulichen Wendung auch als Opportunist da. Offene Fürsprache erhielt er nur vereinzelt und von außen. So erklärte heute die ehemalige Bürgerrechtlerin und CDU-Politikerin Vera Lengsfeld in einem Gastkommentar für das Portal „Tichys Einblick“, das auch das Meuthen-Interview veröffentlicht hatte, sie halte die vorgeschlagene „Separierung von AfD und Flügel“ für unausweichlich, „je eher, desto besser.“ Lengsfeld ist kein AfD-Mitglied, aber eine der wichtigsten und bekanntesten Publizistinnen im Umfeld der Partei.
Flügel will Meuthen „verabschieden“
Insbesondere der Flügel stellt nun Meuthens Zukunft an der Parteispitze vehement in Frage, nachdem dieser sich erfolgreich dafür eingesetzt hatte, die völkisch-nationalistische Strömung um Björn Höcke auflösen zu lassen. In einem gestern veröffentlichten Videointerview erklärte Höcke, die AfD sei „von innen bedroht“. Er sei sich jedoch sicher, dass die AfD „jeden verabschieden wird“, der versuche, sie zu „verzwergen“. Es gäbe „Einzelne“, die keine Lehren aus dem Schicksal der Ex-Vorsitzenden Bernd Lucke und Frauke Petry gezogen hätten. Eine Drohung gegen Meuthen sei dies aber nicht, setzte Höcke hinzu.
Dem Vernehmen nach werden bereits Abwahlanträge vorbereitet, die Meuthen, aber auch dem gesamten Bundesvorstand gelten sollen. Beim nähsten Bundesparteitag, der wegen der Pandemie auf unbestimmte Zeit verschoben wurde, könnte Meuthen fallen. Er ist bereits seit 2015 an der Bundesspitze und regulär bis Ende 2021 gewählt. Mit einer Unterschriftensammlung, deren Initiator*innen anonym bleiben wollen, soll sein Ende beschleunigt werden, gefordert wird der Rücktritt.
Auf der Liste der Unterzeichner*innen steht seit gestern der sächsische Landtagsabgeordnete Roland Ulbrich, der sich am rechten Rand der AfD bewegt, und seit heute auch sein Fraktionskollege Roberto Kuhnert. Der Landesvorsitzende Jörg Urban und der Generalsekretär Jan Zwerg hatten kürzlich ihre Loyalität zu Höcke und Andreas Kalbitz, dem zweiten Mann an der Flügel-Spitze, bekräftigt. Gestern veröffentlichten Urban und Zwerg eine weitere Erklärung, in der sie ihr Unverständnis für Meuthen unterstreichen. Von ihm und den weiteren Mitgliedern des Bundesvorstands erwarte man, dass sie „alles dafür tun, um für den größtmöglichen Zusammenhalt zu sorgen.“
Konflikt durchzieht die Fraktion
Meuthens Gegenspieler*innen mögen die Oberhand haben, aber auch sie sind sich nicht einig. Dem Teilungsplan war Chrupalla knapp zuvorgekommen mit einem Aufruf zur Einheit, den auch der Parteigründer und Ehrenvorsitzende Alexander Gauland sowie Alice Weidel mittragen; beide führen die AfD-Bundestagsfraktion an. Doch gegen ihren ausdrücklichen Willen haben nach Informationen des Redaktionsnetzwerk Deutschland zahlreiche Abgeordnete durchgesetzt, dass sich die Fraktion am Dienstag zu einer Sondersitzung trifft.
Es handelt sich auch um eine Krisensitzung. Etliche Abgeordnete kritisieren, dass die Fraktion in der aktuellen Krise zu wenig präsent sei. Voraussichtlich werden die aktuellen Machtkämpfe ebenfalls eine Rolle spielen. Erster Redner bei der Sitzung soll demnach Dirk Spaniel sein. Er gehört dem Flügel an und liegt im Clinch mit Weidel. Diese hatte sich mit dem Flügel arrangiert, dann aber den Beschluss des Bundesvorstandes, wonach sich diese Strömung auflösen muss, mitgetragen. Zudem hatte Spaniel im vergangenen Jahr Versucht, Meuthens Wiederwahl als AfD-Vorsitzender zu verhindern. Mindestens 25 der insgesamt 89 AfD-Bundestagsabgeordneten werden dem Flügel zugerechnet.