Presseschau, 26. Kalenderwoche 2020

Stadträte in Döbeln und Borna, Austritte in Waldenburg, Oranienburg, Neuruppin und Cottbus, Protestserie in Pirna, Geld für Bautzner AfD-Singeclub, Untersuchungsausschuss, OBM-Kandidaten Oehme und Gbureck, Siedlungspläne von Chris Ares, schlechte Umfragewerte, kaum Neumitglieder, Geheimtreffen der Länderchefs, Warnung vor der DES, Selbstkritik von Söder, Meuthen gibt in Spendenaffäre auf. Das war diese Woche wichtig:


In der Presseschau informiert idas jeden Sonntag über lesenswerte Medienberichte und Recherchen rund um die AfD, die im Laufe der Woche erschienen sind.


AfD in Sachsen

Holger Pietzsch, AfD-Stadtratsmitglied in Döbeln (Landkreis Mittelsachsen), gehört ab sofort dem Seniorenbeirat der Stadt an. Das beratende Gremium, das sich insbesondere mit den Belangen älterer Menschen auseinandersetzen soll, wurde neu gebildet. Es besteht aus vier Stadtratsmitgliedern sowie vier durch den Stadtrat berufenen Bürger*innen. (↪ LVZ, 21.06.)


Die AfD-nahe „Bautzener Liedertafel“, ein eingetragener Verein „für Liedgut und Heimatpflege“ aus der Kreisstadt, erhält für sein Projekt „Offenes Singen nach der Krise“ einen finanziellen Zuschuss aus dem Zivilgesellschaftsprogramm „Demokratie leben“ des Bundes. Entschieden hat das der örtliche Begleitausschuss des Programms „Partnerschaft für Demokratie“ (PfD), das die Bundesmittel auf Antrag vergibt. Unter den 17 Mitgliedern des Gremiums – unter ihnen der AfD-Landtagsabgeordnete Frank Peschel – gab es lediglich zwei Gegenstimmen und eine Enthaltung. Der Verein wirbt inzwischen mit Flyern, auf denen das offizielle Logo des für das Förderprogramm zuständigen Bundesfamilienministeriums aufgebracht ist. Vereinsmitglieder sind in der Vergangenheit bei etlichen AfD-Veranstaltungen aufgetreten, aber beispielsweise auch bei Pegida. Zudem finden regelmäßige „Volksliederabende“ im örtlichen AfD-Büro statt, das auch offizieller Sitz des Vereins ist. Der PfD-Begleitausschuss hatte schon kürzlich eine „ideelle Unterstützung“ für eine AfD-nahe Kundgebung in Bautzen beschlossen, die jedoch kurzfristig ausgefallen ist. (↪ Sächsische, 22.06., ↪ Tagesspiegel, 23.06.)


Die AfD will ihre Kundgebungsserie in Pirna (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge), mit der sie seit rund zwei Monaten immer mittwochs gegen die Eindämmung der Corona-Pandemie protestiert, auch in Zukunft fortführen. Dann stehen womöglich andere Themen im Vordergrund, „Nie wieder Sozialismus“ war eines der zuletzt gewählten Mottos. Die Zahl der Teilnehmenden nimmt bereits seit einer Weile deutlich ab. (↪ Sächsische, 23.06.)


Für die AfD soll Winfried Boden in den Stadtrat von Borna (Landkreis Leipzig) einziehen. Er ist Nachrücker für Reinhard Jöricke. Dieser war bereits vor einer Weile aus der AfD-Ratsfraktion ausgeschlossen worden, weil er ein Drohschreiben an den DGB gesandt hat. Zuletzt bestätigte sich der bereits länger bestehende Verdacht, dass Jöricke nicht in der Stadt wohnt und damit womöglich nicht zur Kommunalwahl im vergangenen Jahr hätte antreten dürfen. (↪ LVZ, 23.06.)


Simon Gutte, bisher Stadtratsmitglied der AfD in Waldenburg (Landkreis Zwickau), ist aus der Partei ausgetreten. Er war der einzige Vertreter der Partei in dem Gremium, das nunmehr AfD-frei ist. Seinen Schritt begründete er damit, dass eine weitere Mitgliedschaft nicht mehr seiner „durch verschiedene Denkprozesse geänderten Lebensphilosophie und liberalem Weltbild entsprochen“ hätte. Sein Mandat will er künftig als Partei- und Fraktionsloser ausüben. (↪ FP, 23.06.)


Mit widersprüchlichen Botschaften hat sich die AfD-Fraktion im Landtag zur „Fahrradgate“-Affäre der sächsischen Polizei zu Wort gemeldet. Im Anschluss an eine Sondersitzung des Innenausschusses am Mittwoch erklärte der AfD-Abgeordnete Lars Kuppi, der stellvertretender Vorsitzender des Gremiums ist, er halte Vorwürfe gegen Innenminister Roland Wöller (CDU), den mutmaßlich korrupten Handel der Polizei mit gestohlenen Fahrrädern vertuscht zu haben, für ausgeräumt. Falls Wöller gehen müsse, dann wegen anderer Verfehlungen, erklärte er ohne zu sagen, welche Verfehlungen er meint. Anders äußerte sich am gleichen Tag in einer Pressemitteilung der AfD-Abgeordnete Sebastian Wippel, von Beruf ebenfalls Polizist. Ihm zufolge habe sich Wöller „disqualifiziert“ und sei „nicht mehr zu halten“. (↪ FP, 24.06.)


Der extrem rechte Musiker und Aktivist Christoph Aljoscha Zloch, besser bekannt als „Chris Ares“, will sich im Landkreis Bautzen niederlassen. In dieser Woche kündigte er an, ein Wohnprojekt für Gleichgesinnte – die Rede ist von einem „Dorf“ mit vier Häusern für 25 Personen – in einem noch nicht benannten Ort zwischen Pulsnitz und Dresden sowie ein „patriotisches“ Jugendzentrum in Bischofswerda einzurichten. Zloch gilt amtlich als Rechtsextremist und steht den verfassungsfeindlichen Identitären nahe. Er hat schon länger Kontakt in die Region. Eine seiner örtlichen Bezugspersonen ist offensichtlich Paul Neumann, der für die AfD im Stadrat von Bautzen sitzt und ebenfalls den Identitären nahe steht. (↪ Sächsische, 24.06., ↪ TAG24, 24.06.)


Ulrich Oehme, AfD-Kandidat zur OBM-Wahl in Chemnitz am 20. September, stört sich nach eigenem Bekunden an „arabischen Läden“ in der Innenstadt. Deren angeblich steigende Zahl bewirke, dass anderen Geschäften die Kundschaft fehle und diese dann schließen müssten, sagte er anlässlich seines Wahlkampfauftakts in einem Pressegespräch. Belege nannte Oehme nicht, behauptete aber, dass es zu diesem Thema „Sprechverbote“ gebe. Für seine Bewerbung als Oberbürgermeister hat der derzeitige Bundestagsabgeordnete, der dem verfassungsfeindlichen Flügel nahe steht, inzwischen ein Wahlprogramm vorgelegt. Er wendet sich unter anderem gegen die laufende Bewerbung der Stadt als europäische Kulturhauptstadt. „Ich glaube nicht, dass Chemnitz eine Kulturhauptstadt ist“, sagte er dazu. Als weiteren Schwerpunkt seines Wahlkampfes nannte er die Wirtschaftspolitik. Oehme war kürzlich in die Kritik geraten, weil sich herausstellte, dass ihm die russische Duma vor gut zwei Jahren eine Reise auf die annektierte Krim bezahlt hat. Dort war er als ausschließlich durch Russland anerkannter „Wahlbeobachter“ bei der völkerrechtswidrigen russischen Präsidentschaftswahl tätig und bescheinigte einen reibungslosen Ablauf („Ich war angenehm überrascht“). In der Vergangenheit machte Oehme unterschiedliche Angaben, wer seine Reise bezahlt hat. Dass der Sponsor der russische Staat war, hat er erst spät eingeräumt und will das auch erst hinterher erfahren haben. Inzwischen wurde bekannt, dass zeitgleich mit Oehme einige weitere AfD-Bundestagsabgeordnete als pro-russische „Wahlbeobachter“ tätig geworden sind. Auch sie machen unterschiedliche und teils widersprüchliche Angaben darüber, wer ihre Kosten beglichen hat. (↪ FP, 24.06., ↪ TAG24, 24.06., ↪ Spiegel, 25.06., ↪ Kontraste, 25.06.)


Marco Gbureck, AfD-Kandidat zur OBM-Wahl in Hoyerswerda (Landkreis Bautzen), hat sein Wahlprogramm veröffentlicht. In einem Interview mit der Lausitzer Rundschau erläutert er, dass die Entwicklung einer App „ganz vorne auf der Liste“ stehe, damit „die Leute auch wissen, was los ist“. Der erste Wahlgang wird am 6. September, ein eventuell erforderlicher zweiter Wahlgang am 20. September stattfinden. Gbureck hat sich das Ziel gesetzt, bundesweit erster AfD-Oberbürgermeister zu werden. Er war im vergangenen Jahr in den Stadtrat von Hoyerswerda (Landkreis Bautzen) eingezogen. Das Gremium wählte ihn zuletzt in den Aufsichtsrat des Lausitzer Seenland-Klinikums. Bei der Abstimmung erhielt Gbureck eine Stimme mehr, als die AfD selbst aufbringen kann. Weitere Parteivertreter kamen ebenfalls zum Zug: AfD-Ratskollege Marcel Fröschl zieht in die Gesellschafterversammlung des Klinikums ein, Fraktionschef Michael Ratzing sowie Detlef Degner in den Beirat zweier Tochtergesellschaften. AfD und Klinikum vertragen sich bislang allerdings nicht: Die Einrichtung wirft der Partei vor, in Flugblättern falsche Angaben zu Privatisierungsplänen verbreitet zu haben. Zudem machten AfD-Kommunalpolitiker, darunter Gbureck, zum Beginn der Pandemiezeit von sich reden, als sie gegen das Anraten der Klinik öffentlichkeitswirksam das Gebäude betraten und einen Blumenstrauß für das Personal übergaben. Der Chefarzt konterte damals mit einem Schreiben, in dem er der Partei vorwirft, „sich selbst, unsere Patienten und unsere Mitarbeiter unnötig in Gefahr“ gebracht zu haben. (↪ LR, 24.06., ↪ Sächsische, 25.06.)


Die AfD verliert in Sachsen an Zuspruch. Nach einer repräsentativen Erhebung des Meinungsforschungsinstituts Civey käme die Partei, wenn jetzt Landtagswahl wäre, auf 23,2 Prozent der Zweitstimmen. Damit wäre die AfD nach wie vor zweitstärkste Kraft im Freistaat – hätte im Vergleich zur Landtagswahl im vergangenen Jahr jedoch fast viereinhalb Punkte verloren. Auch andere Umfragen aus der jüngsten Zeit haben bestätigt, dass der Trend in Sachsen nach unten geht. Profiteur ist derzeit vor allem die CDU, die fast zehn Punkte hinzugewinnt und bei derzeit über 40 Prozent steht. (↪ Sächsische, 25.06.)


Gleich zwei Mal hat sich der Landtag in dieser Woche mit Versuchen der AfD befasst, Umstände und Ergebnisse der Landtagswahl im vergangenen Jahr anzufechten. Am Donnerstag fand eine Sitzung des Untersuchungsausschusses statt, den die AfD-Fraktion einsetzen ließ um nachzuweisen, dass im Vorfeld der Wahl von höchster Stelle intrigiert worden sei, um Teile der Landesliste zu streichen. Wegen mutmaßlichen Formfehlern bei der Listenaufstellung durfte die Partei tatsächlich nur mit 30 ihrer ursprüngliche 61 vorgesehenen Kandidierenden antreten und konnte danach einen Platz im Parlament nicht besetzen. Der Ausschuss befragte nun den aktuellen Bundeswahlleiter Georg Thiel und die ehemalige sächsische Landeswahlleiterin Irene Schneider-Böttcher als Sachverständige. Sie beantworteten Fragen der Abgeordneten darüber, wie eine Wahlvorbereitung üblicherweise vonstatten geht; nach Annahme aller demokratischen Fraktionen war es die AfD, die davon grob abgewichen ist und Regularien missachtet hat. Im September will der Untersuchungsausschuss erneut zwei Sachverständige anhören. Offen ist, was danach passiert: Bislang hat die AfD noch keine einzige Zeug*in benannt. Die Fraktion behauptet, dass dem Ausschuss dringend benötigte Unterlagen nicht vorliegen würden, was allerdings nicht stimmt. Ebenfalls mit der Landtagswahl befasste sich am Freitag eine öffentliche Anhörung im Wahlprüfungsausschuss des Landtages. Dort haben die AfD und einige ihrer Kandidierenden, die letztlich nicht zur Wahl antreten durften, Beschwerden eingelegt. Ziel der AfD ist es, nachträglich Extra-Mandate zuerkannt zu bekommen oder gar Neuwahlen zu erzwingen. In der Sitzung wurde nun die Ansicht der anderen Fraktionen deutlich: Sie halten die AfD-Einsprüche für unbegründet und stützen sich auf ein Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichts aus dem Sommer vergangenen Jahres, das die AfD selbst herbeigeführt hatte. Das Gericht ließ kurz vor der Wahl zwar noch einige weitere AfD-Kandidierende zu, attestierte der Partei aber zugleich, bei ihrer Listenaufstellung das Wahlverfahren geändert und damit gegen demokratische Prinzipien verstoßen zu haben. Im Anschluss an die Sitzung warf die AfD dem Ausschuss vor, die Einsprüche „abgewürgt“ und zurückgewiesen zu haben. In Wirklichkeit wurde dazu kein Beschluss gefällt, damit wird frühestens im September gerechnet. Die AfD kündigte bereits an, dann erneut das Verfassungsgericht anzurufen. (↪ FP, 25.06., ↪ FP, 25.06., ↪ Sächsische, 25.06., ↪ MDR, 25.06., ↪ FP, 26.06.)


Der aus Mügeln stammende Rico Winterlich ist neuer Vorsitzender der AfD-Kreistagsfraktion in Nordsachsen. Die Neubesetzung des Postens erfolgte, weil der bisherige Vorsitzende Jörg Hoffmann aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten ist. Sein Nachfolger Winterlich war bislang Vize-Fraktionschef. Als Stellvertreter fungieren fortan Ferdinand Wiedeburg aus Eilenburg und Dominik Buchmann aus Delitzsch. (↪ LVZ-Lokal, 26.06., Printausgabe)


Ralf Krause, AfD-Stadtratsmitglied in Oschatz und Kreistagsmitglied im Landkreis Nordsachsen, ist verstorben. Der Waffenhändler wurde 59 Jahre alt. (↪ LVZ, 26.06.)

AfD rundherum

Sascha Schiwek, bisher Stadtverordneter der AfD im brandenburgischen Oranienburg, ist aus der Partei und ihrer Kommunalfraktion ausgetreten. Sein Mandat will er künftig als Partei- und Fraktionsloser ausüben. Als Begründung nannte er die Einleitung der Beobachtung des brandenburgischen AfD-Landesverbandes duch den dortigen Verfassungsschutz. Schiwek absolvierte bis vor kurzem eine Ausbildung an der brandenburgischen Hochschule der Polizei. (↪ MOZ, 22.06., ↪ MAZ, 23.06.)


Georg Kamrath, bisher Stadtverordneter der AfD im brandenburgischen Neuruppin und Mitglied im örtlichen Kreisvorstand, ist aus der Partei ausgetreten. Zudem verlässt er die zweiköpfige AfD-Kommunalfraktion, die damit aufgelöst ist. In der Stadtverordnetenversammlung sowie auch im Kreistag will Kamrath seine Mandate künftig als Partei- und Fraktionsloser ausüben. Zur Begründung gab er politische und persönliche Differenzen zu anderen AfD-Politiker*innen an. (↪ MAZ, 22.06.)


Die Vorsitzenden der AfD-Landesverbände haben sich am Samstag vor einer Woche unter Ausschluss der Öffentlichkeit in Düsseldorf beraten. Thema waren die jüngsten Entwicklungen in der Partei, darunter die Abwicklung des Flügels und der Umgang mit dem Neonazi Andreas Kalbitz. Das Treffen fand parallel zum medial stark beachteten Bundeskonvent der AfD und ohne Beteiligung des Parteivorstands statt. Auf die ungewöhnliche Zusammenkunft sollen vor allem die ostdeutschen und Flügel-treuen Verbände gedrängt haben, um eine offene Aussprache zu ermöglichen. Für die sächsische AfD nahm der Landesvorsitzende Jörg Urban teil. Mit Björn Höcke fehlte aber ein Kollege aus Thüringen: Er hatte im Vorfeld mitgeteilt, dass bei der Beratung „nicht mit der notwendigen Offenheit der Teilnehmer gerechnet werden kann“ und er daher „schweren Herzens“ nicht teilnehmen werde. Möglicher Hintergrund: Das Treffen arrangierte Rüdiger Lucassen aus Nordrhein-Westfalen, Vorsitzender des mitgliederstärksten Landesverbands. Er hatte sich in der Vergangenheit dem Flügel gegenüber ambivalent verhalten. Im Vorfeld der Düsseldorfer Tagung sagte er jedoch dem Spiegel, er selbst setze auf eine „national-konservative AfD“, nicht jedoch eine völkische Partei; „radikale Tonlagen mit permanenter Doppeldeutigkeit zur NS-Geschichte“ halte er für untragbar. Zudem hatte er mit „Krieg“ gedroht, sollten Flügel-Anhänger*innen weiterhin versuchen, Einfluss in seinem Landesverband zu gewinnen. Ergebnisse des Treffens, bei dem erklärtermaßen keine Beschlüsse gefällt wurden, sind bislang nicht bekannt geworden. (↪ Spiegel, 22.06.)


Daniel Pommerenke, AfD-Stadtverordneter im brandenburgischen Rheinsberg, beklagt sich darüber, „diskriminiert“ zu werden. Er hat in dem Zusammenhang angekündigt, Strafanzeige gegen zwei LINKE-Lokalpolitiker zu erstatten und sich an eine Antidiskriminierungsstelle zu wenden. Hintergrund der Beschwerde: Nachdem der brandenburgische Verfassungsschutz die Beobachtung des AfD-Landesverbandes aufgenommen hat, wurden Forderungen laut, Pommerenke zu kündigen, der bei der Stadt Rheinsberg angestellt ist. Er ist Kreisfunktionär der AfD und steht zudem den verfassungsfeindlichen Identitären nahe. (↪ MAZ, 23.06.)


Der baden-württembergische AfD-Landtagsabgeordnete Klaus Dürr ist tot. Am Samstag vergangener Woche verstarb der 61-Jährige an einer Herzattacke. Er war vor drei Jahren für einen ausgeschiedenen Mandatsträger in den Landtag nachgerückt, in dem die AfD insgesamt 18 Sitze hat. Dürr war dort zuletzt digitalpolitischer Sprecher und Mitglied in den Ausschüssen für Inneres und Kultus. Wer für ihn nachrücken wird, ist noch nicht bekannt geworden. (↪ SB, 23.06.)


Die AfD kann bundesweit kaum noch neue Mitglieder gewinnen. Das zeigen Zahlen, die anlässlich der Auswertung eines Mitgliederentscheids veröffentlicht wurden, bei dem über die Durchführung eines Mitgliederparteitags abgestimmt wurde. Ihre Stimme abgeben konnten dabei alle der 34.023 Mitglieder, teilte die Partei mit. Anfang 2019 und damit fast anderthalb Jahre zuvor hatte sie nach eigenen Angaben noch 33.651 Mitglieder. In der Zwischenzeit wurden folglich netto lediglich 372 neue Mitglieder aufgenommen – trotz zahlreicher Wahlkämpfe in der Zwischenzeit. (↪ BNR, 25.06.)


Die thüringische AfD-Landtagsfraktion ist vorläufig mit dem Versuch gescheitert, juristisch gegen Corona-Beschränkungen der dortigen Landesregierung vorzugehen. Das Thüringer Verfassungsgericht in Weimar wies in dieser Woche einen Eilantrag ab, die Infektionsschutz-Verordnung in dem Bundesland außer Kraft zu setzen und damit unter anderem Pflichten zum Tragen eines Mund-Nase-Schutzes sowie das Abstandsgebot zu kippen. An ihrer Verfassungsklage hält die AfD fest, noch unklar ist, wann darüber verhandelt wird. (↪ MDR, 25.06., ↪ FW, 25.06.)


Die AfD-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus hat nach juristischem Druck ein verleumderisches Video gelöscht. Vor zwei Wochen hatte die Fraktion einen Clip in Umlauf gebracht, in dem unwahre Behauptungen über den LINKE-Politiker Hakan Taş und einen Verkehrsunfall unter Alkoholeinfluss aufgestellt wurden. Die AfD behauptete unter anderem, dass sich der Politiker eine „Verfolgungsjagd“ mit der Polizei geliefert habe und die Unfallfahrt für ihn folgenlos geblieben sei. Das ist aber nachweislich unwahr. Taş erwirkte nun eine einstweilige Verfügung, das Video ist bereits nicht mehr abrufbar. Die AfD räumt ihre Fehler nicht ein, sondern spricht von „Zensur“. (↪ Tagesspiegel, 25.06.)


Die AfD-Fraktion im Stadtrat von Cottbus hat zwei weitere Mitglieder verloren. Bereits im vergangenen Jahr waren drei Mitglieder ausgetreten, ihnen folgen nunmehr Margrit Koal und Dietmar Micklich. Gemeinsam mit Michael Steinberg, einem der früheren Abtrünnigen, wollen sie eine neue Fraktion namens „Gemeinsam für Cottbus“ gründen. Beweggründe für ihren Ausstieg nannten Koal und Micklich sie nicht, offenbar schlugen aber die Richtungskämpfe der Partei bis in den kommunalen Raum durch. Ursprünglich war die AfD-Fraktion in Cottbus mit elf Mitgliedern die stärkste Ratsfraktion, hat sich inzwischen jedoch beinahe halbiert. Durch die neuerlichen Austritte stehen etliche Änderungen bei der Besetzung von Ausschüssen und weiteren Gremien an, zulasten der AfD. (↪ NA, 25.06., ↪ LR, 26.06.)


Die Präsidentin des bayerischen Landtags Ilse Aigner (CSU) hat dem Neonazi Björn Höcke den Zutritt zum Plenarsaal des Landesparlaments und der Besuchstribüne verwehrt. Der AfD-Politiker war am Donnerstag am Münchner Landtag vorgefahren, wo ihn die dortige AfD-Fraktionsvorsitzende Katrin Ebner-Steiner mit einer Umarmung begrüßte. Nach dem vorab nicht angekündigte Eintreffen sagte Aigner: „Herr Höcke muss wissen, dass er als Faschist und jemand, der unter Beobachtung des Verfassungsschutzes steht, hier nicht willkommen ist.“ Als Parlamentarier habe er zwar eine Zugangsberechtigung zum Parlamentsgebäude. Jedoch lasse man ihn nicht in den Plenarbereich hinein. Formaler Grund sind Corona-Regelungen, denen zufolge Einzelbesucher*innen nicht zugelassen sind. Nach Angaben der AfD diente Höckes Visite einem „zwischenfraktionellen Austausch“. Dem Vernehmen nach wussten die meisten Abgeordneten der 20-köpfigen AfD-Fraktion davon aber nichts. Sie haben sich in jüngster Zeit deutlich gegen ihre nominelle Vorsitzende Ebner-Steiner gewandt, die dem verfassungsfeindlichen Flügel zugerechnet wird. (↪ Spiegel, 25.06., ↪ Merkur, 27.06.)


Die AfD-Fraktion im bayerischen Landtag beschäftigt mit Jurij Kofner einen Aktivisten der extrem rechten „Eurasischen Bewegung“. Er soll als wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Fraktion tätig sein. Privat agiert und publiziert der in München wohnhafte Kofner bereits seit Jahren in einem extrem rechten Umfeld. Er propagiert eine russische Vorherrschaft in Europa, ausgehend von Ideen des russischen Neofaschisten Alexander Dugin. (↪ Tagesschau, 26.06.)

Blauzone

In Freital (Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge) ist der Oberbürgermeister Uwe Rumberg gemeinsam mit acht weiteren CDU-Mitgliedern aus der Union ausgetreten. Den Rückzug vollziehen unter anderem auch der bisherige Vorsitzende des CDU-Stadtverbandes Peter Pfitzenreiter, der Fraktionsvorsitzende im örtlichen Stadtrat Martin Rülke und dessen Stellvertreter Jörg Müller sowie der Geschäftsführer der Freitaler Wohnungsgesellschaft, Henryk Eismann. Zur Begründung führen sie in einer gemeinsamen Stellungnahme aus, es habe „immer wieder große inhaltliche Differenzen zu verschiedenen politischen Themen“ gegeben. Zuletzt habe sich zudem der Eindruck verstärkt, dass „kontroverse Diskussionen“ in der örtlichen CDU nicht erwünscht seien. Das Statement düpiert vor allem Roland Wöller, der Kreisvorsitzender der CDU und zugleich sächsischer Innenminister ist. Zuletzt hatte Rumberg, der bereits seit Jahren als Rechtsausleger der CDU galt, öffentlich die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie kritisiert. Bei einer Parteisitzung Anfang Juni soll es zu einem Eklat gekommen sein, wie die Sächsische Zeitung notiert: „Dort stand ein Positionspapier zur Diskussion, in dem der Landes- und Bundespolitik beim Krisenmanagement Versagen vorgeworfen wird. Auch ist von Verstößen gegen die Grundrechte und nach einer ‚politischen Aufarbeitung‘ im Landtag als Forderung die Rede. In weiten Teilen ist das Papier kompatibel mit AfD-Positionen.“ Vier der Ausgetretenen, darunter Rumberg, waren bisher auch Mitglied der CDU-Fraktion im Kreistag. Offen ist, ob sie sich einer anderen Fraktion anschließen werden. Die AfD signalisierte bereits die Bereitschaft zur Zusammenarbeit. AfD-Fraktionsvorsitzender ist Steffen Frost, der bereits vor einigen Jahren von der Freitaler CDU zur AfD übergelaufen war. Mehrere der jetzt Ausgetretenen betonen inzwischen, dass sie einen Wechsel zur AfD nicht beabsichtigen würden. (↪ Sächsische, 22.06., ↪ MDR, 23.06., ↪ Sächsische, 23.06., ↪ Sächsische, 23.06., ↪ Sächsische, 25.06., ↪ DNN, 26.06., ↪ Sächsische, 26.06.)

Stimme & Haltung

Die CDU-Stadtratsfraktion in Leipzig hat bekräftigt, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten. „Die AfD ist für uns kein Partner. Sie ist keine Partei, mit der wir zusammenarbeiten können“, sagte der Vize-Fraktionsvorsitzende Michael Weickert. Die AfD habe „den Boden der Bürgerlichkeit und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung verlassen“. Anlass dieser Abgrenzung ist die letzte Ratssitzung, bei der ein Antrag diskutiert und schließlich beschlossen worden ist, Todesopfern rechter Gewalt offiziell zu gedenken. AfD-Stadtratsmitglied Roland Ulbrich, der auch im Landtag sitzt, sprach in dem Zusammenhang von „Edeltodesopfern“ und rechnete vor, dass es „nur“ 0,33 Todesopfer rechter Gewalt pro Jahr gebe. Noch in der Sitzung distanzierten sich andere Fraktion, darunter auch die CDU, von diesen Ausführungen. (↪ LVZ, 23.06.)


Das Evangelische Studienwerk hat in einem Positionspapier vor einem Bedeutungsgewinn der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung (DES) gewarnt. Sollte die AfD auch in der nächsten Wahlperiode im Bundestag vertreten sein, könnte die DES „Anspruch auf staatliche Fördermittel für eine politische Stiftung erheben und mit Steuermitteln Bildungsarbeit und Begabtenförderung im Sinne der politischen und ideellen Ziele der AfD finanzieren.“ Die DES würde sich dann voraussichtlich um die „Herausbildung einer intellektuellen Elite“ bemühen, die sich „zumindest in Teilen nicht den zentralen Werten des Grundgesetzes verpflichtet sieht.“ Diese Entwicklung sehe man mit Sorge und schließe daher jegliche Kooperation bereits jetzt aus. Das Evangelische Studienwerk ist das Begabtenförderungswerk der evangelischen Kirchen in Deutschland und vergibt unter anderem Stipendien an Studierende. (↪ Migazin, 25.06.)


Der bayrische Ministerpräsident und CSU-Vorsitzende Markus Söder hat seinen eigenen zurückliegenden Umgang mit der AfD kritisiert. Den Versuch einer inhaltlichen und sprachlichen Annäherung, mit der die CSU vor allem im Bayern-Wahlkampf vor zwei Jahren von sich reden machte, nennt er nun einen „schweren Fehler“ und eine „falsche Strategie“. Als falsch erachte er auch, damals selbst von „Asyltourismus“ gesprochen zu haben, um an ein Wahlkampfthema der AfD anknüpfen zu können. Er habe inzwischen erkannt, dass es so nicht möglich sei, Wähler*innen zurückzugewinnen. Aus seiner jetzigen Sicht sei die AfD „nichts anders mehr als eine NPD“, man müsse sie daher „richtig bekämpfen“. (↪ n-tv.de, 25.06.)

Hintergrund

Das Bundesinnenministerium hat die Vorstellung des Verfassungsschutzberichts für das Jahr 2019 verschoben. Nach ursprünglicher Planung sollte der Bericht, der Erkenntnisse des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) enthält, am Dienstag in Berlin vorgestellt werden. Am Vorabend sagte das Ministerium den Termin jedoch kurzfristig und ohne Angabe von Gründen wieder ab. Zuvor war bereits publik geworden, dass der Bericht einen erheblichen Anstieg der Zahl sogenannter Rechtsextremisten ausweisen wird, von bislang rund 24.000 auf jetzt mehr als 32.000. Hauptursache dafür ist die Einberechnung der Anhänger*innen des verfassungsfeindlichen Flügels. Dass diese Parteiströmung ebenso wie die AfD-Nachwuchsorganisation Junge Alternative im Bericht erwähnt werden darf, war erst vor kurzem juristisch ausgefochten worden. Im Zuge der abgeschmetterten Eilklagen der AfD war außerdem bekannt geworden, dass das Innenministerium zunächst beabsichtigt hatte, AfD-Strukturen aus dem neuen Bericht herauszuhalten. Das BfV setzte sich jedoch mit der gegenteiligen Auffassung durch. (↪ Spiegel, 22.06., ↪ RND, 23.06.)


Der Präsident des Reservistenverbandes der Bundeswehr Patrick Sensburg, der auch Bundestagsabgeordneter der CDU ist, hat ein verstärktes Vorgehen seines Verbands gegen Anhänger*innen der extremen Rechten angekündigt. Hintergrund sich Medienrecherchen, wonach sich Reservisten, die zugleich der Leipziger Burschenschaft „Germania“ angehören und teils für die AfD tätig sind, Vorbereitungen für einen „Rassenkrieg“ getroffen haben sollen. Er sei deshalb der Auffassung, „dass wir uns alle knapp 115.000 Mitglieder noch einmal angucken müssen“, sagte Sensburg. Man habe sich in dem Zusammenhang bereits an Sicherheitsbehörden gewandt und „in dem konkreten Fall um Unterstützung gebeten“ – jedoch bislang „keine inhaltlichen Erkenntnisse bekommen“. Sensburgs Auffassung nach sollten insbesondere auch Flügel-Mitglieder den Verband verlassen. Zuletzt war der Neonazi Andreas Kalbitz ausgeschlossen worden. (↪ TAZ, 23.06.)


Die AfD hat im Rechtsstreit um die Spendenaffäre des heutigen Bundesvorsitzenden Jörg Meuthen überraschend klein beigegeben. Das wurde bei einer Sitzung des Bundesvorstands der Partei am Freitag mit acht Ja-Stimmen, drei Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen beschlossen. Demnach wird die AfD entgegen bisheriger Ankündigungen keine Rechtsmittel gegen ein Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom Anfang des Jahres einlegen. Dorthin hatte sich die Partei gewandt, um sich gegen die Strafzahlung in Höhe von 269.400 Euro zu wehren, die durch die Bundestagsverwaltung verhangen worden ist. Grund ist eine illegale Wahlkampfspende, die Meuthen im Landtagswahlkampf 2016 zugute gekommen war. Das Gericht urteilte, dass Meuthen damals fahrlässig und schuldhaft gehandelt habe. Die Strafe, von deren „Unrechtmäßigkeit wir alle zutiefst überzeugt sind“, muss nun zuzüglich Anwaltskosten in Höhe von rund 50.000 Euro aus der Parteikasse beglichen werden. Meuthen gibt dazu an, er wolle verhindern, dass die Spendenaffäre, die er eine „Aufbauschung“ nennt, sich bis ins kommende Wahljahr zieht. Er besteht bis heute darauf, vom Hintergrund und dem Ausmaß der Unterstützung, die durch die Schweizer PR-Firma Goal AG geleistet worden war und die heute als illegale Parteispende gewertet wird, nichts Genaueres gewusst zu haben. An Meuthens Darstellung bestehen aber erhebliche Zweifel: Kürzlich legte sein früherer Wahlkampfleiter Ralf Özkara eine eidesstattliche Versicherung vor, der zufolge Meuthen von der Unterstützung aus der Schweiz gewusst und sie damals schon als „ein bisschen heikel“ bezeichnet habe. Der Illegalität könnte er sich demnach bewusst gewesen sein. Durch das Ende des Rechtsstreits wird dieser Widerspruch nicht mehr aufgeklärt werden. Der völkisch-nationalistische Flügel, der Özkaras Erklärung in Umlauf gebracht hatte, um Meuthen unter Druck zu setzen, wertet das als eine Art Schuldeingeständnis. Weiter ungeklärt bleibt nun auch die wirkliche Herkunft der Spendenmittel, die über mehrere Strohleute geleitet worden waren. Vieles deutet auf den Duisburger Immobilienmilliardär Henning Conle hin, der sich auf Medienanfragen nicht äußert. Meuthen wiederum macht bis heute keine Angaben dazu, ob er Verbindungen zu Conle hat. (↪ Correctiv, 23.06., ↪ RND, 26.06., ↪ Spiegel, 26.06.)