Presseschau, 16. Kalenderwoche 2020

AfD in Borna und Gohrisch, Flügel in Hessen, Attacke auf Kirchen, Ausschlussverfahren gegen Seifen, Beobachtung in Mecklenburg-Vorpommern, Beschwerden von Gedeon und Räpple, Staatsfunk für Brandner, Compact-Magazin im Visier, FritzFeed, reuiger Spender, schwarz-blaue Avancen in Sachsen-Anhalt, Zufriedenheit mit Corona-Maßnahmen, keine Einschränkung von Parteispenden, Unterwanderung der Zivilgesellschaft. Das war diese Woche wichtig:


In der Presseschau informiert idas jeden Sonntag über lesenswerte Medienberichte und Recherchen rund um die AfD, die im Laufe der Woche erschienen sind.


AfD in Sachsen

Ein merkwürdiger Effekt: Bei sämtlichen Nutzer*innen von Facebook, die auf ihrem Profil als Geburts-, Wohn- oder Arbeitsort die Stadt Borna (Landkreis Leipzig) angegeben haben, war für mehrere Tage nicht mehr das automatisch eingeblendete Stadtwappen zu sehen, sondern ein AfD-Logo. Nach etlichen Beschwerden wurde das Bild wieder entfernt. Wie es zu dem Austausch der Grafik gekommen ist, wurde bislang nicht bekannt. (↪ LVZ, 14.04.)


Maik Franke, bisher Mitglied des Gemeinderats in Gohrisch (Sächsische Schweiz-Osterzgebirge), will sein Mandat niederlegen. In einem Antrag begründet der Unternehmer das mit der Corona-Pandemie, die ihm keine Zeit für die Gemeindearbeit lasse. Franke war im August 2019 als parteiloser Bewerber in das Gremium eingezogen und hat dort gemeinsam mit dem AfD-Mann Heiko Ziegenbalg die Fraktion „Alternative Zukunft Gohrisch“ gebildet, die nun aufgelöst werden muss. Ziegenbalg kann künftig keine Anträge mehr stellen, einer anderen Fraktion will er sich nicht anschließen. Ein weiterer AfD-Vertreter im Gemeinderat, Mike Herrmann, gehört der „Überparteilichen Fraktion“ an, an der auch CDU und Grüne beteiligt sind. Möglicher Hintergrund von Frankes Rückzug: Er soll sich mit dem parteilosen Bürgermeister Christian Naumann überworfen haben, der Anfang des Jahres gewählt worden ist. Franke und die AfD hatten dessen Kandidatur unterstützt. (↪ Sächsische, 16.04.)

AfD rundherum

Anhänger*innen des völkisch-nationalistischen Flügels in Hessen haben angekündigt, ihre regionalen Strukturen aufzulösen. Die sogenannte Obfrau des Flügels war bisher die Europaabgeordnete Christine Anderson, eine frühere Pegida-Aktivistin. Einflussreich zudem: der Landtagsabgeordnete Andreas Lichert, ein bedeutsamer Aktivposten im neurechten Spektrum, der seit Jahren in engem Kontakt mit der Identitären Bewegung steht. Der Aufforderung der Landesspitze, den Flügel in Hessen abzuwickeln, kommen sie augenscheinlich nach – während die Flügel-Anführer Björn Höcke und Andreas Kalbitz behaupten, es gäbe gar keine Flügel-Strukturen, die man auflösen könnte. (↪ DRR, 14.04.)


Nach einem Vorschlag der AfD sollen die evangelische und die katholische Kirche auf Einnahmen aus der Kirchensteuer verzichten. Mit den Mitteln sollten die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie abgefangen werden, so der Vorschlag der stellvertretenden AfD-Bundessprecherin Beatrix von Storch. Ihrer Idee liegt allerdings kein sozialer Gedanke zugrunde, sondern Revanche: Die Politikerin reagiert damit auf einen Vorstoß des Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, der besonders jene Personen zur Solidarität aufgefordert hatte, „denen es finanziell gut geht“. In der AfD hält man das für „Marxismus“. Sowohl Vermögensabgaben, als auch die Erhöhung von Steuern auf Einkommen lehnt die Partei ab. (↪ katholisch.de, 14.04.)


Der Vorstand des AfD-Bezirksverbandes Münster hat einstimmig ein Ausschlussverfahren gegen den ehemaligen nordrhein-westfälischen Landesvorsitzenden Helmut Seifen beantragt. Das Schiedsgericht muss sich nun mit dem Antrag befassen. Hintergrund ist die Veröffentlichung eines rassistischen Ausmalbuches für Kinder durch die nordrhein-westfälische AfD-Landtagsfraktion. Seifen soll an der Erstellung beteiligt gewesen sein. Ihm wird außerdem vorgeworfen, sich in Chats negativ über andere Parteimitglieder geäußert und einen Vortrag gehalten zu haben, „in dem er die Rheotorik von ultrarechten Parteivertretern mit denen von Funktionären aus der NS-Zeit verglich.“ Seifen selbst hält den Ausschlussantrag für ein Manöver von Anhänger*innen des Flügels, über den er sich wiederholt kritisch geäußert hat. (↪ WDR, 16.04.)


Der Verfassungsschutz in Mecklenburg-Vorpommern hat angekündigt, den Flügel auch nach dessen vorgeblicher Auflösung zu beobachten. „Es ist nicht davon auszugehen, dass diese organisatorische Maßnahme die ,Flügel’-Protagonisten davon abhält, ihre politischen Ziele zu verfolgen“, heißt es aus dem Innenministerium in Schwerin. Der Strömung wird in dem Bundesland eine mittlere zweistellige Personenzahl zugerechnet. Dazu gehört unter anderem der Landtagsabgeordnete Ralph Weber, ein Universitätsprofessor. Der Fraktionsvorsitzende Nikolaus Kramer gilt als Sympathisant, er ist von Beruf Polizeibeamter. Beiden Politikern droht eine Entfernung aus dem öffentlichen Dienst. Innenminister Lorenz Caffier (CDU) kündigte zudem an, Anhänger*innen der Flügels zu entwaffnen. (↪ Ostsee-Zeitung, 17.04.)


Die beiden baden-württembergischen Landtagsabgeordneten Wolfgang Gedeon und Stefan Räpple, die Ende März aus der AfD ausgeschlossen worden sind, wollen sich gerichtlich zur Wehr setzen und erreichen, in der Partei verbleiben zu können. Gedeon wurde durch das Bundesschiedsgericht wegen antisemitischer Äußerungen ausgeschlossen, Räpple durch das Landesschiedsgericht. Ihm lagen unterschiedliche Provokationen und seine Nähe zu extrem rechten Vereinigungen zur Last. Für Schlagzeilen hatte er im November 2019 gesorgt, als er in Zwickau gegen eine Gedenkveranstaltung anlässlich des Jahrestages der Enttarnung des „Nationalsozialistischen Untergrundes“ (NSU) protestierte. In einem Facebook-Beitrag sprach er von einem „Fake-NSU-Blödsinn“. (↪ DRR, 17.04.)


Der thüringische AfD-Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner, der auch Mitglied des Bundesvorstands der Partei ist, hat das bis Ende August geltende Verbot von Großveranstaltungen kritisiert. „Das Veranstaltungsverbot trifft faktisch nur die AfD“, sagte Brander, der als Flügel-nah gilt. Ziel des Verbots sei es, die Partei „mundtot“ zu machen, zumal es ihr im Gegensatz zu allen anderen Parteien regelmäßig gelinge, ein großes Publikum anzuziehen. Als Ausgleich zu der angeblich gezielten Benachteiligung müsse der öffentlich-rechtliche Rundfunk verpflichtet werden, „sämtlichen im Bundestag vertretenen Parteien, analog der Regelungen zur Werbung vor Wahlen, angemessene Sendezeiten einzuräumen“. Beispeislweise könnten „sachliche Werbefilme“ der Parteien ausgestrahlt werden. Eine Rechtsgrundlage für eine solche Verpflichtung besteht nicht. Brandners Vorschlag würde die öffentlich-rechtlichen Medien faktisch zu einem „Staatsfunk“ umfunktionieren. Genau diesen Vorwurf erhebt die AfD regelmäßig gegen die gebührenfinanzierten Sendeanstalten. (↪ n-tv, 16.04., Volksverpetzer, 18.04.)

Blauzone

Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat erstmals öffentlich Gründe für die Einstufung der Zeitschrift Compact als sogenannter Verdachtsfall genannt. Auf Anfrage der TAZ teilte die Behörde mit, dass das Magazin Pauschalvorwürfe gegen Migrant*innen und Muslime erhebe und den Islam als „permanente Gefahrenquelle und Bedrohung“ darstelle. Zudem werde Zuwanderung beständig mit „Kriminalität, Terror und Islamisierung“ verbunden. Hinzu kämen „antisemitische Verschwörungstheorien“ und ein „revisionistisches Geschichtsbild“ in Bezug auf den Zweiten Weltkrieg. Die monatlich erscheinende Zeitschrift habe Verbindungen zu „eindeutig rechtsextremistischen Bestrebungen“ – darunter ist auch der Flügel. Mitte März hatte das BfV über die Einstufung der völkisch-nationalistischen Parteiströmung als Beobachtungsobjekt informiert und dabei auch auf die Rolle von Compact hingewiesen. Die Befassung mit dem Heft soll das brandenburgische Landesamt für Verfassungsschutz angeregt haben. Dort heißt es, die Zeitschrift verbreite eine Ideologie mit „erheblichem Anknüpfungspotenzial für Teile der rechtsextremistischen Szene“. Als Chefredakteur habe Jürgen Elsässer diese Entwicklung „vollumfänglich zu verantworten“. (↪ TAZ, 15.05.)


Mit FritzFeed hat die „alternative“ Medienlandschaft seit Anfang April neuen Zuwachs bekommen. Das Portal, das sich gezielt an Jugendliche richtet, imitiert das Online-Magazin Buzzfeed. Allerdings gibt es eine klare politische Schlagseite, inbegriffen rassistische, muslim- und frauenfeindliche Inhalte – und eine deutliche Anbindung an die AfD. Hinter dem Projekt steht Christian Schäler, der in der Vergangenheit für die AfD im nordrhein-westfälischen Landtag tätig war. Unterstützt wird er durch den Abgeordneten Roger Beckamp. FritzFeed macht nicht kenntlich, wer die Autor*innen der Artikel sind. Doch nach aktuellen Recherchen sind unter ihnen aktive Mitglieder der AfD und der Jungen Alternative, zudem ein Anhänger der Identitären Bewegung sowie ein ehemaliger Redakteur des Compact-Magazins. (↪ Bento, 11.04., ↪ Netzpolitik, 12.04., ↪ WDR, 14.04., ↪ Belltower News, 15.04., ↪ DLF, 16.04.)


Der Berliner Immobilien-Unternehmer Christian Krawinkel, der im Februar insgesamt 100.000 Euro an den thüringischen AfD-Landesverband überwiesen hat, bereut seine Spende. Sie sorgte für Aufsehen, da sie zwei Tage nach der Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich (FDP) ergangenen ist, der mithilfe der AfD kurzzeitig Ministerpräsident geworden war. Es handelte sich zudem um die größte Einzelzuwendung an die Partei seit vier Jahren. Krawinkel, der sich als „rechtsliberal“ bezeichnet, gibt dazu an, er habe erst hinterher begriffen, „wie leichtfertig Herr Höcke mit völkischem Gedankengut umgeht.“ Es sei ihm jedoch bekannt gewesen, dass Höcke „teilweise rechtsextremistisch“ sei. Zunächst habe er erwogen, für Kinderheime zu spenden. Dann aber habe er „Gott gebeten, mir ein Zeichen zu geben“ – so fiel seine Wahl auf Höcke. Angehörige Krawinkels distanzierten sich damals und sammelten ihrerseits Geld – und zwar für einen guten Zweck. (↪ Focus Online, 16.04., ↪ Focus v. 18.04., S. 35)


Gut ein Jahr vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt wachsen die Sorgen, dass sich die dortige CDU einer Zusammenarbeit mit der AfD öffnen könnte. Beide Parteien liegen in Umfragen nah beieinander. Der Fortbestand der in CDU-Kreisen unpopulären Kenia-Koalition ist dagegen fraglich. Schon früher haben einzelne Unions-Politiker*innen über die Vorzüge eines schwarz-blauen Bündnisses oder auch einer durch die AfD tolerierten CDU-Minderheitsregierung nachgedacht. (↪ TAZ v. 18./19.04., S. 8/9)

Stimme & Haltung

Die Mehrheit der Bundesbürger*innen ist zufrieden mit dem Umgang der Bundesregierung mit der Pandemie. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage des Instituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur. Demnach halten 66 Prozent die Maßnahmen für „eher positiv“, deutlich mehr als zwei Wochen zuvor (54 Prozent). Zugleich fiel der Anteil der Unzufriedenen von 38 auf 27 Prozent. Die überwiegende Zustimmung ist parteiübergreifend zu beobachten – mit Ausnahme der AfD. Von deren Anhänger*innen sind 52 Prozent unzufrieden und nur 45 Prozent zufrieden. Allerdings ist die Zustimmung zum Regierungskurs zuletzt deutlich gewachsen: Zwei Wochen zuvor waren noch 68 Prozent der AfD-Wähler*innen eher unzufrieden gewesen und nur 27 Prozent zufrieden. (↪ DPA, 11.04.)

Hintergründe

Pläne der Bundesregierung, fragwürdige Parteispenden durch eine Gesetzesreform zu unterbinden, sind offenbar auf Eis gelegt worden. Eigentlich sollten noch vor der nächsten Bundestagswahl Grauzonen beseitigt werden, durch die eine Partei „im Wahlkampf zum Beispiel durch Plakate, Zeitungen oder Websites von Dritten unterstützt“ werden kann, „ohne dass dies in den Rechenschaftsberichten auftaucht“. Bei der AfD war das mehrfach vorgekommen. Neuregelungen sollten vor allem Transparenz schaffen, faire Bedingungen für alle Parteien gewährleisten und den Spielraum für Finanztricks verengen. Doch die Große Koalition verfolgt das Projekt derzeit – unabhängig von der Pandemiekrise – offenbar nicht weiter. (↪ t-online.de, 13.04.)


Aus den Reihen der AfD gibt es immer wieder Versuche, Vereine, Verbände und Stiftungen zu infiltrieren und damit Einfluss auf die Zivilgesellschaft zu gewinnen. Ein Beispiel ist Ulrich Szepat, der vor einigen Jahren in Brandenburg an der Havel Mitglied der AfD geworden war. Die Partei hat er wieder verlassen. Nach einem Umzug tauchte er wieder auf: zum einen als Parteiloser in der AfD-Stadtratsfraktion im sachsen-anhaltischen Wernigerode. Zum anderen als Mitglied im Berliner Verein „Gesicht zeigen!“, in dem er sich als Kämpfer gegen Rechts präsentieren wollte. Davon ist er in Wirklichkeit weit entfernt, Szepat wurde gar zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er den Hitlergruß gezeigt hat. Auch andernorts berichten Engagierte über Versuche der AfD, einen Fuß in die Tür zu bekommen. Dazu gehörten wiederholt auch Spendenangebote an Wohlfahrtsverbände. (↪ DLF, 14.04.)